Protocol of the Session on March 29, 2006

Ich glaube, da hat man auch viel Verständnis. Sie haben auch in der Öffentlichkeit darüber gesprochen, wie schwer es Ihnen gefallen ist, sich von Herrn Kusch zu trennen. Von daher sicherlich Verständnis dafür, aber in einer solchen Senatskrise ist zumindest der Anspruch, den wir als Opposition an Sie haben, hier auch so aufzutreten, wie es für einen Hamburger Bürgermeister würdig ist und nicht Kopfnoten zu verteilen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie hier gesprochen haben und dass es auch ein Wortprotokoll gibt, denn wir hatten bereits bei einer Ihrer Pressekonferenzen die bemerkenswerte Argumentation Ihrerseits, dass Sie ja viele Dinge gesagt haben, an die man sich nicht mehr erinnern könne. Sie haben heute sehr viele interessante Aussagen gemacht. Zum einen möchten Sie nicht in Konflikt geraten mit Ihren Aussagen zu früheren. Da gibt es ein einfaches Modell: Sagen Sie einfach immer die Wahrheit, dann geraten Sie auch nicht in Konflikt.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Bei vielen Dingen, bei denen Sie von Unappetitlichkeit gesprochen haben, hat mich verwundert – weil ich bisher davon ausgegangen bin, dass es einen Konsens zwischen uns Demokraten gab –, dass es hier eine Reihe von Rechtsverstößen gegeben hat. Sie bemühen sich, das auf Senatsebene aufzuklären. Der Bürgerschaftspräsident versucht es im Rahmen seiner Möglichkeiten aufzuklären. Aber die Entlassung eines Staatsrates und eines Senators muss schon einen Grund haben. Das ist ja nicht nur, weil sich die Stimmung ändert, sondern da müssen Dinge vorgelegen haben und Sie haben dazu auch Aussagen in der Pressekonferenz am 20. März und sieben Tage später am 27. März gemacht.

Was ich aber wirklich bemerkenswert fand, war die Aussage von Ihnen, dass Sie direkt nach der Rückkehr aus Ihrem Urlaub den Bericht des Herrn Gedaschko gelesen haben und am nächsten Tag, am 20. März, die Pressekonferenz gemacht haben. Gleichzeitig haben Sie hier gerade vorgetragen, dass Sie heute das erste Mal in der "Bild"-Zeitung davon gelesen haben, dass es angeblich einen Erpressungsversuch gegeben haben soll. Das bedeutet eigentlich, dass das, was die "Bild"-Zeitung heute berichtet hat, nicht im Gedaschko-Bericht steht

(Klaus-Peter Hesse CDU: Sie haben doch gar nicht zugehört, Herr Neumann – Frank-Thorsten Schira CDU: Das ist doch Unfug!)

oder Sie es schlichtweg nicht gelesen haben. Das ist der einzige logische Schluss, der zulässig ist, wenn Sie das heute zum ersten Mal in der "Bild"-Zeitung gelesen haben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Aber, ich glaube, auch darüber wird schlichtweg der neu einzusetzende Parlamentarische Untersuchungsausschuss, den GAL und Sozialdemokraten heute gemeinsam beantragen werden, Aufklärung bringen. Es ist, glaube ich, das einzige Instrument, das wirklich hilft, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Ich will noch einmal auf die zeitlichen Abläufe kommen, weil es auch einen Antrag der CDU gibt, der von dem schnellen und umfassenden und energischen Einschreiten des Bürgermeisters berichtet. Bisher wurde darüber berichtet, dass der Staatsrat der Senatskanzlei, Herr Dr. Schön, am 2. März die ersten Informationen darüber erhalten habe. Er habe am 3. März, also einen Tag später, darüber den Bürgermeister informiert. Dann gab es den 7. März, an dem auf der Landespressekonferenz völlig überraschend Herr Schön auftrat, unangekündigt und darüber informierte, dass da ein sechsundzwanzigjähriger junger Mann unausgebildet, wahrscheinlich auch noch nicht reif genug der schweren Verantwortung, halt einen menschlichen Fehler gemacht hat. Das solle man nicht so ernst nehmen und im Übrigen sei das auch zu vernachlässigen und das sei auch kein Skandal. Das war also der Versuch am 7. März, das möglichst niedrig zu hängen und klein zu kochen. Am 8. März entscheiden Sie sich aber überraschenderweise bei dieser eigentlichen Verfehlung eines sechsundzwanzigjährigen subalternen Mitarbeiters,

(Ingo Egloff SPD: Kommt von den Grünen!)

einen Sonderermittler einzusetzen. Dafür haben Sie sage und schreibe fünf Tage gebraucht, um darüber nachzudenken. Erst als Sie merkten, dass Sie in der Presse damit nicht durchkommen, das niedrig zu hängen, haben

Sie sich entschlossen, doch zu handeln. Das hat nichts mit energischem, sofortigem Handeln zu tun, sondern das war der erste Versuch, es auszusitzen. Das erste Mal ist das Aussitzen dieses Bürgermeisters in dieser Frage gescheitert.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dann ging es weiter. Am 14. März war es endlich soweit, dass die Bürgerschaftskanzlei auf unseren Antrag im Ältestenrat berichtet hat und auch der Präsident der Bürgerschaft einen entsprechenden Sonderermittler gegen die Positionierung, die Christa Goetsch vertreten hatte und auch gegen meine Argumente, der sich aber trotzdem selbstständig entschieden hat, einen Sonderermittler einzusetzen. Am 19. März waren Sie aus dem Urlaub zurück und am 20. März dann die Pressekonferenz über die Entlassung von Herrn Meister. Das heißt, am 20. März haben Sie – das haben Sie hier auch gesagt – den Gedaschko-Bericht gelesen, ausgewertet, sind zu Rechtsverstößen gekommen und haben festgestellt, dass Herr Meister aus dem Amt entfernt werden muss.

Dann passierte erst einmal nichts. Auch Herr Kusch äußerte sich nicht öffentlich, was an sich schon ein Wunder war.

(Heiterkeit bei der GAL)

Eine Woche war dort Ruhe. Plötzlich am 25. März – nach Aussage von Herrn Kusch – ruft der Bürgermeister ihn an und sagt, hör mal zu, das ist alles nicht mehr so richtig zwischen uns beiden, ich glaube, ich muss dich entlassen, tritt doch am besten zurück. Der hat seinen theatralischen Auftritt, der peinlich genug war für einen hamburgischen Senator, und am 27. März begründet der Bürgermeister mit dem Gedaschko-Bericht, der ihm bereits sieben Tage vorliegt, dass auch Herr Kusch Fehler gemacht habe und deswegen aus dem Amt entlassen werden müsste. Das heißt, Sie wussten bereits am 20. März, dass das Verhalten von Herrn Kusch nicht koscher war. Sie haben nicht gehandelt, Sie haben wieder versucht, es auszusitzen. Der zweite Strategieansatz, es wieder auszusitzen, war gescheitert. Erst dann sind Sie aus dem Kreuz gekommen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Zwischendurch gab es noch etwas ganz Bekanntes, Herr Reinert, wenn ich Sie kurz stören darf bei der Lektüre Ihrer Unterlagen.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Sie sind ein Schlau- berger! – Wolfhard Ploog CDU: Ein ganz schlaues Kerlchen!)

Am 22. März erklärt die CDU-Bürgerschaftsfraktion in einer Presseerklärung – ich zitiere wörtlich –:

"Staatsrat Alexander Gedaschko hat in seiner Funktion als Sonderermittler des Ersten Bürgermeisters zur Aufklärung des Verbleibes der PUA-Protokolle heute dem Vorsitzenden der CDU-Bürgerschaftsfraktion"

also Herrn Reinert –

"mitgeteilt, dass ein Zeuge bei seinen Befragungen aussagte, es sei möglicherweise eine vertrauliche Unterlage von einem Mitarbeiter der CDU-Fraktion weitergeleitet worden."

Wörtlich Ihre Presseerklärung.

(Bernd Reinert CDU: Lesen Sie bitte weiter!)

Ich kann auch gerne weiterlesen. Sie haben da ganz schnell gehandelt.

(Bernd Reinert CDU: Das ist der Unterschied zu Ihnen!)

Ich kann das auch verstehen, Herr Reinert. Sie haben Ihre Erfahrungen mit staatsanwaltschaftlichen Besuchen in der Fraktion. Sie wissen, was man macht, damit man nicht wieder auf die Nase fällt. Das ist völlig klar.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der GAL – Glocke)

Herr Neumann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Reinert?

Es geht dabei ausdrücklich nicht um das Verhalten von Herrn Reinert, was ich mehr als nachvollziehen kann und vermutlich, weil es auch richtig gewesen ist.

(Frank-Thorsten Schira CDU: Das ist ja nun wohl peinlich hoch drei!)

Es geht doch um die Tatsache, dass offensichtlich ein Staatsrat,

(Karen Koop CDU: Sie wollten doch weiterlesen!)

der vom Ersten Bürgermeister zur Aufklärung beauftragt war, diese Aufklärungsergebnisse dazu benutzt, die CDU-Fraktion zu informieren. Andere Fraktionen, wie die Kolleginnen und Kollegen der GAL oder auch mich, hat Herr Gedaschko nicht angesprochen.

(Zuruf von der CDU: Haben Sie ihn denn gefragt?)

Das kann ein Argument dafür sein, dass das, was heute in der "Bild"-Zeitung steht, nicht stimmt. Es kann aber auch sein, dass dieser Gedaschko-Bericht schlichtweg parteipolitisch von Ihnen instrumentalisiert wird.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Hans-Detlef Roock CDU: Das ist doch Unfug!)

Das heißt, die Aussitzungstaktik des Bürgermeisters ist bisher gescheitert und es gibt viele Anzeichen, dass sie weiter scheitert. Mathias Petersen hat es deutlich gemacht. Die Aussage der Stellvertreterin des Bürgermeisters bei "Hamburg 1" war eindeutig: Niemand in meinem Haus hat diese Unterlagen gelesen. Dumm war nur, dass es jetzt nicht nur die Aussagen Ihrer Pressesprecherin sowie eine Antwort auf eine Anfrage meiner Fraktion gibt, wo ausführlich dargestellt wird, welche Amtsleiter zu welchem Zeitpunkt wie viel Aktenordner angelegt haben, in all diesen Protokollen, das heißt, auch dort ist, um es höflich zu formulieren und keinen Ordnungsruf zu kassieren, die Stellvertreterin des Bürgermeisters der Unwahrheit überführt worden.

Das Zweite ist das Türkei-Interview. Auch das wird sicherlich eine Rolle spielen, denn die Aussage, da hat der an der Rezeption das Fax nicht weitergeleitet, ist vielleicht der Versuch einer Ausrede, aber in Wirklichkeit wenig glaubwürdig. Auch da steht im Raum, dass die Zweite Bürgermeisterin und die Stellvertreterin von Herrn von Beust die Unwahrheit gesagt hat. Und jemand, der zweimal lügt, dem glaubt man erst recht nicht.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Frank- Thorsten Schira CDU: Das ist ja unglaublich! – Glocke)

Ich ziehe diesen Begriff zurück.

(Bernd Reinert CDU: Das ist Ihre Methode, Herr Neumann!)

Ich glaube, wir bleiben bei der bewährten Reihenfolge. Herr Neumann kehrt zu einem parlamentarischen Sprachgebrauch zurück und er hat jetzt auch das Wort.

Wissen Sie, was der Bürgermeister in der Pressekonferenz – und das war eigentlich nett, wie er versucht hat, das zu relativieren – zu der Aussage von Frau Schnieber-Jastram gesagt hat, dass sie nicht wisse, was in ihrer Behörde passiert? Er hat gesagt: Wer sie kennt, glaubt ihr wirklich, dass sie nicht wusste, was in ihrer Behörde passierte.