Protocol of the Session on April 13, 2005

Frau Güçlü, es wird kein Gesamtkonzept geben, sondern diese Regierung hat sich zu Recht vorgenommen, die Menschen dort abzuholen, wo sie individuell sind. Das heißt, das Geld wird nicht an eine Schule oder nach Zahlen mit der Gießkanne verteilt, sondern wir werden die Menschen nach ihren Fähigkeiten in verschiedene Systeme bringen. Hier sind wir noch nicht am Ende angekommen, aber es gibt einige Dinge, die wir Ihnen in Kürze zustellen werden.

Das andere Thema ist die Berufsbildung. Sie haben selbst in der Anfrage gelesen, dass es inzwischen in dieser Stadt sehr viele, gut vernetzte Berufsbildungswerke gibt, die auch versuchen, Kinder – nicht nur die mit Migrationshintergrund, sondern auch andere Kinder, die durch verschiedene Probleme Schwierigkeiten haben – an Bildung heranzubringen. Das gilt also nicht immer nur, wenn man sprachliche Probleme hat, sondern es gibt auch andere soziale Probleme, die einen zurückwerfen. Wir haben viele Organisationen wie zum Beispiel BQM, ATU oder auch die EU-Förderprogramme, die teilweise auch Migranten fördern, die wir unterstützen. Das ist genau der richtige Weg, den wir gehen müssen.

Auf der anderen Seite müssen wir feststellen, dass zurzeit die Arbeitsmarktsituation so schlecht ist, dass es natürlich besonders die Schwachen trifft. Das heißt, dort müssen wir noch mehr staatliche Gelder einsetzen.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Macht nichts, ich bin das gewohnt. Sie reden ja immer dazwischen, wenn es Ihnen nicht passt.

Wir probieren das jetzt einmal ganz ruhig. Hören Sie bitte der Rednerin zu, alle anderen Gespräche werden eingestellt, die Rudelbildung am Rande wird auch aufgelöst. Und dann versuchen wir jetzt noch einmal, diese Sitzung in einer guten Atmosphäre zu Ende zu bringen. Ich bitte um Ruhe im Plenarsaal.

Frau Machaczek hat das Wort.

Ich möchte mit einem Appell enden. Ich weiß, es gibt viele Dinge zu tun. Ich weiß aber auch, dass Sozialbehörde und Schulbehörde sehr stark an Konzepten arbeiten und uns diese Zahlen auch nicht ruhig lassen. Es ist doch nicht so, dass die CDU glücklich darüber ist, dass wir Kinder in dieser Stadt haben, die nicht so an der Bildung partizipieren, wie es sein sollte. Warum unterstellen Sie der CDU ständig, wir wären froh, wenn Ausländerkinder, Aussiedlerkinder nicht partizipieren können? Das entspricht überhaupt nicht unserem Interesse.

(Beifall bei der CDU – Zurufe bei der SPD und der GAL)

Es ist jedes Mal die gleiche Leier, die wir hier hören. Wir müssen in der Tat konkrete Projekte auf den Weg bringen. Die Zahlen sind sehr unterschiedlich zu interpretie

ren, es sind schwankende Zahlen, auch bei den Kitas. Die Auswirkungen des Kita-Gutscheins werden wir zum Beispiel genau beobachten müssen, aber noch sind die nicht zu sehen. Es gibt ganz andere Fakten, die da eine Rolle gespielt haben. Davor wollen wir nicht die Augen verschließen. Wir werden uns dieser Kinder und Jugendlichen annehmen,

(Michael Neumann SPD: Damit drohen Sie!)

aber wir haben unsere eigenen Konzepte und Ziele. Es wird kein Gießkannenprinzip und kein Integrationskonzept geben, das von A bis Z alles durchdekliniert, weil die Menschen individuell sind, ob sie nun Ausländer, Migranten, Zuwanderer oder Deutsche sind. In diesem Sinne werden wir weiter verfahren. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Frau Özoguz hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Machaczek, wir hören von Ihnen immer Ankündigungen und den Satz, "seien Sie nicht so ungeduldig". Diesen Satz habe ich in allen Drucksachen, die wir über dieses Thema debattiert haben, heute noch einmal nachgelesen. Sie sagen immer, seien Sie nicht so ungeduldig, aber Sie regieren seit dreieinhalb Jahren. Wann kommen denn Ihre konkreten Projekte und Umsetzungen?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Wir haben sehr oft über die Situation der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund gesprochen, wir haben viel dazu analysiert. Uns stehen eine Unzahl von Studien mit Daten und Fakten zur Verfügung. Wir haben eine Unzahl von Medienberichten dazu gelesen und es muss endlich einmal deutlich werden, dass in unserer Stadt die Situation für Kinder mit Migrationshintergrund in unserem Bildungssystem schlecht ist. Die Große Anfrage der GAL-Fraktion, die ich sehr nützlich und hilfreich finde, hat uns aber auch nicht erst heute darauf gebracht, dass es so ist, sondern wir warten darauf, dass wir etwas verändern können.

(Wolfgang Drews CDU: Seien Sie doch nicht so ungeduldig!)

Wir würden uns nicht dagegen sperren, wie Sie wissen, denn dies ist uns ein ganz wichtiges Anliegen.

Frau Machaczek, Sie sagten in einer der letzten Sitzungen auch – ich glaube, Sie haben es eben so ähnlich wiederholt –, dass die Kinder Deutsch können sollten, wenn sie in die Schule kommen. Nun hat der Staatsrat neulich erneut in der Fragestunde zugegeben, dass in den Vorschulen aber gar keine Plätze für Kinder mit Sprachförderbedarf reserviert sind. Stattdessen haben Sie mit der Vorschulgebühr genau das erreicht, wovor sie alle gewarnt haben: In Brennpunkten melden sich immer weniger Kinder an. Und diese Zahlen gleichen Sie – jetzt wird es richtig abstrus – mit Anmeldungen in besser gestellten Wohngebieten wieder aus. Da leben aber die Kinder mit den Förderbedarfen gar nicht. Sie tun das Gegenteil von dem, was Sie tun müssten.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Dann haben Sie weiterhin zu Recht darauf hingewiesen, dass Eltern in die Erziehung ihrer Kinder stärker einge

bunden werden müssen. Die Eltern müssen nicht nur gut Deutsch verstehen und sprechen können, sie müssen auch wissen, wie sie ihren Kindern helfen können. Sie müssen wissen, wer ihre Ansprechpartner sind. Die Eltern, über die wir hier sprechen, können dies häufig aber nicht, sei es aus Unkenntnis, sei es aus Desinteresse.

(Hartmut Engels CDU: Warum können Sie es denn nicht?)

Als Lehrer müssten Sie gerade wissen, dass es eine Vielzahl von Gründen gibt, warum Eltern dies nicht tun, das dürfen wir doch nicht gutheißen.

(Karen Koop CDU: Weil sie es nicht wollen!)

Aber es reicht nicht immer, nur dagegen anzuwettern, man muss auch etwas aktiv dagegen unternehmen.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Zuruf von Karen Koop CDU)

Ich sage Ihnen da ganz ehrlich und auch selbstkritisch zum Beispiel Sonderschulen/Förderschulen: Als ich Studentin war – das ist auch schon ein paar Jahre her –, wurden wir von türkischen Eltern um Hilfe gerufen, die sagten, warum gehen unsere Kinder eigentlich alle in die Sonderschule. Die konnten damit nicht umgehen und viele haben, so zynisch das ist, auch den Begriff Sonderschule völlig falsch verstanden. Das hat aber vielen jungen Menschen die Zukunft geraubt und da hat sich keine Fraktion im ganzen Bundesgebiet mit Ruhm bekleckert. Es gab einfach kaum Lösungen dafür, wie man besser wird. In den letzten Jahren – die Zahlen hat Frau Güçlü genannt, ich will das nicht alles wiederholen – haben sich ganz leichte Fortschritte gezeigt, dass tatsächlich mehr Kinder auf Gymnasien gehen, zumindest dort häufiger vertreten sind, Gesamtschulen einiges dazu leisten et cetera.

Wir sind uns vielleicht in einem einig, wenn ich noch einmal auf Ihren Zwischenruf eingehen darf. Der Staat kann kein funktionierendes Elternhaus ersetzen, das kann kein Staat, er soll es auch nicht. Aber dort, wo Eltern Schwierigkeiten beziehungsweise Lücken haben – wir haben eine solche Debatte vor kurzem auch schon geführt –, kann und muss der Staat helfend eingreifen. Er kann Angebote machen und wenn diese Angebote dann nicht angenommen werden, aber auch erst dann, muss er zur Not auch einmal sanktionieren. Wir müssen an die Eltern heran, damit Kinder nicht weiterhin in diesem Land von Anfang an zu Verlierern gestempelt werden.

(Beifall bei der SPD, der GAL und bei Wolfgang Beuß und Marita Meyer-Kainer, beide CDU)

Frau Machaczek, ich gehe noch einmal auf Ihre Rede ein. Was ist Ihre Antwort darauf? Sie haben keine gegeben. Ich sage sie Ihnen. Ihre Antworten lauten: Weg mit der Lernmittelfreiheit, erhöhte Kita-Beiträge, Vorschulgebühren, Gebühren für Schwimmunterricht et cetera. In der Haushaltsdebatte versprach die Senatorin noch, dass die Absenkung der Mittel im Bereich der Volkshochschule nicht dazu führen dürfe, dass wichtige Angebote wie zum Beispiel bei der Integration von Migranten wegfielen. Und was ist passiert? Genau diese Angebote sind entweder weggefallen oder sie sind inzwischen so teuer, dass sich die angesprochene Klientel diese Kurse gar nicht mehr leisten kann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Weiterhin gab die Senatorin an, dass in diesem Winter zum zweiten Mal die Situation der Viereinhalbjährigen geprüft werde, um Sprach- und Entwicklungsdefizite zu erkennen und abzubauen. Sind die Ergebnisse eigentlich schon da, ist das schon abgeschlossen oder dauert es wie beim letzten Mal auch wieder sechs Monate, bis wir davon etwas hören? Aber wir haben ja schon die Zahlen vom letzten Jahr, wir wissen doch um die Nöte und wir wissen auch, dass beim letzten Mal nicht alle Eltern dorthin gekommen sind. Warum haben wir immer noch keine Antworten auf Ihre Ankündigungen? Warum haben wir keine Schlussfolgerungen, keine Maßnahmen? Seitdem Sie regieren, das muss man einmal ganz deutlich sagen, haben Sie sich nicht eine einzige Sache, nicht ein einziges Projekt wirklich selbst ausgedacht.

(Robert Heinemann CDU: Was ist mit der Vierein- halbjährigen-Prüfung?)

Ja, die Prüfung machen Sie und was machen Sie mit den Ergebnissen der Prüfung? Sie haben hier noch kein einziges Projekt auf den Tisch gelegt beziehungsweise angekündigt, geschweige denn umgesetzt; alles Fehlanzeige bis heute.

(Beifall bei der SPD und der GAL – Robert Heinemann CDU: Sie sind ja noch nicht mal auf die Idee gekommen!)

Prüfen und analysieren ist gut, dagegen habe ich auch nichts einzuwenden, aber man braucht ein bisschen mehr, nicht vier Jahre lang nur prüfen. Sie haben schon in Ihrer Oppositionszeit davon gesprochen, wie schlecht die Situation sei. Da müssen Sie doch auch schon Ergebnisse gehabt haben.

Um gute Beispiele zu finden, brauchen Sie übrigens gar nicht weit zu schauen, in Bremen regieren Sie mit als CDU. Als Koalitionspartner machen Sie sich in dieser Frage da irgendwie besser als in Hamburg, wo Sie selbst regieren, denn dort wurde als Reaktion auf diese Studien gehandelt. Dort gibt es an den Schulen Ansprechpartner für Eltern und das sind keine Lehrer, die zur Not auch einmal woanders eingesetzt würden. Dort gibt es in den Sommerferien Sprachcamps für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen, es gibt pädagogische Lehrassistenten, Leselehrgänge, schulische Crash-Kurse. Das sind sicherlich Versuche, aber diese Maßnahmen werden alle wissenschaftlich begleitet und so wird sichergestellt, dass auch immer daran weitergearbeitet wird. Die handeln, Sie nicht. Bremen hat auf die Zahlen und Daten der vielen verschiedenen Untersuchungen reagiert.

(Robert Heinemann CDU: Sie wissen, wo Bremen bei PISA liegt!)

Deswegen haben sie reagiert. Wo liegen wir denn? Können wir uns da stolz zurücklehnen, Herr Heinemann? Wohl kaum, oder?

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Herr Heinemann, Sie haben vorhin etwas Schönes gesagt, das sogar stimmte, Sie entdecken eine Gerechtigkeitslücke. Dem möchte ich ausdrücklich zustimmen und ich möchte Sie nur ermutigen. Es könnte ein guter Schritt in die richtige Richtung sein, denn – zum Schluss noch einmal ganz ernst und natürlich ohne Polemik – es ist in unser aller Interesse, dass alle Jugendlichen einen Platz finden, sei es in der Ausbildung oder im Studium. Wir müssen uns wirklich deutlich machen, dass es nicht an

gehen kann, dass in einer Zeit, in der wir eine sehr hohe Arbeitslosigkeit haben, viele Arbeitsplätze in Deutschland unbesetzt sind. Da hat unser Bildungssystem versagt, nicht die Jugendlichen selbst. Wir sind diejenigen, die das verändern können, Sie sind diejenigen, die dafür die richtigen Ideen auf den Tisch legen müssen. Bitte nehmen Sie diese Verantwortung auch ernst. – Danke.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Frau Blömeke.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Frau Machaczek! Sie haben zusammen mit Ihrer CDUFraktion einfach ein Zahlenproblem. Das hatten wir vorhin auch ein bisschen, wir haben es auch in dieser Debatte wieder. Die Zahlen, die Frau Güçlü genannt hat, stammen alle aus dem Jahr 2003/2004 und in der Großen Anfrage aus den Jahren 2000 bis 2003. Von daher ist es nichts mit irgendwo weit in der Vergangenheit graben. Wir wünschten uns allerdings, da gebe ich Ihnen Recht, dass diese Anfrage in einigen Bereichen, zum Beispiel im KitaBereich, etwas informativer gewesen wäre, denn das ist natürlich auch eine Erkenntnis, die wir gerade im KitaBereich ziehen können, wie wenig Zahlen der Senat hat.

Es ist schon erstaunlich, dass Sie sich hinstellen und sagen, wir machen uns Gedanken, wir überlegen Konzepte und was weiß ich nicht alles und nicht einmal die Zahlen kennen. Sie wissen laut unserer Anfrage nicht, wie viele Migrantenkinder sich wo befinden und welcher Nationalität sie angehören; das macht es doch fragwürdig. Wie kann man denn handeln, wenn man darüber eigentlich nicht Bescheid weiß? Da sollten Sie dringend nachsteuern.