Protocol of the Session on February 22, 2006

Wir können vermutlich hier auch gut über Kombilohn reden. Aber um streiten zu können, müssen wir erst einmal eine klare Erkenntnislage haben. Sie haben das Hamburger Modell, was sozusagen schon eine Art Kombilohn war, hier in Hamburg eingeführt.

Wir haben Ihnen schon vor längerer Zeit erklärt, dass wir für alle Experimente offen sind, aber man muss genau hinschauen. Dann gab es irgendwann einen ControllingBericht, der aussagte, dass er zwar nicht schlecht ist, aber auch das große Risiko des Missbrauchs birgt. Das wurde auch aus Ihrem Hause festgestellt und sollte ein Jahr später noch einmal evaluiert werden. Jetzt sind zwei Jahre vergangen und es ist nichts evaluiert worden, sondern Sie stellen ein neues Modell vor. Hier frage ich mich doch, dass Sie das doch wenigstens begründen und konzeptionell unterfüttern müssten, wie Sie den Missbrauch verhindern wollen. Solange wir hier keine Daten, Fakten und Zahlen auf dem Tisch haben, werden wir einfach skeptisch bleiben. Das ist auch unsere Aufgabe als Opposition.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das führt genau zu dem Punkt, in dem Ihre aktive Arbeitsmarktpolitik doch ideologisch war. Sie haben ganz viel in Ein-Euro-Jobs hineingesteckt. Aber was entstanden ist – das haben Sie auch selbst beschrieben – nennen wir mal eine Hartz IV-Lücke. Zehn Monate Beschäftigung und dann fehlt der Sprung in den ersten Arbeitsmarkt.

Es gab aber vorher in dieser Stadt Maßnahmen, zum Beispiel bei einigen Trägern die Arbeitnehmerüberlassung, wo Langzeitarbeitslose, die man für fit genug hielt, einen Vertrag bekamen und an ein Unternehmen ausgeliehen wurden, sogar mit der ausdrücklichen Billigung des Handwerkspräsidenten, Herrn Becker. Das ist immer ganz kritisch beäugt worden, weil man natürlich Angst hatte, dass reguläre Arbeitplätze verdrängt würden. Diese Arbeitnehmerüberlassung hat Integrationsquoten von 40 bis 50 Prozent gehabt. Das passt Ihnen aber nicht. Das haben Sie einfach so weggestrichen.

Wie nüchtern und pragmatisch gehen Sie denn dann wirklich an die Maßnahmen heran? Da hätte ich gern einmal aus Ihrem Hause eine Evaluation dieser Fragen. Wenn das regelmäßig käme, könnten wir auch eine Instrumentendebatte führen. Dann, vermute ich, würden wir in den Inhalten sehr oft übereinstimmen. Aber solange das nicht erfolgt, sondern wie Pistolenschüsse einmal hier, einmal dort irgendetwas in der Landschaft auftaucht, können wir keinen Plan, kein Konzept erkennen und solange werden wir das hier auch kritisieren.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Frau Dr. Hochheim hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte auf eine These kurz eingehen. Die These, die immer wieder genannt wird und

auch in der Presse zu lesen ist, ist ja, dass es zu viele Ein-Euro-Jobs gebe und diese eine unvernünftige Arbeitsmarktmaßnahme seien. Das ist auch heute die ganze Zeit durchgeklungen. Mit dieser These bin ich zu den Job-Centern gegangen, zu den Arbeitsvermittlern, zu den Fallmanagern. Diese haben mir einhellig bestätigt, dass diese Arbeitsmarktmaßnahme, die Ein-Euro-Jobs, sehr wohl wichtig und richtig sei und ihrer Meinung nach unbedingt beibehalten werden müsse. Sie brauchen diese Maßnahme, weil gerade Menschen, die in zweiter und dritter Generation arbeitslos sind, eben Probleme mit Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit haben und sich kaum einer Aufgabe annehmen können. Dafür sind Ein-EuroJobs gut.

Wenn wir diese drastisch kürzen würden, so wie die Opposition es immer fordert, wäre das gegen die Vermittler, die die Langzeitarbeitslosigkeit vor Ort kennen und beurteilen können. Deshalb wird die CDU-Fraktion dabei nicht mitmachen.

(Beifall bei der CDU – Bernd Reinert CDU – Präsi- dent Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Zunächst stelle ich fest, dass die Große Anfrage, Drucksache 18/3442 besprochen worden ist. Wer stimmt einer nachträglichen Überweisung dieser Drucksache an den Wirtschaftsausschuss zu? – Gegenstimmen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 41 auf, die Drucksache 18/3664, Antrag der SPD-Fraktion: Schriftgut Hamburger Archive und Bibliotheken retten – Säurefraß stoppen!

[Antrag der Fraktion der SPD: Schriftgut Hamburger Archive und Bibliotheken retten – Säurefraß stoppen! – Drucksache 18/3664 –]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion federführend an den Kulturausschuss und mitberatend an den Wirtschaftsausschuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Die Abgeordnete Dr. Stapelfeldt bekommt es.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Fasst man sie an, zerbröseln sie zu Staub. So ähnlich klangen die Berichte von der Öffnung altägyptischer Grabkammern, als vor den Augen entsetzter Archäologen ein Großteil der jahrtausendealten Grabbeigaben in sich zusammenfiel.

Fast ebenso ergeht es zurzeit verzweifelten Bibliothekaren auf der ganzen Welt, wenn sie ihnen anvertraute Bücher in die Hände nehmen. Experten der Staatsbibliothek hier in der Stadt befürchten, der Stadt könnten eines Tages hundertfünfzig Jahre in ihrem Gedächtnis fehlen.

Um was geht es uns mit unserem Antrag, das Schriftgut Hamburger Archive und Bibliotheken zu retten? Das Bibliotheksgut, zwischen 1850 und 1990 hergestellt, wurde zum überwiegenden Teil auf industriell gefertigtem Papier gedruckt oder geschrieben. In den meisten dieser Papiersorten bildet sich im Verlauf von 50 bis 200 Jahren durch die enthaltenen Holzschliffanteile Säure aus, die das Papier zunächst vergilben, später verbräunen und schließlich bei der Benutzung zerfallen lässt. Ungefähr

60 Millionen Bücher in Deutschland sind davon betroffen. Davon sind drei Millionen so stark betroffen, dass sie nicht mehr zur Nutzung freigegeben werden können und damit auch nicht mehr der Forschung zur Verfügung stehen.

Zur Hamburger Situation: In der Staats- und Universitätsbibliothek sind zirka eine Million Bände potenziell gefährdet. In den verschiedenen Universitätsbibliotheken sind es auch ungefähr eine Million Bände, die betroffen sind.

Die Staats- und Universitätsbibliothek bewahrt hundert Jahre alte Hamburger Adressbücher auf, sämtliche Druckzeugnisse aus und über Hamburg. Nach einer 1996 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bundesweit durchgeführten Untersuchung zur Schadensermittlung bestätigt sich, dass eine Million Bände des Archivbestandes von Säurefraß geschädigt sind. Davon sind rund 400 000 Medien Pflichtexemplare, Hamburgensien oder aus Sondersammelgebieten. Also auch in Hamburg haben wir es mit einer schleichenden Katastrophe zu tun.

Im Zusammenhang mit dem tragischen Brand in der Weimarer Herzogin Anna Amalia Bibliothek im September 2004 sagte Claudia Lux, damals Generaldirektorin der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek in Berlin:

"Es darf nicht sein, dass erst eine Bibliothek brennen muss, damit in Deutschland ein öffentliches Bewusstsein für die Gefährdung der Zeugnisse unserer Schriftkultur entsteht."

Bibliotheken beherbergen bedeutendes Kulturgut. Darum stellt sich heute am Ende unserer Tagesordnung – also auch recht spät – die Frage, wie wir mit den Beständen umgehen wollen und wie wir sie für künftige Generationen erhalten und bewahren können. Die bislang zur Verfügung gestellten Mittel – in der Regel ein Prozent des Erwerbungsetats – sind nicht besonders groß und reichen bei weitem nicht aus, die Schäden zu bekämpfen. Wird nichts unternommen, schreitet der Säurefraß unaufhaltsam fort, sodass manche Schriften einen irreparablen Schadensgrad aufweisen. Mit den bislang zur Verfügung gestellten Mitteln konnte noch nicht einmal die Hälfte der Pflichtexemplare behandelt werden. Konnte die Stabi in der Vergangenheit für herausragende Exemplare noch Spenden akquirieren, so sind für das Staatsarchiv kaum über Sponsoren zusätzliche Mittel zu erhalten. Aber auch dort finden sich unersetzliche zeitgeschichtliche Dokumente.