Protocol of the Session on February 3, 2005

Meine Damen und Herren! Ich bin ein wenig skeptisch, wie Sie merken, dass immer mehr Instanzen auch tatsächlich die Probleme beheben. Lassen Sie mich drei Beispiele nennen.

Als erstes die Beiräte. Den ARGE-Vertrag haben wir im letzten Jahr einstimmig beschlossen. In Paragraph 7 ist eindeutig geregelt, dass die Beiräte beratende und unterstützende Funktion haben, deshalb auch der Begriff Beiräte. Von einer Kontrollfunktion ist nicht die Rede. Außerdem werden die Beiräte keineswegs, wie uns die SPD mit ihrem Antrag glauben machen will, durch politische Gremien legitimiert. Die Beiräte werden einzig und allein von der Exekutive aufgestellt. Nach dem Vertrag können sie damit gar keine parlamentarische Kontrolle übernehmen.

Jetzt könnten Sie sagen, man könnte den Vertrag natürlich ändern. Da sage ich ganz deutlich: Ich halte es für falsch, die parlamentarische Kontrolle auf die Beiräte zu übertragen. Die parlamentarische Kontrolle gehört eindeutig hier ins Parlament, in die Ausschüsse.

Wir hier, als vom Bürger gewählte Abgeordnete, müssen diese Verantwortung übernehmen und dürfen diese nicht einfach an irgendwelche untergeordneten Gremien wegdelegieren.

(Michael Neumann SPD: Da haben Sie Recht!)

Damit wir dabei auch durchgreifenden Erfolg haben – das heißt, die Arbeitsgemeinschaft mit unseren Beschlüssen auch binden können –, müssen wir die Fachaufsicht auf die Länder übertragen. Im Übrigen haben das Niedersachsen und Bayern schon getan.

Mit diesem Thema beschäftigt sich auch mein Antrag, der uns ebenfalls heute vorliegt. Im Ausschuss haben wir noch genügend Gelegenheit, darüber zu sprechen, denn wir werden heute, wie schon von der Präsidentin angegeben worden ist, die Überweisung aller Hartz-IV-Anträge beschließen.

Als zweiten Punkt möchte ich die Kontrolle des Missbrauchs von Ein-Euro-Jobs ansprechen. Die Behörde für Wirtschaft und Arbeit hat bereits in den Ausschüssen zugesagt, zur Vorbeugung von Missbrauch bei den Arbeitsgelegenheiten eine Projektgruppe einzurichten, die entsprechende Hinweise kurzfristig aufgreifen wird.

Gleichzeitig wird die Behörde stichprobenartig die Umsetzung der bewilligten Arbeitsgelegenheiten bei den Trägern vor Ort überprüfen. Für das Sonderprojekt Schulrenovierung wird sogar eine spezielle Kontrollgruppe eingerichtet.

Zum Schluss möchte ich noch ein Wort zur Ombudsstelle sagen, die wirklich eine pressewirksame Maßnahme ist. Wirklich neu ist die Idee nicht. Der Bund hat auch eine Ombudsstelle und deswegen ist das auch nicht sonderlich neu.

Als Sie diese Idee im Ausschuss vortrugen, hat sich die Behörde keineswegs verschlossen gezeigt und eine wohlwollende Prüfung zugesagt. Das muss hier auch einmal erwähnt werden.

Falls eine solche Ombudsstelle kommt, plädiere ich aber jetzt schon dafür, dass das Gremium nicht ausufert und seine Funktionen klar definiert werden, denn es wird dem Arbeitslosen in der Regel nichts bringen, sich mit seiner Beschwerde an eine zahnlose Instanz zu wenden, obwohl stattdessen ein formaler Widerspruch gegen einen Verwaltungsbescheid erforderlich wäre.

Ob und in welcher Form neue Gremien geschaffen werden, welche Erfolgschancen sie bieten, wie viel Kapazitäten damit gebunden werden, diese Fragen sollten wir im Ausschuss genauesten beleuchten.

Im Mittelpunkt sollte dabei der Arbeitslose stehen und die Frage, von welchen zusätzlichen Gremien er tatsächlich profitiert. Wir dürfen die Arbeitslosen nicht weiter in einen Kompetenzwirrwarr stürzen. Sie müssen schon genau wissen, welche Kompetenzen in welchen Bereichen liegen. Das ist meines Erachtens das Wichtigste.

(Michael Neumann SPD: Richtig!)

Da sind wir einer Meinung, das freut mich, Herr Neumann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Frau Köncke hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich weiß natürlich, moralisieren ist ganz blöd und das wollen Sie auch nicht hören, aber manchmal wundere ich mich schon, warum ein Elbstrand an der Veddel mehr Interesse hervorruft als das Thema Arbeitslosigkeit, obwohl die Ein-Euro-Jobs genau den Kandidaten, die hier sitzen sollten, in ihren Bezirken auf die Füße fallen werden. Also, meine Damen Herren, die vielleicht noch ein bisschen draußen sitzen: Ich wünschte mir für dieses Thema ein bisschen mehr Interesse.

(Beifall bei der GAL)

Nach diesem ein bisschen moralisierenden Einstieg möchte ich versuchen, freundlichere Worte zu finden, und zwar möchte ich sie im Anschluss an Herrn Dees an die Mitarbeiterinnen der Arbeitsagenturen und Grundsicherungsämter richten, die nicht nur dazu beigetragen haben, dass die Auszahlung zum 1. Januar 2005 tatsächlich pünktlich erfolgt ist, sondern dafür sehr viele Überstunden geleistet, am Wochenende gearbeitet und Urlaubssperre bekommen haben. Warum eigentlich? Der zusätzliche Arbeitsaufwand, meine Damen und Herren und Herr Uldall, fiel den Mitarbeitern nicht wie eine Naturkatastrophe vor die Füße, sondern er war absehbar.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Meine Damen und Herren, es ist mir hier zu laut und zu

unruhig. Für Frau Köncke gilt das Gleiche wie für Frau Dr. Hochheim. Außer ihr redet bitte niemand anderes.

Ich versuche, es noch einmal zu wiederholen: Dieser Arbeitsaufwand war keine Naturkatastrophe, sondern es war absehbar. Wir haben in unserer Pressemitteilung vom 20. Juli 2004 1500 Mitarbeiter eingefordert. Die Behörde war bereit, 750 Mitarbeiter zu stellen. Herr Uldall, das sollte Sie dazu auffordern, sich bei jedem einzelnen Mitarbeiter persönlich dafür zu bedanken, dass sie Überstunden geschoben und eine falsche Entscheidung aufgehoben haben. Dadurch haben wir es trotzdem noch geschafft, die Gelder zeitgerecht auszuzahlen.

Das Zweite, was ich unbedingt ansprechen möchte, sind die Arbeitslosenzahlen, die Frau Hochheim aufgegriffen hat. Wir haben jetzt in Hamburg das erste Mal die Zahl von 100 000 Arbeitslosen. Das war eine Zahl. Die Statistik spricht noch von 90 000 Arbeitslosen. Welche Zahl stimmt denn jetzt? Herr Uldall legt außerordentlich großen Wert darauf, dass wir 140 000 Arbeitslose haben. Recht haben Sie, Herr Uldall, ich finde auch, man sollte ganz ehrlich rechnen, denn jetzt – das hat Hartz IV auch endlich bewirkt – wird die Statistik tatsächlich ehrlicher berechnet. Jetzt werden nämlich die arbeitslosen Sozialhilfeempfänger, die auch nichts anderes sind als Arbeitslose, in die Statistik mit hineingerechnet. Das ist viel ehrlicher. Damit kommen wir der Zahl leider immer noch nicht auf die Spur, denn es gibt noch so etwas wie eine stille Reserve, die Herr Uldall auch entdeckt hat und die er noch mit hineingerechnet haben möchte. Er hat da wiederum auch Recht, denn ganz viele, die Arbeit suchen, sind immer noch nicht in dieser Statistik vorhanden.

Ich beklage, dass Herr Uldall leider keine Konsequenzen daraus zieht. Was macht er? Er kürzt erstens die aktive Arbeitsmarktpolitik, die in Hamburg fast vollständig heruntergefahren wird, und zweitens – das Thema haben wir hier schon ausgiebig behandelt – den Bildungsbereich. Das wäre aber die zweite Brechstange gegen die Arbeitslosigkeit.

(Beifall bei der GAL)

Bildungspolitik bedeutet nicht nur Chancengleichheit, sondern sie bedeutet auch, dass gerade die Menschen, die sich in der Langzeitarbeitslosigkeit befinden – das sind die Niedrigqualifizierten –, eine Chance haben, in den Arbeitsmarkt hineinzukommen. Das ist eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Dazu fordere ich den Senat auf.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Die Überlastung der Mitarbeiter kann natürlich kein Dauerzustand sein. Es ist jetzt wichtig – um den Betreuungsschlüssel 1 : 75 gewährleisten –, genügend Mitarbeiter bereitzustellen.

Wir brauchen unbedingt eine fachgerechte Ausbildung, neue Mitarbeiterschulungen, um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden, und eine Ausstattung der Arbeitsplätze, um in die Vermittlung einsteigen zu können. All das ist bisher noch nicht passiert. Bisher haben wir nur das Geld ausgezahlt und nichts anderes sonst. Hier sind die ARGE und auch die Behörde neu gefordert.

Wir werden – das ist das Zweite, was Herr Dees ausdrücklich gesagt hat – auch nicht müde zu betonen, dass Hartz IV, das SGB II, wirklich einen Paradigmenwechsel bedeutet.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Entschuldigen Sie noch einmal. Ich höre hier vorne ein unerträgliches Gebrabbel. Im ganzen hinteren Bereich haben sich kleine Grüppchen gebildet, die intensive Gespräche führen, anstatt ihre Aufmerksamkeit hier nach vorne zu richten. Ich bitte Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf die Rednerin zu richten. – Danke.

Es ist immer ein bisschen schwierig, im Saal tatsächlich die Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich sehe ein, dass es vielleicht nicht so spannend für Sie ist und ich zu viel ablese. Das gebe ich gerne zu.

(Wolfgang Beuß CDU: Das dürfen Sie nicht!)

Ich möchte Sie trotzdem um Ihre Aufmerksamkeit im Interesse der Menschen bitten – die Sie vor Ort beraten, denen Sie Rede und Antwort stehen sollen, was es eigentlich bedeutet, einen solchen Ein-Euro-Job anzunehmen und was auf sie zukommt –, sich zumindest damit auseinander zu setzen.

In dieser Auseinandersetzung sollte Ihnen deutlich werden, dass wir genau so etwas wie Beiräte und Ombudsstellen benötigen. Wir brauchen nicht nur eine Behördenkontrolle, nicht nur eine Evaluation der Maßnahmen und dass die Behörde richtig funktioniert, sondern wir brauchen auch – das hat Herr Dees sehr eindrücklich geschildert – eine Rechtsberatung für die Menschen vor Ort.

(Beifall bei der GAL)

Was passiert hier eigentlich? Die Menschen werden dem neuen Fallmanager oder Ansprechpartner – wie immer sie auch heißen werden – ziemlich ausgeliefert sein. Das kann einerseits eine Chance bedeuten, weil sich nämlich dieser Fallmanager direkt den Bedürfnissen eines Einzelnen anpassen kann. Andererseits kann es aber auch heißen, dass Fehlentscheidungen getroffen werden. Darauf wird nicht jedes Mal behördengesteuert jemand Rücksicht nehmen können, sondern wir brauchen dazu Stellen und Institutionen, zu denen diese Menschen gehen können, wo sie eine Rechtsberatung und Sicherheit bekommen.

Schauen Sie doch jetzt einmal in die Zeitungen hinein. Was passiert denn schon die ganze Zeit? Die Menschen sollen für die Ein-Euro-Jobs Teppiche schneiden und Mauern streichen, die dann wieder eingerissen werden. Das schürt doch Unsicherheiten. So wird im Moment in der Presse darüber berichtet.

Vielleicht sind Sie davon nicht betroffen, aber stellen Sie sich vor, jetzt arbeitslos zu sein und Sie werden dazu gezwungen – eine Freiwilligkeit gibt es nicht mehr –, im pflegerischen Bereich tätig zu werden. Dann brauchen Sie mit Sicherheit eine Stelle, an die Sie sich völlig unbürokratisch wenden können. Das kann ein Ombudsrat auf Bundesebene, der ganz andere Aufgaben hat, nicht leisten. Setzen Sie dafür doch einfach einmal vier oder fünf Mitarbeiter in der Stadt Hamburg ein, damit wir eine Instanz für mehr Rechtssicherheit haben und die Ängste der Menschen entsprechend aufheben können. Das kann doch nicht zu viel sein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Herr Dees.

(Wolfgang Beuß CDU: Nun stellen Sie mal einiges klar, Herr Dees!)

Ich kann eine scharfe Zunge sportlich nehmen, aber dann, Frau Hochheim, möchte ich doch bitten, dass man ganz präzise und konkret auf das eingeht, was wir in die Anträge geschrieben haben.

Ich muss das einfach richtig stellen. Wir wollen keine paritätische oder irgendwie besetzte Ombudsstelle, sondern wir stellen es dem Senat anheim, welche drei Persönlichkeiten er nimmt, die das ehrenamtlich machen. Wir sagen ausdrücklich, dass diese Tätigkeit aus dem Personalbestand der ARGE unterstützt werden soll, damit keine separaten Verwaltungsstellen gebildet werden, die man irgendwann vielleicht nicht mehr braucht. Wir wollen, dass das Know how über Reflexionsschleifen, Organisationsentwicklungen und dort, wo es gut oder weniger gut läuft, in der Organisation selbst verankert wird.

Die Beiräte sollen nicht die Trägerversammlungen überstimmen oder auf den Kopf stellen, sondern sie sollen sie anrufen, damit sie bestimmte kritische Anliegen vortragen können. Damit wollen wir ein kleines Recht der Auseinandersetzung geben. Ich glaube, moderater kann man das spezifische Recht eines Beirates nicht formulieren, um keine Instanz zu schaffen, die sich als Ganzes noch zusätzlich über die Bürokratie legt.