Es ist richtig, was Sie sagen. Wir haben aus mehreren Gründen einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen, der über dem Anstieg in anderen Bundesländern liegt. Einen hatte Herr Frankenberg schon erklärt. Das hätten Sie dort hören können. Herr Frankenberg hatte gesagt, dass es eine unterschiedliche Verhaltensweise der Bundesagentur in den einzelnen Bundesländern gab. In Hamburg wurde erst sehr sorgfältig geguckt, was neu hinzukommt. Die anderen Bundesländer haben das alles auf einmal gemacht. Warum ist das so gemacht worden? Weil man sich nämlich einen Trick für die Bundestagswahl überlegt hatte, die sich im Frühjahr dann schon für das Jahr 2006 abzeichnete. Da hatte man sich gesagt, jetzt machen wir einmal ordentlich die Zahlen nach oben und dann geht es – so hatte es ja der von mir geschätzte Clement immer gesagt – ab Mai kontinuierlich runter, sodass wir beim geplanten Wahltermin 2006 ein Optimum erreicht haben. Dies führt dann zu einer solchen Verzerrung, wie Sie es eben beschrieben haben.
Nun komme ich noch einmal zu der Ausbildungsplatzsituation. Auch hier ist es falsch zu sagen, es bahne sich eine riesige Katastrophe an. Wir haben im letzten Jahr ein hohes Niveau an Ausbildungsplätzen in Hamburg erreicht. Ich habe es schon beschrieben, dass deswegen viele Jugendliche von außerhalb hier nach Hamburg gekommen sind.
Dieses hohe Niveau ist 2005 noch einmal erhöht worden. Wir haben dieses Mal noch zwei Prozent zusätzlich obendrauf gelegt. Ich kann nur sagen, wenn wir durch die Bundesregierung generell ein Wachstum in der Wirtschaft von zwei Prozent erzeugen würden, dann sollten wir jubeln. Das können wir leider nicht auf Bundesebene, aber in Hamburg können wir jubeln. Deswegen sollten wir diese zwei Prozent auch lobend hervorheben.
Wie mir heute mitgeteilt wurde, sind aktuell bei der Handelskammer 1400 Auszubildendenplätze unbesetzt.
Nun wollen wir dafür sorgen, dass wir im September und Oktober noch einmal eine Nachvermittlungsaktion durchführen. Da werden die jungen Leute eingeladen und ihnen wird vorgestellt, was es für Ausbildungsplätze gibt. Ich hoffe sehr, dass die Teilnahme an diesen Nachvermittlungstagen, die in der Handelskammer durchgeführt werden, höher ist als im vergangenen Jahr, denn damals war die Resonanz sehr gering. Meine Bitte geht dahin, dass Sie, wo immer Sie können – Sie sind ja engagiert auf diesem Feld tätig – die jungen Menschen mit auffordern, an diesen Nachvermittlungsaktionen teilzunehmen. Das ist das Beste, was wir als Beitrag leisten können, um die jungen Menschen in eine Ausbildungsstelle zu vermitteln.
Ein Thema, das uns besondere Sorgen bereitet – sicher über die Parteigrenzen hinweg – ist die Frage der Abbrecher. Die Zahl der jungen Menschen ist leider viel zu hoch, die einen Ausbildungsplatz angenommen haben und dann abbrechen. Das demotiviert natürlich auch den Handwerksmeister, wenn er sich Mühe gegeben hat mit einem jungen Menschen, eine Ausbildung durchzuziehen, und nachher sagt der, nö, ich habe jetzt keine Lust mehr, ich gehe hier weg. Deswegen erweckt es Hoffnung, Frau Köncke, dass sich die Zahl der Abbrecher in Hamburg reduziert hat, nämlich von 3300 auf 2800. Das sind, wenn ich das so schnell rechnen kann, etwa 10 bis 15 Prozent. Das ist doch eine erfreuliche Entwicklung, die wir auch einmal hervorheben und damit sagen wollen, liebe junge Leute, habt etwas mehr Durchhaltevermögen, wenn ihr einen Ausbildungsplatz angenommen habt, und trennt euch nicht so schnell.
Dass wir eine insgesamt bessere Entwicklung auf dem Lehrstellenmarkt haben, sieht man, wenn man sich einmal ansieht, was mit den jungen Menschen passiert, die dann tatsächlich ihre Ausbildung abgebrochen haben. 1995 haben immerhin 40 Prozent sofort in ein neues Ausbildungsverhältnis gewechselt. Das ist eine ganz gute Zahl, wenn man bedenkt, dass das Leute sind, die ihren Ausbildungsplatz verlassen haben.
Aber jetzt ist der böse CDU-Senat an der Regierung. Da ist diese Zahl von 40 Prozent auf 50 Prozent gestiegen. Mir ist das noch nicht genug.
Wir stellen fest, dass sich das hier ganz positiv entwickelt: 1995 wurden von diesen Jugendlichen noch 32 Prozent arbeitslos, heute sind es nur noch 26 Prozent. Viel zu viele, meine Damen und Herren. Aber wer aus einem Rückgang der Arbeitslosigkeit von 32 auf 26 Prozent einen negativen Trend herauslesen will, hat diese Zahlen nicht verstanden.
Ich möchte ausdrücklich sagen, dass wir eine positive Tendenz in diesen Zahlen haben. Aber ich füge auch mit allem Nachdruck hinzu: Wir sind nicht zufrieden mit dem, was wir erreicht haben, sondern das wollen wir noch
forcieren. Deswegen wird eine Menge zusätzlicher Programmpunkte angeboten. Wir werden 750 neue Plätze für Jugendliche mit mangelnder Einstiegsqualifizierung bereitstellen, Dank an die Kammer, Dank aber auch an meine Behörde, weil wir das zum großen Teil mittragen und initiieren. Wir werden zum Beispiel 200 Plätze für ALG-II-Empfänger im Hamburger Modell für die Jugendlichen, die arbeitslos sind, vorsehen. Wir werden ein Programm "Mehr Lehrstellen für Hauptschüler" auflegen und so weiter. Da wird mit sehr viel Kreativität herangegangen, um hier neue, zusätzliche Hilfe anzubieten.
Aber lassen Sie mich auch eines hinzufügen: Die beste Hilfe für arbeitslose Jugendliche sind nicht zusätzliche Programme, sondern zusätzliche Arbeitsplätze, die auf dem Markt entstehen und angeboten werden. Das muss unsere Politik sein.
Da möchte ich gar nicht alles beschreiben, was wir an Positivem hinsichtlich des Schaffens neuer Arbeitsplätze geleistet haben. Wir sind ja, was die Beschäftigungsentwicklung angeht, die Besten in Deutschland. Das füge ich immer gern und stolz hinzu.
Trotzdem möchte ich einige Beispiele nennen, die durch die Zeitungen in den letzten Wochen genannt worden sind. HHLA sagt "1000 neue Arbeitsplätze". Eurogate sagt "2200 neue Arbeitsplätze". Airbus sagt "700 neue Arbeitsplätze bis zum Jahresende 2005".
Die Zulieferindustrie sagt "Wir schaffen in den nächsten zwei Jahren über 2000 Arbeitsplätze". Wir haben ausgerechnet, dass im Tourismus neue Arbeitsplätze entstehen werden. Wir haben für die Logistikunternehmen ausgerechnet, was dort an neuen Arbeitsplätzen entsteht. Alles in allem, kann ich nur sagen, sind das ermutigende Zeichen. Wenn es geht, junge Menschen zu überzeugen, die Ärmel aufzukrempeln und mit Optimismus nach vorn zu gehen, dann sollten wir in diesem Sinne reden und nicht die Verhältnisse in Hamburg unnötig schlechtreden.
Meine Damen und Herren, genau so viel zur unterschiedlichen Interpretation der Wirklichkeit – das war ein Beispiel dafür, Herr Uldall –: Ich glaube, die Hauptbotschaft, die ich transportieren wollte, ist noch nicht ganz bei Ihnen angekommen.
Die Hauptbotschaft ist, dass wir ungefähr 20 000 arbeitslose Jugendliche in dieser Stadt haben. Sie haben zwar viel über Zahlen geredet, aber eine echte Antwort darauf, was Sie mit diesen Jugendlichen machen möchten, haben Sie leider vermissen lassen.
Ich lasse mich trotzdem noch einmal auf Ihre Zahlenspiele ein. Sie vergleichen ganz viel mit anderen Bundesländern. Es ist natürlich schwer, das nachzuvollziehen, wenn nicht jeder diese Anfrage vor sich liegen hat. Ich möchte noch einmal auf eine Zahl verweisen, die ich auch genannt habe. Ungefähr 5000 Jugendliche sind im Berufsvorbereitungsjahr mit 9 Prozent Anschlussperspektive. Das ist die höchste Zahl im Bundesvergleich. Das sind ungefähr 30 Prozent der Jugendlichen eines Jahrganges. Mecklenburg-Vorpommern folgt mit ungefähr 23 Prozent. Das heißt, sie parken im Berufsvorbereitungsjahr und haben keine andere Antwort. Das schönt die Statistik und die müssen Sie einfach mitzählen, Herr Uldall.
Wir können jetzt ganz viel über Zahlen reden und hier und da noch ein bisschen etwas abschneiden und dazu tun, aber das ist das Problem und damit müssen Sie sich endlich einmal auseinandersetzen. Das Berufsvorbereitungsjahr reicht nicht aus. Ich freue mich, dass Sie Hartz IV wirklich so verteidigen, aber auch da finde ich manchmal, dass Sie Hartz IV nicht ganz verstanden haben. Denn was bedeutet Hartz IV? Hartz IV sollte eine Chance geben, in den Beruf integriert zu werden. Sie bieten hauptsächlich kurze Trainingsmaßnahmen an, EinEuro-Jobs für Jugendliche, für Sechzehn- bis Siebzehnjährige. Das kann nicht sein. Das ist keine Perspektive.
Wenn sie stolz darauf sind, dass Jugendliche aus dem Umland hier Beschäftigung und Ausbildung finden: Ja, das finde ich gut, das sollte auch ganz genau so sein. Nur löst auch das wiederum das Problem hier in Hamburg nicht, denn es bedeutet nicht, dass Sie aus der Verantwortung für die Hamburger Jugendlichen sind, denn denen müssen Sie auch eine Perspektive bieten. Ich habe auch herausgestrichen: ja, das Duale System, bitte Berufsausbildung – da können wir nicht genügend für einwerben –, denn die Situation ist nun einmal so, dass nur noch ungefähr 50 Prozent in der dualen Ausbildung sind. Auch davor können wir die Augen nicht verschließen, auch da sind Antworten gefragt. Herr Uldall, bitte nicht nur Zahlenspiele, sondern Konzepte. – Vielen Dank.
Herr Senator Uldall, eine Meisterschaft im Schönreden von Statistiken kann man Ihnen wirklich nicht absprechen. Ich will ganz eindeutig klarstellen, dass sich Hamburg leider nicht von den bundesweiten Arbeitsmarktzahlen abgekoppelt hat, wie Sie es im zweiten Halbjahr des letzten Jahres konstant behauptet haben und so wie Sie es immer wieder in Ihren Pressemitteilungen einzuflechten versucht haben.
Herr Dees, Entschuldigung. Aber es ist mir zu laut. Ich bitte, den Geräuschpegel doch wieder ein bisschen herunterzufahren. Das ging eben wieder eine ganze Zeit lang ganz gut. Ich bitte Sie, dorthin zurückzukommen oder ihre Gespräche draußen zu führen. Herr Dees, bitte.
Hamburg hat sich nicht abgekoppelt. Ich finde es in diesem Zusammenhang durchaus richtig und löblich, dass Sie uns mit anderen Bundesländern vergleichen, weil das eigentlich die einzige Chance ist, einen gewissen Grund in dieses schwierige Thema hineinzukriegen. Nur, bitte schön, machen wir dann keine Momentaufnahme und vergleichen uns nicht von 2005 rückwirkend bis 2003, sondern vergleichen wir langfristige Entwicklungen. Wenn wir uns zum Beispiel Entwicklungen bei der Jugendarbeitslosigkeit angucken – darauf hat Frau Dräger schon hingewiesen –, sehen wir, dass in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre die Jugendarbeitslosigkeit in Hamburg mit außerordentlichem Mitteleinsatz halbiert worden ist. Seitdem steigt sie, alternierend und abwechselnd, aber stetig. Auch die Langzeitarbeitslosigkeit war 2001 auf einem recht niedrigen Stand. Es gab schon einmal weniger, aber der Stand war insgesamt niedrig. Seit 2001 – und das hat auch eng etwas mit Jugendarbeitslosigkeit zu tun – steigt die Langzeitarbeitslosigkeit im Vergleich zu den westdeutschen Bundesländern, im Vergleich zum strukturschwachen Bremen und im Vergleich zu Berlin überproportional an, nämlich um über 40 Prozent.
Natürlich ist aufgrund der Strukturschwäche von Bremen und teilweise auch durch die Wirtschaftspolitik in Berlin die entsprechende Ausgangszahl höher als in Hamburg. Aber in den letzten Jahren wird die Situation in Hamburg immer schlechter und schlechter und nähert sich auch in den absoluten Zahlen langsam den Regionen an, mit denen wir uns wirklich nicht vergleichen wollen. Das ist vor allem ein ideologisches Problem und darauf haben Herr von Frankenberg und Sie zum Schluss mit Ihrem rhetorischen Hinweis auf den Ersten Arbeitsmarkt – damit haben Sie sich eigentlich selber einen Fallstrick gelegt – hingewiesen. Es ist immer schön und richtig zu sagen, wir wollen natürlich in den Ersten Arbeitsmarkt integrieren, davon handelt Hartz IV von vorne bis hinten. Aber Sie sind 2001 angetreten und haben die große politische Fata Morgana verbreitet, dass die ganze Hamburger Arbeitsmarktpolitik nichts tauge, weil sie nicht auf den Ersten Arbeitsmarkt orientiert sei. Und dann haben Sie bis 2006 in den Haushaltsplänen Kürzungen von fast 50 Millionen, je nachdem, wie man das rechnet, an Mitteln für die aktive Arbeitsmarktpolitik vorgenommen. Dass das auf Qualität und Leistung dessen, was man in dieser Stadt bewirken kann, natürlich Einfluss haben muss, ist doch selbstverständlich.
Es hat natürlich bei den Menschen Einfluss, die nicht so einfach einen Job in einem Betrieb finden, bei Jugendlichen, die nicht so einfach von der Schule gehen und einen Job in der Firma oder einen Ausbildungsplatz finden, sondern die sich in einem ganz schwierigen Übergangsprozess von einer abgebrochenen Schullaufbahn erst mal ins Nichts fallen. Im Übrigen haben alle Bundesländer – das hat auch etwas mit unserem Schulsystem zu tun – in der Vergangenheit Schwierigkeiten mit diesem Problem gehabt. Deswegen haben gerade vergangene sozialdemokratische Senate ganz genau und ganz scharf darauf geachtet, dass sich das ändern muss. Der Übergang von der Schule ins Berufsleben ist eines der Kernprobleme und mit den von Ihnen vorgenommenen Kürzungen werden Sie diesen Problemen nicht gerecht.
Wie sehr Sie das Problem unterschätzt haben, zeigt letzten Endes, was sich jetzt mit Hartz IV offenbart. Hamburg
hat nicht 80 000 Erwerbsfähige, die nicht arbeiten, sondern 130 000. Und Sie haben Ihre ganze Politik darauf zurechtgeschnitten, Menschen unmittelbar und möglichst schnell in den Ersten Arbeitsmarkt zu bringen, mit einem in Teilen sicherlich sehr guten Programm wie dem Hamburger Modell, haben aber den ganzen Rest vernachlässigt. Und bei dem gesamten Rest hat sich jetzt noch einmal offenbart, dass in dieser Großstadt 50 000 weitere Menschen nicht in der Lage sind, von ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten her sofort einen Job im Ersten Arbeitsmarkt zu finden, aber vielleicht mit der notwendigen Unterstützung und Begleitung einmal dorthin gebracht werden können. Diese notwendige Unterstützung und Begleitung haben Sie in den letzten Jahren um 50 Millionen gekürzt.
Jetzt betreiben Sie mit viel Mühe – das soll der letzte Punkt sein, es ist ein kleiner Exkurs, aber er führt genau zum Kernproblem – ein Hamburger Job-Center, eine ARGE. Die Anhörung hat leider gezeigt, dass Sie auch hier keinen wirklichen Plan haben, wie Sie mit diesem schwierigen Personenkreis, den die ARGE betreuen soll, umgehen und ihm helfen können. Es fehlt an Personal, es gibt kein klares Betreuungs- und Beratungskonzept, kein Fallmanagement. Es dauert Monate, bis man sich überhaupt einmal einigt, nach welchem Konzept man denn arbeiten könnte. Im Juni war es noch nicht so weit und das Kernstück der Reform ist eigentlich, dass mit Fallmanagement den Menschen geholfen werden soll.