Protocol of the Session on June 8, 2005

"Vertreiben Türken die Deutschen. Heißes Eisen. Beirat lädt zur Diskussion über Wohnungsbelegung. Aber bitte ohne Stammtischparolen."

Gerade der Nachsatz ist wichtig.

Ich würde mich freuen, wenn wir gleich eine sachliche Diskussion zu den Problemen, die es auf Wilhelmsburg gibt, führen könnten. Wir gehen dort einen neuen Weg, wir machen einen kompletten Kurswechsel. Künftig wird es auf Wilhelmsburg keinen klassischen sozialen Wohnungsbau im Neubau geben.

(Doris Mandel SPD: Ihr baut ja gar keine!)

Wir wollen, dass es keine Förderung für Neubauten gibt, beispielsweise für Paragraph-5- oder für Dringlichkeitsscheine. Das wird es mit uns nicht mehr geben. Eine Ausnahme wird es für geförderten Wohnungsbau für Altenheime geben. Das ist richtig und macht auch weiter Sinn.

(Beifall bei der CDU)

Mit unserem Antrag – damit kommen wir zu einem sehr wichtigen Punkt –, in dem es um familienfreundliches Wohnen geht, sagen wir, der Senat solle mehr Bauland für Einfamilienhäuser ausweisen. Das ist doch einmal etwas. Wir rücken ab vom Höchstbieterverfahren. Das Höchstbieterverfahren ist es doch, das es vielen jungen Familien nicht ermöglicht, Eigentum zu bilden. Dass wir auf Wilhelmsburg bereit sind, neue Wege zu gehen, ist ein guter Ansatz.

Lassen Sie mich auf einen Punkt eingehen, zu dem die GAL sicherlich gleich etwas sagen wird. Wir gehen auch ein schwieriges Thema an, nämlich die Frage, wie es in Kirchdorf-Süd weitergehen soll. Sie haben in einer Hamburger Tageszeitung die Überschrift gesehen:

"CDU schickt Abrissbagger nach Kirchdorf"

Wir schicken keine Abrissbagger, wir schicken den Vorstandsvorsitzenden der SAGA und GWG, Herrn Basse, damit der – nun kommt der entscheidende Punkt – ge

meinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern nach einer Lösung sucht, wie man vielleicht, wenn man sich einigt, einen Umbau machen kann.

Wir sind uns sicher alle in diesem Hause einig, dass Kirchdorf-Süd kein architektonisches Highlight ist und dass sich viele Probleme, die in diesen Siebzigerjahrebauten entstanden sind, dort kumulieren. Wir glauben, dass die positiven Entwicklungen, die man beim Umbau solcher Siedlungen zum Beispiel in Berlin gesehen hat, auch in Hamburg im Rahmen der IBA geschehen könnten. Aber all das wird nur gemeinsam mit den Bewohnern erfolgen. Herr Lieven, Sie werden gleich noch etwas dazu sagen, Sie überzeichnen die Situation, wenn Sie sagen, wir schicken die Abrissbagger. Damit werden die Bewohner verunsichert. Wir wollen dort nicht weniger Wohnungen, sondern bessere Wohnungen. Darin sind wir uns alle einig.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich zu einem letzten Punkt kommen, wie wir die Familienpolitik auf Wilhelmsburg besser auf den Weg bringen werden. Auf der Veddel haben wir gezeigt, dass durch das Pilotprojekt, dort Studenten anzusiedeln, innerhalb weniger Monate 200 Studenten in diesen Stadtteil gekommen sind. Der Senat hat – dafür noch einmal herzlichen Dank – das Projekt verdoppelt. Es kommen 400 Studenten auf die Veddel. Weil wir gesehen haben, dass man damit die Belegungspolitik in einem Stadtteil nachhaltig verändern kann, haben wir uns entschieden, dass ab 2007 das Studentenprojekt am Reiherstieg ausgeführt werden soll. Da wird es natürlich noch Infrastrukturmaßnahmen geben, aber auch das Reiherstiegviertel bietet aus unserer Sicht die Perspektiven, dort den Hebel anzusetzen.

All diese Maßnahmen werden natürlich nur funktionieren, wenn die Bildungspolitik auf Wilhelmsburg, auf den Elbinseln, also auch auf der Veddel besser wird. Daran arbeitet dieser Senat. Aber weil die Stunde fortgeschritten ist, werde ich dazu an dieser Stelle nichts mehr sagen.

Für Sie, meine Damen und Herren von der SPD, kommt es jetzt zum Schwur. Sie können sich jetzt überlegen, ob Sie das Weiter-so der letzten 35 Jahre – die Bevölkerungsstruktur, die Baupolitik, die Sie da zu verantworten haben – weitermachen wollen oder ob Sie unserem Antrag zustimmen und sagen: Ja, wir haben dort Fehler gemacht und es soll besser werden. Entscheiden Sie sich, Sie haben gleich die Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Nutzen Sie die Chance.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Marx.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In einem mag Herr Finck ein bisschen Recht haben: Die Elbinsel Wilhelmsburg hat natürlich auch das eine oder andere Problem. Aber so schlecht geht es der Elbinsel eigentlich noch nicht, dass Sie so schlechte Anträge verdient hätte.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Antrag, sehr geehrter Herr Finck, ist ein etwas unbeholfener Versuch, alten Wein in neuen Schläuchen zu verpacken und ihn so an die geneigte Wählerin oder den geneigten Wähler zu bringen. Zu dieser vorgerückten

Stunde will ich mich gleich mit den Einzelpunkten Ihres Antrags auseinander setzen.

Erstens: Sie wollen, dass das Sprachförderkonzept des Senats evaluiert werden soll. Diese Forderung scheint zunächst nicht falsch zu sein, aber diese Forderung ist völlig unnötig. Sie fordern etwas, was der Senat beziehungsweise die betreffenden Schulen ohnehin schon machen und machen müssen. Es ist traurig, dass Ihnen Ihr CDU-Senat noch nicht einmal etwas Neues zum Fordern übrig lässt, sondern Sie im Antrag immer nur das fordern dürfen, was ohnehin geschieht.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens: Sie tun so, als ob die Freistellung von der Belegungsbindung auf der Elbinsel Wilhelmsburg etwas Neues wäre; das ist nichts Neues. Seit dem 1. Juli 1997, also seit fast acht Jahren, ist die Belegungsbindung für Sozialwohnungen in Wilhelmsburg aufgehoben. Das verdankt die Elbinsel Wilhelmsburg übrigens noch Senator Eugen Wagner; das sollte Ihnen vielleicht auch erinnerlich sein, Herr Finck. Dass manche Neubauten aus den Jahren 2002 bis heute wieder eine Belegungsbindung haben, ist wiederum ein Ergebnis des Versagens Ihrer Politik. Mit 44 Jahren SPD hat das herzlich wenig zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Besonders absurd dabei ist, dass Sie das erfolgreiche Mieterzentrum auf der Elbinsel Wilhelmsburg zum 31. Dezember 2004 haben auslaufen lassen. Das Mieterzentrum unter der Leitung von Herrn Wehner hat sich sehr erfolgreich um die Bevölkerungsstruktur auf der Elbinsel gekümmert. Aber das ist nun weg und nun kommt dieser Antrag und soll uns glauben machen, dass die CDU die Elbinsel neu entdeckt hätte.

Drittens: Die Ausweitung des Ansiedlungsprogramms für Studierende hat die SPD-Ortsausschussfraktion schon vor einem Jahr gefordert. Ich begrüße sehr, Herr Finck, dass Sie sich dieser Forderung der SPD in Wilhelmsburg anschließen. Es wundert mich aber, dass Sie dieses nicht wussten, denn die wohl mittlerweile ehemalige Mitarbeiterin von Herrn Frommann hätte es Ihnen verraten können, denn sie ist Mitglied im Wilhelmsburger Ortsausschuss. Ich persönlich bin zumindest immer begeistert, wenn die CDU SPD-Forderungen aufnimmt, aber etwas Neues ist das wirklich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Viertens: Beim Bauland für die Einfamilienhäuser können Sie sich einmal beim Kollegen Niedmers informieren. Der ist ja im Hauptberuf für das Eigenheimprogramm dieser Stadt zuständig und da durchaus erfolgreich. Im Gegensatz zu Ihnen hat er eine ganze Menge Fachkenntnis. Eine Auswahl von Eigenheimkäufern nach Haarfarbe wird es künftig hoffentlich auch weiterhin nicht geben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie sich nur ein bisschen in Wilhelmsburg auskennen würden, dann wüssten Sie, dass die allermeisten Menschen, egal welche Haarfarbe sie haben, wenn sie sich dort ein Häuschen kaufen, den deutschen Pass besitzen.

Fünftens: Sie wollen in Kirchdorf-Süd ein bisschen Umbau oder ein bisschen Abriss. Der Antrag, wenn man ihn wortwörtlich im Vorspann liest, legt nahe, dass Sie Kirch

dorf-Süd verkleinern wollen ohne Abriss. Wie das gehen soll, bleibt mir schleierhaft. Soll es in den obersten Stockwerken Storchennistkästen geben oder was planen Sie dort eigentlich? Ihre Planung ist wirklich völlig absurd. Sie verunsichern die Bewohnerinnen und Bewohner. Man muss von Glück sagen, dass die "Welt", wo Ihre Geschichte groß verbreitet wurde, in Kirchdorf-Süd nicht so sehr gelesen wird. Aber die Frage bleibt trotzdem, was Sie eigentlich wollen, den Teilabriss oder ein bisschen dazu bauen. Die Kirchdorf-Südlerinnen und KirchdorfSüdler haben Planungssicherheit verdient anstatt Ihrer unseriösen Spekulationen.

(Beifall bei der SPD)

Zu guter Letzt will ich noch ein paar Worte über die Schul- und Bildungssituation in Wilhelmsburg sagen. Die Gnade der 44 Jahre können Sie in dieser Frage auch nicht mehr beanspruchen. Auch in Wilhelmsburg liegt die Sollfrequenz in den neuen ersten Klassen bei 27 Schülerinnen und Schülern pro Klasse, obwohl unstrittig die Schülerinnen- und Schülerstruktur dort etwas anders aussieht als in den anderen Stadtteilen; eine Differenzierung erfolgt nicht mehr. Und die Krönung ist, dass der CDU-Senat unter Ole von Beust über 100 Lehrerstellen eingespart hat, die insbesondere für Sprachförderung zuständig waren. So etwas verschlechtert die Bildungs- und Entwicklungschancen ganz besonders in Wilhelmsburg und nicht in Nienstedten.

Besonders populistisch tut sich übrigens dabei immer wieder der Kollege Frommann hervor. So will er doch herausgefunden haben, dass an der Schule Buddestraße von den 81 neuen Erstklässlern im Sommer dieses Jahres keines deutsch sei. Erstens dachte ich bislang, dass man Deutscher durch Erwerb der Staatsbürgerschaft wird und zweitens hätte Herr Frommann sich ja einmal durch einen Besuch an der Schule informieren können, wie die Situation wirklich ist. Wilhelmsburg braucht weniger Politiker, die den Stadtteil in populistischer Weise schlechtreden, sondern es braucht konkrete Maßnahmen des Senats anstelle von Stellenstreichungen. Bei diesem Antrag habe ich ein bisschen den Eindruck, dass die CDU bald noch für sich reklamieren will, sie habe den tiefen Teller und das Rad erfunden; aber ganz so ist es dann doch nicht.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Lieven.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist wirklich ein Beispiel dafür, was die CDU unter familienfreundlicher Politik versteht, nämlich gar nichts.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Die ganzen Maßnahmen haben rein gar nichts mit familienfreundlicher Politik zu tun. Zum einzigen wichtigen Punkt, der Förderung der frühkindlichen Bildung in Wilhelmsburg, fordern Sie eine Evaluation und Dokumentation dessen, was der Senat sowieso dort vorhat. Das ist nichts Neues, das ist nichts Zusätzliches, das ist kein eigener Impuls.

Alle weiteren Punkte sind – Herr Marx hat es eben dargelegt – inhaltlich äußerst haarsträubend. Da war ich der "Welt" einmal ganz dankbar für ihre Schlagzeile "CDU

schickt Abrissbagger nach Kirchdorf", denn das ist der Kern dessen, was dort wirklich von Bedeutung wäre, wenn Sie sich vorstellen, in welcher wohnungspolitischen Situation wir in Hamburg sind. Es gab kürzlich eine von der LBS veröffentlichte Studie, die deutlich macht, dass wir in drei bis vier Jahren in Hamburg einen Mangel an günstigem Wohnraum haben werden. Wir haben sowieso einen viel zu niedrigen Wohnungsbau in Hamburg. 5600 Wohnungen sind nötig, 3650 werden gebaut. Und in so einer Situation schlagen Sie ernsthaft den Abriss günstigen Wohnraums vor; das ist wirklich wahnsinnig.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Sie sagen, vorher hätte niemand den Mut gehabt, so eine Forderung zu formulieren. Ich glaube, vorher hatte niemand den Verstand, so eine Forderung zu formulieren,

(Beifall bei der GAL)

denn auch wirtschaftlich betrachtet ist das absoluter Wahnsinn. Sie müssten die Wohnungsunternehmen für den Wertverlust entschädigen. Sie müssten neue Wohnungen bauen für die Menschen, die aus diesen Wohnungen ausziehen müssen, Wohnungen, die funktionieren, die dort rentabel modernisiert stehen, und Sie müssten zusätzliches Geld ausgeben, um in der Bilanz keine neuen Wohnungen zu schaffen. Das ist unvorstellbar, das wird auch kein Stadtentwicklungssenator in Hamburg jemals mitmachen. Diese Forderung ist wirklich fernab jeglicher Realität.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)