Protocol of the Session on April 26, 2006

Drittens: Wenn ich höre, dass die Laufzeit der jetzigen Kernkraftwerke verlängert werden soll, dann läutet bei mir im Hinterkopf: "und neue sollen gebaut werden". Wenn ich dann den Wirtschaftssenator höre, dass in die Erforschung weiterer Sicherheitstechnologien investiert werden soll, dann kann das nur denselben Zweck haben. Man muss aber auch berücksichtigen, wie die Entsorgung der ganzen Geschichte aussieht, was die in Wirklichkeit kostet und wer diese Kosten übernimmt. Dieser Punkt müsste näher betrachtet werden.

Alles in allem bleibt für mich unter dem Strich nur das Resümee, das auf diesem Button steht, das lautet: "ATOMKRAFT NEIN DANKE".

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Maaß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator Uldall und auch Herr Mattner, ich will auf einen Aspekt eingehen, den Sie eingefordert haben, nämlich die Frage nach den Alternativen zum Atomstrom. Die erneuerbaren Energien sind durchaus leistungsfähiger, als Sie es hier dargestellt haben. Es hat gerade gestern eine Veröffentlichung zum derzeitigen Ausbau der erneuerbaren Energien gegeben. Wenn Sie dieses Tempo nehmen und das fortschreiben, waren das im vorletzten Jahr bei Solar 600 Megawatt zusätzlich installierte Leistung, bei Windkraft 1800 Megawatt und bei Biomasse auch noch einmal einige hundert Megawatt. Bei Biomasse wird das in den nächsten Jahren sogar noch deutlich mehr werden.

Aber wenn wir nur mal einfach dieses Ausbautempo zugrunde legen, dann sind wir im Jahr 2016 bereits bei einer Stromproduktion aus erneuerbaren Energien, die höher ist als das, was Atomenergie jährlich zu seiner besten Zeit ins deutsche Netz eingespeist hat. Das heißt, im Jahr 2016 können wir bereits alle Atomkraftwerke durch erneuerbare Energien ersetzen. Und wenn fünf Jahre später, im Jahr 2023, hoffentlich das letzte Atomkraftwerk auch wirklich vom Netz geht, dann werden wir natürlich mit erneuerbaren Energien auch fossile Ressourcen ersetzen können. Wenn Sie noch dazunehmen, was an Einsparungen alleine dadurch möglich ist, dass wir im gleichen Zeitraum Energieeffizienzmaßnahmen ergreifen, dann erreichen Sie alleine durch Energieeinsparungen und erneuerbare Energien die Kyoto-Ziele, und zwar ohne dass Sie von Atomkraft abhängig sind. Herr Mattner und Herr Uldall, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wenn Sie im Übrigen die abgeschriebenen Atomkraftwerke länger am Netz lassen, dann ist das nicht nur eine Gefahr für die Sicherheit – Sie wissen nicht, wohin mit dem Atommüll, mein Kollege Kerstan hat das angesprochen –, sondern auch eine Barriere für neue Energien, auch für effiziente fossile Kraftwerke. Kein Kraftwerk, egal welches, kann zu so günstigen Konditionen Strom produ

zieren wie ein abgeschriebenes Atomkraftwerk. Dagegen kann man nicht an, da werden Sie keine Investoren finden, die für diesen Zeitraum Geld in die Hand nehmen, um damit zu konkurrieren. Deswegen verhindert die Verlängerung der Laufzeiten sogar noch den Einstieg in die erneuerbaren Energien und in die Energieeffizienz.

Nehmen Sie einmal den Punkt Arbeitsplätze; Herr Mattner, Sie hatten das angesprochen. Sie haben gesagt, in Deutschland gäbe es derzeit ungefähr 660 000 Arbeitsplätze in der Strombranche. Ein paar Dutzend kennen Sie wahrscheinlich ganz gut, Ihr Kollege Laurenz Meyer ist auch einer von denen. Er sitzt für Sie im Bundestag, ist wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion und wurde noch bis vor kurzem von RWE bezahlt. Ein paar dieser Arbeitnehmer kennen Sie ganz gut und da wundert es mich, ehrlich gesagt, auch nicht, welche Energiepolitik Sie hier betreiben, wenn Sie solche Leute haben, die die Energiepolitik für Sie machen. Aber was sind denn die übrigen, die nicht von RWE bezahlt werden und im Bundestag sitzen?

(Dr. Andreas Mattner CDU: Wer wird von wem be- zahlt?)

170 000 von diesen Leuten sind in den Branchen der erneuerbaren Energien tätig und davon viele, viele hunderte, sogar bis zu 2000, in Hamburg und das müssen wir fördern. Wir müssen doch die heimischen Energieträger fördern und dafür sorgen, dass nicht jährlich 53 Milliarden Euro für den Import von Uran, Öl, Gas oder Kohle aus der Volkswirtschaft ins Ausland fließen, sondern wir wollen möglichst viel von diesem Geld in unserer Volkswirtschaft behalten. Genau das ist doch der Clou, wenn wir über Arbeitsplätze und erneuerbare Energien reden, dass dieses Geld in Deutschland angelegt wird und deutsche Arbeitsplätze schafft, unter anderem in Hamburg, und das haben Sie ein bisschen vergessen, Herr Mattner.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Engels.

Frau Präsidentin! Ich will kurz auf einen Punkt von Herrn Kerstan eingehen. Sie haben behauptet, in der CDU denke niemand über die Klimakatastrophe, über alternative Energien und so weiter nach. Als ich noch in der Jungen Union gewesen bin – das ist also sehr, sehr lange her und da gab es die Grünen noch gar nicht –, da hatten wir in Regensburg einen so genannten Deutschlandtag der Jungen Union. Wissen Sie, um was es da ging? Da ging es um die Schadstofffreihaltung der Luft und das ist auch ein Thema der Klimapolitik.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Sehr weit sind Sie damit nicht gekommen!)

Da gab es die Grünen noch gar nicht und wir hatten das Thema schon. Im Übrigen auch die Sozialdemokraten, Willy Brandt zum Beispiel. Verbreiten Sie hier bitte keine Märchen, es ist einfach nicht wahr.

(Beifall bei der CDU)

Ein zweiter Punkt – und deswegen bin ich vor allen Dingen nach vorne gegangen – zu den Äußerungen von Herrn Maaß,

(Frank-Thorsten Schira CDU: Das war maßlos!)

was die Möglichkeiten der regenerativen Energien und des Energiesparens anbetrifft. Im Moment haben wir – Gott sei Dank – natürlich ein schwunghaftes Wachstum. Das ist auch gut so, das haben wir auch begrüßt und auch aus unserer Fraktion kamen entsprechende Anträge zu mehr Windenergie.

(Christian Maaß GAL: Das wüsste ich aber!)

Jetzt wollen wir mal ein bisschen in der Logik bleiben. Ich hatte vorhin vom kühlen Kopf gesprochen.

Das momentane Wachstum einfach linear nach oben fortzusetzen, kommt zu absolut unsinnigen Schlussfolgerungen. Jedes Wachstum hat natürlich irgendwann einmal eine Begrenzung der Wachstumssteigerung. Sie müssen auch mit überlegen, dass es insbesondere bei der Windenergie – unter anderem aufgrund einer sehr hoher mechanischer Beanspruchung – schlicht und ergreifend nicht zu einer ewigen Lebensdauer dieser Energie kommen kann. Mit anderen Worten: Ich bleibe bei den Aussagen, die von allen wissenschaftlichen Instituten geteilt wird. Man kann noch über plus/minus X Prozent streiten, aber ich beleibe dabei: Wenn wir bis 2020 20 Prozent der Energie damit decken können, dann haben wir bereits einen großen Erfolg gehabt. Auch wenn es meinetwegen 25 Prozent sind, bedeutet das immer noch eine Lücke von 75 Prozent.

(Bernd Reinert CDU: Richtig!)

Dieses Problem hat die Opposition heute absolut nicht im Auge und verwischt es immer wieder und dies geht nicht. Wir müssen zu einer vernünftigen Energiediskussion kommen und die Frage beantworten, wie wir diese 75 Prozent abdecken wollen. Sie decken sie im Moment nur mit verbrennbaren Energien ab, also mit Erdöl, mit Kohle und Steinkohle. Sie laufen mit dieser Politik erstens in die Nichterfüllung des Kyoto-Protokolls hinein – das hat Senator Uldall bereits gesagt – und zweitens sind Sie letzten Endes laufende Unterstützer der schleichenden und möglicherweise dann galoppierenden Klimakatastrophe und dies wollen wir nicht. Das wollen wir auch in unserem Denken nicht ausschalten. Wir müssen über weitere Alternativen nachdenken und die haben Sie hier nicht geboten. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Dr. Schaal.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Stehr, ich wollte noch einmal auf Ihren Vergleich zwischen Rauchen und dem radioaktiven Fallout, den es gegeben hat, eingehen. Ich finde es richtig zynisch, was Sie da sagen. Es gibt einen gravierenden Unterschied: Das Rauchen können Sie aufgeben, das können Sie einstellen, aber wenn der Fallout kommt, und wenn er nicht aus Tschernobyl kommt, sondern sich vielleicht vor unseren Türen ereignet – Brunsbüttel ist ja als Schrottreaktor bekannt –, dann können Sie bestenfalls das Atmen einstellen, aber sich sonst nicht vor dem Fallout schützen. Insofern ist das zynisch, was Sie sagen.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan GAL)

Herr Uldall hat gesagt, dass es auch unter der CDU einen Kompromiss mit den Versorgungsunternehmen über den Ausstieg aus der Kernenergie geben sollte und dass

dieser Kompromiss aber einer anderen Rationalität folgen soll. Ich frage mich allerdings welcher,

(Bernd Reinert CDU: Das hat er doch gesagt!)

denn das, was im Atomkonsens zwischen den großen atomstrombetreibenden Unternehmen und der damaligen Bundesregierung ausgehandelt und festgelegt wurde, folgt dem Kompromiss, dass die Atomkraftwerke, die älter sind und deren Sicherheitstechnik nicht mehr so hervorragend ist, abgeschaltet werden. Als nächstes Kraftwerk ist vor unserer Haustür Brunsbüttel dran. Das wird ungefähr 2009 oder 2010 sein, wenn zwischendurch noch mehr Pannen geschehen und der Reaktor noch einmal abgeschaltet werden muss. Der Kompromiss hat also schon seine Rationalität und ich frage mich, welche andere Sie dann haben wollen.

Außerdem setzt der Konsens zwischen der Wirtschaft und der Politik auch einen sicheren Rahmen für die Weiterentwicklung anderer alternativer Energien. Ich finde, Sie sollten Ihre Bundeskanzlerin, die sich wirklich rührend bemüht, den Koalitionsvertrag einzuhalten, nicht dauernd dadurch desavouieren, dass Sie ständig davon reden, dass man jetzt doch andere Wege in der Energiepolitik gehen sollte.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Herr Mattner hat darauf verwiesen, dass man als Bürger oder als Verbraucher in der Energiepolitik nichts tun könne. Ich sage Ihnen, dass Sie eine ganze Menge tun können, Herr Mattner. Sie können als Erstes den Stromhersteller wechseln,

(Barbara Ahrons CDU: Der Strom kommt aus der Steckdose, oder wie!)

Sie können zu einem Anbieter gehen, der seinen Strom nicht aus Atomkraftwerken herstellt, sondern seinen Strom aus Erneuerbarer Energie oder Kraft-WärmeKopplung herstellt. Dieser Strom kommt auch aus der Steckdose, Frau Ahrons. Keine Angst, das macht die Sache nämlich so bequem.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Barbara Ahrons CDU: Ne, das haben wir eben nicht verstanden!)

Sie können auch Strom sparen, indem Sie sich zum Beispiel einen Schalter kaufen und ihren Fernsehapparat vom Standby wegnehmen. Wenn das alle Menschen in dieser Republik machen, brauchten wir zum Beispiel ein Kernkraftwerk weniger.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Man kann also durchaus etwas tun. Das sind ganz kleine Dinge und das sollten wir auch tun. Nur auf diese Art und Weise können Sie dann auch die Kernkrafthersteller in ihre Schranken weisen und ihre marktbeherrschende Stellung langsam aufweichen.

Herr Uldall hat darauf hingewiesen, dass die sichere Technik Geld kostet. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es wird in der Diskussion über Atomkraft oder Erneuerbare Energien immer vergessen, dass in den letzten 30 Jahren oder noch länger Milliarden im dreistelligen Bereich in die Förderung der Atomenergie gesteckt wurden. Wenn nur die Hälfte von diesen Beträgen, mit denen die Kernkraft gefördert wurde, in die Erneuerbaren Energien gesteckt worden wären, dann wäre es sicher so, dass wir uns heute keine Gedanken über unsere Energieversorgung machen müssten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Kerstan.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Engels und Herr Uldall, wenn Sie hier als glühende Verfechter des Klimaschutzes auftreten, dann habe ich ein paar Fragen an Sie. Was ist das für ein Senat, der im Gegensatz zu sehr vielen Stadtregierungen keinerlei Klimaschutzpläne hat, der noch nicht einmal ein Programm hat, um CO2-Emissionen in Hamburg zurückzufahren

(Hartmut Engels CDU: Was?)

und auch keinerlei Anstalten macht, so etwas vorzulegen?