Ich kann Ihnen das auch begründen. Das ist dieser ganze bekloppte Kram von der Handelskammer, den Sie dann auch noch unterstützen. Frau Ahrons, wir haben jedes Jahr 8000 Jugendliche in Warteschleifen.
(Barbara Ahrons CDU: Wir wollen die duale Aus- bildung! – Gegenruf von Dr. Mathias Petersen SPD: Sagen Sie, wie viel Ihre Unternehmen aus- bilden wollen!)
(Wolfhard Ploog CDU: Aber es ist doch nicht rich- tig zu sagen, alles, was von der Handelskammer kommt, ist bekloppt! Das gehört sich nicht!)
Meine Damen und Herren! Sie können sich die Große Anfrage angucken. In diesem Jahr sind es 3840 Jugendliche, die angemeldet sind. Die Berufsfachschule ist ja zweijährig, das sind dann jedes Jahr circa 7000 bis 8000 Jugendliche, die in der teilqualifizierenden Berufsfachschule sind. Dann haben wir noch 4000 bis 5000 Jugendliche in berufsvorbereitenden Maßnahmen. Dann frage ich Sie: Haben Sie in den letzten vier Jahren, haben wir in den letzten 15 Jahren 8000 bis 12 000 duale Ausbildungsplätze geschaffen? Nichts davon. Das ist eine Entwicklung, die in der ganzen Bundesrepublik so ist. Was macht man interessanterweise in Baden-Württemberg? Vollqualifizierende Berufsfachschulen. Sonst gucken Sie doch immer gerne nach Bayern und BadenWürttemberg.
Das sollten Sie sich einmal anschauen. Wir müssen natürlich auch hier die Berufsfachschule reformieren. Das ist gar nicht die Frage. Nur, Sie machen es sich zu leicht, indem Sie einfach die Notenschwelle erhöhen. Das sind ja nicht irgendwelche Jugendlichen, sondern das sind die Jugendlichen, die mit schlechtem Hauptschulabschluss in die Berufsfachschule gehen. Die werden überhaupt keine Chance haben, eine duale Ausbildung zu finden, weil sie eine ganz andere Qualifizierung brauchen. Insofern müssen wir Jugendliche qualifizieren und auch Ihnen einen Realschulabschluss ermöglichen.
Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir haben eine Untersuchung, die heißt ULME II. Interessanterweise haben wir die noch nicht, obwohl die angeblich seit November vorliegt. Wenn ich mir angucke, wie die Fragen in der Großen Anfrage beantwortet werden, dann muss diese
Schulbehörde erst einmal ihre Hausaufgaben machen und deutlich machen, warum sie die Berufsfachschule nur durch eine Notenschwelle verändert und nichts anderes macht.
Ich darf Ihnen ein paar Beispiele zitieren, wie schwach die Schulbehörde auf der Brust ist im Bereich der beruflichen Schulen, woanders natürlich auch. Da fragen wir nach der Anzahl der Schülerinnen mit Migrationshintergrund. Antwort: Nur Ausländer nach Staatsangehörigkeit werden erfasst.
Zweite Frage: Wohin gehen die Schülerinnen nach der Sekundarstufe I? Antwort: Daten liegen dem Senat nicht vor.
Nächste Frage: Angaben zum Fernbleiben vom Unterricht, Absentismus, der vielleicht ein Grund wäre, warum die Berufsfachschule nichts ist. Antwort: Keine Zahlen.
Wohin gehen die Abbrecher der teilqualifizierenden Berufsfachschule? Antwort: Der Senat weiß es nicht.
Nächste Frage: Wohin gehen die teilqualifizierten Berufsfachschüler und welche Übergangsquoten gibt es in Berufseinmündungen? Frau Ahrons, hören Sie mal gut zu. Antwort: Keine Statistik verfügbar und so weiter.
Wir müssen die Untersuchung ULME II haben, weil die Folgendes untersucht hat: Leistungen, Motivation, Einstellung der Schülerinnen und Schüler in Abschlussklassen in teilqualifizierenden Berufsfachschulen. Dass Sie entgegen Ihren Ankündigungen die Untersuchung nicht veröffentlicht haben, nehmen wir so nicht hin. Wir wollen nicht, dass Tausenden von jungen Leuten die Zukunft verbaut wird. Was ich ganz schwach finde, ist, dass Sie die Große Anfrage noch nicht einmal überweisen und sich im Schulausschuss damit fachlich beschäftigen.
Ich bitte Sie, wenn Sie das schon nicht wollen, dann hoffe ich wenigstens, Herr Heinemann, dass Sie sich dafür einsetzen, dass die Untersuchung ULME II in den Ausschuss kommt, damit wir wissen, auf welcher Basis die Jugendlichen aus dem System gekickt werden und dass wir es vielleicht gemeinsam schaffen, dass mehr ausgebildet wird, und zwar in Hamburgs Beruflichen Schulen, wenn es schon die Wirtschaft nicht schafft. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Goetsch, Sie haben selber gerade erklärt, dass in der Großen Anfrage gar nichts drinstehen würde.
Aber zum Thema. Sie haben über eine sehr schwierige Situation, die wir hier, aber auch in anderen Ländern haben, gesprochen. Ich nehme Ihnen auch absolut Ihr Engagement für diese Frage ab. Ich finde es nur ein bisschen schade, dass Sie dann so kurz springen und doch eher die kurzfristige Schlagzeile – ich habe gestern Ihre Pressemitteilung gelesen – im Auge hatten als vielleicht gemeinsam zu überlegen, wie wir da vorankommen.
Sie haben dem Bürgermeister das Aktionsprogramm vorgeworfen, nach dem Motto, wir hatten schon 1000 Programme, die alle nichts gebracht haben. Was ist Ihre Antwort? Sie fordern ein Sonderprogramm. Das, glaube ich, ist nicht die Lösung. Ihr 1000-Plätze-Sonderprogramm klingt zwar gut, es klingt nach Aktivität, aber Sie haben es inhaltlich leider überhaupt nicht ausformuliert. Zum Beispiel haben Sie nicht irgendeinen Vorschlag gemacht, wie Ihr schönes Sonderprogramm finanziert werden soll. Ich wunderte mich schon ein bisschen, wie dieser Zusatzantrag dennoch auf die Tagesordnung kam, bis ich dann heute Morgen in der "taz" gelesen habe, welches Ergebnis Herr Dr. Maier bei Ihren internen Wahlen bekommen hat. Da wusste ich, er war auf jede Stimme angewiesen und durfte diesen einen Antrag mal nicht unter Haushaltsvorbehalt stellen.
Aber noch viel schlimmer als die fehlende Finanzierung ist der fehlende Inhalt. Sie haben überhaupt nicht aufgeschrieben, was Sie mit diesen 1000 Plätzen machen wollen. Wie soll die dort von Ihnen genannte Zielgruppe in diesem Programm optimal gefördert werden? Wie sollen denn gerade schulmüde Jugendliche in den vollqualifizierenden Berufsfachschulen motiviert werden? An welche Fachrichtungen haben Sie gedacht? Wenn Sie einmal in die Große Anfrage reingucken – ein paar Ergebnisse sind ja doch darin –,
dann stellen Sie fest, dass im Bereich der vollqualifizierenden Berufsfachschulen – offensichtlich aus guten Gründen – bisher fast nur Angebote im Hauswirtschaftsbereich für die von Ihnen genannte Zielgruppe da sind.
Offensichtlich ist das also nicht so ganz einfach, wobei aus Ihrem Antrag auch gar nicht ganz klar wird, an welche Zielgruppe Sie eigentlich genau gedacht haben, also ob mit oder ohne Hauptschulabschluss. Sie haben geschrieben "mit sozial schwierigem Hintergrund", aber Sie haben zum Beispiel nichts über die Abschlüsse geschrieben. Das geht aus Ihrem Antrag nicht hervor.
Bei so viel Unklarheit sollten wir doch noch einmal zur Großen Anfrage übergehen, die heute auf der Tagesordnung steht. Sie schreiben in Ihrer Großen Anfrage, dass die teilqualifizierenden Berufsfachschulen durch hohe Abbruchquoten, Fernbleiben der Schüler vom Unterricht und niedrige Übergangsquoten in eine duale Berufsausbildung gekennzeichnet sind. Im Februar waren Sie noch der festen Meinung – so haben Sie es jedenfalls aufgeschrieben –, dass daher eine Reform dieser Schulform unabdingbar ist. Da geben wir Ihnen völlig Recht. Die
Bildungsbehörde hat jetzt genau diese Reform vorgelegt. Ziel ist es, künftig Warteschleifen zu vermeiden, den Übergang zu verbessern, die Standards zu verankern, Kernkompetenzen zu stärken, Abbruchquoten zu verringern und so weiter. Darüber hinaus soll auch die Möglichkeit geschaffen werden – auch das steht darin –, den Besuch der teilqualifizierenden Berufsfachschule künftig auf eine spätere duale Ausbildung anzurechnen. Ich glaube, das ist auch ganz entscheidend, um diese Warteschleifen zu reduzieren.
Und was sagen Sie nun plötzlich heute?: "Wir fordern den Stopp dieser Reform." Leider machen Sie nicht einen Vorschlag, wie Sie die von Ihnen auch erkannten Probleme der teilqualifizierenden Berufsfachschule selber lösen würden. Ich finde, Sie haben nicht nur den Auftrag zu sagen, da gibt es Probleme und die auch immer wieder zu benennen, und dann zu sagen, eine Lösung fällt uns leider auch nicht ein und wenn Ihr eine Lösung habt, finden wir die nicht gut. Deshalb sollten wir vielleicht einmal dieses parteipolitische Hickhack bei solch einem wichtigen Thema lassen und überlegen, wie wir gerade hier gemeinsam an einem Strang ziehen können. Ich bin da durchaus aufgeschlossen, auch was einzelne Ihrer Punkte anbelangt. Nehmen wir einmal Punkt 4.
Ja, ich gebe Ihnen Recht – die Handelskammer möge jetzt einmal weghören –, dass vollzeitschulische Bildungsgänge teilweise auch mit einem Kammerzertifikat enden könnten. Wir müssen aber aufpassen – auch das wissen Sie ganz genau –, dass wir dabei nicht das Gegenteil von dem erreichen, was wir eigentlich wollen. Stellen Sie sich vor, ein Betrieb kann sich künftig aussuchen: Stelle ich jemanden ein, der zwar vom Staat ausgebildet worden ist, aber ein wunderbares Kammerzertifikat hat, oder mache ich mir die Mühe und bilde ihn selber aus? Was wird er machen? Er wird sich direkt den von staatlichen Steuergeldern Ausgebildeten holen. Und was wird er dann machen? Er wird noch einen Ausbildungsplatz abbauen und genau das wollen wir doch nicht.
Reden Sie mal mit den Betrieben, gucken Sie einmal in die anderen Bundesländer. Wenn es die Möglichkeit gibt, dass sie nicht ausbilden müssen, weil sie einen fertig Ausgebildeten bekommen, dann nehmen sie diesen. Genauso läuft es.
Ich bin also dafür, dass wir darüber nachdenken und vielleicht auch langfristig in einigen Bereichen einführen, nämlich dort, wo es definitiv nicht genügend oder gar keine Ausbildungsplätze gibt, aber wir müssen, glaube ich, sehr sensibel damit umgehen, damit wir die Handelskammer und die Handwerkskammer nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, die sie an dieser Stelle haben.
Es gibt auch einen zweiten Punkt, bei dem ich Ihnen folgen kann. Natürlich werden wir es uns nicht nehmen lassen, uns über die zweite ULME-Studie im Schulausschuss berichten zu lassen. Wir werden die Bildungsbehörde bitten, uns die Studie – in Ihrer Großen Anfrage steht das Datum März 2006, von daher gehe ich davon
aus, dass sie jetzt fertig ist –, sobald sie da ist, vorzustellen. Allerdings – und das wissen Sie auch genau, das steht nämlich auch in der Großen Anfrage – sind die Änderungen zu den teilqualifizierenden Berufsfachschulen schon am 15. Februar von der Deputation beschlossen worden. Ich gebe Ihnen also völlig Recht, dass wir uns die Ergebnisse angucken sollten. Wir sollten uns auch angucken, was im nächsten Schuljahr an den teilqualifizierenden Berufsfachschulen passiert, wir sollten uns angucken, was mit den Schülern passiert, die in neue und andere Maßnahmen gehen und aus diesen Ergebnissen sollten wir gemeinsam überlegen, ob wir noch zu weiteren Verbesserungen kommen.
Abschließend noch ein Punkt, der mir sehr wichtig erscheint. Wir sollten, glaube ich, insgesamt noch einmal über die gesamte Struktur der Berufsvorbereitung nachdenken. Wir haben heute ein für Außenstehende kaum durchschaubares Konzept aus Maßnahmen nach SGB II, nach SGB III, nach SGB VIII, QUAS-B, BVS und dann noch die Berufsfachschulen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Differenzierung gar nicht so sehr den unterschiedlichen Voraussetzungen der Schüler dient, sondern mehr den unterschiedlichen Finanzierungsquellen geschuldet ist. Manchmal weisen wir Schüler auch eher nach Kapazitäten zu als nach den eigentlichen Qualifikationen. Nicht zuletzt glaube ich, dass die Frage, in welcher Maßnahme ein Schüler landet, nicht wenig davon abhängt, wo er sich beraten lässt. Ich weiß, dass die Bildungsbehörde, die ARGE und die Agentur für Arbeit sehr intensiv dabei sind, zumindest zu einer gemeinsamen Beratungsphilosophie zu kommen. Aber, ich glaube, gerade das HIBB, das wir nun gründen, bietet die Chance, wenn wir über Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den verschiedenen Behörden arbeiten, dass wir vielleicht das Thema, woher das Geld kommt, ein bisschen in den Hintergrund stellen können und mehr danach fragen, was die Schüler brauchen, das heißt mehr auf die Bedürfnisse der Schüler eingehen, dort passgenau werden und weniger auf die formalen Anforderungen irgendwelcher bürokratischen Zusammenhänge. Das ist nicht einfach, weil Hamburg nicht immer alles alleine machen kann, aber einiges können wir vielleicht alleine machen. Ich glaube, darüber sollten wir reden und dann kommen wir auch einen Schritt voran. – Danke.