Protocol of the Session on April 27, 2005

"Für 2005 geht Phoenix von einer 'weiterhin erfreulichen Geschäftsentwicklung' aus."

So schreibt das "Hamburger Abendblatt" am 2. April 2005. Das sind keine Nachrichten aus einem schwer angeschlagenen Konzern, wo die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich fragen müssen, ob ihr Unternehmen wirtschaftlich ist oder wo die Zulieferer um ihre Existenz bangen müssen. Das sind Nachrichten, bei denen jeder Arbeitnehmer leuchtende Augen bekommt, er sich freut, weil sein Arbeitsplatz zukunftssicher sein müsste und weil er stolz auf seine Arbeit ist. Auf diese Leistung kann er auch stolz sein, denn als Arbeitnehmer möchte man in dieser Situation der Unternehmensführung ins Stammbuch schreiben: Wir haben das erwirtschaftet, denn kein Management macht seine Gewinne selbst und allein am Konferenztisch. Für diese Leistungen sind sie doch immer. Diese Leistungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich in dieser Stadt lohnen und nicht durch eine feindliche Übernahme und das Plattmachen eines Standorts bestraft werden.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die Frage, ob der Senat die Aktienpakete kaufen oder nicht kaufen konnte und wie das in den Einzelheiten hätte geschehen oder nicht geschehen können, ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille, Herr Uldall, ist, dass man einem Unternehmer, der sich in dieser Weise unsozial verhält, das auch einmal sagen muss. Man sollte aber nicht sagen, dass man ganz viel mit ihm spreche und das alles ganz toll sei und sich dem Managermagazin anschließen, dass das Unternehmen mit viel Zuspruch, nicht mit viel Geld und am Ende noch mit dem Titel "Manager des Jahres" belohnt. Das ist der blanke Hohn, wenn man in einem solchen Unternehmen beschäftigt ist und sich dafür einsetzt, dass alles vernünftig läuft.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Rolf Harling- hausen CDU: Warum sagen Sie nicht Planwirt- schaft?)

Wir diskutieren hier überhaupt nicht über eine Kapitalismuskritik, sondern darüber, ob wir es schaffen, die soziale Marktwirtschaft zu erhalten. Ich sage Ihnen: Die CDU bleibt hier unter ihren Möglichkeiten.

Herr Uldall hat seine Rede mit dem Satz begonnen:

"Da ist sie wieder, die gute alte Linke der SPD."

Manchmal wünsche ich mir, ich hätte so manchen guten, alten Politiker der CDU wieder hier. Herr Petersen hat einen davon zitiert; ich könnte Altkanzler Helmut Kohl zitieren, der zum Beispiel gesagt hat:

(Oh-Rufe von der CDU)

"Mancher vergisst gelegentlich daran zu erinnern, dass das soziale Klima unseres Landes ein wichtiger Investitionsfaktor ist. Ob das, was man dauernd über dieses und jenes Unternehmerlager liest, wirklich zur klassischen Stärkung beiträgt, ist eine ganz andere Sache. Aber irgendwann wird auch dort der Heilige Geist wieder einmal auftreten."

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Wenn wir Politiker unsere Stimme nicht erheben, wenn wir zusehen, dass Unternehmer leichtfertig die soziale Marktwirtschaft zerstören, dann haben wir versagt. Wenn wir zulassen, dass die Unternehmer das so verstehen,

dass sie für den Markt zuständig sind und der Staat für die soziale Verantwortung, dann haben wir auch versagt. So funktioniert die Rollenverteilung nicht. Wenn wir dem nicht entgegentreten und auch nicht einmal sagen, dass dies weder moralisch noch ökonomisch noch für unseren Staat vertretbar ist, dann wird das System der sozialen Marktwirtschaft an die Wand gefahren. Es geht hier nicht um irgendeinen dritten, vierten oder 27. Weg, sondern es geht darum, unser Wirtschaftssystem zu erhalten. Wenn Sie das immer noch nicht begriffen haben, dann sprechen Sie einmal mit den Menschen in Harburg darüber, wie viel Einsatz sie geleistet haben.

Es geht nicht – um es noch einmal zu sagen – um ein kaputtes Unternehmen. Es geht nicht darum, dass nun eine gemeinsame Anstrengung gefordert wird, wie sie von Arbeitnehmern, Betriebsräten und Gewerkschaften in hunderten von Unternehmen geleistet wird, die alles Mögliche versuchen, um Arbeitsplätze zu erhalten. Es geht um das Plattmachen eines Standorts. Das können wir nicht einfach unwidersprochen hinnehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Heintze.

Liebe Frau Dräger! Erstens haben Sie nicht zugehört. Herr Uldall hat bestimmt nicht das Management dafür belobigt,

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Oberlehrer!)

dass Arbeitsplätze verlagert werden. Zweitens kennen Sie Ihre eigene Harburg-Geschichte nicht. Ich glaube, es waren Sozialdemokraten, die Herrn Ellegast noch 2003 die Harburg-Medaille für besonderes Engagement am Standort verliehen haben.

(Beifall bei der CDU)

Sie sollten sich erst einmal mit Ihrer eigenen Geschichte befassen, schauen, wie Sie selbst aufgestellt sind und dann diskutieren wir weiter.

Herr Petersen, ich bin verwundert, dass Sie auf einmal dazu neigen, Unionspolitiker zu zitieren. Das passiert nämlich immer dann, wenn einem selbst nichts mehr einfällt oder man gerade keinen besseren Leumund hat. Ich glaube aber, dass Sie an der Stelle etwas Entscheidendes vergessen haben.

Ich glaube nicht, dass Herr Geißler zu dem gleichen Schluss kommt wie Sie. So viel Intellekt habe ich Ihnen eigentlich zugetraut, dass Sie bei solchen Zitaten weiterdenken und sie redlich verwenden und nicht so, wie sie Ihnen gerade passen.

(Beifall bei der CDU)

Sie sprechen von 60 Millionen Euro für den Erhalt von Phoenix. Wenn das der Maßstab ist – immer unter der Bedingung, dass es möglich gewesen wäre, das Aktienpaket zu kaufen, und wir haben heute gehört, dass es nicht möglich war –, dann müsste die Bundesregierung auf Großeinkaufstour sein, um den Standort Deutschland zu retten. Doch die Bundesregierung handelt nicht anders als der Senat in Hamburg auch. Wir bemühen uns zu helfen, wo wir helfen können. Wir können allerdings keine Aktienpakete aus Steuergeldern einkaufen. Ich glaube, Sie wären auch die Ersten gewesen, die geschrien hät

ten, wenn es mehr als 60 Millionen Euro geworden wären, weil sich die Kapitalmärkte gerade mal im Aufwärtstrend befinden.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Von daher seien Sie bei Ihren Vorschlägen nicht unredlich, sondern konstruktiv.

(Beifall bei der SPD)

Damit bin ich bei Herrn Kerstan. Es ist schön, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, dass hier keiner über Phoenix reden würde und fragen, wo die konkreten Vorschläge bleiben. Was Sie dann getan haben, war bemerkenswert: Sie haben zwar viel über Phoenix geredet, aber leider auch keinen einzigen konkreten Vorschlag gemacht, wie die Sache anders angegangen werden könnte. Das legt bei mir den Schluss nahe, dass der Senat genau das getan hat, was er tun konnte. Er wird dies auch weiterhin tun. Denn auch Sie haben keine besseren Rezepte für den Standort. Seien Sie doch bitte einmal ehrlich.

(Beifall bei der CDU)

Apropos Standortpolitik Deutschland. Wir haben hierzulande 1 Prozent Wachstum, der Rest der Welt wächst um 5 Prozent. Für den Durchbruch am Arbeitsmarkt bräuchten wir 1,5 Prozent bis 2 Prozent Wachstum und nicht nur 1 Prozent. Im internationalen Standortranking der Bertelsmann Stiftung steht Deutschland inzwischen auf dem letzten Platz von 21 untersuchten Industriestaaten. Wenn das Ihre Standortpolitik ist, dann gute Nacht.

(Beifall bei der CDU)

Der nächste Schritt ist ein konstruktiver: Wie können wir es? Das Problem in Europa – und damit auch in Deutschland – ist die Investitionsfreude. Sie ist verhalten und teilweise bei Null. Große Investoren sparen derzeit ihr Geld und Ihnen fällt nichts anderes ein, als diese Menschen mit einer Kapitalismuskritik zu überziehen, damit die Standortbedingungen noch besser werden und sie hier freudig ihr Geld investieren. Auch das ist keine redliche Wirtschaftspolitik.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kerstan, Sie hatten vermutlich keinen Lösungsvorschlag, weil Sie auch wissen, was der Industrieverband Hamburg vor kurzem einmal angemerkt hat: Die Kostensituation ist ein ökonomisches Kriterium, welches im Zweifelsfall von internationalen Konzernzentralen festgelegt wird. Da ist die lokale Wirtschaftspolitik häufig hilflos. Das ist schade, lässt sich aber nicht ändern, zumindest nicht, wenn wir das System der sozialen Marktwirtschaft erhalten wollen; die CDU möchte es erhalten.

(Beifall bei der CDU – Michael Neumann SPD: Das glaube ich nicht!)

Ich kann die frustrierten Zwischenrufe der SPD durchaus verstehen.

(Jenspeter Rosenfeldt SPD: Bei Ihnen wird man frustriert!)

Die Gründe dafür wurden in Hamburg schon angesprochen. Das Ansehen der CDU zieht an, die SPD in Hamburg befindet sich hingegen im Sturzflug. Die Reaktion von Herr Petersen war denn auch eher hilflos: Man wolle das Vertrauen der Menschen und nicht Umfragen gewinnen. Das ist bemerkenswert. Mit Ihrem Frontalangriff

gegen die Unternehmer in dieser Stadt gewinnen Sie sicher kein Vertrauen. Das können wir besser. Sie sollten vielleicht mithelfen, anstatt auf Floskeln zurückzugreifen, die im Prinzip nur Ihre Hilflosigkeit zu diesem Thema demonstrieren. Ihre Rede war an dieser Stelle bemerkenswert hilflos.

(Beifall bei der CDU)

Richtig ist, dass die Investitionen in Deutschland von 2000 bis 2004 Jahr für Jahr abgenommen haben. In Hamburg ist das anders; hier konnten die Investitionen gesteigert werden. Der Unternehmerverband Nord geht davon aus, dass in Hamburg keine Arbeitsplätze mehr im großen Stil abgebaut werden. Der Senat tut sein Übriges. Auf dem Maiempfang gab es eine Übernahmezusage, was die Auszubildenden in der Verwaltung betrifft.

Nordmetallchef Klieschau prognostiziert – und er ist nun nicht CDU-verdächtig –, dass in den Bereichen Medizin und Luftfahrt bald wieder Einstellungen möglich sein könnten. Genau diesen Trend wollen wir mit unserer Politik unterstützen und genau das ist das, wofür der Senat und die CDU-Fraktion hier arbeiten, für nichts anderes.

(Beifall bei der CDU)

Sie wären gut beraten, daran mitzuarbeiten. Von daher stellen Sie bitte das Getöse ein und lassen Sie uns gemeinsam konstruktiv für den Standort, für mehr Arbeitsplätze in Hamburg und nicht nur – das ist meine globale Kritik – für das SPD-Parteiprogramm arbeiten. – Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Köncke.