Protocol of the Session on April 13, 2005

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch und Christiane Blömeke, beide GAL)

Ich möchte an vier Punkten auf die Regelungen und auf die vorhanden Probleme eingehen.

Sie verlangen von den Eltern Geld für die Bücher und gleichzeitig mussten Sie in einer Protokollerklärung eingestehen, dass 18 Prozent der Unterrichtsmittel – das sind 2,6 Millionen Euro – in Schulen für Kopien ausgegeben werden. Das haben wir nicht diskutieren können, diese Zahl haben wir zu Protokoll bekommen.

Aber die BBS kann noch nicht einmal angeben, wie viel von diesen 2,6 Millionen Euro, also 18 Prozent der gesamten Mittel, für den Unterricht oder für Kopiervorlagen für die Schulkonferenz verwendet werden.

(Robert Heinemann CDU: Dann sollen wohl alle Statistiken über die Kopien führen?)

Das können auch Sie nicht beantworten, Herr Heinemann. Gleichzeitig zocken Sie bei den Eltern ab. Sie haben den Etat um 2,5 Millionen Euro gekürzt und geben an Hamburgs Schulen 2,6 Millionen Euro für Unterrichtsmittel aus, ohne darüber Genaues zu sagen. Aber was Sie genau wissen, ist, dass Sie die Eltern heranziehen müssen. Machen Sie erst einmal Ihre Hausaufgaben, bevor Sie den Eltern mit diesen Gebühren kommen.

(Beifall bei der SPD – Robert Heinemann CDU: Das ist noch mehr Kontrolle an den Schulen!)

Ich will Ihnen auch noch einmal etwas zum Zustand der Schulbücher sagen. Die Schauermärchen, die Sie über die Schulbücher erzählen, haben sich durch die eigenen Untersuchungen der Behörde nicht bewahrheitet. Sie wissen, weil Sie unterwegs sind, welche Unterschiede es an den Schulen gibt.

Wir haben seit Jahren das Problem, dass in diesem Haushaltstitel Reste von 10 Millionen Euro enthalten waren, weil die Schulen die Gelder nicht ausgegeben haben. Allein das hat es möglich gemacht, dass die Einsparung von 2,5 Millionen Euro im ersten Jahr abgefangen werden konnte. Das heißt, es war Geld vorhanden, das den Schülerinnen und Schülern nicht zugute gekommen ist. Ich glaube, es hätte Ihnen gut angestanden, wenn Sie sich erst einmal mit dieser Frage beschäftigt hätten, anstatt erst einmal wieder die Hand aufzuhalten.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Es gibt ein Zweites, was wir vermissen. Sie haben hier Reiner Lehberger zitiert. Es war sehr eindringlich, was er in der Ausschusssitzung gesagt hat. Er hat nämlich ein Plädoyer für das Schulbuch gehalten. Das Einzige, was Ihnen einfällt, ist, Geld einzukassieren. Aber wo bleibt die Initiative, Lehrerinnen und Lehrern beizubringen, mit modernen Schulbüchern zu arbeiten? Wo bleibt die Initiative, endlich darauf hinzuwirken, dass in Parallelklassen mit gleichen Büchern gearbeitet wird, um die fachliche Arbeit voranzutreiben und auch die Vertretung zu erleichtern? Alle diese Dinge haben Sie nicht berücksichtigt.

(Robert Heinemann CDU: Wo ist denn Ihr Antrag dazu?)

Das zeigt, dass es Ihnen im Wesentlichen darum geht, Geld abzukassieren.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Ich glaube, die Lautstärke der Zwischenrufe führt nicht dazu, dass man Ihnen besonders viel Glauben schenkt.

Der weitere Punkt, den Sie nicht berücksichtigt haben, spielte in der Anhörung des Schulausschusses auch eine Rolle. Wir haben ein großes Problem. Es gibt viele Familien, in denen es kein einziges Buch gibt. Deshalb bekommen Sie natürlich Kritik von verschiedenen Seiten, weil Sie es schaffen, Eltern abzuzocken und trotzdem dieses Problem nicht anzugehen. Die bildungsfernen Schichten, die Familien, in denen es bisher keine Bücher gibt, werden durch diese Regelung, die Sie auf den Weg bringen, kein einziges zusätzliches Buch bekommen. Die Kinder werden nicht die Erfahrung machen, was es bedeutet, mit Büchern aufzuwachsen, weil sie durch diese Eltern die Bücher leihen werden. Dieses wichtige Thema sind Sie nicht angegangen, obwohl der Zusammenhang von Schulerfolg zu Bildung, zu Büchern in den Familien, in allen Studien belegt wird. Das zeigt wieder, dass es Ihnen im Wesentlichen nur darum geht, Gebühren zu erheben und nicht die Qualität der Schulen zu verbessern.

(Beifall bei der SPD)

Ich will auch noch etwas anderes sagen, weil die Abschaffung der Lernmittelfreiheit doch sehr einschneidend ist.

Ich glaube, Sie können sich nicht vorstellen, dass 100 Euro für einige Familien so viel Geld ist, dass sie verhindern, dass ihre Kinder auf eine gymnasiale Oberstufe gehen, um das Abitur zu machen. Diese Familien gibt es. Was in den Familien passiert, muss man nicht für richtig erachten, aber es werden Entscheidungen gegen weiterführende Bildungswege getroffen. Eltern werden ihre Kinder drängen, zu arbeiten oder eine Ausbildung zu beginnen. Das ist eine Schande für jedes Bildungssystem.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend möchte ich doch noch auf das Thema der Bürokratie an Schulen eingehen. Wir haben in Deutschland nicht wie in anderen europäischen Ländern Verwaltungspersonal an den Schulen. Wir haben gut bezahlte Pädagoginnen und Pädagogen, wir haben ein bis zwei Hausmeister und eine Schulsekretärin. Die sollen jetzt diesen ganzen Verwaltungsaufwand machen. Bei einer Schule mit 500 Schülern müssen rund 5000 Buchentscheidungs-Vorgänge bewältigt werden. Man muss entscheiden, ob verliehen oder gekauft wird. Es müssen

beispielsweise Bücherlisten aufgestellt werden, der Eingang des Geldes muss überprüft werden, es muss gemahnt werden. Es muss bei jedem einzelnen Kind geprüft werden, dass die Höchstbeiträge nicht überschritten werden, und ein neues Gremium, der Lernmittelausschuss, darf natürlich auch nicht fehlen.

Die Schulsekretärin wird das, was Sie den Schulen aufbürden, nicht allein bewältigen können. Das bedeutet, dass gut bezahlte Pädagoginnen und Pädagogen mit Bürokratie beschäftigt werden, statt den Kindern gute Bildung zu vermitteln.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Heinemann, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es gab den wohlmeinenden Rat, das Ganze um ein Jahr zu verschieben. Sie haben sich für Hektik entschieden, das wurde heute noch einmal deutlich. Wir konnten auch in der Zeitung lesen, dass im Regierungslager die Überzeugung wächst, man mute Hamburgs Familien zu viel zu und man müsste hier gegensteuern. Diese Chance haben Sie vertan. Die Hamburger CDU sagt heute, dass ihr Familien in dieser Stadt egal sind und dass sie ihren falschen Kurs in dieser Frage weiter fortsetzen will.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort erhält die Abgeordnete Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Heinemann, wir waren gestern Abend auf einer sehr interessanten Veranstaltung des Kreiselternrats in Bergedorf. Herr Lein hat die SPD vertreten. Wir haben eine ziemlich gute Fortbildungsveranstaltung erlebt mit 100 Eltern, die noch einmal en détail – das ist es ja, der Teufel steckt im Detail – deutlich gemacht haben, wo es, bei aller unterschiedlicher Herangehensweise der SPD und auch der GAL-Fraktion, wirklich hoch problematisch ist. Sie haben schon einen kleinen Teil aufgenommen – gestern wurden Sie ernsthaft gefragt, wo Ihr soziales Gewissen ist – und Sie haben es heute angeführt, dass ein Punkt erreicht ist, weil uns gestern Eltern mit einem durchschnittlichen Einkommen sehr plastisch dargestellt haben, was das für sie letztendlich bedeutet.

Ich will jetzt noch einen kleinen Schritt zurückgehen. Die Bildungssenatorin hatte ihren Vorgänger am 1. April recht kräftig kritisiert. Ich gehe davon aus, dass es kein Aprilscherz war. Ihre Kritik war vollkommen richtig, es ging nämlich um das chaotisch und überhastet eingeführte Lehrerarbeitszeitmodell. Hier exemplarisch ein Paradebeispiel, wie eine gute Idee in den Sand gesetzt wird.

Da haben ein paar abgehobene Behördenlenker Schulen und Lehrer letztendlich als Versuchskaninchen missbraucht. Der Ärger und die Unsicherheiten sind immer noch groß. Die Ablehnung sitzt bis heute tief. Daraus hätte man eigentlich lernen können. Sie haben daraus aber wieder nichts gelernt. Gerade die Schulgesetznovelle zeigt, dass Sie auf die Schnelle der Änderung gesetzt haben, es schnell vorgelegt haben.

Um jetzt noch zur Schulentwicklung zu kommen. Die Frage, wie viele Klassen eine Schule haben darf, soll jetzt sehr genau ins Gesetz geschrieben werden. Wenn schon kein Mensch die Kriterien für Ihren Schulentwicklungs- oder Schulschließungsplan verstanden hat oder nachvollziehen konnte, dann kann man jetzt wenigstens einen

Grund im Gesetz lesen. Nur eine Schule, die viele Klassen hat und möglicht viele große Klassen, darf überleben.

Wir haben immer wieder gesagt, so macht man keine Schulentwicklung, das ist eher eine Abwicklung. Wir haben immer von regionalen Ausnahmen gesprochen. Zum Teil sind sie im Gesetz enthalten, aber es hat mit Schulentwicklung wenig zu tun. Wir bleiben weiterhin bei unserem regionalen Schulentwicklungsplan.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Zum Rauchen sage ich als Nichtraucherin gar nichts. Das wird Ihnen, Herr Heinemann, meine Kollegin Katja Husen gleich erklären.

Jetzt beginnt ein neuer chaotischer Großversuch. Die Renaissance der Schulbuchgebühr. Das Muster ist bekannt. Auf die Schnelle wird Geld gestrichen, mit heißer Nadel gestrickt und das Ganze wird dann mit einem Reformaufkleber versehen.

Wenn Sie sich alleine die Briefe ansehen, die jetzt wöchentlich an die Schulen gehen, in denen steht, wie dieses Schulbuchgebührenmodell Lernmittelaufhebungsgesetz umgesetzt werden soll, stehen Ihnen die Nackenhaare zu Berge – Bürokratismus, Verwaltung pur. Egal wo Sie hinhören – in Gymnasien, in Gesamtschulen, bei befreundeten Lehrern, Eltern –, sind alle am Schreien, einschließlich Hausmeister und Sekretärin, weil alle damit befasst sind.

Auch gestern gab es eine flächendeckende Ablehnung in der öffentlichen Sitzung des Kreiselternrats. Der Ärger und die Wut in den Schulen wird wachsen. Für diese Frage haben Sie das denkbar schlechteste und bürokratischste Modell gewählt.

Man muss sich das en détail vorstellen. Die Schulsekretärin bekommt das Buch in die Hand, das Lehrerkollegium, der Schulleiter, die Eltern. Dann wird entschieden: Wird es verliehen, wird es verkauft, werden die Gebühren festgesetzt, Kalkulationsrechnungen gemacht, Höchstsummen überprüft, Ausnahmebescheide erstellt, Mahnungen organisiert, verschickt, Anträge gestellt. Das haben uns gestern die Eltern noch einmal im Einzelnen erläutert, es ist gruselig. Sie wollen in den Schulen auf dem Rücken, der Zeit und den Nerven von Eltern und Lehrern ein feines preußisches Amtsstubenleben etablieren. Das lehnen wir kategorisch ab.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Meine Schulpraxis liegt noch nicht so lange zurück. Was Sie vorhaben, ist kurzsichtig und fern jeder schulischen Praxis. Sie werden sehen, in welchem Chaos das endet. Insofern wäre wenigstens der Vorschlag, die Einführung um ein Jahr zu verschieben, was auch der Landesschulbeirat vorgeschlagen hat, zu begrüßen. In diesem Gremium sitzt eine ganze Reihe unverdächtige Mitglieder von Kirche bis Handelskammer, die können ja nicht ganz so blöd sein.

Es gibt für uns neben dem Bürokratismus pur noch einen zweiten Grund, dass wir das Ganze ablehnen. Die Belastung, die Sie den Eltern zumuten, hat die Grenzen überschritten. Schwimmgebühren sind genannt worden, gesteigerte Fahrtkosten, Musikkurse, Vorschulgebühren, Essensgebühren. Ich will das nicht noch einmal alles aufzählen.

Gestern hat uns ein Vater plastisch erläutert, dass man, wenn man einen Durchschnittsverdienst von 30 000 Euro im Jahr hat, bei zwei Kindern zu einer zusätzlichen Belastung von 3000 Euro kommt. Ein solcher Betrag ist unzumutbar. Manchmal frage ich mich: Ist das CDU-pur familienfreundliche Praxis in der wachsenden Stadt? Hören Sie doch auf damit.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Wir bleiben weiterhin bei unserem Modell. Wir haben das qualifizierte Lernmittelfreiheit genannt. Die Bücher werden wie bisher ausgeliehen, damit die Schüler besser darauf achten, auch sie einbinden. Ich bin aus pädagogischen Gründen eine absolute Vertreterin einer Ausleihgebühr von 5 Euro bis 10 Euro für alle Bücher, die im Verbrauch sind – Sachbücher, Lesebücher, Mathebücher –, die sich ja jedes Jahr verändern,. Alle Bücher, die aber im Hause sein sollten – Wörterbücher, Lexikon, Atlas, Lektüre – werden selbst gekauft, was übrigens jetzt auch schon zum Großteil der Fall ist. Das wäre eine vernünftige Lösung. Das ist übrigens das Elternkammermodell, das vor zwei Jahren vorgeschlagen wurde. Dieses Modell hat jetzt natürlich keine Relevanz mehr, weil die Elternkammer mehr oder weniger erpresst worden ist nach dem Motto "entweder ihr macht mit, sonst werdet ihr gar nicht mehr mit einbezogen". Es wird jetzt viel Zeit und Geld geraubt für Unterrichtsentwicklung, für Qualitätsentwicklung zugunsten von Reformen wie Buchbürokratie. Uns geht es aber im Kern darum, dass Schule und Unterricht nicht teurer und bürokratischer, sondern besser werden. Das werden sie mit diesem Gesetz nicht erreichen. Deshalb lehnen wir das in erster Lesung ab und – Sie können sicher sein – auch in zweiter Lesung. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort erhält die Abgeordnete Fiedler.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Blick nach München beginnen. Dort hat Ende letzter Woche der Rat für deutsche Rechtschreibung getagt. Herausgekommen ist die Ankündigung einer weiteren Reform der Rechtschreibreform. Das wiederum hätte zur Folge, dass alle Schulbücher überarbeitet werden müssten. Damit komme ich zur Schulgesetznovelle, genauer gesagt, zur Abschaffung der Lernmittelfreiheit.

Wenn keines der bisher vorgebrachten Argumente verfangen hat, so gibt die offene Situation um die endgültige Festlegung der Orthographie dringend Anlass, die Einführung des Büchergeldes wenigstens zu verschieben.