Protocol of the Session on March 10, 2005

(Ingo Egloff SPD: Herr Jarzembowski!)

Letztendlich ist es doch so, dass eine solche Richtlinie, die schon einmal am Widerstand der meisten Staaten gescheitert ist und dann von der Kommission nochmals mit Verschärfung eingebracht wurde, wobei sich wieder alle große Staaten wie Deutschland, Frankreich, England und Spanien dagegen ausgesprochen haben, auch dieses Mal das Europäische Parlament nicht passieren wird

(Rolf Harlinghausen CDU: Das stimmt nicht mit Spanien! Das wissen Sie!)

und daher dieser Aufregung, die hier herrscht, natürlich nicht gerechtfertigt ist. Hier geht es um nichts anderes, als darum, dass innerhalb der CDU noch ein Meinungsbildungsprozess stattfindet und man dort erst einmal eine einheitliche Position finden muss. Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, tun Sie das doch gern, aber machen Sie das auf Ihrem Landesparteitag und nicht hier in der Bürgerschaft. Hier verschwenden Sie doch unsere aller Zeit.

(Beifall bei der GAL und bei Dr. Mathias Petersen SPD)

Daher möchte ich über den anderen Teil dieses Tagesordnungspunktes reden, ein Problem, das wir in Hamburg selber in der Hand und hier auch noch nicht gelöst haben. Das ist das Problem der Massenarbeitslosigkeit, nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Deutschland.

(Zuruf von Robert Heinemann CDU)

Seit mittlerweile drei Jahrzehnten ist bei wechselnden Regierungen nur ein Trend bestehen geblieben. Wir haben diese Massenarbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommen, sondern sie ist weiter gestiegen.

Schauen wir uns doch mal an: Was waren denn die Mittel, mit denen die Politik bisher versucht hat, dieser Massenarbeitslosigkeit entgegenzuwirken? Damit meine ich nicht nur Sie, sondern damit meine ich auch die rotgrüne Regierung in Berlin. Das ist die klassische Standortpolitik, die sich an Großprojekten aufhängt, Infrastrukturinvestitionen tätigt und Gewerbeflächen bereitstellt.

In dieser Tradition bewegt sich auch dieser Antrag des Senates mit dem Sonderinvestitionsprogramm. Wenn man sich einmal anschaut, wie viel Mittel mit welchem Erfolg wir investieren, dann kommt man schlicht und ergreifend zu dem Schluss, dass die bisherigen Maßnahmen alle nicht gegriffen haben. Wenn wir uns jetzt ernsthaft hinstellen und sagen wollen, dass wir etwas tun müssen, um die Massenarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, dann muss das schon darüber hinausgehen,

was in der Vergangenheit üblich war. Das möchte ich Ihnen gern am Beispiel des Hamburger Hafens erläutern.

Mir ist klar, dass man, wenn es unangenehme Nachrichten gibt und man nicht in der Lage ist, die schlechten Nachrichten aus der Welt zu schaffen, gern den Überbringer der Nachricht ans Kreuz schlägt. Aber, Herr Ohlsen, die Zahlen die ich hier präsentiere, sind keine billige populistische Rhetorik, sondern das sind die Zahlen eines Gutachtens, das Ihr eigener Wirtschaftssenator in Auftrag gegeben hat. Die daraus ablesbare Entwicklung im Hamburger Hafen ist leider nun einmal so.

1990 waren im Hamburger Hafen direkt und indirekt auf dem Gebiet Hamburgs 160 000 Menschen beschäftigt. Heute, 15 Jahre später, sind es 124 000 Menschen, laut dem neuen Gutachten. Das heißt, gut 36 000 Arbeitsplätze sind im Hafen weggefallen. Nun sagt Herr Uldall zu Recht, dass man die Zahlen nicht vergleichen kann, weil die Statistik umgestellt worden ist. Das stimmt. Aber die deutschen Gutachter sind sehr gründlich und haben dann gesagt: Was wäre denn passiert, wenn man nach der alten Systematik gerechnet hätte? Diese Zahl ist auch im Gutachten enthalten, und zwar wären es danach 112 000 Arbeitsplätze, die jetzt noch vorhanden sind. Das bedeutet, dass nicht 36 000 sondern knapp 50 000 Arbeitsplätze weggefallen sind.

Vor diesem Hintergrund, dem Problem der immer noch nicht gelösten Massenarbeitslosigkeit, ist doch die Frage für uns als Politiker: Ist es richtig, in diesen Bereich, wo die Zahl der Arbeitsplätze schrumpft, 746 Millionen Euro zusätzlich hineinzustecken?

(Michael Fuchs CDU: Ja, ist es!)

Hier haben wir einfach eine Differenz. Wir Grüne sagen natürlich nicht, dass in den Hafen überhaupt nichts mehr investiert werden soll. Aber müssen es wirklich 746 Millionen Euro sein? Reichen nicht auch 500 Millionen Euro?

(Heiko Hecht CDU: Wir sind hier nicht auf einem Basar!)

Wir sagen beispielsweise: Stecken Sie 500 Millionen Euro zusätzlich in den Hafen, verdoppeln Sie die Kapazität des Hamburger Hafens auf 12 Millionen TEU und investieren Sie die restlichen 246 Millionen Euro nicht in einen Bereich, in dem durchschnittlich Jahr für Jahr 1200 Arbeitsplätze wegfallen.

Diese Zahl entsteht, wenn man den Strich unter einer ganzen Rechnung zieht, Herr Ohlsen. Es gibt natürlich bestimmte Bereiche, wo zusätzliche Arbeitsplätze im Hafen entstehen. Wenn man zusätzliche ContainerTerminals baut, dann arbeiten dort auch mehr Leute. Dann gibt es noch die zahlreichen Zentrallager-Logistikkomplexe. Hier sind in den letzten fünf Jahren 4000 Arbeitsplätze entstanden. Aber an anderen Stellen im Hafen sind gleichzeitig 10 000 Arbeitsplätze weggefallen, sodass unter dem Strich 6000 Arbeitsplätze im gleichen Zeitraum weggefallen sind.

Hier müssen wir uns doch wirklich die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, in diesem Bereich nochmals 746 Millionen Euro zu investieren,

(Michael Fuchs CDU: Ja!)

nach dem Motto, die Entwicklung geht zwar in die falsche Richtung, aber dafür laufen wir mit doppelter Geschwindigkeit.

(Beifall bei der GAL – Barbara Ahrons CDU: Es geht nicht in die falsche Richtung. Wo gucken Sie denn hin?)

Daher haben wir auch ganz konkrete Vorschläge. Wir wollen 200 Millionen Euro in andere Bereiche investieren, die arbeitsintensiv sind und wo auch zusätzliche Arbeitsplätze entstehen.

(Gesine Dräger und Ingo Egloff, beide SPD: Wel- che? – Dr. Diethelm Stehr CDU: Hochsubven- tioniert!)

Ich kann Ihnen gern sagen, welche das sind. Nehmen wir einmal den Bereich erneuerbare Energien. Ich weiß, das hören Sie aus ideologischen Gründen nicht so gern. Lassen wir deshalb die Wind- und Solarenergie einfach mal beiseite und nehmen den Bereich energieeffizientes Bauen.

Jedes Jahr werden in Hamburg nur 0,5 Prozent der Hamburger Wohnungen energetisch saniert. Wenn Sie diesen Prozentsatz auf 2 Prozent erhöhen und dort Geld in Anreizprogramme investieren würden, könnten in Hamburg 10 000 Arbeitsplätze in kleinen und mittelständischen Handwerksbetrieben neu entstehen. Das zeigen alle Studien auf Bundesebene. Hiermit bremsen Sie dann nicht nur den Arbeitsplatzabbau im Hafen, sondern investieren in einem Bereich, der arbeitsintensiv ist und schaffen netto mehr Jobs.

Ein weiterer Bereich wäre Kultur und Medien. Sie wollen 746 Millionen Euro in den Hafen investieren und im Bereich der Filmförderung fehlten ganze 8 Millionen Euro. Komplette Firmen mit hunderten und tausenden von Arbeitsplätzen haben deshalb gedroht, dass sie abwandern wollen. Da frage ich mich doch, ob wir hier die Schwerpunkte richtig setzen. Im Medien- und Kulturbereich können durch Rationalisierungen Menschen nicht durch Maschinen ersetzt werden, dort arbeiten immer Menschen. Das gilt auch für den Bereich Gesundheitswesen, der im Moment in der öffentlichen Diskussion immer nur als Kostenfaktor gesehen wird.

(Volker Okun CDU: Ja!)

Aber wer pflegt denn die Menschen und wer arbeitet im Gesundheitsbereich? Das sind auch Menschen, die Sie nicht ohne weiteres wegrationalisieren können. Auch das sind Bereiche, wo wir uns überlegen und eine Debatte beginnen müssen, ob dort Mittel nicht sinnvoller investiert wären, um Arbeitsplätze zu schaffen.

(Beifall bei der GAL – Dr. Diethelm Stehr CDU: Die Frisöre haben Sie noch vergessen!)

Generell ist noch der Bereich des Wissens zu nennen. Wir leben in einer sich immer stärker globalisierenden Wissenschaftsgesellschaft. Kaimauern, Straßen oder Gewerbegebiete sind nicht mehr die wichtigsten Produktionsfaktoren, sondern das Wissen und die Köpfe in diesem Land. Hier zusätzliche Mittel zu mobilisieren, schafft Herr Senator Dräger dort im Moment nur dadurch, indem er in anderen wissenschaftlichen Disziplinen wie den Sozialwissenschaften einen Kahlschlag betreiben will. Wäre es nicht sinnvoller, generell im Wissenschafts- und Forschungsbereich einen Teil der Mittel zu investieren, die Sie in den Hafen stecken wollen, um hier zusätzliches Wissen und damit auch zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen?

Das sind die Fragen, die wir hier debattieren müssen und die Sie nicht einfach vom Tisch wischen können, weil der Kerstan nach Ihrer Meinung schwarze Gemälde an die Wand male

(Wolfgang Drews CDU: Grüne!)

und Populismus betreibe. Nein, wir Politiker haben die Verantwortung, nicht mehr länger wegzuschauen und uns faktisch mit dieser Massenarbeitslosigkeit abzufinden. Das bedeutet dann vielleicht auch, dass wir nach drei Jahrzehnten auch mal neue Wege gehen müssen.

(Beifall bei der GAL)

Es ist durchaus möglich, dass die Branchen oder die Wege, die wir hier vorschlagen, nicht die richtigen sind. Vielleicht muss man noch ganz andere Schwerpunkte setzen. Aber wir müssen hier diese Debatte führen.

Es reicht einfach nicht aus, sich damit zu bescheiden, das zu tun, was wir in der Vergangenheit auch schon gemacht haben. Das heißt, 746 Millionen Euro in den Hafen zu investieren, um es dann noch nicht einmal zu schaffen, angesichts von 90 000, 100 000 oder mehr Arbeitslosen – die Statistiken hierüber sind ja jetzt auch ein Streitfaktor – auch nur den Status quo der Beschäftigung zu halten. Sie verweigern sich einer solchen Debatte, sowohl im Wirtschafts- und Haushaltsausschuss und hier in der Bürgerschaft. Ich glaube, damit werden wir unserer Verantwortung für die Arbeitslosen und auch für die Gesellschaft so nicht gerecht, wo wir zusehen müssen, dass sich gesellschaftliche und soziale Zusammenhänge immer mehr desintegrieren und immer größere Gruppen vom gesellschaftlichen Leben dauerhaft abgekoppelt werden.

Daher fordern wir diese Debatte ein und werden diesem Programm in dieser Größenordnung nicht zustimmen. Wie ich schon sagte: Wir wollen auch die Kapazität im Hafen verdoppeln, aber wir wollen auch 200 Millionen Euro in Bereiche investieren, wo Arbeitsplätze neu entstehen können, damit wir einen wirksamen Beitrag zur Verringerung der Arbeitslosigkeit leisten können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt Senator Uldall.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute ein breites Spektrum an Themen.

Zum Thema Port Package II möchte ich im Grunde genommen nur zwei oder drei Sätze zu dem ausführen, was Olaf Ohlsen und Herr Egloff vorgetragen haben. Wir haben in Europa einen funktionierenden Wettbewerb zwischen den Häfen. Besonders effektiv ist der Wettbewerb im Hamburger Hafen. Daher bin ich beziehungsweise sind wir dagegen, dass in dieser Form durch die EU eine neue Wettbewerbssituation im Hamburger Hafen geregelt werden muss.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Mathias Petersen SPD)

Sehr viel wichtiger für die Beratung des Parlaments ist die Weichenstellung, die wir heute für den Hamburger Hafen vornehmen wollen, eine Weichenstellung für viele Jahre im voraus.

Der Hamburger Hafen ist der wichtigste Faktor des Wirtschaftslebens in Hamburg. Insofern ist die heute vorzunehmende Weichenstellung für die Hamburger Wirtschaft insgesamt eine wichtige Entscheidung. Es gab in den letzten Jahrzehnten viele Weichenstellungen im Hamburger Hafen.

Ich möchte heute auch, wie vorher meine beiden Kollegen aus der CDU- und SPD-Fraktion, den früheren Hafensenator, wie er immer besonders gern genannt wurde, Helmuth Kern, herzlich begrüßen. Helmuth Kern hat vor 30 Jahren letztlich die Entscheidung getragen, die heute dazu geführt hat, dass der Hamburger Hafen unter den zehn größten Containerhäfen der Welt angesiedelt ist.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Auch damals wurde, lieber Herr Kern, massiv gegen den Plan argumentiert, hier in Hamburg Container-Terminals zu bauen.