Protocol of the Session on February 23, 2005

(Unruhe im Hause – Glocke)

Frau Fiedler, bitte entschuldigen Sie die Unterbrechung. Ich kann verstehen, dass Sie alle sehr aufgeregt sind, aber es ist deutlich zu laut. Frau Fiedler, Sie bekommen das Wort.

Neues Spiel, neues Glück, so scheint der Leitgedanke der Bildungsbehörde zu lauten. Das macht sich bei den Grundschulen auf traurige Weise besonders bemerkbar.

Meine Damen und Herren! Das Parlament hat dem Senat einen Auftrag erteilt. Wir können heute feststellen, dass dieser Auftrag im Wesentlichen nicht erfüllt worden ist. Der so genannte Schulentwicklungsplan kann in der vorliegenden Form nicht abgenommen werden. Darum richte ich die Aufforderung an den Präsidenten des Senats: Ziehen Sie bitte diese Vorlage zurück. Verschieben Sie das Vorhaben um ein Jahr. Nutzen Sie die Zeit, einen Plan zu entwickeln, der diesen Namen verdient. Nehmen Sie einfach unseren Antrag als Grundlage, denn Hamburg braucht die Stärkung der Grundschule mit flächendeckender Entwicklung von Förderzentren, die Stärkung von Langformangeboten für Schüler der 1. bis 10. Klassen, die Stärkung innovativer pädagogischer Modelle, die Stärkung von Quartiersschulen, die Stärkung von Schulpolitik und keine Erhöhung der Klassenfrequenzen. Kurzum: Orientieren Sie sich an den Grundsätzen pädagogischer Qualität, nehmen Sie unseren Antrag als Leitfaden, denn er nennt die zentralen Aspekte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Frau Goetsch bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Den Beitrag der Senatorin kann man so nicht stehen lassen. Das ist ein ziemlicher Zynismus, den Sie hier an den Tag legen. Erst machen Sie die ganze Stadt über ein dreiviertel Jahr verrückt, weil Sie ankündigen,

70 bis 100 Schulen, besonders Grundschulen schließen zu wollen – von wegen kurze Beine, kurze Wege – und treiben die Eltern sowie die Schulen zu Riesenprotesten auf die Straße. Danach fordern Sie die Schulen nach darwinistischem Prinzip auf: Strengt euch mal an, mal sehen, wer überlebt.

(Vizepräsidentin Bettina Bliebenich übernimmt den Vorsitz.)

Dann haben Sie ein Kurzzeitgedächtnis, welches Sie hier an den Tag legen, weil Sie von alldem nichts mehr wissen wollen. Ich empfehle Ihnen, sich einmal die Sendung anzuhören, die vom NDR 90,3 zusammen mit dem Hamburg Journal und dem Hamburger Abendblatt aufgezeichnet wurde. Das sollten Sie sich einmal zu Gemüte führen, was Sie und auch Ihr CDU-Fraktionär damals gesagt haben. Ich glaube, Sie haben Gedächtnislücken. Insofern ist das gegenüber den Schulen und den Eltern schon ein ziemlicher Hohn, die sich hier engagiert haben.

Ein letzter Punkt: Wenn Sie sagen, dass andere Strukturen nicht nötig seien, dann sage ich Ihnen, dass sie notwendig sind. Schärfen Sie ruhig noch ein bisschen weiter an dem Profil der Hauptschulen herum. Es ist sehr schade um die Jugendlichen, dass Sie immer noch keinen Aufbruch nach PISA wagen. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 18/1576 und 18/1812 an den Schulausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Dann lasse ich in der Sache abstimmen. Zunächst zum SPD-Antrag aus der Drucksache 18/1812. Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache 18/1576 Kenntnis genommen hat.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Ungern!)

Zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 4 a: Alle Kandidaten sind gewählt. Die Zahlen kommen zu Protokoll∗.

Wir kommen zum Punkt 5 der Tagesordnung, Drucksache 18/1559, Große Anfrage der GAL-Fraktion zum Thema: U-Bahn-Anbindung der HafenCity.

[Große Anfrage der Fraktion der GAL: U-Bahn-Anbindung der HafenCity – Drucksache 18/1559 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Lühmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Reinert, Sie haben vorhin in der Aktuellen Stunde erklärt, dass die Planungskosten für die U 4 bei fünf bis sechs Millionen Euro pro Jahr lägen. Ich fürchte, Herr Reinert, hier hat man Sie ein bisschen beschummelt. Das ist die Planung wirklich nicht

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∗ Ergebnisse siehe Seiten 1281, 1282, 1283, 1284.

wert, das glaube ich nicht.

(Beifall bei der GAL)

Am 14. Dezember hatte die Hochbahn zur Pressekonferenz geladen. Das war während unserer Haushaltsberatungen, zehn Tage vor Weihnachten und die große Überraschung für die Stadt Hamburg. Dort wurde von der Hochbahn erklärt, dass sie das machen wolle, wozu sie schon immer geraten hat, nämlich eine Ausfädelung der U 4 ab Jungfernstieg und nicht ab Rathaus durchzufüh-

ren. Das ist schön für die Hochbahn, weil hier ohnehin schon ein U-Bahnhof vorhanden ist, der bis jetzt nicht gebraucht wurde. Er liegt zugegebenermaßen von der Richtung her ein bisschen falsch. Das wussten wir auch schon vorher bei der alternativen Abwägung. Er liegt ein bisschen ungünstig und das führt jetzt dazu, dass man einen großen Bogen unter der Innenstadt mit einer vier- statt mit einer dreiminütigen Fahrzeit durchführen muss. Das führt dazu, dass die Strecke zwar länger ist, aber genauso viel kosten soll. Der wirklich positive Effekt aber ist, dass der Innenstadt der "von Beust-Graben" in der Mönckebergstraße erspart bleibt. Das ist immerhin etwas Positives und

(Zuruf von Klaus-Peter Hesse CDU – Unruhe)

tatsächlich einer der wenigen Gründe zur Freude, wenn die CDU ihre Fehler eingesteht.

Es ist aber erstaunlich, wenn man sich die Festlegung von Herrn Senator Freytag noch einmal vor Augen führt. Er hat sich vorher hingestellt und zwei Jahre lang behauptet…

(Unruhe im Hause – Glocke)

Herr Abgeordneter, darf ich Sie einmal kurz unterbrechen. Es ist so laut hier, dass Sie kaum zu hören sind. –

(Klaus-Peter Hesse CDU: Ich verstehe ihn gut! – Gegenruf Michael Neumann SPD: Dass du ihn nicht verstehst, ist klar! – Gegenruf Klaus-Peter Hesse CDU: Ich versteh' ihn gut, hab ich gesagt, im Gegensatz zu dir, Michael!)

Herr Lühmann, Sie haben das Wort.

…und den Einzelhändlern in der Innenstadt erklärt, dass diese Planung alternativlos sei. Das sei zwar ein Anschlag auf die Mönckebergstraße, aber komplett alternativlos. Daher musste die Hochbahn auch einige Verrenkungen durchführen. Sie sagte beispielsweise: So eine Baustelle einrichten, das kann jeder. Aber die Hochbahn macht aus einer Baustelle eine Schaustelle. Hierher kämen die Leute sogar, um sie sich anzusehen. Der Schönheitsfehler in der ganzen Argumentation war, dass Ihnen das in der Innenstadt niemand geglaubt hat. Die Einzelhändler nicht, die von Ladenschließungen sprachen, die Ärzte nicht, die befürchteten, dass ihre Patienten nicht mehr kommen, die anderen Geschäftsleute nicht, aber auch – und das war ganz besonders interessant – die Kanzleien, die dort angesiedelt sind, haben Ihnen das nicht geglaubt.

Dann hat die Hochbahn gesagt, dass es Leute geben würde, die uns hier helfen könnten. Diese müssten allerdings von dem Kaliber sein, Eskimos Kühlschränke zu verkaufen.

Dieses Kaliber kostet ein bisschen. Die angesetzten Kosten von 500 000 Euro pro Jahr machen über sieben Jahre hinweg 3,5 Millionen Euro aus. Diese 3,5 Millionen Euro will die Hochbahn immerhin jetzt einsparen, weil sie den Einzelhändlern in der Innenstadt zwei Jahre lang die Instrumente gezeigt hat, was man alles mit einer U-BahnBaustelle kaputtmachen kann. Bei der jetzigen Entscheidung für den Jungfernstieg ist das Aufatmen der Einzelhändler förmlich mit Händen zu greifen, sodass sie sich nicht mehr wehren werden.

So, wie Sie es jetzt anstellen, muss man allerdings befürchten, dass Sie diese 3,5 Millionen Euro noch bitter nötig haben werden. Hier gibt es beispielsweise die Situation direkt am Jungfernstieg. In der Antwort auf die Große Anfrage erklärt der Senat dazu, dass beide Baustellen aufeinander abgestimmt seien. Das kann jetzt viel bedeuten. Wie mag so eine abgestimmte Baustelle aussehen? Man könnte also annehmen, dass Sie die Umgestaltung des Jungfernstiegs jetzt tatsächlich so vornehmen werden, wie das auf den Bauschildern steht, nämlich in den Jahren 2004 und 2005. Dann müssten Sie 2005 so weit sein, dass Sie mit den Arbeiten für die U-Bahn auch fertig sind. Das haut aber rechtlich nicht hin. Das wissen Sie.

(Klaus-Peter Hesse CDU: So stand das aber nicht drin, Herr Lühmann!)

Dann könnten Sie sagen, gut, wir warten mal ein bisschen mit der Umgestaltung des Jungfernstiegs ab, bis wir die planungsrechtliche Situation für die U-Bahn vorliegen haben. Aber das wollen Sie nicht, denn das ist Ihnen vor der Stadt peinlich. Sie gehen also zu der Form von Abstimmung über, die sich auf dem niedrigsten Niveau abspielt, nämlich zuerst die Umgestaltung fertig zu stellen und dann nach zweieinhalb Jahren erneut zu bauen. Wo ist das abgestimmt? Nur weil Sie wissen, dass zwei Baustellen kommen, können Sie nicht von einer Abstimmung sprechen. Das haut wirklich nicht hin.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das wird in der Folge auch dazu führen, dass die Einzelhändler ihr Aufatmen in Bezug auf die verschobene Anbindung Rathaus irgendwann ad acta legen werden, wenn sie nämlich sehen, dass jetzt die Baustelle für die Umgestaltung des Jungfernstiegs kommt und sie dann ab 2009 eine zweijährige Baustelle für die Schaffung der U-Bahn-Haltestelle erhalten sollen. Zwischendurch verkündet der Senator dann, dass eine Tiefgarage unter der Binnenalster gebaut werden solle, wenn es hierfür einen privaten Investor gibt. Das wird wieder eine jahrelange Baustelle. Das bedeutet, dass das Einkaufen in der Innenstadt wirklich nur noch etwas für Hartgesottene ist.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Machen Sie mal einen Vorschlag! – Beifall bei der GAL)

Auch strukturell haben Sie mit dem Einzelhandel ein Problem. Die Vorstellung, dass man in der Absatzkrise des Einzelhandels die Flächen für den Einzelhandel erst einmal großzügig heraufsetzt, ist vom Einzelhandel ein bisschen mit Vorsicht genossen worden. Jetzt wird die Europa-Passage fertiggestellt. Dann sollen im Überseequartier zusätzlich noch einmal 40 000 Quadratmeter Verkaufsfläche für ein Einkaufszentrum gebaut werden.

Ihre Vorgängersenate wussten schon, dass es schwierig wird, wenn in der Innenstadt gebaut wird und zusätzlich noch ein Einkaufszentrum in der HafenCity entstehen soll. Daher hieß es damals schon, dass dieses Einkaufs

zentrum nicht mit dem gleichen Angebot den Händlern in der Innenstadt die Kunden abzieht. Man wollte deshalb ein themengebundenes, maritimes Einkaufszentrum errichten. Dann hat man aber festgestellt, dass das schwierig wird. Im Moment liegt das ungefähr auf dem Niveau eines maritimem Bezugs, hergestellt durch Duftwässerchen. Das ist alles, was Ihnen dazu einfällt. Aber das funktioniert nicht. Es wird letzten Endes dem Einzelhandel in der Innenstadt richtig Schwierigkeiten bereiten. Und Sie wollen das Ganze noch dadurch krönen, dass sie eine viertel Milliarde Euro verbuddeln, um dieses neue Einkaufszentrum besonders gut mit einer U-Bahn anzubinden, die weder für die Einzelhändler in der Stadt noch für die Hochbahn wesentlich neue Kunden bringen wird. Das ist für beide und für die Stadt insgesamt ein richtig schlechtes Geschäft.

(Beifall bei der GAL und bei Michael Neumann SPD)

Aber die eingestellte Werbekampagne war leider die einzig klare Antwort, die man von Ihnen in der Großen Anfrage erhalten hat. Ansonsten antwortete der Senat ausschließlich mit Verweisen auf Arbeiten der Behörde sowie Planungen und Absichten der Hochbahn. So beispielsweise zu der Anbindung von Steilshoop, die die Hochbahn plant. Genau heißt es da: Sie stellt sich einen Baubeginn 2009 vor. Vager kann man das wirklich nicht mehr formulieren. Die Hochbahn stellt sich etwas vor. Was hat der Senat damit zu tun? – Gar nichts. Im Übrigen heißt es wie immer krönend: Der Senat hat sich damit nicht befasst. Der Senat befasst sich also nicht mehr mit der Verwirklichung seiner eigenen Drucksachen.