Protocol of the Session on February 23, 2005

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Er hat gesagt, die letzten großen Bürgermeister, die die Stadt zum Wachsen gebracht hätten, beendeten ihre Amtszeit 1970 und seitdem gehe alles den Bach runter. Da sage ich, die Sache drehte sich. Die niedrigste Bevölkerungszahl existierte im Jahr 1986. Und warum schrumpfte wohl die hamburgische Bevölkerung von 1970 bis 1986, die Region schrumpfte ja nicht? Sie schrumpfte mit der Massenmotorisierung, die sich in den Siebzigerjahren durchsetzte und mit der Tendenz der Leute, sich draußen vor der Stadt Einfamilienhäuser zu kaufen und zu pendeln.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Das ist eigentlich in je- der Stadt so!)

Das wurde, auch von der damaligen sozialdemokratischen Bundesregierung, noch unterstützt durch Pendlerpauschale und Eigenheimzulage. Alle haben damals das Wohnen im Grünen für das absolut Segensreiche gehalten.

Seit 1986 kippt das und es findet eine neue Bewegung in die Städte statt. Hamburg ist von 1986 bis 1996 um 130 000 Menschen gewachsen. Das haben kein Bürgermeister Weichmann oder Nevermann oder sonst wer veranlasst, sondern das hat der Trend der neuen Bewegung auf die Stadt zu veranlasst und dieses Wachstum, das da ganz stark war und das noch Ende der Neunzigerjahre relativ stark war, ist jetzt schwächer geworden. Es ist auch gar kein Wunder, dass es schwächer geworden ist, denn in den Neunzigerjahren wurden Wohnungsbauprogramme zwischen 5000 und 7500 Wohnungen gefahren. Es wäre heute zwar nicht nötig, das in dieser Größenordnung zu machen. Aber man kann sich nicht hier hinstellen und sagen, es sei ganz einmalig, dass über einen Zeitraum von vier, fünf Jahren insgesamt 3250 neue Wohnungen entstehen würden. Früher ist in einem Jahr das Doppelte entstanden.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Und dann trommelt der Mann sich auf die Schulter; das ist doch irgendwie grotesk. Sie sind Marketingspezialisten, aber keine Politiker.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Karl-Heinz Warnholz CDU: Was sind Sie denn? Was sind Sie denn?)

Ich behaupte das nicht in dem Sinne, dass das ewig an Ihnen fest hängt, ich meine bloß, dass Ihre Auftritte heute so sind.

(Wolfgang Drews CDU: Tue Gutes und rede dar- über! So heißt es doch!)

Es sind Marketingauftritte und keine Auftritte, die die Realität eines Problems diskutieren, denn wie können Sie leugnen, dass so etwas wie die Eigenheimzulage und die Pendlerpauschale für Hamburg richtig schädlich sind.

Wir haben in der Republik ganz selten eine Situation, wo die großen Städte in diesem Punkt Einfluss auf die Steuerpolitik nehmen können. Ende des Jahres hätte Hamburg es in der Hand gehabt, eine Mehrheit gegen die Eigenheimzulage zustande zu bringen. Das ist schwierig, da die meisten Menschen in der Bundesrepublik in Flächenländern leben. Aber hier war diese Chance und die ist vom Senat verpasst worden und das ist nicht nur steuerpolitisch ärgerlich, das ist auch stadtentwicklungspolitisch richtig ärgerlich, was wir teuer bezahlen.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das ist ausschließlich aus schwarzen Gründen geschehen und nicht aus Hamburger Gründen und darum ärgere ich mich, weil hier ausschließlich aus schwarzen Gründen gehandelt worden ist.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt Senator Peiner.

(Michael Neumann SPD: Er scheint wohl die Ner- ven zu verlieren!)

Es ist doch eine Debatte, da muss man doch einmal miteinander diskutieren. Gerade beim Thema Eigenheimzulage, Herr Maier, besteht eine historische Unkenntnis, wie das Ganze gelaufen ist.

(Michael Neumann SPD: Oberlehrer!)

Ich war damals im Vermittlungsausschuss dabei, gemeinsam übrigens mit Herrn Runde. Herr Runde und ich haben den Kompromiss 2003 gemeinsam im Vermittlungsausschuss vereinbart, indem wir gesagt haben, wir behalten die Eigenheimzulage bei. Wir senken sie um 30 Prozent – das ist das Entscheidende, Herr Maier – und gestalten sie stadtfreundlicher, indem wir nämlich Bestandskäufe genauso fördern wie Neubauten.

(Michael Neumann SPD: Und wie war's 2004? – Petra Brinkmann SPD: Die hätten Sie abschaffen können! – Gegenruf von Wolfgang Beuß CDU: Sie haben keine Ahnung!)

Damit haben wir zum ersten Mal den Durchbruch dafür geschaffen, dass die Eigenheimzulage stadtfreundlich wird.

(Beifall bei der CDU)

Und warum haben wir sie 2004 nicht mit abgeschafft? Meine Damen und Herren, ist Ihnen die Arbeitsmarktlage in Deutschland klar? Wissen Sie, dass wir in einer Krise des Arbeitsmarkts sind? Wissen Sie, dass eine der entscheidenden Konjunkturtreiber überhaupt im Moment noch die Bauwirtschaft ist? Und in dieser Situation die Eigenheimzulage wegzunehmen, hätte den letzten verbleibenden Stoß in Richtung weiterer Arbeitslosigkeit additiv dazugegeben.

(Zurufe von der SPD)

Das haben wir nicht verantworten können.

(Beifall bei der CDU)

Es ist noch ein zweiter Punkt hinzugekommen. Wir haben die Bundesregierung gefragt, was denn mit dem Wegfall der Eigenheimzulage geschaffen werden solle. Die Abschaffung ist konjunkturfeindlich, sie führt dazu, dass sich

weniger Menschen Eigentum leisten können, sie verhindert, dass junge Leute wie die Familie Neumann sich ein Eigenheim leisten können. Alles das passiert, aber was ist die Gegenwirkung, was will die Bundesregierung damit machen? Herr Eichel hat gesagt, er brauche es für die Konsolidierung, Frau Bulmahn hat gesagt, sie brauche es für die Bildung und die Länder haben gesagt, wir wollen selber bestimmen, was wir damit machen. Wenn die Bundesregierung noch nicht einmal weiß, was sie mit dem Geld machen will, können wir ihr doch keinen Blankoscheck für die Abschaffung einer Maßnahme geben,

(Michael Neumann SPD: Ihnen kann man keinen Blankoscheck geben! Hartz IV ist das beste Bei- spiel!)

die für die Konjunktur von ganz zentraler Bedeutung ist.

(Beifall bei der CDU)

Herr Neumann, auf der einen Seite beklagen Sie, dass zu wenig Neubau in dieser Stadt passiere, und auf der anderen Seite sagen Sie, schafft die Eigenheimzulage ab; das ist sozialdemokratische und grüne Logik.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Dr. Hilgers.

Verehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal auf einen Kernbereich zurückkommen. Eine wachsende Stadt muss eine kinderfreundliche Stadt sein. Eine wachsende Stadt muss Eltern und solchen, die es werden wollen, signalisieren, dass ihre Familie willkommen ist, und eine wachsende Stadt braucht deshalb eine ausreichende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung.

(Marcus Weinberg CDU: Das haben wir!)

Nee. – Das einzig Positive an Hamburgs Politik für Kinder und Familien ist das Kinderbetreuungsgesetz und genau das, Frau Senatorin, bekam der Senat vor einem Jahr geschenkt. Das war nicht das Ergebnis Ihrer Arbeit; Frau Goetsch hat auch schon darauf hingewiesen. Trotz Sonntagssprüchen zum Thema mochte der Senat es von Anfang an nicht; es war ein ungeliebtes Thema. Man hatte den Eindruck, diesem Senat und Ihnen, Frau Senatorin, war dieses Thema eher lästig. Ihre Herzensangelegenheit war es erkennbar nicht.

Frau Senatorin, Sie mögen Ausschussarbeit ja nicht so sehr.

(Michael Neumann SPD: Teilzeit!)

Sie nehmen gerne angeblich wichtigere Termine wahr und wenn Sie im Ausschuss sind, fällt es in der Regel auch nicht weiter auf. Ich mache Ihnen deswegen jetzt ein Angebot. Ich gebe Ihnen drei Ausschusstermine frei, wenn Sie sich in der Zeit einmal ernsthaft und erkennbar mit Kinderbetreuung beschäftigen. Ich will Sie kämpfen sehen für die Qualität der Kinderbetreuung in Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Dafür dürfen Sie von mir aus noch dreimal schwänzen, aber das will ich dann sehen. Was ist denn die Botschaft dieses Senats im letzten Jahr? Wenn ihr, liebe Eltern, Kinderbetreuung wollt, müsst ihr dafür tief in die Tasche greifen. Wir senken zwar die Standards und damit die

Qualität, bezahlen sollt ihr aber mehr über die Grundsteuererhöhung und dann noch einmal 10 Prozent mehr Gebühren. Das ist weder kinder- noch elternfreundlich, das schreckt diejenigen ab, die Eltern sind, und diejenigen, die es werden.

Was lässt sich nach dem ersten schwarzen Jahr sagen? Gewachsen ist die Verunsicherung der Eltern, gewachsen ist die Verunsicherung der Kita-Beschäftigten, gewachsen sind die Gebühren. Nicht gewachsen, Frau Senatorin, ist die Zuversicht der Eltern, in dieser Stadt für ihr Kind eine qualitativ hochwertige Bildung und Betreuung im vorschulischen Bereich zu erhalten. Deswegen haben wir weiter dafür zu kämpfen und zu arbeiten, dass eine ausreichende und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung in Hamburg zur Verfügung gestellt wird. Wir sind gespannt auf die Arbeit der neuen Kreis- und Landeselternräte und freuen uns auf die gute Zusammenarbeit.

Wir werden Ihnen noch ein Geschenk machen. Da die Behörde permanent mauert, was die Entwicklung der Qualität in den Kitas angeht, machen wir uns selber ein Bild. Wir werden Befragungen der Hamburger KitaLeitungen machen und auch dieses Geschenk wird Ihnen vermutlich nicht gefallen, Frau Senatorin.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort bekommt Herr Lieven.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die wachsende Stadt ist offensichtlich nicht nur eine Reklameparole, mit der die Stadt das Marketing nach draußen betreibt, sondern sie dient oder hat auch den Effekt der Autosuggestion im Senat selber. Mittlerweile fängt der Senat offensichtlich selber an, daran zu glauben, die Stadt würde wachsen; Herr Peiner hat es uns eben noch einmal demonstriert. Aber das ist ein Irrtum, das muss man hier einmal ganz klar deutlich machen. Es gibt keinen Wachstumstrend in Hamburg, es gibt alle Parameter der Bevölkerungsentwicklung, die grundlegend und stabil sind. Es gibt einen relativ hohen Sterbeüberschuss, der konstant ist, es gibt ein Geburtendefizit, das ziemlich konstant ist, und der Wegzug ist in Wirklichkeit ungebremst. Wir hatten eine Phase der Bevölkerungszunahme von 1986 bis heute mit einer leichten Delle Ende der Neunzigerjahre. Mitte der Neunzigerjahre – Herr Peiner hat es ausgeführt – lag die Wegzugsquote bei 9000 Einwohnern pro Jahr. Damals lag allerdings auch der Zuzug nach Hamburg wesentlich höher bei 10 000 bis 15 000 Einwohnern pro Jahr. Heute sind es 3000 Einwohner pro Jahr bei einem Wegzug von 6000 Einwohnern pro Jahr.