Protocol of the Session on December 7, 2005

(Michael Neumann SPD: Das ist gut!)

Aber Sie sagen, die Senatorin lädt zwar ein, wir kommen aber nicht. Das ist nicht nur stillos, damit legen Sie auch eine Form von Polittaktiererei an den Tag, die weit weg von jedem Sach- und Lösungsinteresse ist. Selbst bei Politikern kann so etwas die Politikverdrossenheit weiter befördern.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Was für ein Parlamentsverständnis haben Sie denn?)

Ich möchte daher noch einmal den Versuch unternehmen – wir haben es Ihnen schon einmal angeboten –, einen gemeinsamen Weg zu gehen und eine gemeinsame Kommission zu finden. Ich kann hier nicht für die Senatorin sprechen, aber wir sollten es versuchen. Gemeinsam heißt aber, sich vorher zusammenzusetzen

(Michael Neumann SPD: Nicht in den Hinterzim- mern! Deswegen bringen wir den Antrag ein!)

und gemeinsam zu überlegen, wie wir diesen Weg gehen, und nicht, dass der eine dem anderen diktiert, was gemeinsam ist.

Wenn Sie dazu bereit sind, könnte ich mir vorstellen, dass wir so etwas machen. Wenn nicht, würden wir selbstverständlich energisch in dieser Enquete-Kommission mitarbeiten. Wir würden das schon deshalb tun, um mehr als die letzte Enquete-Kommission zu erreichen, denn während Sie heute diese Enquete-Kommission in

den höchsten Tönen loben, hat Ihr damaliger Kollege Kurt Edler diese Kommission am Ende wie folgt kommentiert:

"Vielleicht ist die Hamburger Bürgerschaft noch nie so kompetent, so fundiert und so vielseitig wie durch die Enquete-Kommission "Schulpolitik" beraten worden. Das traurige Schicksal dieses Berichts, nun sang- und klanglos in der Versenkung zu verschwinden, beleuchtet ein allgemeines Defizit parlamentarischer Politik in Deutschland. … Der Versuch kompetenter Politikberatung ist wieder einmal gescheitert, und es bleibt uns nun nichts mehr, als hier den Wissenschaftlern der Enquete-Kommission für ihre vergebliche Mühe und ihren unbegründeten Optimismus zu danken."

Das war Ihr Kollege Kurt Edler damals. Wir wollen hingegen keine akademischen Phantomdebatten führen, sondern wir wollen etwas für Hamburgs Schülerinnen und Schüler erreichen. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt hat das Wort Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Heinemann, ich glaube, dass Sie in dieser Sache falsch liegen, wenn Sie hier den Eindruck zu erwecken versuchten, wir wollten nicht ernsthaft mit Ihnen ins Gespräch kommen. Wir warten nun schon sehr, sehr lange darauf, dass wir auch mit Ihnen über Schulstrukturen, reden können. Warum sollten wir dann ein Gesprächsangebot ablehnen? Nur, das kann natürlich nicht so funktionieren, dass Sie, wenn Sie jetzt plötzlich den Hebel umlegen und eine zweigliedrige Struktur fordern, uns gleich vorwerfen, wir wollten nicht mit Ihnen ins Gespräch kommen, wenn wir zu Ihrem Vorschlag und Ihren Spielregeln nicht sofort hurra rufen.

Ich habe es ausdrücklich begrüßt – Sie haben das eben noch einmal betont – als Pädagogin und als Politikerin für meine GAL-Fraktion, dass jetzt nicht mehr von Ideologie die Rede ist oder von einer Diskussion von gestern oder einer Geisterdebatte. Das ist auch gut so. Ich habe schon einmal gesagt, was bei Ihnen in der CDU passiert ist, kommt einer Revolution gleich.

(Lars Dietrich CDU: Wir nennen das Evolution!)

Das Wort mögen Sie vielleicht nicht, aber die CDU hat sich dahin bewegt und das ist gut so. Deshalb wollen wir gern auf Sie zugehen, Herr Dietrich. Und wo machen wir das Aufeinanderzugehen? Im Parlament.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Deshalb haben wir dieses Instrument des Parlaments, die Enquete-Kommission, beantragt, die von unseren Vätern der Verfassung bewusst eingesetzt wurde. Ich lese Ihnen gern vor, was auf der Homepage des Baden-Württembergischen Landtags zur Enquete-Kommission steht:

"Eine Enquete-Kommission besteht normalerweise aus Mitgliedern des Landtags und aus Sachverständigen, die gleichberechtigt sind. Ihre gemeinsame Aufgabe ist es, zu einem bestimmten Thema Material zusammenzutragen und Erkenntnisse zu gewinnen, um grundlegende Entscheidungen der Abgeordneten..."

über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe

"...vorzubereiten.

Enquete-Kommissionen sollen den Informationsstand des Parlaments, insbesondere auch gegenüber der Regierung, verbessern."

Genau darum geht es hier. Wir diskutieren nicht darüber, ob eine neue Pausenhalle entsteht oder ein Schulteich angelegt wird, sondern es geht um umfangreiche und bedeutsame Veränderungen im Hamburger Schulwesen, in der Schulstruktur. Die muss gekoppelt diskutiert werden mit der Qualität und mit der Frage Risikogruppen. Bei einer so großen Reform bedarf es einer ordentlichen Beratung und – das ist das Wichtigste – einer großen Akzeptanz bei der Hamburger Bevölkerung, bei Eltern, Schulen, parteienübergreifend. Wenn das nämlich nicht ist, dann wird es nichts. Die skandinavischen Länder und übrigens auch Kanada haben diese großen Reformen nur geschafft, weil es parteiübergreifend Konsens gab.

Wir haben begründete Bedenken, diese Angelegenheit nicht der Verwaltung zu überlassen. Nichts spricht dagegen, dass die Schulsenatorin zu einer Gesprächsrunde über das Hamburger Schulwesen einberuft. Das kann sie gern machen. Nur, ein Gesprächskreis kann nicht die Arbeit einer Enquete-Kommission ersetzen. Es ist auch schlimm, wenn versucht wird, dadurch die Bürgerschaft zu brüskieren, denn wir brauchen für die Weiterentwicklung des Hamburger Schulwesens die Diskussionen mit allen Experten. Wir wollen nicht, dass die Ergebnisse und Empfehlungen Schnellschüsse werden.

Lieber Herr Heinemann, liebe Kollegen von der CDU, wir wissen, dass es in den letzten vier Jahren oft eine sehr hastige Politik gegeben hat, die eine sehr kurze Halbwertszeit hatte. Ich will jetzt nicht noch einmal die Themen dritte Sportstunde, Schulschwimmen, Büchergeld und Schulentwicklung aufwärmen, aber da war wirklich einiges sehr schnell aufgeführt und Eltern und Schulen sind in dem Punkt ziemlich bedient. Das können wir den Schulen, den Eltern und allen Beteiligten nicht noch einmal zumuten. Was ist dann besser, liebe Kollegen von der CDU, wenn nicht jetzt nach den Ergebnissen von LAU, PISA und KESS die Stunde des Parlaments gekommen ist? Das sollten wir uns nicht nehmen lassen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Eine Enquete-Kommission der Bürgerschaft hat für solche großen Herausforderungen eine ganz andere Legitimation als ein Gesprächskreis und es gibt klare Verfahrensregeln. Sie ist öffentlich, sie erlaubt kontinuierliche Arbeitsprozesse und sie hat in der Bürgerschaft, aber auch in vielen anderen Parlamenten, gute und erfolgreiche Tradition.

Der Hamburger Professor und Wissenschaftler Kleinstäuber schreibt dazu:

"Enquete-Kommissionen verfügen in der Geschichte des Parlamentarismus über eine lange und eindrucksvolle Geschichte."

Er sagt zwar auch, diese Kommissionen könnten auch ein gewisses Eigenleben führen und Politikerinnen könnten sie nicht immer kontrollieren, aber eigentlich seien sie immer anregend. Diese Experten dringen einmal ins Raumschiff Politik ein und fordern uns auf, die Dinge mit ihren Augen zu betrachten. Wir Politikerinnen wiederum haben die Chance, die Experten mit dem politisch und nicht zuletzt mit dem finanziell Machbaren zu konfrontieren. Das ist noch etwas anderes als nur eine Fachanhörung in einem Schulausschuss.

Die Enquete-Kommission 1992 wurde schon angesprochen. Sie, nicht die CDU, hatte die Verlässliche Halbtagsgrundschule zur Folge. Herr Heinemann, Sie haben am 22. November beklagt, die Einbindung der betroffenen Schüler, Eltern und Lehrer in der Enquete-Kommission sei aufgrund der Besetzung nach Parteienproporz nicht sichergestellt. Sie beklagten auch, dass wir nicht alles im Vorwege im Detail mit Ihnen besprochen haben.

(Robert Heinemann CDU: Nicht mal ansatzweise!)

Wir haben Ihnen ein Gespräch angeboten. Liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, lieber Herr Heinemann, Sie haben fünf von neun Sachverständigen, Sie haben vier von acht Abgeordneten zu berufen. Sie bestimmen also maßgeblich die Zusammensetzung der Enquete-Kommission, Sie haben also allen Einfluss dieser Welt.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Ich appelliere an die CDU-Fraktion: Wir sind die Hamburger Bürgerschaft und wenn wir politisch beraten und entscheiden, dann doch an den Tischen unseres Hauses und nicht an anderen Tischen in irgendeiner anderen Runde. Deshalb gibt uns die Geschäftsordnung dieses Instrument für unsere Fragestellungen. Wenn es schneller gehen soll, dann lassen Sie uns schneller diese Einrichtung beschließen. Wir können es auch heute beschließen.

(Robert Heinemann CDU: Wo sind denn Ihre Vor- schläge?)

Aber gut, wir überweisen, das ist auch in Ordnung.

Ich verstehe nicht, warum Sie sich unter zeitlichen Druck setzen. Wir führen die Strukturdiskussion jetzt, um sie schnell zu einem Ergebnis zu führen, aber in drei und vier Monaten geht das nicht. Sie haben weiterhin vorgeschlagen, dass der Schulausschuss sich das Modell in Sachsen angucken soll. Anschließend gibt es eine Schulausschusssitzung und dann setzt man das irgendwie um. Ich glaube, es ist nicht richtig, eine umfassende Entscheidung für das Hamburger Schulwesen so zu treffen. In dem Fall gebe ich auch der ehemaligen Senatorin Raab Recht, die heute sagte, Beschlüsse in Eilverfahren würden nicht helfen. Die Zeitvorgaben seien kühn und die PISA-Ergebnisse würden dann nur sehr oberflächlich zur Kenntnis genommen werden.

Frau Ernst hat sehr ausführlich über die Probleme mit den so genannten Risikoschülern gesprochen, die Probleme, die wir in Hamburg zu lösen haben. Wir müssen dieser Herausforderung begegnen.

Ich komme zum Schluss noch einmal ganz kurz auf Sachsen zu sprechen. Was sollen wir dort lernen, Herr Heinemann? Wenn ich es zuspitze, gibt es diese Schüler mit diesen Problemen wie in Hamburg in Sachsen überhaupt nicht. Was müssen wir an Schulstruktur lösen, was in anderen Politikfeldern? Das müssen wir auch noch einmal besprechen. Wir werden dazu noch im Schulausschuss tagen. Insofern hat die Diskussion gerade erst begonnen. Bei allem Wunsch, Konsens zu erreichen, glaube ich, dass wir tiefe Gräben zwischen uns haben. Deshalb ist es wichtig, wenn es etwas werden soll, dass wir in einer Enquete-Kommission alle miteinander reden und zu einem Ergebnis kommen. Das wird ein Kompromiss sein, sicherlich aber einer, der von allen Beteiligten in breiter Akzeptanz getragen wird. Deshalb bitte ich Sie, noch einmal zu bedenken, dass wir die Bürgerschaft, das

Parlament, sind und an unserem Tisch die Entscheidungen gemeinsam getroffen werden sollten und nicht in irgendwelchen Gesprächskreisen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Herr Lein hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wahr ist, dass nicht Systeme im Mittelpunkt guter Schulleistungen stehen, sondern ein guter Unterricht sowie eine fördernde Umgebung und keine Herabsetzung junger Menschen wecken Begeisterungsfähigkeit und Lust auf Leistung.

Leider verkannten und verkennen noch heute viele die Wirkung von Strukturen und Systemen, die eine solche Arbeit sehr wohl beeinflussen, dämpfen und kaputtmachen können.

Daher sind wir froh, dass die Regierungsfraktion endlich erkannt hat, dass unser Schulsystem erhebliche Schwächen hat. Wer hätte noch vor wenigen Wochen gedacht, solche Worte aus dem Munde von Herrn Heinemann oder von der Schulsenatorin zu hören.

(Glocke)

Entschuldigen Sie die Unterbrechung. Ich möchte gern noch einmal für Ruhe hier im Saal sorgen. Wenn Sie unbedingt plaudern wollen, dann bitte draußen. Hier im Plenarsaal hören Sie bitte zu. Auf jeden Fall stellen Sie bitte Ihre Nebengespräche ein. Der Schnatterpegel ist im Laufe der letzten 20 Minuten doch enorm geworden.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)