Interessant ist an der heutigen Debatte – außer Ihren nicht sonderlich überzeugenden Ausführungen zur Bezirksverwaltungsreform –
die ganze Diskussion. Vor der GAL ziehe ich durchaus den Hut. Sie hat vor und nach der Wahl konsequenterweise gesagt, sie möchte das neue Wahlrecht. Das ist überzeugend. Es gab auch keine abweichenden Meinungen in Vier-Augen-Gesprächen, anders als bei der SPD. Das wurde schon mehrfach gesagt. Man kann eigentlich noch einen draufsetzen. Ich verstehe es beim besten Willen nicht, meine Damen und Herren von der SPD, dass Sie bereit sind, ein Wahlrecht zu akzeptieren, das Sie im Kern für falsch halten.
Sie haben es vor der Wahl gesagt, Sie haben heute wieder gesagt, das Sie es für falsch halten. Sie sagen, der Wähler hat falsch entschieden, das Volk hat sich geirrt, aber wir lassen das Volk im Irrtum, wir unterstützen das Volk im Irrtum.
Meine Damen und Herren, meine Freunde von der SPD, wenn Sie hier wirklich eines Tages wieder regieren wollen, dann müssen Sie ein bisschen Mut haben wie dieser Senat, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn man sie für richtig hält.
Herr Kollege Neumann, ich habe hier noch nicht so viele Reden gehalten wie Sie, aber ich bin für Ihre vielen lebendigen Zwischenrufe immer dankbar. Besonders bemerkenswert fand ich Ihren Hinweis auf den Ersten Bürgermeister Herrn von Beust. Da sagten Sie, den haben Sie auch nicht gewählt, den hätten Sie auch am liebsten nicht, aber er sei ja da und deshalb akzeptierten Sie ihn. Da haben Sie an sich schon einmal Recht, das sehe ich genauso. Nur, wenn ich Oppositionsführer wäre, dann würde ich sagen, den akzeptiere ich nicht, der muss weg,
genau wie das neue Wahlrecht, das ich eigentlich auch nicht will. Sie kämpfen nicht gegen das neue Wahlrecht, Sie kämpfen nicht gegen den Bürgermeister. Was machen Sie hier überhaupt? Wie ist Ihre Position?
Das ist doch ein reiner Eiertanz, den Sie hier aufführen, weil Sie nicht genau wissen, was Sie wollen.
Zwischenfragen nehme ich sonst immer gerne, das wissen Sie, aber die Zeit ist heute etwas knapper als sonst.
Bezirkswahlrecht war das nächste Thema, das hier genannt wurde. Wir haben so viel Unsinn in diesem neuen Wahlrecht. Wenn ich mir allein angucke, was auf bezirklicher Ebene geschehen soll. Herr Reinert hat schon etliches angesprochen, beispielsweise die Fünfjahresfrist Europawahl – klar, rechtswidrig.
Ich schaue mir andere Regelungen an wie beispielsweise die Fünfprozentklausel. Sie sind jetzt scheinbar alle energische Verfechter der Fünfprozentklausel. Was wird das zur Folge haben? Wir kennen es aus anderen Bundesländern, dort gibt es in den Bezirken haufenweise Große Koalitionen. Wenn Ihnen das gefällt, wenn das Ihre Sache ist. Oder noch viel besser: Die ganzen Splitterparteien. Ich komme aus dem Bezirk Hamburg-Mitte und habe vier Jahre Erfahrung mit der DVU. Das hat richtig Spaß gebracht, den Wandsbeker Kollegen auch, dort hatten wir eine abscheuliche Diskussionskultur. All diese Splitterparteien holen Sie zurück in die Parlamente. Aber, Sie wollen das neue Wahlrecht, das Volk hat sich zwar geirrt, aber der Irrtum schadet nicht, wir wählen danach. Das ist absolut inkonsequent.
Das neue Wahlrecht ist schlecht und die CDU macht es besser. Sie können sich darüber freuen, ob heimlich oder
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jetzt ist auch die Bezirksverwaltungsreform noch in die Debatte hineingekommen. Ich glaube, Ihnen kommt es ganz zupass, dass diese beiden Debatten Wahlrecht und Bezirksverwaltungsreform ein bisschen parallel laufen. Was bei dieser Debatte, die wir jetzt über das Wahlrecht führen, ein bisschen in den Hintergrund tritt, ist, dass Sie an Ihren eigenen Ansprüchen, eine richtige große Bezirksverwaltungsreform durchzuführen, kläglich gescheitert sind.
Herr Reinert, zu Ihrer Eingangsbemerkung. Sie haben kritisiert, dass wir die CDU-Pläne so apostrophiert haben: "Das Volk ist doof, die CDU weiß es besser". Herr Reinert, das Volk hat entschieden, das Ergebnis passt der CDU nicht, die CDU sagt – Sie haben das heute mehrfach gesagt –, es hat falsch entschieden. Sie sagen letztlich auch – Herr Hamann es eben auch noch einmal deutlich am Beispiel des Bezirkswahlrechts geäußert –, wir wissen, was besser ist.
Sie waren in Hamburg noch nie eine Volkspartei. Das wissen wir. Aber neu ist, dass Sie sich jetzt zum Volkskorrektor aufspielen wollen. Das ist ein Ding, was Sie hier anstellen.
Was Sie als kleine oder maßvolle Korrektur angeben, ist in Wahrheit eine Aushöhlung des Kerns des Wahlrechts. Im Bereich der Bezirkswahlen, aber auch der Wahlkreise in den Bezirken ist es ein offenes Entgegentreten gegen das, was das Volk entschieden hat. Deshalb ist es ziemlich dreist, wenn Sie sagen, es sei hier nur eine maßvolle Veränderung.
Sie wollen letztlich wieder in einen Zustand zurück, der eher an den von 1993 erinnert als an ein modernes Wahlrecht. Sie kommen aus der Tradition der in Hinterzimmern ausgekungelten Listen. Sie hatten das 1993 bis auf die Spitze getrieben. Herr von Beust war damals auch schon in vorderster Front bei dieser Listenwahlaufstellung dabei, das gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber dem Hamburgischen Verfassungsgericht zu verteidigen. Sie sind dann vom Verfassungsgericht zu mehr Demokratie gezwungen worden. Das war 1993. 2004 wurden Sie nochmals vom Volk zu mehr Demokratie gezwungen und jetzt wehren Sie sich schon wieder. Das ist eine schlimme Nachricht, dass sich die CDU nur zu mehr Demokratie zwingen lässt und sich dann auch noch wehrt. Das ist einer Demokratie und einer Volkspartei, die Sie sein wollen, nicht würdig.
Herr Schira, Sie haben das Argument gebracht, dass Sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des neuen Wahlrechts hätten,
insbesondere für die Bezirke. Herr Schira, schauen Sie doch einmal in die Hamburger Verfassung. Diese sieht Instrumente vor, die Ihre Partei beziehungsweise Ihre Fraktion in Anspruch nehmen können, wenn Sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes haben. Dann rufen Sie das Verfassungsgericht an und ändern Sie nicht einfach die Gesetze gegen den Volkswillen.
Noch einen letzten Gedanken. Unterstellen wir einfach, dass Sie Recht haben, dass das vom Volk beschlossene Wahlrecht tatsächlich schädlich und es ein schwerer Fehler sei, dieses so umzusetzen. Ich glaube, dass Sie einen großen Fehler begehen, wenn Sie sagen, hier könne man Fehler nicht zulassen, die durch Volksabstimmungen geschehen, sondern man müsse korrigierend eingreifen. Denn direkte Demokratie ist auch ein Lernprozess. Nur wenn der Souverän auch bemerkt, dass sein Abstimmungsverhalten, seine individuelle Stimme im Volksentscheid wirklich Gewicht hat und dass er die Verantwortung für die Ergebnisse tragen muss, die bei diesem Volksentscheid herauskommen, nur dann kommen wir überhaupt weiter, direkte Demokratie lebendig zu machen. Dafür müssen wir auch zulassen, dass möglicherweise auch Fehler geschehen. Das ist ein ganz wichtiger Lernprozess, den Sie hier beschneiden wollen, Herr Reinert. Das provoziert Politikverdrossenheit und untergräbt von vornherein direkte Demokratie. Aber vielleicht ist es genau das, worauf Sie hinaus wollen.
(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD – Dr. Willfried Maier GAL: Rückkehr zum Frontal- unterricht!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn ich mir die Debattenbeiträge von der SPD und den Grünen anschaue, gibt es dafür eigentlich nur eine Überschrift: Kein einziges Wort zu den Inhalten, aber heraus aus der Verantwortung! Das prägt Ihre heutigen Beiträge.
Warum kein Wort zu den Inhalten? Dahinter steckt viel Kalkül. Wir haben etwas zum Berufsparlament gehört. Wir haben von der SPD gehört, dass man eigentlich eine Änderung wolle, sich aber dabei lieber die CDU die blutige Nase holen solle. Das ist nicht unser Politikstil, deswegen kämpfen wir hier mit offenem Visier. Wir stehen zu dem, wofür wir auch inhaltlich vor der Wahl standen; das werden wir heute auch verteidigen.
Ich könnte jetzt sagen: Zum Glück unterscheidet uns viel; darin sind wir uns einig. Aber eines unterscheidet uns heute ganz besonders und das sollte es auch, weil wir nämlich die Regierungsfraktion sind, die die Mehrheit in diesem Hause stellen.
Während Sie meinen, Fehler zulassen zu müssen und gegebenenfalls auch noch zu produzieren, haben wir das Problem, dass wir regieren und diese Fehler eben nicht zulassen wollen. Unsere Aufgabe ist es, das Beste für Hamburg herauszuholen. Dazu gehören definitiv keine Fehler.