Das ist damit auch eine klare Absage an Integration, denn Integration ist immer ein zweiseitiger Prozess. Meine Damen und Herren, die Einwanderer und Einwanderinnen leisten ihren Teil, aber auch wir müssen dafür sorgen, dass die Politik und die Institutionen ihren Teil dazu beitragen.
Wir bekennen uns endlich dazu, ein Einwanderungsland zu sein. Das mag dem einen gefallen, dem anderen nicht, aber es ist eine gesellschaftliche Tatsache, die wir allzu lange verweigert haben. Die Integration von Migrantinnen und Migranten, meine Damen und Herren, ist eine der wichtigsten und dringlichsten Aufgaben unserer Gegenwart und auch für unsere Zukunft. Doch Integration ist keine Einbahnstraße und beide Seiten müssen ihren Teil dazu leisten.
Von den Einwanderinnen erwarten wir zu Recht, dass sie sich integrieren, dass sie Integrationsleistungen erbringen, aber auch die Mehrheitsgesellschaft und damit die
öffentlichen Institutionen, der öffentliche Dienst, müssen lernen, mit der Einwanderung umzugehen. Es geht also darum, kulturelle Vielfalt als etwas Positives und als Kompetenz wahrzunehmen, als ein hohes Potenzial, das es gilt, gesellschaftlich und auch ökonomisch zu nutzen. Dabei ist es ganz wichtig, meine Damen und Herren, dass wir interkulturelle Kompetenz in den internen Strukturen der Verwaltung verankern und damit auch in das allgemeine Verwaltungshandeln, wie Planung, Steuerung und Außendarstellung integrieren, denn darauf zielt interkulturelle Öffnung ab. Das heißt, um das noch einmal zu definieren, interkulturelle Öffnung ist ein umfassendes Konzept, das vor allem drei Ziele verfolgt: Erstens die Servicefunktionen von öffentlichen Institutionen für Migrantinnen und Migranten zu verbessern, zweitens die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Regeldienste interkulturell zu schulen und zu qualifizieren und drittens Einwanderinnen und Einwanderer verstärkt einzustellen. Damit fördert interkulturelle Öffnung die Akzeptanz und Wertschätzung für andere Kulturen, Religionen und Lebensentwürfe. Sie ist ein wichtiger Türöffner bei dem gleichberechtigten Zugang zum gesellschaftlichen Leben. Es gibt sehr viele Firmen, meine Damen und Herren – das habe ich auch in einer meiner vorherigen Reden deutlich gemacht –, die diese Potenziale schon lange zu nutzen wissen. BMW, Shell, selbst Siemens, Ford setzen seit Jahren erfolgreich Diversity Management in ihren Unternehmen um, aber in der Verwaltung und in der Politik steckt interkulturelle Öffnung noch immer in den Kinderschuhen. Aber es gibt einige Lichtblicke. So gibt es Städte und Kommunen, die uns vorgemacht haben, wie es unter anderem gehen kann. Gestatten Sie mir, dass ich diese kurz anreiße.
So hat zum Beispiel Frankfurt am Main seit Jahren ein Amt für multikulturelle Angelegenheiten. Hier werden in enger Zusammenarbeit mit den Migrantencommunities, aber auch mit den Freien Trägern, Angebote zur Integration konzipiert und gemeinsam koordiniert. Bremen hat es mit einem sehr erfolgreichen Modell mit dem gleichen Namen "Interkulturelle Öffnung" geschafft, den Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in nur drei Jahren im öffentlichen Dienst von drei auf sage und schreibe 18 Prozent zu erhöhen. Selbst Nordrhein-Westfalen hat einen eigenen parlamentarischen Ausschuss für Fragen der Integration und des interkulturellen Zusammenlebens. Selbst München hat ein interkulturelles Leitbild verabschiedet und eine Stabsstelle für interkulturelle Öffnung eingerichtet. Jetzt ist natürlich die Frage, was macht Hamburg und warum ist interkulturelle Öffnung so wichtig für Hamburg?
Meine Damen und Herren! Hamburg ist eine Einwandererstadt. Hamburg gibt sich gerne weltoffen und international. Wenn man sich die Zahlen anguckt, dann haben 15 Prozent der Menschen, die hier leben und Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt sind, einen ausländischen Pass. Nach Angaben der Sozialbehörde hat jede Vierte beziehungsweise jeder Vierte in Hamburg einen Migrationshintergrund, Tendenz stark steigend. Jede fünfte Eheschließung in Hamburg ist binational und die Prognose, dass wir es hier in 20 Jahren mit einer Fifty-fiftyGesellschaft zu tun haben werden und sich das Verhältnis von Minderheit und Mehrheit in 35 Jahren sogar verschieben wird, ist nicht aus der Luft gegriffen. Anders gesagt: Die Minderheiten von heute sind die Deutschen von morgen. Wer daran sägt, meine Damen und Herren, sägt an der eigenen Zukunft.
Die eigentliche Herausforderung ist, dass wir endlich von der Politik der kleinen Trippelschritte wegkommen müssen. Es ist, glaube ich, Menschen schwer zu vermitteln, warum wir neben dem Regelsystem, das wir haben, Doppelstrukturen aufbauen. Wir haben Integrationsbeiräte, Ausländerräte, extra Beratungsstellen für Migranten und dergleichen. Eigentlich ist doch die Aufgabe der Integration, Wege und Instrumente zu finden, den öffentlichen Dienst, also die Regeldienste, für alle bereitzustellen, das heißt, die Menschen in das Regelsystem zu holen und nicht in parallelen Doppelstrukturen zu halten. Insofern ist das im Moment der einzige Weg, wie Integration wirklich gegangen werden kann. Schließlich bezahlen die Migrantinnen und Migranten mit ihren Steuergeldern auch den öffentlichen Dienst.
Deshalb war ich erfreut, dass der Senat in der Beantwortung der Großen Anfrage endlich deutlich gemacht hat, dass es für Hamburg noch in diesem Jahr ein Integrationskonzept geben wird. Etwas belächelt habe ich – gestatten Sie mir das, denn ich erinnere mich sehr gut daran, weil das mein erster Antrag in dieser Bürgerschaft war –, dass wir für Hamburg ein Integrationskonzept brauchen. Damals wurde das natürlich mit den Stimmen der CDU abgelehnt. Die CDU beziehungsweise der Senat scheint immer ein paar Jahre zu brauchen, um dann doch zu der Erkenntnis zu kommen, die wir schon vorher vertreten.
Aber ich hoffe, dass dieses Konzept nicht wieder den Fehler machen wird, den wir symptomatisch in der Integrationspolitik in Hamburg machen, nämlich dass Integration nur auf Spracherwerb reduziert wird. Wir werden diesen Prozess kritisch begleiten und wenn er in die richtige Richtung geht, auch unterstützen, denn, meine Damen und Herren, die aktuellen Zahlen in Hamburg geben keinen Anlass zur Hoffnung.
Ich will Ihnen zwei Zahlen nennen. Ende 2004 waren in Hamburg gerade mal 1,8 Prozent Auszubildende mit einem ausländischen Pass im öffentlichen Dienst beschäftigt. Das sind in absoluten Zahlen gerade mal 64 von 3492 Auszubildenden. Auch in den öffentlichen Unternehmen befanden sich ebenfalls gerade mal 8,6 Prozent Azubis mit ausländischem Pass.
Mit unserer Großen Anfrage, meine Damen und Herren, wollten wir systematisch abfragen, wie der Stand der interkulturellen Öffnung bisher in Hamburg ist. Ich kann Ihnen sagen, dass uns das Ergebnis nicht überrascht hat. Es ist das alte Problem, Einzelmaßnahmen hier und dort, eine Fortbildung hier, Schulung dort in jener Behörde, aber ein Konzept, das alle Bereiche umfasst, ein Konzept zur interkulturellen Öffnung als Querschnitt ist leider nicht zu entdecken. Aber siehe da, es gibt immerhin einen kleinen Lichtblick und das ist, glaube ich, sehr interessant.
So prahlt der Senat damit, dass das Konzept der interkulturellen Öffnung – auch wenn er es nicht so bezeichnet – zumindest im Polizeivollzugsdienst bereits umgesetzt wird. Hier gibt es Kampagnen mit Plakaten und Flyern, wo gezielt Jugendliche mit Migrationshintergrund für den Polizeidienst angeworben werden. Da kann ich nur sagen, es scheint, es geht doch, wenn man es denn will. Aber die Frage ist doch, wenn der Senat das selbst – wie
er es auch in der Großen Anfrage tut – als eine durchaus positive Erfahrung wertet, warum ist das nicht in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes so, warum wird das nicht ausgeweitet? Hier sehen wir als GAL-Fraktion dringenden Handlungsbedarf.
Meine Damen und Herren! Kindergärten, Schulen, Ausbildungsstätten, Krankenhäuser, Altersheime, aber auch Behörden und Ämter müssen mit der Produktivität, mit der Pluralität unserer Gesellschaft endlich produktiv umgehen. Wir brauchen ein aktives Umdenken in der Einstellungspolitik und eine der Kernforderungen muss lauten: Migrantinnen und Migranten müssen mindestens entsprechend ihrem Anteil in der Bevölkerung auch in allen Berufsfeldern im öffentlichen Dienst vertreten sein.
Hier hat der öffentliche Dienst als großer Arbeitgeber eine Vorbildfunktion, hier könnte er auch eine Vorreiterrolle übernehmen. Lassen Sie uns endlich wegkommen von der Politik der Trippelschritte. Was wir brauchen, ist ein Paradigmenwechsel, denn Integration, meine Damen und Herren – und hier wiederhole ich mich gerne – ist nicht nur Spracherwerb, sondern immer auch rechtliche Integration, politische Partizipation. Sie ist auch Schutz vor Diskriminierung und Rassismus und sie braucht gleiche Rechte und Verständigung auf gleicher Augenhöhe und sie kann nur in einer Gesellschaft funktionieren, die sich öffnet.
Meine Damen und Herren! Ich habe einen Traum. Ein großer bedeutender Mann hat einmal eine Rede mit diesen Worten begonnen. Ich will damit nicht sagen, dass ich mich als große bedeutende Person sehe, aber seinen Traum teile ich. Ich habe den Traum, dass es uns in Deutschland und speziell in Hamburg einmal gelingt, die Vielfalt und Pluralität, die es in unserer Gesellschaft gibt, tatsächlich auch als Potenzial und Ressource wahrzunehmen und wertzuschätzen. Den Traum von einer Gesellschaft, in der die Herkunft nicht über die Bildungs- und Berufschancen von einzelnen Menschen entscheidet. Den Traum davon, dass jede und jeder in dieser Gesellschaft auch tatsächlich die gleichen Chancen und Möglichkeiten hat, und das nicht nur auf dem Papier. Und letztlich eine Gesellschaft, in der Menschen nicht wegen ihrer Hautfarbe oder ihrem Anderssein auf offener Straße abscheulich angegriffen werden und den Traum von einer Gesellschaft, in der Menschen diese Taten nicht verharmlosen und schönreden oder gar relativieren. Letztendlich von einer Gesellschaft, die einen Zustand erreicht hat, wo kein Mensch mehr das Bedürfnis verspürt danach zu fragen, wo jemand herkommt. Dann brauche ich auch nicht meine alte Antwort zu sagen: Aus einem Bauch, genau wie Sie. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich verstehe gar nicht, warum man das Thema immer ideologisch so befrachten muss.
(Michael Fuchs CDU: Sehr richtig! – Ingo Egloff SPD: Ideologie gilt immer nur für die andere Seite, bei den Konservativen nie!)
Ich finde diese Anfrage, die Sie gestellt haben, völlig in Ordnung, weil dort auch Themen drinstehen, über die wir reden sollten. Aber warum muss man alle möglichen Dinge herbeiziehen, um uns möglichst "auf die Palme zu bringen". Ich lasse das heute nicht zu und werde einfach nur sachlich antworten.
Sie vermischen alles Mögliche und werfen uns subkutan immer vor, dass wir gegen alle Leute sind, die ausländischer Herkunft sind, dass wir die Menschen eigentlich gar nicht alle hier haben wollen.
Sie haben eine Anfrage zu einem Thema gestellt, das in der Tat eines ist, bei dem wir genau hinschauen müssen. Sie haben erwähnt, ein gutes Beispiel sei die Polizei, bei der auch aus bestimmten inhaltlichen Gründen gezielt nach Menschen ausländischer Herkunft geguckt wird. Allerdings muss man der Ordnung halber auch sagen, dass die Leute eingestellt werden, die die richtige Qualifikation haben. Das ist zunächst einmal die Grundlage einer jeden Einstellung in den öffentlichen Dienst.
Dass man dann, wenn es um bestimmte Qualifikationen geht, weil man mit bestimmten Bevölkerungsgruppen zu tun oder bestimmte Fälle zu lösen hat, gezielt nach Personen mit anderen ethnischen Hintergründen und anderen diversen Merkmalen sucht, ist in Ordnung. Aber bitte, überhöhen wir das nicht und schauen Sie doch einmal in die Anfrage hinein. Seitenlang wird uns berichtet, in welcher Form interkulturelle Bildung hier schon stattfindet. Gerade die Lehrer und auch viele andere haben ständig die Chance, sich fortzubilden und dieses wird doch auch tagtäglich umgesetzt. Tun Sie doch nicht so, als müssten Sie uns das immer erzählen oder als sei das etwas Neues.
Ich übergehe jetzt einige Themen, weil das sonst zu lang wird. Wir werden das überweisen und das ist auch richtig, weil wir uns dann auch den Details stellen können. Das wäre hier nicht möglich.
Sie sprechen immer von Menschen ausländischer Herkunft und haben sich in der Zeitung beschwert, dass nur 1,8 Prozent der Auszubildenden im öffentlichen Dienst einen ausländischen Pass hätten. Für mich ist inzwischen die entscheidende Frage – und Sie haben es selbst gesagt –, wie viele Menschen ausländischer Herkunft inzwischen im öffentlichen Dienst und auch in anderen Berufssparten sind. Aber das erheben wir statistisch nicht und ich finde es am Ende auch richtig, dass wir da nicht auch noch stehen haben: Deutsch, aber Herkunft aus Albanien, aus Spanien und sonst woher.
Wir können nicht einfach sagen – in der "taz" sagt man das so nett –, das seien ja nur 1 oder 1,8 Prozent der Jugendlichen, sondern es sind sicherlich schon mehr, aber ich will das Thema nicht klein reden. Wir werden uns natürlich im Sozialausschuss noch einmal der Frage stellen, warum zu wenig junge Leute diese Ausbildung wahrnehmen. Warum ist es keine Perspektive für Menschen ausländischer Herkunft, übrigens auch für andere
Menschen nicht, in diesem und für diesen Staat vielleicht eine Lehre oder eine Ausbildung zu machen? Das sollten wir kritisch hinterfragen.
Es ist jedes Mal wieder die alte Leier, Integrationskonzept hin oder her – Sie haben das heute wieder angedeutet –, ich finde das etwas ermüdend. Wir sagen Ihnen jedes Mal, warum es bisher kein umfassendes Konzept gab, es wurde gearbeitet. Es wurden konkrete Schritte in der Integration gemacht. Es mögen vielleicht manchmal kleine Schritte gewesen sein.
Ich muss einen Moment warten, weil das Gedächtnis nicht überall gleichmäßig vorhanden zu sein scheint. Ich möchte die Abgeordneten immer noch bitten, den Senat während der Debatte nicht in seiner Wahrnehmungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Das gilt dem Abgeordneten Beuß, der sich gerade umschaut.
Ich wollte nur noch einmal deutlich machen, dass wir eben angefangen haben, die Integration in dieser Stadt mit konkreten Schritten voranzubringen. Ich erinnere nur daran, was der Vorgängersenat und andere nicht zustande gebracht haben: viele, viele Papiere, aber kein geschlossenes Integrationskonzept. Jetzt wird auf breitester Basis und den Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, mit all diesen Handlungsansätzen ein Konzept erarbeitet und ich freue mich auf die Diskussion. Wir wollen sie breit führen, damit das Thema auch überall in der Stadt ankommt. Aber hören Sie endlich auf, so zu tun, als interessiere diesen Senat dieses Thema überhaupt nicht. Wir machen daraus keine ideologische Debatte, sondern es gehört dazu wie jedes andere Politikfeld auch. Insofern freue ich mich auf eine Debatte im Sozialausschuss. – Danke.