Protocol of the Session on February 22, 2006

Was ABM betrifft, verbinde ich das persönlich mit dem letzten großen Arbeitsmarktprogramm von Helmut Kohl, als er kurz vor der Wahl 1998 500 000 ABM-Stellen völlig willkürlich und wildwuchsartig in die Landschaft gesetzt hat, nur um die faktische Zahl der Arbeitslosigkeit in der Statistik zu reduzieren.

(Werner Dobritz SPD: Mit Zustimmung von Uldall!)

Dann verbinden wir natürlich ABM auch mit Fehlentwicklungen. Hier kamen Arbeitslose fast direkt nach Beginn ihrer Arbeitslosigkeit in ABM-Maßnahmen und wurden dort sozusagen eingeschlossen. Das will doch heutzutage niemand mehr. Das ist doch eine Gespensterdebatte der Neunzigerjahre. Wer will die alten ABM-Maßnahmen? Damit haben wir nichts zu tun.

Was wir aber brauchen, ist eine leistungsfähige und schlagkräftige Organisation. Wir nennen sie ARGE.teamarbeit Hamburg oder wie auch immer, die sich um die unmittelbaren Belange dieser Langzeitarbeitslosen kümmert. Sie führt Beratungen und Betreuungen durch.

(Doris Mandel SPD: Dafür braucht man Personal!)

Dafür werde ich Ihnen einige Punkte aufführen, bei denen Sie diese Menschen wirklich am langen Arm haben verhungern lassen.

Ihre Behörde hat völlig planlos agiert. Sie haben im Interessenbekundungsverfahren zu einem Zeitpunkt des größten Umbruchs in dem ganzen Bereich mit einer gewissen Wettbewerbsideologie initiiert, die Sie immer wieder zurücknehmen mussten. Es wurden kurze Vertragslaufzeiten abgeschlossen, die die Dienstleister völlig verunsichert haben. Die eine Abteilung in Ihrem Haus fand das Projekt toll und drei Monate später sind entsprechende Projekte woanders an irgendwelchen bürokratischen Verfahren dann gescheitert. Ihr Haus hat völlig planlos an dieser Stelle agiert.

(Beifall bei der SPD und bei Gudrun Köncke GAL)

Sie haben die Qualität der Maßnahmen systematisch gesenkt, indem Sie einen Preisunterbietungswettbewerb gestartet haben, der wichtige Maßnahmen gerade im gewerblichen Bereich sozusagen abgewürgt hat. Sie haben systematisch die ARGE mit zu wenig Personal ausgestattet und das ist auch heute noch der Fall. Noch heute fehlen 150 Stellen und die letzte diesbezügliche Senatsdrucksache will gerade mal 60 Stellen aufstocken.

Wir sind in Hamburg eigentlich mal ganz gut mit 51 Prozent Anteil am Personalkörper gestartet. Diesen Anteil haben Sie noch bis Mitte des letzten Jahres ein bisschen aufgestockt. Danach ist nur die Bundesagentur in Vorleistung gegangen und Hamburg ist mit dem Personalkörper stehen geblieben. Die Stellen für die Beratung, Betreuung und Vermittlung der Langzeitarbeitslosen fehlen. Am Ende haben die entsprechenden Mitarbeiter nicht einmal mehr die Zeit, die Betroffenen in auch für sie vernünftige Maßnahmen zu bringen. Das Ergebnis war, dass Computerbescheide durch die Stadt geschickt wurden, nur um irgendwelche Maßnahmen zu füllen. Und dann wundert man sich am Ende, dass das alles nicht so viel gebracht hat.

Dann hat man auch so wenig Kapazitäten-Ressourcen in der ARGE gehabt, sodass es am Ende nicht einmal mehr möglich war, – so heißt es –, die Gelder auszugeben. Dann wird Ihrerseits behauptet, dass es nichts gebracht hat, das Geld gar nicht ausgeben werden konnte und

somit eine Kürzung noch einmal um die Hälfte vorgenommen wird, anstatt die Verwaltungsabläufe schlagkräftiger und besser in der ARGE zu organisieren.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Sie haben nicht einmal 44 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel ausgegeben. Dann sind Sie mit 10 000 Ein-Euro-Stellen über die Stadt hergefallen und haben sich am Ende gewundert, dass viele Leute in Maßnahmen kamen, die nicht zu Ihnen passten. Das kann einfach kein gutes Ende nehmen.

Vor dem Hintergrund dieser aufgeführten Punkte, die Hamburg ganz konkret zu verantworten hat und in der Steuerung saß, können Sie sich der Verantwortung nicht entziehen, dass Sie dieses Thema nicht interessiert hat und Sie es haben laufen lassen. Die einzige aktive Vorstellung von Arbeitsmarktpolitik, die Sie für diese Stadt entwickelt haben, war, die Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik als finanziellen Steinbruch zu verwenden, um damit andere Projekte in der Stadt zu finanzieren. Sich dann auch noch selbst zu loben, Investitionen zu tätigen, die für jeden anderen Vorgängersenat eine Selbstverständlichkeit gewesen sind, ist zynisch.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wenn Sie das so fortsetzen, dann machen wir leider mit der Federführung, die Hamburg übernehmen soll, was auch richtig ist, sozusagen fast den Bock zum Gärtner. Für die Betroffenen ist diese Situation das Schlimmste, was man eigentlich nur befürchten kann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort hat jetzt Herr Senator Uldall.

(Werner Dobritz SPD: Wie war das mit Kohl?)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind weit davon entfernt, dass wir uns mit dem erreichten Umsetzungsstand in der ARGE.teamarbeit Hamburg zufrieden geben können.

Ich hatte bereits vor über einem Jahr, als wir die ARGE hier in Hamburg installierten, erklärt, dass wir mindestens zwei Jahre brauchen, bis dort die Abläufe so sind, wie wir uns das vorstellen. Ich wiederhole diese Aussage: Wir brauchen mindestens zwei Jahre. Wir müssen also in den nächsten Monaten noch hart arbeiten.

Wenn man sich jetzt einmal die Kritik der Sozialdemokraten und der Grünen anhört, dann kann man einen Großteil der Kritikpunkte auf etwas zurückführen, wofür Sie den Hamburger Senat nun wirklich nicht verantwortlichen machen können, nämlich die ungeheure Geschwindigkeit, mit der beschlossen wurde, die Hartz IV-Gesetzgebung bundesweit umzusetzen.

Sie alle werden sich noch daran erinnern, dass im Sommer 2002 – also bei der vorletzten Bundestagswahl – unmittelbar vor dieser Bundestagswahl mit einer großen Veranstaltung im französischen Dom zu Berlin die HartzGesetzgebung vorgestellt wurde

(Ingo Egloff SPD: Wer hat denn bis zum Schluss gepokert?)

und man dann ein Tempo vonseiten des Bundeswirtschaftsministers, der seinerzeit auch für die Arbeit mit zuständig war, vorgelegt hat, um diese Dinge umzusetzen. In diesem Tempo liegen viele Schwierigkeiten begründet, mit denen wir heute als diejenigen, die das umzusetzen haben, fertig werden müssen. Das gehört einfach zur Ehrlichkeit mit dazu. Ich bin nicht der Erfinder der Hartz IV-Gesetzgebung, sondern das war die rotgrüne Bundesregierung. Ich setze jetzt aber diese Zielsetzung durch, weil ich sie insgesamt und grundsätzlich für richtig halte.

Wenn Sie allerdings in Ihren Parteien grundsätzlich mit der Hartz IV-Gesetzgebung Schwierigkeiten haben,

(Ingo Egloff SPD: Wir haben es doch durchge- setzt, Herr Senator!)

dann diskutieren Sie das in Ihren parteiinternen Zirkeln, aber machen Sie das nicht zum Vorwurf gegenüber der ARGE.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle einmal ganz deutlich die großartige Arbeit hervorheben, die in den letzten Monaten von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der ARGE, von den dortigen Führungskräften, geleistet worden ist. Hierzu gehörte die Übernahme der Daten, der Aufbau eines Unternehmens mit weit über 1000 Beschäftigten, Suche der Büros, Regelung der Arbeitsabläufe und Klärung der ganzen personalwirtschaftlichen Fragen. Hierfür sollten wir auch einmal Danke sagen.

(Beifall bei der CDU – Doris Mandel SPD: Aber das geht doch nicht ohne Personal!)

Um zu verdeutlichen, wo die Fehlerquellen infolge des schnellen Tempos liegen, muss man einmal einen Blick nicht jetzt in den Tagesspiegel, Frau Köncke, sondern in das Magazin Spiegel von dieser Woche werfen, worin genau beschrieben wird, mit welchen Problemen man dort bei der Software zu kämpfen hat. Das ist eine bundeseinheitliche Software, die sich doch nicht der Senator Uldall ausgedacht hat. Insofern ist die Kritik des nicht Funktionierens der Arbeitsabläufe keine Hamburg bezogene Kritik, sondern das ist eine bundesweit bezogene Kritik, die auf diejenigen zurückfällt, die mit diesem Tempo die Hartz IV-Gesetzgebung umsetzen wollten und sich jetzt aufspielen und hierauf hinweisen.

Wir haben eine rechtliche Konstruktion bei der ARGE, die niemals von vernünftig denkenden Leuten in Gang gesetzt worden wäre. Diese doppelte und nicht organisierte Verantwortung war bei der ARGE mit einer der Kernfehler. Auch das ist keine Hamburger Erfindung gewesen, sondern das ist eine bundesweit vorgegebene rechtliche Konstruktion gewesen.

(Ingo Egloff SPD: Wer war denn mit im Vermitt- lungsausschuss, Herr Uldall?)

Was wir jetzt aber erreicht haben, ist, dass wir die Mehrheit in der Trägerversammlung übernommen haben. Das wird ein erster Schritt sein, um insgesamt zu einem zügigeren und besseren Ablauf in der Umstellung der Arbeiten zu kommen.

Wir haben weitere Punkte, an denen wir arbeiten müssen. Bei aller Kritik, die Sie gern erheben mögen, sollten Sie aber festgestellt haben, dass wir in Hamburg im Aufgreifen dieser Probleme schneller sind, als bundesweit

andere ARGE. Wir werden jetzt beispielsweise daran gehen, diese seltsame Art von befristeten Arbeitsverträgen zu lösen. Dieses Wort "befristete Arbeitsverträge" muss man vielleicht erläutern. Hier sind hunderte von Leuten bei der ARGE eingestellt worden, die nur einen befristeten Arbeitsvertrag haben und sich während der Zeit, in der Sie bei der ARGE mit einem befristeten Vertrag arbeiten, selber umsehen sollen, ob sie einen anderen Job finden. Wer eine solche Konstruktion wählt, der darf sich nicht wundern, wenn viele hundert Mitarbeiter bei den bundesweiten ARGEN demotiviert sind. Wir in Hamburg stellen das jetzt um.

(Beifall bei der CDU)

So gibt es eine Reihe von Punkten, die wir aufgreifen. Wir werden in den nächsten Monaten systematisch weitere Schwachpunkte aufgreifen und ändern und werden das, soweit es irgendwie möglich ist, in der Hamburger Kompetenz durchführen.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir in Hamburg pro Kopf die höchsten Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik aufwenden. In Berlin werden im Jahr 234 Euro, in Bremen 229 Euro, in Frankfurt 294 Euro und in München 353 Euro pro Kopf ausgegeben.

(Ingo Egloff SPD: Bei uns waren sie noch viel hö- her!)

In Hamburg wird fast das doppelte, nämlich 650 Euro, pro Kopf ausgegeben. Wenn Sie also behaupten, dass hier falsch gespart werden würde, ist das nicht richtig. Es ist aber gegenüber denjenigen, die diese Gelder aufwenden, verantwortungsbewusst, dass man sich fragt, wie der effiziente Einsatz dieser Mittel zu regeln ist.

Hierzu gehört auch, dass wir mit neuen Instrumenten gehen. Es wurde vorhin von der CDU-Sprecherin bereits erwähnt, dass wir mit dem Hamburger Modell eine Lösung gefunden haben, die bundesweit auf Interesse gestoßen ist und inzwischen Nachahmung findet. Hiermit haben wir in der Arbeitsmarktpolitik neue Akzente gesetzt.

Wir kommen jetzt mit einem weiteren Instrument, dem Kombilohn. Ich sage ausdrücklich: Der Kombilohn ist keine flächendeckende Lösung. Der Kombilohn wird nicht das Allheilmittel sein. Aber wir handeln bereits. In Berlin hat die große Koalition zunächst einmal eine Arbeitsgruppe eingesetzt,

(Petra Brinkmann SPD: Arbeitsgruppen sind toll!)

um Überlegungen anzustellen, welche Möglichkeiten es gibt, Menschen zu helfen, auf diese Art und Weise einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Ich bitte sehr darum, dass wir einen ideologischen Streit über Kombilohn ja oder nein anderen überlassen und wir in Hamburg pragmatisch vorgehen, um uns nach einer bestimmten Zeit die Frage vorzulegen: Gelingt es mit dem Kombilohn, Schwachen dieser Gesellschaft wieder einen Weg zur Arbeit zu verhelfen? Das sollte allein der Maßstab sein und nicht irgendwelche grundsätzlichen ideologischen Auseinandersetzungen.

(Uwe Grund SPD: Einen Mindestlohn müssen Sie einführen!)

Wenn wir feststellen, dass dieser Weg erfolgreich ist, dann sollten wir ihn weitergehen. Wenn wir feststellen, dass das kein guter Weg ist, dann werde ich der Erste

A C