Kommen wir zu den Fakten, Herr Lühmann. Welche Probleme führen unmittelbar in die Langzeitarbeitslosigkeit? Rund zwei Drittel aller Langzeitarbeitslosen haben keine Berufsausbildung. Noch besorgniserregender: Ein Drittel aller Langzeitarbeitslosen hat noch nicht einmal einen Schulabschluss. Träger wie die "hamburger arbeit" kommen bei den Ein-Euro-Jobbern sogar zu dem Ergebnis, dass neben fehlender Grundkenntnisse in Rechnen, Lesen und Schreiben bei 80 Prozent der Aktivjobber das Hauptproblem mangelnde soziale Kompetenzen, wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und selbstständiges Handeln sind. Die Fallmanager der Jobcenter betonen deshalb auch einhellig, dass wir zur Vermittlung dieser Grundtugenden die Arbeitsgelegenheiten in dieser Größenordnung brauchen, Frau Köncke. Ich habe mich bei vielen Fallmanagern persönlich erkundigt und die haben einhellig gesagt, dass sie genau diese Ein-Euro-JobMaßnahmen haben wollen. Diese Notwendigkeit sieht deshalb auch die CDU-Fraktion.
Diese Gruppe von Langzeitarbeitslosen für den Ersten Arbeitsmarkt zu aktivieren, ist die eigentliche Kernaufgabe. Sie sind nicht selten in der zweiten oder dritten Generation arbeitslos und haben sich teilweise mit ihrer Lage arrangiert oder haben leider auch manchmal resigniert. Jeder, der glaubt, dass man dieses Problem alleine mit Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik beheben kann, ist auf dem Holzweg. Wir brauchen übergreifende Konzepte. Der Ansatz von Bürgermeister Ole von Beust heute, zum Beispiel die soziale Stadtteilentwicklung heranzuziehen, ist absolut richtig.
Herr Egloff, genau das meine ich. Wenn Sie jetzt versuchen, die Langzeitarbeitslosigkeit einseitig populistisch zu nutzen, um hier Ihre Halbzeitwahlkampfpolemik zu führen, dann erkennen Sie die Tragweite des Problems nicht.
Über Jahrzehnte hinweg gewachsene Sozialprobleme in dieser Stadt, Herr Egloff, müssen dazu bearbeitet und bewegt werden.
Aber mit dem, was wir mit unserer Arbeitsmarktpolitik bewirken können, sind wir meiner Meinung nach schon auf dem richtigen Weg.
Unser erklärtes Ziel ist – nicht wie Frau Köncke es sagt –, Arbeitslose in den Ersten Arbeitsmarkt zu integrieren und keinen Zweiten Arbeitsmarkt aufzubauen. Das Hamburger Modell ist ein gelungenes Beispiel dafür. Hamburg investiert damit in Menschen und nicht, wie Sie es oftmals wollen, in Beschäftigungsmaschinerien. Damit wird nämlich keinem geholfen, außer den Beschäftigungsträgern.
Die CDU-Fraktion unterstützt auch den von Herrn Senator Uldall beabsichtigten Ansatz, Geld vom Arbeitsmarktbereich in Investitionen umzuschichten. Nach der geplanten Herabsetzung der Pro-Kopf-Eingliederungsmaßnahmen auf 400 Euro zahlt Hamburg noch immer weit mehr als alle anderen Metropolen in Deutschland und diese werden oftmals von Rotgrün regiert, meine Damen und Herren. Das sei hier nur nebenbei bemerkt.
Außerdem ist Ihr Ansatz, dass viel Geld immer viel hilft, unserer Meinung nach falsch. Wir brauchen gezielte, knackige Maßnahmen. Teure und lange Programme, wie zum Beispiel ABM, haben sich nicht bewährt und nicht die gewünschten Eingliederungsquoten erbracht. Investitionen in die Infrastruktur, die die Wirtschaft ankurbeln, schaffen auch immer echte neue Arbeitsplätze im gering qualifizierten Bereich. Nur eine funktionierende Wirtschaft kann tatsächlich nachhaltig die Arbeitslosigkeit abbauen.
Obwohl Hamburg auf dem richtigen Weg ist, gibt es natürlich auch immer Felder, die optimiert und intensiviert werden können.
Wir wollen, dass der Schwerpunkt "Abbau der Jugendarbeitslosigkeit" noch intensiver ausgebaut wird. Wir haben dabei drei Kernziele: Zentrale Job-Center-Angebote, ein Sofortprogramm für von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohte
Jugendliche nach der Schule und als Drittes weitere Zusammenschlüsse zur Schaffung von Ausbildungsplätzen. Das werden wir auch in der nächsten Bürgerschaftssitzung weiter mit vorantreiben.
Aber auch der Leitsatz "Keine Leistung ohne Gegenleistung" muss in der tatsächlichen Behördenpraxis der ARGE noch besser umgesetzt werden. Bei der verwaltungstechnischen Umsetzung der Reform Hartz IV gibt es insgesamt noch viele Probleme – Frau Köncke hat einige angesprochen –, die gelöst werden müssen. Zwar hat die Stadt mit der Übernahme der Verantwortung für die ARGE einen wichtigen Schritt im Hinblick auf klare Kompetenzen und Zuständigkeiten vollzogen, doch gravierende Probleme bestehen immer noch. Beispielhaft ist dafür die Software A2LL. Diese darf durchaus einmal genannt werden, weil sie immer noch Zeit raubt und die Vermittler vom Vermitteln abhält.
Wichtig ist, dass wir uns nicht im bürokratischen Geflecht verstricken, denn jeder Arbeitslose hat ein Recht darauf, dass wir optimale Rahmenbedingungen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze herstellen und dass wir dem Anspruch des Förderns und Forderns gerecht werden, und das schaffen wir in Hamburg auch: Mit wirtschaftlichem Know-how,
einer zielstrebigen Sozialpolitik, einer gewissen Portion Optimismus – das würde Ihnen auch ganz gut tun – und zu guter Letzt mit einem langen Atem.
Herr Dees hat als Nächster das Wort. Bevor er anfängt zu sprechen, möchte ich an ein Gespräch erinnern, das wir vorhin mit den parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen hatten. Ich kann feststellen, dass es davon noch keine Umsetzung gegeben hat,
(Wolfhard Ploog CDU: Das ist ja geheimnisvoll! Über was haben Sie gesprochen? – Bernd Reinert CDU: Muss ich ihn jetzt feuern?)
was das Gerede im Plenarsaal angeht, das Kleingruppenbilden und ähnliche Dinge, sodass hier keine Ruhe ist und es für die Rednerinnen und Redner sehr schwer ist, durchzudringen. Ich möchte Sie alle noch einmal daran erinnern, insbesondere auch die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, das Ihren Fraktionen noch einmal deutlich zu machen und mitzuteilen. Es wäre sehr schön, wenn wir hier zu einer etwas entspannteren Arbeitsatmosphäre kommen.
Sehr geehrte Frau Hochheim! Wenn ich Sie so höre, habe ich manchmal das Gefühl, wir leben in unterschiedlichen Welten.
Erstens: Das fängt schon bei der Reform des Arbeitsmarktes an, die SPD – und alles was mit Hartz IV in den letzten Jahren zu tun hat – als Hemmschuh zu bezeichnen. Ich wünsche mir zwar auch, dass einiges anders gelaufen wäre, aber dass wir der Hemmschuh gewesen
Zweitens: Jetzt reden Sie schon wieder – und da bewegen Sie sich in einem eigenen Grundwiderspruch, der sich interessanterweise in Ihrer Rede aufgetan hat – über die gestiegene Beschäftigung, die 6500 zusätzlichen Arbeitsplätze in Hamburg. Der Senat ist auch unerlässlich dabei, die Marketingoffensive wie ein Mantra vor sich herzutragen und das als den Erfolg der Arbeitsmarktpolitik zu verkaufen. Das ist ja schön und gut. Aber wenn Sie sich überhaupt einmal die Beschäftigungsentwicklung in den letzten zehn Jahren angucken, dann ist das gerade mal 1 Prozent Wachstum. Sie müssten noch 60 000 oder 70 000 Arbeitsplätze mehr schaffen, um wieder das Niveau der Neunzigerjahre zu erreichen. Insofern ist das bestenfalls mal eine gute Meldung wert, aber das als große Trendwende und großen Erfolg zu verkaufen, ist ein bisschen zu früh.
Das Kernproblem, über das wir hier reden – und das haben Sie selber eigentlich ganz gut ausgeführt, Frau Dr. Hochheim –, ist die Langzeitarbeitslosigkeit. Langzeitarbeitslosigkeit hat in erster Linie nicht unmittelbar etwas mit dem Ersten Arbeitsmarkt zu tun – und da rate ich Ihnen und auch Herrn Senator Uldall, sich einmal mit Professorin Jutta Allmendinger, der Präsidentin des IAB in Nürnberg in Verbindung zu setzen, die Ihnen das sehr ausführlich darlegen wird und unverdächtig ist, irgendeiner politischen Richtung anzugehören –, sondern ist in erster Linie ein soziales Problem. Sie hat gerade kürzlich im Radio auf 92,3 beschrieben, welche dramatischen Folgen Langzeitarbeitslosigkeit für die einzelnen Betroffenen mit sich bringt. Das beginnt bei der Gesundheit mit psychischen und physischen Folgen für die persönliche Gesundheit. Teilweise verlieren die Menschen ihre sozialen Kompetenzen. Vielen fällt es immer schwerer, sich in einem strukturierten Arbeitsalltag zurechtzufinden. Die Kinder und Familien werden in Mitleidenschaft gezogen. Wir haben in dieser Stadt über 4000 junge Menschen – und das ist schon mal ein erster Ansatzpunkt –, die weder über eine vernünftige Berufsausbildung noch über einen entsprechenden Berufsabschluss verfügen und langzeitarbeitslos sind und nie einen Arbeitsplatz gesehen haben.
Bei diesen Menschen zu sparen, wie Sie es jetzt gerade ganz dramatisch tun, und erklären, dass man das auf dem ersten Arbeitsmarkt mit verschiedenen Initiativen schon richten wird, ist einfach zynisch. Sie müssen erst einmal die sozialen Probleme dieser Menschen gelöst bekommen, um überhaupt den Schritt in die Integration zum ersten Arbeitsmarkt zu bewerkstelligen.
Jetzt lassen Sie uns doch keine Scheindebatten über ABM führen, wie das der Herr Senator in seiner letzten Pressemitteilung auch wieder getan hat. ABM taugt alles nichts und jetzt ist alles toll, was der Senat macht.
Was ABM betrifft, verbinde ich das persönlich mit dem letzten großen Arbeitsmarktprogramm von Helmut Kohl, als er kurz vor der Wahl 1998 500 000 ABM-Stellen völlig willkürlich und wildwuchsartig in die Landschaft gesetzt hat, nur um die faktische Zahl der Arbeitslosigkeit in der Statistik zu reduzieren.