Protocol of the Session on December 8, 2005

Wer wünscht das Wort? – Frau Dräger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Senat hat der Bürgerschaft ein Gesetz zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes vorgelegt und hat dies im Wesentlichen zum einen mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und entsprechenden Folgeentscheidungen begründet und zum anderen damit, dass man das Personalvertretungsgesetz beschleunigen und modernisieren wolle. Wir haben eine große Anhörung mit den Spitzenorganisatoren, aber auch mit zahlreichen Vertretern und Vertreterinnen aus Personalräten aus der ganzen Stadt abgehalten. Alle, wirklich alle haben in großer Einmütigkeit dargestellt, dass der Senat mit diesem Gesetz nicht nur beide Ziele verfehlen wird beziehungsweise es gar nicht notwendig wäre, das eine zu erreichen, sondern dass er vor allen Dingen einen harten Einschnitt in die Mitbestimmung in dieser Stadt vornehmen will und er der Stadt damit nachhaltig schaden wird.

(Beifall bei der SPD)

Sie unterliegen dem Irrtum, durch eine Einschränkung der Mitbestimmung könnten Sie schneller umsetzen, was Sie in der Stadt umsetzen wollen.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Diesem Irrtum sind schon viele vor Ihnen unterlegen, nicht nur in Behörden, sondern auch in der freien Wirtschaft, nämlich immer dann, wenn man meinte, man müsse seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht mitnehmen, wenn man etwas verändern will, sondern man müsse das möglichst schnell und möglichst hart und möglichst von oben durchsetzen. Andere nennen dies Durchregieren, wieder andere nennen es "blinde Gefolgschaft", wie man will. Jedenfalls will man keine demokratische Auseinandersetzung. Man geht der Diskussion aus dem Weg. Man will die Argumente der anderen Seite am liebsten gar nicht hören.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Ich will Sie in dieser Adventswoche nicht damit langweilen aufzuzählen, wo überall Sie diese Linie schon verfolgt haben. Das ist eine Linie, die Sie überall vertreten, wo Sie die Gelegenheit erhalten, Partizipation abzubauen, der Diskussion auszuweichen, Menschen, die an Gestaltungsprozessen teilnehmen wollen, nicht an diesen teilnehmen zu lassen und dann, wenn Sie es vielleicht doch müssen, am besten nicht darauf zu hören, was Menschen Ihnen sagen wollen und worüber sie mit Ihnen debattieren wollen. Ob es in der Verwaltung ist, ob es Bürgerinnen und Bürger sind – Hauptsache, sie können allein

machen, was Sie wollen und müssen sich nicht mit anderen auseinandersetzen.

Daraus spricht ein tiefes Misstrauen, und zwar vor allem ein tiefes Misstrauen gegen die eigenen Argumente und die eigene Überzeugungsfähigkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das ist ein Armutszeugnis in einem demokratischen Staat. Herr Maier ist gerade nicht da, gestern hat er es "government by discussion" genannt. Genau dazu haben Sie keinen Mut. Da verlässt Sie der Mut, da kriegen Sie es mit der Angst zu tun. Das wollen Sie wegdrücken, das wollen Sie nicht haben.

Es ist noch ein anderes Misstrauen, nämlich ein ganz großes Misstrauen gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hamburgischen Verwaltung. Das haben diese nicht verdient.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wenn Sie sich ansehen, wie oft in den vergangenen Jahren – ich habe dazu eine Kleine Anfrage gestellt – Schlichtungsverfahren angerufen wurden, kommen Sie darauf, dass man das in allen Behörden – bei einem Ausreißer – an einer Hand abzählen kann. In den vielen Fällen – das ist uns in der Anhörung und auch in der Personalräteversammlung des DGB dargestellt worden – einigen sich Personalrat und Dienststelle natürlich. Sie haben doch da einen kostbaren Schatz: die Mitarbeit dieser Menschen, die das größtenteils ehrenamtlich machen, freiwillig, die ihre Zeit dafür einsetzen. Das weisen Sie zurück. All die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bei der Anhörung da waren, haben gefragt, warum Sie ihnen nicht vertrauten, warum Sie glaubten, bei ihnen anfangen zu müssen, wenn Dinge in den Behörden zu langsam gehen, warum Sie nicht bei sich selbst anfingen, nicht dort umstellten, wo Dienststellen schneller reagieren – auf Anregung von Personalräten zum Beispiel –, warum Sie meinten, Sie müssten die Mitbestimmung einschränken, wenn Sie doch eigentlich wollten, dass sie alle miteinander engagiert arbeiten. Dieses Vertrauen haben Sie nicht. Das ist eines der Probleme, die Sie im Moment zu lösen haben: das mangelnde Vertrauen bei allen Versuchen, Verwaltung in dieser Stadt zu reformieren. Wenn Sie glauben, Sie könnten sich auf die Hamburgischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verlassen, werden Sie die Verwaltung in Hamburg auch nicht reformieren können.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wir haben lange überlegt, ob wir den Gesetzestext, den Sie vorgelegt haben, heilen können, ob wir durch Einzelanträge, die wir einbrächten, ein besseres Gesetz aus dem von Ihnen vorgelegten machen können. Wir haben dann entschieden, dass es überhaupt keinen Sinn hat. Die Vorschläge des Senats sind so schlecht, dass man es nur besser machen kann, indem man ein ganz neues Gesetz vorlegt. Das haben wir – der Name schon ist Programm – mit einem Hamburgischen Mitbestimmungsgesetz für die öffentliche Verwaltung getan. Dieses Gesetz steht heute ebenfalls zur Abstimmung. Dieses Gesetz ist eine echte Alternative. Es wird auch einem Anspruch gerecht, den Sie selbst formuliert haben: Es stellt nämlich ein moderneres Personalvertretungsgesetz dar als das, was Sie sich je trauen würden umzusetzen. Wir haben uns dabei – und auch das ist in der Anhörung von den Spitzenorganisationen ausdrücklich begrüßt wor-

den – orientiert am Schleswig-Holsteinischen Mitbestimmungsgesetz. Dieses Gesetz hat sich in SchleswigHolstein bewährt. Dieses Gesetz ist an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes angepasst worden. Es ist verfassungsgemäß. Es ist rechtsklar und es bietet ein Maximum an Mitbestimmung und Mitwirkung der Personalräte und ein Maximum an Informations- und Mitwirkungsrechten der Einzelnen. Beides ist uns wichtig, beides haben wir in unseren Gesetzentwurf übernommen.

Ich will drei Dinge sagen, die unseren Gesetzentwurf von Ihrem grundsätzlich unterscheiden. Das erste ist, dass wir darauf verzichten, einen Mitbestimmungstatbestandskatalog aufzustellen, also genau im Kleinsten darzulegen, wo mitbestimmt werden darf und wo nicht. In allen personellen, sozialen und dienstlichen Fragen soll es Mitbestimmung geben. Nun sagen Sie nicht, das blähe auf. Gehen Sie nach Schleswig-Holstein – auch die CDU regiert dort ja jetzt mit – und fragen Sie, ob dieses Mitbestimmungsrecht eine Katastrophe sei. Man wird Ihnen sagen, nein, es funktioniere, wenn man Vertrauen hat und wenn man weiß, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fast immer dieselben Ziele verfolgen wie die Dienststellen, nämlich eine gute Verwaltung.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Sie dagegen nehmen den bereits schmalen Mitbestimmungskatalog und grenzen weiter ein.

Eine Sache muss man einfach erwähnen: Was nehmen Sie heraus? Sie nehmen die Mitbestimmung bei der Formulierung von Ausschreibungen heraus, ausgerechnet da, ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Sie nehmen die Möglichkeit des Personalrates weg, in Ausschreibungen hineinzuschauen, da Sie offenbar Angst haben, dass der Personalrat in diesem Bereich vielleicht Dinge sehen könnte, die er nicht sehen soll. Das ist beschämend.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Was uns ebenfalls unterscheidet, ist der Versagungskatalog. Nicht nur, dass Sie die Mitbestimmung einschränken, Sie schränken auch in weiten Teilen die Möglichkeit des Personalrats ein, seine Entscheidung zu begründen. Sie sagen nämlich, das dürfe er nur dann tun, wenn entweder die Vorschläge des Senats gegen Rechtsvorschriften verstoßen – es ist ja schön, dass der Personalrat ermächtigt wird, zu kontrollieren, ob sich die Dienststelle nach Recht und Gesetz verhält, ich weiß nicht, ob das neuerdings bei Ihnen nötig ist, Ihr Gesetzestext erweckt diesen Eindruck –, oder wenn andere, sehr diffizil zu begründende Schwierigkeiten, anderen Entscheidungen entgegenstehen. Ich will es nicht vorlesen, Sie haben ja wahrscheinlich alle den Text gelesen. Ich hoffe dies jedenfalls.

(Bernd Reinert CDU: Ganz bestimmt, immer!)

Das wird die Arbeit der Personalräte erschweren. Es wird auch – das haben ebenfalls alle Spitzenvertreter, auch der Richterverein, auf der Anhörung gesagt – zu einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten führen. Und es wird dazu führen, dass zukünftig zwischen Personalräten und Dienststelle nicht mehr über die Sache diskutiert wird, sondern über die Frage, ob das, was diese tun, zum einen unter den Mitbestimmungskatalog und zum anderen auch noch unter die Versagensgründe falle. Es ist zu erwarten – das sage nicht ich, sondern das hatte der Vertreter des Richtervereins gesagt –, dass dieser Punkt eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten nach sich zieht. Sie reden von Beschleunigung und Modernisierung, aber

dieses Gesetz ist ein Bremsklotz für jede Verwaltungsmodernisierung.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir haben das bestehende Personalvertretungsgesetz um eine Reihe von Vorschriften ergänzt, über die Sie sich überhaupt keine Gedanken machen. Das ist das Informationsrecht Einzelner. Wir möchten, dass auch einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukünftig innerhalb der Behörden – das liegt damit auf einer Linie, dass wir auch Menschen außerhalb der Behörden größere Informationsrechte geben – ein weitergehendes – natürlich nicht unbeschränktes – Informationsrecht haben. Dies haben wir in unseren Gesetzentwurf mit aufgenommen.

Sie sehen: Wir bieten eine echte Alternative. Ich weiß, dass es auch unter Ihnen Menschen gibt, die Erfahrung mit Personalvertretung haben. Ich weiß, dass es dem einen oder anderen ganz schön weh tut, hier heute das Gesetz des Senats mitbeschließen zu müssen. Sie müssen es nicht. Es gibt etwas anderes. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Ploog.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Es fällt schwer, nicht?)

Wie bitte?

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Es fällt schwer, nicht?)

Die Anrede war doch ganz okay, oder? Das fand ich. Ich habe ja einige Kolleginnen und Kollegen oben auf den Zuhörerbänken gesehen. Ich freue mich sehr, dass es engagierte Personalräte gibt, die heute hier sind.

(Beifall bei Dr. Monika Schaal und Gesine Dräger, beide SPD)

Deswegen war es richtig, "Kolleginnen und Kollegen" zu sagen.

Nun zur Sache selbst, meine Damen und Herren. Wenn Sie Fragen haben, stellen Sie die, aber sagen sie nicht gleich, es sei falsch, Freunde hier zu begrüßen.

Frau Dräger, ich hatte ja erwartet, dass Sie hier so eine düstere Vision vom Untergang der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst entwickeln.

(Erhard Pumm SPD: Etwas Positives hat Sie vor- getragen!)

Aber das, was Sie hier an die Wand malen, ist völlig irreal.

(Manuel Sarrazin GAL: Das Gesetz ist ja noch nicht beschlossen!)

Ich hatte zunächst den Eindruck, dass Sie dem Senat mit diesem Entwurf vorwerfen wollten, die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst überhaupt abzuschaffen. Das ist nicht wahr. Wir kommen vielleicht noch im Einzelnen darauf.

Sie sagen, Dinge würden abgeschafft, die der Mitbestimmung bislang unterliegen. Das sind zwei Dinge, einen nannten Sie schon: Das ist nicht die Mitbestimmung bei der Ausschreibung als solcher. Da gebe ich Ihnen Recht,

das ist vielleicht das Geringere dabei. Künftig möchte man vielmehr über den Inhalt der Ausschreibung keine Mitbestimmung mehr haben. Darüber kann man sich streiten oder nicht, aber hier folgt der Senat ja der allgemeinen Auffassung – diese ist auch legitim –, dass es zunächst einmal dem Arbeitgeber selbst oder dem Dienstherren hier selbst obliegt, zu bestimmen, welche Aufgaben und Inhalte er dem Dienstposten zuweisen möchte und welche Qualifikation er von den Bewerberinnen und Bewerbern erwartet. Deswegen hat meine Fraktion keine Probleme, diesen Punkt mitzutragen.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist auch ein Beispiel für das, was Sie beklagt haben, dass es kein Vertrauen mehr in den öffentlichen Dienst gebe. Das ist nicht richtig, sondern nach dem Gesetzentwurf bleibt es bei der Teilhabe des öffentlichen Dienstes durch die Personalräte. Die Fraktion und der Senat haben volles Vertrauen in den öffentlichen Dienst. Dort soll auch nichts abgeschafft werden.