Protocol of the Session on August 24, 2005

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das jetzt vorliegende Gesetz zur Deregulierung des Landesrechts ist ein erster Baustein eines Deregulierungsprozesses, der mit weiteren Bausteinen fortgesetzt werden muss und auch fortgesetzt wird.

In dem heute zur Abstimmung stehenden Deregulierungsgesetz werden acht Gesetze und 17 Rechtsverordnungen abgeschafft sowie elf Gesetze und zehn Rechtsverordnungen geändert. So wird beispielsweise ein Normenwerk abgeschafft, weil dessen Gegenstand vom Bundesgesetzgeber bereits umfassend geregelt worden ist.

Der Senat hat angekündigt, dass sich zwölf weitere Deregulierungsprojekte in der Planung und Prüfung befänden, was ich als Deregulierungsbeauftragter der CDUFraktion gutheiße. Dies ist – wie ich aus der Presse entnehmen konnte – auch ein Anliegen der Opposition, die bemängelt, dass zu wenig Rechtsverordnungen und Gesetze abgeschafft würden. Ich habe aber von der Opposition noch keinen konkreten Vorschlag für die Abschaffung von Rechtsnormen gehört.

(Dr. Till Steffen GAL: Doch!)

Ich kann nur hoffen, dass die Opposition in den folgenden Debattenbeiträgen konkrete Vorschläge zur Abschaffung von Rechtsnormen in Hamburg macht.

(Dirk Kienscherf SPD: Machen Sie erst mal Ihre Hausaufgaben!)

Höre ich von der Opposition keine konkreten Vorschläge zur weiteren Abschaffung von Rechtsnormen, ist jede Kritik an dem vom Senat eingeschlagenen Weg zur Deregulierung und Endbürokratisierung substanzlos.

(Ingo Egloff SPD: Sie regieren, nicht wir!)

Die CDU-Fraktion unterstützt den Senat, Rechtsvereinfachungen in Hamburg umzusetzen, indem konkrete Vorschläge und Anregungen erfolgen. So wird demnächst eine Vereinfachung des Stiftungsrechts in diesem Hause zur Abstimmung gestellt, damit Hamburg weiter die Stiftungshauptstadt in der Bundesrepublik Deutschland bleibt. Aufgrund einer sich verändernden Arbeitswelt wird auch das Hamburgische Bildungsurlaubsgesetz überarbeitet werden müssen, um Hamburg als attraktiven Wirtschaftsstandort zu sichern.

(Ingo Egloff SPD: Also abschaffen!)

Hierbei möchte ich nicht in Abrede stellen, dass ein solches Vorhaben von allen Beteiligten Opfer abverlangt, aber auch nicht unbeachtliche Vorteile in sich birgt. Ziel muss es in verstärktem Maße sein, Arbeitsplätze zu schaffen und vor allem auch zu erhalten.

(Dr. Monika Schaal SPD: Zählen Sie nachher mal die Arbeitsplätze nach, die das gebracht hat!)

Genau dies ist es, was die Wirtschaft mit allen Hamburgerinnen und Hamburgern von einem Deregulierungsprozess und auch von diesem Parlament verlangen kann.

Weitere Reformvorhaben im Bereich der hamburgischen Rechtsnormen sind anzupacken. Die CDU-Fraktion hat ein offenes Ohr für Vorschläge zur Abschaffung oder Reform von Rechtsnormen in Hamburg, egal, woher sie kommen.

In Hamburg hat sich eine Aufbruchstimmung entwickelt, die es erlaubt, ohne große Beschränkungen durch Rechtsnormen in unsere Stadt zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Es kann und darf nicht Aufgabe des Staates sein, sich durch Rechtsnormen in viele Lebensbereiche einzumischen. Der Gesetzgeber hat sich zu beschränken, wenn es darum geht, Ideen, die Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze schaffen, Gestalt annehmen zu lassen.

Nicht für alle Lebensbereiche dürfen Normen vorliegen oder geschaffen werden, die eine Entfaltung des Individuums einschränken oder lenken. Viele Lebensprozesse sind über Normen auch nicht lenkbar. Für mich gibt es

kein Menschenbild, das sich in allen Lebensbereichen über Normen erklärbar machen lässt.

Die CDU-Fraktion wird dem vorliegenden Gesetz zustimmen. Ich fordere die Opposition auf, dies ebenfalls zu tun und an einer weiteren Abschaffung und an Reformen von Normen in Hamburg mitzuwirken.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Klooß.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

"Der Berg kreißte und gebar eine Maus".

Das kommt einem bei Durchsicht dieses großen Deregulierungsgesetzes des Senats in den Sinn. Am 8. März tönte der Senat in einer Pressemitteilung: Weniger ist mehr! Einfaches Recht für die Wachsende Stadt! Es ist richtig, dass weniger mehr wäre, wenn er weniger lautstark dieses Projekt angekündigt und betrieben hätte. Dann könnte man die Ergebnisse dieser Fleißarbeit auch mehr würdigen.

Mit dem einfacheren Recht verhält es sich wie mit der Wachsenden Stadt. Beides sind fromme Wünsche, die mit der Realität nichts zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Um eines klarzustellen: Die SPD hat dieses Projekt begrüßt und wird auch in Zukunft jeden sinnvollen Ansatz zur Deregulierung unterstützen. Aber was ist Deregulierung eigentlich und was hat diese Drucksache damit zu tun?

Ich zitiere aus dem Rechtswörterbuch von Creifelds:

"Deregulierung ist der Oberbegriff für alle Maßnahmen mit dem Ziel, die Regulierung privater Tätigkeit durch staatliche Rechtsnormen sowie die Regulierung der Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung durch Rechtsnormen und Verwaltungsvorschriften zu reduzieren. Die Kompetenz der Entscheidungsträger zur flexiblen Reaktion soll dadurch erweitert und deren Verantwortungsbereitschaft erhöht werden. Zur Deregulierung gehört auch, Entscheidungszuständigkeit einer höheren Ebene nach Möglichkeit auf eine untere Ebene zu delegieren. Zur Deregulierung gehören auch Privatisierung und Rechtsbereinigung. Durch die Deregulierung sollen Verwaltungsabläufe beschleunigt, vereinfacht und wirtschaftlicher gestaltet sowie private und unternehmerische Eigeninitiative gefördert werden."

Gut so. Aber wo haben wir hier einen Verzicht auf Regelungsbefugnisse zu verzeichnen? In der Presse lasen wir, dass 19 Gesetze und 27 Rechtsverordnungen aufgehoben oder geändert und 300 Einzelvorschriften ersatzlos gestrichen würden. Das hört sich gut an, wenn man vor allem darauf setzt, dass sich niemand die Mühe macht, die fünfundzwanzigseitige Drucksache zu lesen. Wenn man es aber doch macht, stellt man Folgendes fest:

Bei Ihren Deregulierungsmaßnahmen handelt es sich in sechs Fällen um Anpassungen an bestehendes Bundesrecht, in zwei Fällen setzen Sie Vorgaben der Gerichte um, in fünf Fällen haben Sie aber nur Änderungen redaktioneller Art vorgenommen und zu guter Letzt hatten sich

in 19 Fällen die zu ändernden oder aufzuhebenden Vorschriften durch Zeitablauf praktisch selbst erledigt.

Da wäre zum Beispiel die Aufhebung des Gesetzes zum Abkommen über den Betrieb des niedersächsischen Krankenhauses Brauel. Diese Gesetzaufhebung als Deregulierung zu bezeichnen, ist ein Witz. Das Abkommen wurde bereits zum 31. Dezember 2001 durch das Land Niedersachsen gekündigt.

Noch ein Beispiel, nämlich das Gesetz zur Regelung deichrechtlicher Verhältnisse. Das Gesetz regelte nach der Sturmflut 1962 Eigentumsverhältnisse an Deichgebieten neu. Die Verfahren sind seit Jahren abgeschlossen. Ein Anwendungsbereich gab es daher ohnehin nicht mehr. Deregulierungsnutzen daher gleich Null.

Wo wir gerade so schön beim Schnacken und Döntjes erzählen sind – es sind kleine Lügengeschichten, die Sie uns hier auftischen oder wollen wir lieber sagen: Deregulierungsmärchen? –, heben Sie auch noch die Prüfungsordnung des Abendwirtschaftsgymnasiums auf. Gut so. Zwar besteht diese Institution schon seit 1999 nicht mehr, aber man weiß ja nicht, was eine solche herrenlose Prüfungsordnung alles anstellen kann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Von den sage und schreibe 48 Artikeln des Deregulierungsgesetzes entpuppen sich 32 als schlichte Rechtsbereinigungsmaßnahmen. Insoweit war diese fleißige Entrümpelungsarbeit ein voller Erfolg.

Nicht die ganze Drucksache ist so gegenstandslos wie diese genannten Änderungen. In manchen Bereichen wird – das gestehe ich ohne Weiteres zu – Sinnvolles erreicht und umgesetzt. So macht sicher die Neuregelung des Dolmetschergesetzes Sinn, auch die Änderungen des Hamburgischen Wassergesetzes erachte ich als vernünftig. Im Prinzip sind das aber einzelne Gesetzvorhaben, die auch gut in einer eigenen Drucksache hätten untergebracht werden können. Mit Sicherheit hätte es diese Gesetzänderungen auch ohne Deregulierungsprojekt gegeben. Sie sind also keine Folge des Deregulierungsprojekts und erst recht kein Erfolg des Senats. Trotzdem oder deswegen würde der Senat gut daran tun, Deregulierung als einen – aber im Sinne der von mir eingangs zitierten Ziele – kontinuierlichen Prozess zu betrachten.

Ich möchte kurz auf den Deregulierungsbeauftragten der CDU-Fraktion – das Wort habe ich heute zum ersten Mal gehört – eingehen. Sie fordern uns zur Mitwirkung auf; das machen wir auch. Aber hier liegt die Initiative beim Senat. Und dort, wo der Senat initiativ geworden ist, fallen Sie ihm in den Rücken, denn das von Ihnen zitierte Stiftungsgesetz hätte nach dem Willen der SPD schon längst verhandelt werden können. Aber es war Ihre Fraktion, die Ihre Staatsräte gestoppt hat.

Deregulierung ist richtig im Sinne der von mir genannten Ziele. Dabei sollten besonders die Verwaltungsvorschriften in den Blickpunkt rücken. Hier ist eine Menge zu tun. Ich fordere Sie daher auf: Packen Sie es an! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL] Vizepräsidentin Bettina Bliebenich: Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Steffen. Dr. Till Steffen GAL: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Klooß hat schon aus- führlich die Einzelpunkte auseinandergenommen. Es wird sehr deutlich, dass diese Drucksache viele Dinge beinhal- tet, wo gar nicht wirklich dereguliert wird. Unter Deregulierung stelle ich mir vor, dass tatsächlich das Leben für die Bürgerinnen und Bürger einfacher wird, dass es weniger reguliert ist. Das wäre tatsächlich ein sehr erstrebenswertes Ziel. Aber das ist überhaupt nicht der Anspruch dieser Drucksache, sondern das Finden von überflüssig gewordenen Regelungen, die friedlich im Gesetzbuch stehen, aber dort nicht mehr stehen müssen. Das hat Herr Klooß an vielen Beispielen deutlich ge- macht. Insoweit beschränkt sich diese Drucksache in weiten Teilen darauf, dass das Gesetzbuch verkürzt und die Gesetzessammlung hamburgischer Gesetze und Verordnungen ein bisschen schlanker werden soll. Das kann man machen, das ist eine schöne Maßnahme zum Einsparen von Papier, aber gleichzeitig ist es auch eine besonders schöne Illustration für den Begriff "Papier- tiger". (Beifall bei der GAL)

Wenn wir wirklich diesen Gedanken der Deregulierung ernst nehmen wollen, dann brauchen wir tatsächlich eine andere Kultur der Regulierung. Wir haben vielfach das Phänomen, dass sowohl die Behörde als auch wir Politikerinnen und Politiker auf Problemstellungen reflexhaft mit Regulierungen antworten. Das ist vielleicht auch die Begründung, weshalb der Justizsenator zwar viele überflüssig gewordene Gesetze zur Streichung vorschlagen kann, aber gleichzeitig an anderer Stelle weit mehr Verordnungen und Gesetze neu entstanden sind, die das Gesetzbuch wieder füllen. Das ist tatsächlich ein wichtiger Punkt, an den wir heran müssen, dass wir diesen Reflex nicht in dieser Weise betreiben, wie wir es bisher immer gemacht haben.

Herr Langhein, Sie haben gesagt, dass wir keine Vorschläge gemacht hätten. Ich erinnere mich daran, dass auf diesen Vorhalt hin die geführte Debatte im Rechtsausschuss vom Justizsenator ziemlich schnell als irrelevant abgetan wurde, weil es ein wunderbares Beispiel für eine solche Regulierungswut gibt. Ein vermeintliches Problem, das erkannt und sofort mit einer Verwaltungsanordnung beantwortet wurde, war – darüber hat die ganze Stadt debattiert – die Fachanweisung Absperrelemente. Es wurde vom Staatsrat dem einzelnen Polizisten vor Ort, der sein Revier wirklich gut kennt, gesagt, wann er wo einen Bügel oder einen Poller aufstellen darf und wo nicht. Das ist tatsächlich Regulierung im feinsten Sinne, weil das verhindert, dass Bürgerinnen und Bürger, die ein bestimmtes Problem haben und meinen, dass an einer bestimmten Stelle ein Absperrelement angebracht werden müsse oder die sich an einem bestimmten Absperrelement stören, sich konkret mit den Polizisten auseinandersetzen, die vor Ort die Kenntnisse haben.

Das ist tatsächlich ein Beispiel dafür, wie die Regulierungswut auch unter der CDU-Regierung um sich geschlagen hat. Hier haben Sie die Debatte im Weiteren verweigert. Es gäbe sicherlich eine Vielzahl Vorschläge in diesem Bereich zu machen.

Wenn man es aber gründlicher machen will, dann muss man an die Strukturen heran. Das werden wir im Rahmen der Verwaltungsreform zu verhandeln haben. Da zeigt sich, dass die CDU mit Schwung angetreten und mit nicht

ganz so viel Schwung jetzt auf der Ebene der Bürgerschaftsdrucksache gelandet ist. Es zeigt sich auch, dass sie verhältnismäßig mutlos ist, denn wir müssen die Strukturen verändern und sehen, wer mit welchen Problemen zu befassen ist und wie viele Verwaltungsstellen befasst werden müssen, bis Bürger mit ihren Anliegen Erfolg haben. Nur dann werden wir ein spürbar weniger reguliertes Alltagsleben haben. Die Veränderung der Strukturen sollte im Vordergrund stehen. Dann werden wir möglicherweise auch dieser Regulierungswut entgegenwirken. Wenn die fachlich kompetenten Verwaltungsmitarbeiter tatsächlich Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung in einer Hand haben, dann sehen sie vielleicht auch nicht mehr so sehr das Bedürfnis für kleinteilige Verordnungen und Verwaltungsanweisungen.

Wir stimmen der Verkürzung des Gesetzbuches in weiten Teilen zu, aber es gibt einen Punkt, der mit Deregulierung relativ wenig zu tun hat, weil er ein Politikum ist. Es handelt sich um Artikel 2 dieses Gesetzes, der die Abschaffung der so genannten Hamburger Ehe betrifft. Rotgrün ist in Hamburg mit der Hamburger Ehe vorangegangen – in der Tat, beschränkte Rechte, aber immerhin die Möglichkeit, gemeinsam eine Sozialwohnung zu beziehen oder sich im Krankenhaus gegenseitig zu besuchen –, als unter schwarz-gelber Regierung auf Bundesebene noch lange nicht daran zu denken war, dass es annähernd so etwas geben könnte wie die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschafen mit der heterosexuellen Ehe. Es gab eine Vielzahl lesbischer und schwuler Paare, die mit großer Freude darauf reagiert und gesagt haben, ja, wir wollen diese Partnerschaft eingehen, die weitestgehend symbolische Verpflichtung füreinander hat und wir wollen füreinander einstehen.

Jetzt gibt es diese Paare und es sind viele, die aus bestimmten persönlichen Gründen genauso wie viele heterosexuelle Paare sagen, wir müssen nicht heiraten, wir leben unverheiratet zusammen, und die diesen weiteren Schritt, den die Lebenspartnerschaft, wie sie jetzt auf Bundesebene geregelt worden ist, nicht gehen wollen. Sie sagen, dieses erreichte Niveau ist für uns richtig und das wollen wir beibehalten. Plötzlich wird qua Gesetz deren eingegangene Partnerschaft aufgelöst. Das ist schwerwiegend und nicht in Ordnung. Das Hineinregieren in die privaten Beziehungen dieser lesbischen und schwulen Paare halten wir für inakzeptabel.