Protocol of the Session on August 25, 2005

(Beifall bei der GAL)

Sie wissen nichts über die Anzahl von Hepatitis- und HIVpositiven-Häftlingen. Sie haben keine Idee. Zwei hochinfektiöse, nicht heilbare Krankheiten und Sie haben keine Ahnung, wie viele Ihrer Häftlinge damit infiziert sind. Sie wissen nicht einmal, wie viele Gefangene sich dagegen impfen lassen wollten oder geimpft wurden, obwohl Impfungen bekanntermaßen eine der am besten wirksamen Vorsorgestrategien sind. Obwohl diese Impfungen in der Haft angeboten werden, kann der Senat nicht beantworten, wie viele Häftlinge sich gegen Hepatitis A und B impfen lassen. Sie können auch nichts darüber sagen, welche Häftlinge sich in der Haft mit Hepatitis und HIV neu angesteckt haben. Das können Sie nicht einmal bei den Häftlingen sagen, bei denen beispielsweise Vollzugslockerung und Urlaub als Infektionsquelle nicht infrage kommen.

Eine weitere Sache, die absolut unglaublich ist: Obwohl der Ausstieg aus der Drogensucht – und das ist ja auch Ihr großes Mantra in der Drogenpolitik: Ausstiegsorientierung, Ausstiegsorientierung –,

(Zuruf von Olaf Böttger CDU)

angeblich Ihr Kernkompetenzthema ist – Herr Böttger, Sie können ja gleich reden –, haben Sie nicht einmal eine Ahnung, wie viel Häftlinge in Hamburger Gefängnissen Entzugsbehandlungen durchführen. Sie reden von Ausstiegsorientierung, bieten Häftlingen etwas an und können nicht einmal die Frage beantworten, wie viel Häftlinge das überhaupt in Anspruch nehmen. Das ist nun wirklich nicht eine Detailfrage in Ihrem drogenpolitischen Konzept.

Das andere ist – das könnte man jetzt eher für eine Detailfrage halten –, dass Sie auch nicht Bescheid wissen, wie lange eine durchschnittliche, ausschleichende, das heißt schrittweise reduzierende, Substitutionsbehandlung dauert. Man könnte meinen, dass, wenn man diese Substitutionsbehandlung anbietet, man eine Idee davon hat, wie viele Häftlinge sie in Anspruch nehmen und wie lange sie im Durchschnitt dauert. Aber das interessiert Sie überhaupt nicht. Das Einzige, was Sie interessiert – da bin ich Ihnen auch sehr dankbar, weil das Ergebnis so schön ist –, ist der Erfolg Ihrer drogenfreien Station. Die haben Sie eingeführt und dafür eine Reihe anderer drogenpolitischer Maßnahmen abgeschafft, unter anderem den Spritzentausch. Diese drogenfreien Stationen sind der absolute Flop. Das geht aus der Antwort auf unsere Große Anfrage sehr deutlich hervor, weil Leute, die auf den drogenfreien Stationen sind, genauso häufig wieder straffällig werden wie Leute, die nicht auf drogenfreien Stationen inhaftiert waren. Was hilft stattdessen gegen "wieder straffällig werden"? Nachbehandlung. Und wo haben Sie gespart? Bei der Nachsorge von Haftentlassenen. Herzlichen Glückwunsch.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Nun könnte man meinen, ich hätte bisher über Detailfragen der Drogenpolitik in Gefängnissen gesprochen, aber der Senat kann mir sicherlich die Frage beantworten, wie viele Suchtkranke es überhaupt in Hamburger Gefängnissen gibt. Auch da komplette Fehlanzeige. Sie haben eine Schätzzahl für die Abhängigen harter Drogen. Sie haben keine Ahnung, wie viele Abhängige von Alkohol Sie in hamburgischen Gefängnissen sitzen haben, ge

schweige denn von Spielsüchtigen, eine weitere große Gruppe, wie Ihnen die aktive Suchthilfe jederzeit erklären kann. Sie haben einfach keinen Plan.

In der Basisdaten-Dokumentation 2004 – das ist die Dokumentation, in der alle hamburgischen Suchthilfeeinrichtungen ihre Klientenkontakte und die Behandlung dieser Klienten zusammenfassen und analysieren –, die vor einigen Tagen klammheimlich ins Internet gestellt wurde, anstatt mit dem üblichen Brimborium, das Sie sonst um drogenpolitische Maßnahmen veranstalten, steht – und leider gibt es die Zahl nur für 1999 und 2000, auf spätere Zahlen werden wir warten müssen; dann können wir erst recht sehen, ob gut gelogen besser ist als schlecht bewiesen –, dass es allein in den Jahren 1999 und 2000 fast 10 000 Süchtige harter Drogen gegeben hatte, die mit dem Hilfesystem in Hamburg Kontakt hatten. Da ist die Dunkelziffer von Leuten, die keinen Kontakt mit dem Suchthilfesystem hatten, noch überhaupt nicht drin. Das alleine liegt schon 2000 Leute über der Zahl von 8000, mit der der Senat immer gerne rausgegangen ist. Zwei Drittel – und deshalb führe ich jetzt die Basisdaten-Dokumentation an – der männlichen Konsumenten harter Drogen und immerhin 40 Prozent der weiblichen Konsumenten haben Hafterfahrung. Die Gründe, weshalb diese Menschen in Haft sind, sind größtenteils Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und Beschaffungskriminalität.

Weil Ihre drogenpolitische Behandlung dieser suchtkranken Menschen im Gefängnis so grottenschlecht funktioniert, sind diese Menschen in dem Moment, in dem sie aus der Haft entlassen werden, leider nicht wieder klassische Klienten für eine Nachbehandlung, sondern für das normale Freie Träger Hilfesystem. Das nennt man Drehtüreffekt. Sowohl im Sinne der Süchtigen als auch im Sinne der Stadt ist das wirklich ein Armutszeugnis für Ihre gescheiterte Drogenpolitik.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Dazu kommen noch die Süchtigen legaler Drogen. Da war sogar in der "Welt" vom Dienstag – Herr Schirg hat den Bado-Bericht auch gelesen – zu lesen, dass sich die Situation der Abhängigen verschlechtert hat, wobei Arbeitslosigkeit und Verschuldung die Hauptprobleme sind. Arbeitslosigkeit und Verschuldung sind übrigens klassische Probleme, mit denen Leute, die aus der Haft entlassen werden, zu kämpfen haben. Was wirklich beschämend ist, ist, dass Sie der einzigen Einrichtung in der freien Trägerlandschaft, der Aktiven Suchthilfe e. V., die sich um diese Menschen kümmert, gerade um solche mit Alkoholproblemen und die glücksspielabhängig sind, die Stellen für die Nachbehandlung nach Haftentlassung auf unter eine halbe Stelle, auf 0,45 zusammengekürzt haben. Das ist so beschämend für eine Stadt, für einen Senat, der zugeben muss, dass das eine Kürzung an der einzigen wirklichen erfolgreichen drogenpolitischen Maßnahme ist, die dieser Senat wirklich vorweisen kann.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das alles übrigens auch vor dem Hintergrund – das wird man auch daran sehen, wer bei Ihnen in die Bütt geht –, dass Sie Drogenpolitik nicht als Gesundheitspolitik, sondern allein als innenpolitisches Problem begreifen. Es ist auch vor dem Hintergrund, dass es ein innenpolitisches Problem sein soll, ein innenpolitisches Armutszeugnis.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Es könnten auch zehn Leute dazu sprechen!)

Wissen Sie was? Das glaube ich Ihnen nicht, dass bei Ihnen in der Fraktion zehn Leute kompetent genug sind, zur Drogenpolitik zu sprechen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Nein, Herr Hesse. Das ist genau das Problem.

(Glocke)

Ich habe Herrn Böttger gesehen, aber Herr Böttger ist ja drogenpolitischer Sprecher und wird sicherlich gleich selber sprechen.

(Glocke)

Frau Husen, wenn ich klingele … Habe ich das jetzt richtig verstanden, dass Sie die Zwischenfrage nicht wollen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Wir unterhalten uns nur!)

Dann fahren wir jetzt fort.

Drogenpolitik ist nämlich ein bisschen mehr als nur Ideologie und das ist genau das, was bei Ihnen in der Fraktion und auch im Senat wenige Leute verstanden haben.

(Zuruf von Olaf Böttger CDU)

Drogenpolitik hat nämlich auch etwas mit Fakten zu tun und Fakten sind genau das, woran weder Ihre Fraktion noch Ihr Senat auch nur in Ansätzen interessiert sind.

(Olaf Böttger CDU: Wir wollen sie auch nicht lega- lisieren, weil das falsch ist!)

Um da etwas zu tun, mache ich Ihnen sogar ein Angebot. Sie können meine Große Anfrage als Grundlage für einen Forschungsauftrag nehmen, mit dem Sie diese Zahlen dann bekommen, und wenn sie da sind, dann diskutieren wir das alles noch einmal und dann können Sie zehn Leute aus Ihrer Fraktion in die Bütt schicken. Mit denen nehme ich das dann auch noch auf.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dr. Andreas Mattner CDU: Wenn man nichts hat, hat man we- nigstens Selbstbewusstsein!)

Das Wort hat jetzt Frau Spethmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Husen, Sie haben hier wirklich dargestellt, dass Gesundheitspolitik in Haft für Sie nur noch Drogenpolitik und nichts anderes mehr ist. Für uns ist es mehr.

(Beifall bei der CDU)

Entweder haben Sie eine andere Drucksache oder die falsche grüne Brille auf. Diese Drucksache behandelt nur zu einem geringen Teil die Drogenpolitik. Der größte Teil behandelt vielfältigste Maßnahmen, die in der Haft zum Thema Gesundheit vonstatten gehen. Und da muss man ganz einfach feststellen, dass da unglaublich viel stattfindet.

(Dr. Till Steffen GAL: Das Wort Hepatitis ist noch nicht gefallen!)

Nein, das wäre es wert gewesen, dass Sie das einmal darstellen, was in der Haft überhaupt stattfindet. Ich glaube, wenn Sie häufiger in der Haftanstalt wären, würden Sie feststellen, dass dort viele Gefangene sind, die das erste Mal seit Wochen, seit Monaten überhaupt die Chance haben, einen Arzt aufzusuchen, dass dort regelmäßige Arztbehandlungen stattfinden. In jeder Haftanstalt werden Krankenpfleger und Ärzte vorgehalten.

(Zurufe von der GAL)

Sie beschränken alles nur auf die Drogenpolitik und nicht auf die wahre Gesundheitsvorsorge.

(Beifall bei der CDU – Petra Brinkmann SPD: Also so etwas!)

Einzigartig in ganz Norddeutschland ist zum Beispiel das Zentralkrankenhaus in der Untersuchungshaftanstalt, was vorgehalten wird. Darauf sind Sie gar nicht eingegangen. Sie sehen nur Drogen und nichts anderes. Das Zentralkrankenhaus wird mit 63 Betten rund um die Uhr vorgehalten. Das gibt es in ganz Norddeutschland nicht, ist bundesweit in jeder Hinsicht vorbildlich. Baulich und gerätetechnisch modern ausgestattet wie ein normales Krankenhaus. Es verfügt über ein eigenes Labor, es wird gefächert: Chirurgie, Medizin, alle möglichen externen Fachärzte kommen dazu. Auf so etwas könnten Sie auch ruhig einmal eingehen.

(Petra Brinkmann SPD: Das haben Sie doch alles übernommen, diese Strukturen! Schmücken Sie sich nicht mit fremden Federn!)

Sie sind doch eher dabei, wieder den Spritzentausch zu fordern, den Sie mit uns garantiert nie wieder bekommen werden.

(Beifall bei der CDU)

Sie sehen auch nicht, was zum Beispiel die verschiedensten Ärzte leisten. Über 20 Ärzte sind fest angestellt im Hamburger Strafvollzug und zusätzlich noch eine erhebliche Anzahl freier Ärzte. Die sind in der Lage, in neun verschiedenen Sprachen zu agieren und auf die verschiedenen Bedürfnisse der Gefangenen einzugehen. Die Broschüren zum Thema Gesundheitspolitik gibt es in sieben verschiedenen Sprachen. Das medizinische Personal ist ausreichend vorhanden. Und was fordern Sie? Berichte, Untersuchungen. Wir heben Missstände auf, geben aber kein Geld für unnütze Berichte aus.

(Katja Husen GAL: Das können Sie überhaupt nicht beweisen, dass Sie etwas verändert haben!)

Noch ein Punkt zu dem, wenn Sie sagen, der Senat wüsste nicht, welche Süchtigen es gebe. Fragen Sie einmal einen frisch Inhaftierten, welche Süchte er hat. Meinen Sie etwa, der bekennt, dass er alkoholsüchtig sei? Das können Sie gar nicht feststellen. Sie können das doch nur auf der Basis freiwilliger Erhebungen machen. Sie können das vereinzelt in Urinkontrollen feststellen, aber Sie sind nicht in der Lage, das komplette Suchtverhalten jedes Eingewiesenen festzustellen. Insofern reden Sie hier von Utopien, die wir so nicht unterstützen können.

Diese Große Anfrage hat eher gezeigt, dass die Öffentlichkeit sicher sein kann, dass im Strafvollzug in Hamburg alles Menschenmögliche gemacht wird. Der Strafvollzug ist gesund.

(Beifall bei der CDU – Dr. Mathias Petersen SPD: Das ist ahnungslos!)