Herr Dr. Willich, die Bürgerschaft hat Sie eben zum Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichtes gewählt. Dazu spreche ich Ihnen die Glückwünsche des ganzen Hauses aus. Ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen.
Nach Paragraph 7 des Gesetzes über das Hamburgische Verfassungsgericht haben die Mitglieder des Verfassungsgerichtes vor Antritt ihres Amtes vor der Bürgerschaft einen Eid zu leisten. Ich lese Ihnen den Wortlaut des Eides vor und bitte Sie, bei erhobener rechter Hand die Beteuerungsformel "Ich schwöre es" oder "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe" nachzusprechen. Der Eid hat folgenden Wortlaut:
"Ich schwöre, dass ich als gerechter Richter alle Zeit das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, die Verfassung und die Gesetze treulich wahren und meine richterlichen Pflichten gegenüber jedermann gewissenhaft erfüllen werde."
Sie haben damit den erforderlichen Eid vor der Bürgerschaft geleistet. Ihre Amtszeit beginnt am 24. April 2005. Im Namen des ganzen Hauses wünsche ich Ihnen als Mitglied des Hamburgischen Verfassungsgerichtes eine glückliche Hand in der Ausführung Ihres Amtes. Alles Gute, Glück und natürlich auch Befriedigung für die neue Aufgabe.
Wir kommen nun zum Punkt 58 der Tagesordnung, dem gemeinsamen Antrag aller drei Fraktionen zum Thema "40 Jahre deutsch-israelische Beziehungen" und hier der Erklärung des Präsidenten.
Wie Sie unschwer erkennen können, bin ich nicht der Präsident, aber der Präsident hat das Hamburger Rathaus noch nicht erreicht. Wir sind deshalb übereingekommen, dass es aus zeitökonomischen Gründen und anschließenden Terminen sinnvoller ist, wenn ich Ihnen die Erklärung des Präsidenten vorlese.
"Der Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland am 12. Mai 1965 nähert sich nunmehr zum vierzigsten Mal. Dieser Zeitpunkt war und ist ein Meilenstein für den Aufbau einer zukunftsorientierten Beziehung zwischen unseren Völkern. Unser Verhältnis zu Israel ist unauslöschlich durch die grauenhafte Massenvernichtung der Juden unter der nationalsozialistischen Terrorherrschaft geprägt.
Die Hamburgische Bürgerschaft nimmt diesen Jahrestag zum Anlass, daran zu erinnern, dass die Shoah ein Teil der deutschen Geschichte und damit eine Geschichte jedes Einzelnen von uns ist. Wir alle müssen dafür die Verantwortung tragen. Diese Verantwortung ist ein Teil der deutschen Identität, wie schon unser Bundespräsident, Herr Dr. Horst Köhler, in seiner Rede vor den Mitgliedern der Knesset in Jerusalem Anfang des Jahres bekräftigt hat. Es ist unsere Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Erinnerung an diesen Völkermord lebendig bleibt und auch nachfolgende Generationen immer wieder verinnerlichen müssen, dass diese Zeit ein auf ewig mit der deutschen Geschichte verbundener fester Bestandteil ist.
Niemand von uns kann sich den Erfahrungen der Vergangenheit entziehen. Sie sind unser Erbe und unser Auftrag, in Gegenwart und Zukunft für die Bewahrung der Erinnerung und die Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft Sorge zu tragen.
Viele Initiativen und Projekte, die die Versöhnung und den Dialog zwischen unseren Ländern fördern sollen, hat es seit Aufnahme der diplomatischen Beziehungen gegeben. Die Bürgerschaft hat sich wiederholt in Israel selbst über den Stand dieser Gemeinschaftsprojekte sowie über das israelisch-palästinensische Verhältnis informiert. Wir sind hier auf einem guten Weg und werden alle Möglichkeiten nutzen, diese Beziehungen aufzubauen. Aber dies ist nicht überall so, denn unsere Welt ist – gerade auch im Nahen Osten – von vielfältigem Terror bedroht. Zerstörung und Leid gehören noch immer zum Alltag vieler Menschen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg stellt sich deshalb in besonderem Maße ihrer historischen Verantwortung. Wir messen dem Gedenken, dem Erinnern, seit langem eine besondere Bedeutung bei: durch Gedenktage wie den 27. Januar, Gedenkstätten wie das KZ Neuen
gamme, diverse Veranstaltungen und Aktivitäten wie beispielsweise die Gedenkveranstaltung für das 50jährige Bestehen von Yad Vaschem im Oktober vergangenen Jahres und durch Veranstaltungen, die in Kürze anlässlich des Kriegsendes vor 60 Jahren stattfinden werden. Es ist unsere Aufgabe als Politiker, dafür Sorge zu tragen, dass ein sich Erinnern, ein Gedenken sich nicht nur auf eine jährlich ständig wiederholende Veranstaltung oder auf Zahlen und Daten reduziert. Wir haben die Verantwortung übernommen, wir haben die Verpflichtung übernommen, die Erinnerung lebendig zu halten. Wir wollen unsere Beziehung zu Israel intensivieren und den Dialog weiter fördern. Wir sollten deshalb den 40. Jahrestag der Aufnahme der deutsch-israelischen Beziehungen auch zum Anlass nehmen, dieses Bestreben mit einer entsprechenden Erklärung zu bekräftigen, die im Wesentlichen folgende Punkte umfasst:
Die Hamburgische Bürgerschaft tritt für das Recht Israels auf Leben in gesicherten Grenzen, für die Bekämpfung von Terrorismus, Hass und religiösem Fanatismus, für das friedliche Zusammenleben aller Völker und Religionen im gesamten Nahen Osten sowie für das Recht der Palästinenser auf ihren eigenen lebensfähigen Staat ein. Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um durch Projekte und Partnerschaften die besonderen Beziehungen zu Israel zu stärken. Wir werden wachsam bleiben und unduldsam gegenüber jeder Form des Fanatismus und der Feindseligkeit gegenüber Menschen anderer Kulturen, Rassen oder Religionen."
Wer sich dem Antrag anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden. – Vielen Dank.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 56, Drucksache 18/2017, auf: Gemeinsamer Antrag der Fraktionen der SPD und der GAL: Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses "Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße".
[Antrag der Fraktionen der SPD und der GAL: Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße – Drucksache 18/2017 –]
Ich stelle fest, dass dieser Antrag mit dem nach Artikel 26 Absatz 1 Satz 1 der hamburgischen Verfassung erforderlichen Quorum gestellt worden ist. Zu der Drucksache 18/2017 liegt Ihnen als Drucksache 18/2077 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.
[Antrag der Fraktion der CDU: Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße – Drucksache 18/2077 –]
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die geschlossene Jugendhilfeeinrichtung in der Feuerbergstraße ist ein Dampfkessel. Das Ausmaß und die Alltäglichkeit von Gewalt von Jugendlichen gegen sich selbst, gegen andere Jugendliche und ihre Betreuer ist alarmierend. Noch alarmierender ist allerdings, dass die zuständige Behördenleitung von alledem nichts wissen will, geschweige denn, die Öffentlichkeit darüber ausreichend und zeitnah informieren möchte.
Fast 200 besondere Vorkommnisse wurden in den zwei Betriebsjahren in der Feuerbergstraße gemeldet. 200 besondere Vorkommnisse, bei denen – so die behördeninterne Definition – unter anderem Suizidversuche, strafbare Handlungen gegen oder von Kindern und Jugendlichen an die Heimaufsicht der Behörde gemeldet werden mussten.
Um was, meine sehr geehrten Damen und Herren, geht es bei einem so genannten besonderen Vorkommnis? Ein Beispiel aus dem Dezember letzten Jahres. Mit den Worten "Ich steche Dich ab" attackiert ein 13-Jähriger einen Betreuer mit einem Kugelschreiber und rammt diesen Kugelschreiber in die abwehrende Hand des Pädagogen. Der Junge wird mit Kreuzfesseln fixiert, erhält Playstation-Verbot und eine Strafanzeige wegen Beleidigung, Bedrohung und Körperverletzung.
Ein anderer Fall. Andere Jugendliche verletzen sich selbst. Das kann kein Wachpersonal verhindern. Da hilft auch nicht, dass man das Zimmer bis auf die Matratze ausräumt. Mit einem Tritt gegen den Lichtschalter und dem dann gewonnenen zerbrochenen Plastik ritzte sich ein Jugendlicher vor wenigen Wochen die Arme auf. All dies geschieht im Jahre 2004, also im zweiten Jahr der Feuerbergstraße, deutlich häufiger übrigens als im ersten Betriebsjahr.
Doch auch im Jahre 2003 kam es zu überaus besorgniserregenden besonderen Vorkommnissen. Im März 2003 gingen Jugendliche mit einer 11 cm langen Glasscherbe und Rasierklingen nachts auf ihre Betreuer los. Erst als die Polizei mit drei Einsatzwagen anrückte, gaben die Jugendlichen für diese Nacht die Waffen raus. Am nächsten Tag brach der Konflikt erneut aus. Dieses Mal bewaffneten sich die Jugendlichen mit Stuhl- und Tischbeinen. Der besonders hart attackierte Sozialpädagoge quittierte mit einer posttraumatischen Belastungsstörung den Dienst, zwei weitere Kollegen baten um Versetzung, drei Betreuer meldeten sich krank. Über längere Zeit ersetzten Studenten ausgebildete Sozialpädagogen in der Feuerbergstraße. Glauben Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Beispiele sind noch nicht das Schlimmste, was sich in den Akten zur Feuerbergstraße wiederfindet.
200 solcher Vorfälle, in denen beleidigt, gedroht, geprügelt und weggelaufen wird, 123 Strafanzeigen, die zumeist gegen Jugendliche, in dem einen oder anderen Fall auch gegen Mitarbeiter gestellt wurden. Da wird Erziehung an die Strafjustiz delegiert, da wird mit Zigarettenentzug und Playstation-Verbot auf schwerste Konflikte reagiert. Da wird unter dem Druck der tagtäglichen Gewalt kaum noch etwas unternommen, das den Betreuten andere Erfahrungen ermöglicht als die, die sie aus ihrer
In dieser Einrichtung – und das haben wir aus der Großen Anfrage von Herrn Hesse gelernt – geschahen 40 Prozent aller an die Heimaufsicht gemeldeten besonderen Vorkommnisse, in einer Einrichtung, die im Durchschnitt sechs Minderjährige betreut. Die restlichen 60 Prozent der besonderen Vorkommnisse, die an die Heimerziehung gemeldet wurden, verteilen sich im Übrigen auf circa 2000 Kinder und Jugendliche in den übrigen Hamburger Jugendhilfeeinrichtungen. Allein diese Zahl, Herr Hesse, macht einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss notwendig.
Allein diese Zahl und dieses Missverhältnis machen es notwendig, auch die politische Verantwortlichkeit für diese eklatanten Missstände aufzuklären. Wie ein roter Faden ziehen sich die Warnungen durch die Akten der Feuerbergstraße, dass Pädagogik dort nicht mehr möglich ist.
"Zur Sicherung des Gesamtkonzeptes des Senates und zum Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehe ich dringenden Handlungsbedarf. Es bestehe die Gefahr, dass eine fachkundige Arbeit in der Einrichtung nicht mehr gewährleistet werden kann."
Er meint mit Handlungsbedarf, mehr Supervisionen, mehr pädagogische Handlungsmöglichkeiten durch ein erweitertes Aktionsfeld für Pädagogen und Jugendliche, eine bessere Zusammenarbeit mit dem FIT und einen Neubau, weil der Autor dieses Vermerks das Atriumgebäude in der Feuerbergstraße für nicht ausreichend und geeignet hält.
Der Staatsrat, der dafür zuständig ist und gleichzeitig auch direkter Dienstvorgesetzter bis zum 31. Dezember 2004 war, nimmt dieses zur Kenntnis, hält dieses allerdings für ein rein operatives Geschäft, aus dem er sich heraushalten will.
Der gleiche Staatsrat, ebenfalls immer noch der innere Dienstvorgesetzte, weigert sich auch, eine Entscheidung zu treffen, als es im März 2003 um die schwierige Frage geht, den Druck aus dem Heim herauszunehmen, indem Jugendliche wieder auf dem weniger gesicherten Außengelände arbeiten dürfen. Es ging nicht mehr oder weniger um die Entscheidung, Fluchten in Kauf zu nehmen oder den Dampfkessel weiterlaufen und eskalieren zu lassen und somit neue Angriffe auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu riskieren.
Diese hochpolitische, brisante Frage, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen, wird den Beamten überlassen – so die Entscheidung des Staatsrats. Geschäftsführer Lerche, der schließlich das tut, was dem Staatsrat eigentlich einleuchtet, nämlich mit den Jugendlichen wieder ins Außengelände zu gehen, muss bei erneuter Flucht den Hut nehmen.
Im April 2003 gibt es einen ersten Kündigungsversuch der damaligen Psychologin, Frau W., den sie in Kopie an den Staatsrat und die Senatorin schickt. Frau W. ist im Übrigen vom Konzept der Geschlossenheit überzeugt, aber nach nur vier Monaten Betrieb entsetzt über die
fehlende Beschulung der Jugendlichen, die konzeptlose Freizeitgestaltung und – wortwörtliches Zitat –
Sie ist entnervt über die Einweisungspraxis, die ganze Gangs, zum Teil befeindete Jugendgangs zusammenbringt und auch nicht zuletzt über die von den Familiengerichten zu kurz veranschlagte Unterbringungszeit.