Protocol of the Session on March 31, 2004

Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet. Mit Schreiben vom 23. März 2004 hat Carsten Lüdemann mir mitgeteilt, dass er sein Bürgerschaftsmandat mit sofortiger Wirkung niederlege. Seit diesem Tag ist Herr Lüdemann Staatsrat in der Justizbehörde, was bedeutet, dass wir auch weiterhin mit ihm in Kontakt bleiben.

Mitglied der Bürgerschaft war Herr Lüdemann seit Oktober 1997. Er wirkte während dieser Zeit in zahlreichen Ausschüssen und Unterausschüssen mit, unter anderem im Eingabenausschuss, im Europaausschuss, im Innenausschuss und im Rechtsausschuss. Außerdem war er in der 17. Wahlperiode Mitglied im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Transparenz, Rechtmäßigkeit und Sachdienlichkeit von Personalauswahl und Personalentscheidungen des von CDU, Partei Rechtsstaatlicher Offensive und FDP gestellten Senats, insbesondere der Justizbehörde. Hier bekleidete er das Amt des Schriftführers.

Die Bürgerschaft dankt Herrn Lüdemann für die geleistete Arbeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Nach Mitteilung des Landeswahlleiters ist auf der Liste der CDU Herr Niels Böttcher nachgerückt. Herr Böttcher, ich begrüße Sie in unserer Mitte und wünsche Ihnen viel Freude an dieser neuen Aufgabe.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Abweichend von der Empfehlung des Ältestenrats haben die Fraktionen vereinbart, dass Punkt 5 der Tagesordnung nun doch nicht vertagt werden soll. Es handelt sich um die Drucksache 18/8: Wahl eines Mitglieds des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas.

(Unruhe im Hause – Glocke)

Außerdem sind die Fraktionen übereingekommen, dass die Tagesordnung um vier weitere Punkte ergänzt werden soll. Dabei handelt es sich um die Drucksachen 18/47 bis 18/49, zwei interfraktionelle Anträge zur Einsetzung der Ausschüsse sowie zur Änderung der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft und ein Antrag der CDU-Fraktion zur Änderung des Hamburgischen Abgeordnetengesetzes. Diese Drucksachen wurden als Tagesordnungspunkte 14 bis 16 nachträglich in die Tagesordnung aufgenommen. Weiter handelt es sich bei der Drucksache 18/50 um einen dringlichen Senatsantrag zur Neustrukturierung der Behörden. Dieser wurde als Tagesordnungspunkt 12 a nachträglich in die Tagesordnung eingestellt.

Nach Absprache mit den Fraktionen soll Tagesordnungspunkt 14 gleich im Anschluss an den zur Debatte angemeldeten Punkt zur Abstimmung gestellt werden.

Meine Damen und Herren! Der Präsident des Senats hat mich gebeten, ihm gemäß Paragraph 12 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung die Gelegenheit zu geben, vor Eintritt in die Tagesordnung eine Regierungserklärung abzugeben.

Regierungserklärung

Die Fraktionen haben einvernehmlich vereinbart, dass hierzu eine Beratung stattfinden soll. Dabei soll jeder Fraktion eine Redezeit von 60 Minuten zur Verfügung stehen.

Herr Bürgermeister, Sie bekommen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wählerinnen und Wähler haben entschieden. Sie haben der Christlich Demokratischen Union, sie haben mir den Auftrag erteilt, unsere Stadt die nächsten vier Jahre zu regieren. Die ersten Schritte sind getan. Der neue Senat ist hier vor 14 Tagen bestätigt worden, die Staatsrätin, die Staatsräte sind ernannt, das Regierungsprogramm ist der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Diese Regierungserklärung und die anschließende Debatte bilden den Endpunkt der ersten Phase der Regierungstätigkeit und der parlamentarischen Tätigkeit nach Wahlkampf und Wahlentscheidung. Jetzt kann die eigentliche Arbeit beginnen.

Mit Blick zurück auf das Wahlergebnis sei noch ein Wort erlaubt. So sehr ich mich über den Erfolg, so sehr ich mich über die absolute Mehrheit gefreut habe und freue, das Vertrauen der Menschen ist mir persönlich und dem Senat vor allem Verantwortung, die wir wahrnehmen wollen für alle Menschen in dieser Stadt; egal, ob sie uns gewählt haben oder nicht, egal, ob sie wahlberechtigt waren oder nicht. Nach einem Wahlkampf, der immer seine eigenen Gesetzmäßigkeiten hat, gilt umso mehr: erst kommen die Menschen, erst kommt die Stadt, dann kommen die Parteien.

(Beifall bei der CDU und bei Hans-Christoff Dees SPD)

Mehr Verantwortung nach diesem Wahlergebnis, nicht Überheblichkeit oder Rücksichtslosigkeit, dies gilt insbesondere auch für den Umgang des Senats mit Ihnen im Parlament. Seien wir hart in der Sache, fair im persönlichen Umgang und respektvoll in der Ausübung unserer gegenseitigen Rechte.

Wir wissen, wir haben das Glück, in einer großartigen Stadt zu leben, einer Stadt mit großer freiheitlicher Tradition, bürgerschaftlichem Engagement und wirtschaftlicher Stärke. Trotzdem, Hamburg ist keine Insel der Glückseligkeit, sondern auch wir liegen mitten im Strom der großen Veränderungen, die derzeit Europa und Deutschland erfasst haben.

Ich bin davon überzeugt, dass wir eine Phase der geschichtlichen Entwicklung erleben, die an die Menschen in Deutschland und Europa große Anforderungen stellt, für uns in Westeuropa und Westdeutschland vermutlich sogar die größten seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Wie ist die Lage in Europa? Dieser Frage können und wollen wir uns auch in Hamburg nicht entziehen. Die Europäische Union wird durch den Beitritt neuer Staaten – überwiegend Staaten des ehemaligen Ostblocks – ihr Gesicht ändern. Gewohnte Ansichten über den Lauf der Geschichte, selbstverständlich geglaubte Mehrheiten in den Gremien der Europäischen Union, all das kann und all das wird sich ändern.

Die Ansprüche der neuen Mitglieder der Europäischen Union sind nachvollziehbar, denn bis 1989 haben sie auf der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schattenseite Europas gelebt. Es wird neue Verteilungskämpfe und neue Unsicherheiten geben.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Deutschland durch die erweiterte Union sind besonders groß. Länder, in denen die Arbeitskosten zum Teil nicht einmal 20 Prozent unserer Kosten betragen, werden direkte Mitbewerber bei industriellen Investitionen. Betriebe und Arbeitsplätze können abwandern und das ist neben dem Verlust von Arbeitsplätzen besonders schmerzlich für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, das sein Sozialsystem immer noch überwiegend über den Faktor Arbeit finanziert. Und der Terrorismus ist jetzt mit voller Härte in Europa angekommen. Auch das kann unser Leben verändern.

Kurzum: Wir befinden uns in der Phase tief greifender wirtschaftlicher, sozialer und daraus resultierender gesellschaftlicher Veränderungen.

Hamburg wird dem Wandel in Europa begegnen. Mein Ziel ist es, die Stadt gestärkt aus diesem Wandel herauszuführen. Dieses Ziel müssen wir gemeinsam anstreben. Wir müssen Hamburg noch stärker machen, als es jetzt schon ist.

(Beifall bei der CDU)

Dafür gibt es aus meiner Sicht drei grundsätzliche Bedingungen:

Erstens: Wir sollten nicht die Risiken, sondern die Chancen und die Möglichkeiten sehen, die sich aus dem Wandel Europas ergeben.

Zweitens: Wir schenken all denen die besondere Aufmerksamkeit der Gemeinschaft, die drohen, unverschuldet zu Leidtragenden des Wandels zu werden, denn wir wollen Gerechtigkeit.

Drittens: Wir, die wir führen – in der Politik, in den Parlamenten, in den Regierungen –, finden gemeinsam die Kraft, vorhandenes Beharrungsvermögen zu überwinden.

Unter diesen drei Bedingungen haben wir gute Chancen, gestärkt aus dem Wandel hervorzugehen.

Was heißt das für unsere Stadt? – Stichwort Chancen.

Freier und wachsender Handel mit den Staaten Mittel- und Osteuropas stärkt den Außenhandel und damit unter anderem den Hamburger Hafen. Hamburg hat, anders als andere Metropolen, eine kleine, aber dafür solide Grundlage regionaler, industrieller und gewerblicher Betriebe, die Nachfrage für Dienstleistungen schafft.

Die Angebote in Bildung und Kultur in unserer Stadt sind ausgesprochen vielfältig und zum Teil qualitativ herausragend.

Die Internationalität Hamburgs – von den Konsulaten bis hin zu den außenwirtschaftlichen Kontakten und der Vielfalt kultureller Impulse – ist für eine Stadt unserer Größenordnung außergewöhnlich.

Wir haben Platz für Wachstum innerhalb der Grenzen unserer Stadt. Ehemalige Hafenflächen – Flächen, die von Bahn, Bundeswehr oder öffentlichen Einrichtungen nicht mehr genutzt werden – bieten Verdichtungsmöglichkeiten und Chancen, eine Stadtentwicklung ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger zu betreiben. All das schafft Chancen in einer globalisierten Welt. Nutzen wir gemeinsam diese Chancen und jammern wir nicht.

(Beifall bei der CDU)

Stichwort Gerechtigkeit.

Wir können diese Chancen nur nutzen, wenn wir all die Menschen nicht vergessen, die nicht stark sind, die von zu Hause keine optimalen Möglichkeiten mitbekommen haben, die drohen, durchs Raster zu fallen oder schon durchs Raster gefallen sind. Notwendiger Wandel darf kein Vorwand dafür sein, dass es denjenigen, denen es ohnehin schon gut geht, in Zukunft noch besser gehen soll, und dass andere, die ohnehin kämpfen müssen, keine Chancen mehr haben. Wir dürfen uns nicht schulterzuckend abwenden mit der Begründung, so seien halt die Gesetze des Marktes, so sei halt die Kehrseite der Globalisierung. Nein, das Soziale in der sozialen Marktwirtschaft bleibt für uns ein wichtiger Ansporn und Anspruch.

(Beifall bei der CDU)

Das gilt für den Staat, für die Wirtschaft und für die Gesellschaft, denn ich weiß, auch viele in der Wirtschaft sehen das genauso. Sie stellen sich und ihre Betriebe dem Wettbewerb und kümmern sich um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie übernehmen Verantwortung und haften persönlich mit ihrem Vermögen und mit ihrem Namen.

Einzelne hingegen scheinen jedoch nur an sich zu denken. Wer seine Position ausnutzt, um sich selbst höhere Gehälter zu genehmigen und gleichzeitig Leute entlässt, der handelt alles andere als vorbildlich.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD und der GAL)

Die Zeit des Wandels ist nicht dazu da, um Beute zu machen, sondern sie erfordert besonders vorbildliches und bescheidenes Verhalten.

Ich freue mich, dass es gerade in Hamburg Verantwortliche in Wirtschaft und Gesellschaft gibt, die sich in einem ungeheuren Ausmaß dem Wohl der Stadt widmen. Ich denke an das Mäzenatentum und an viele Public-privatepartnership-Projekte.

Beispiele sind: die Hamburg School of Logistics, der Investitionsfonds Spitzensport, kulturelle und städtebauliche Projekte, das Internationale Schifffahrts- und Meeresmuseum, die Hochschule für Musik und Theater, die Flügelbauten der Universität, der Umbau in der Staatsoper und der Kunsthalle, der Neubau der Staatlichen Jugendmusikschule und viele, viele Stiftungen dieser Stadt.

Diesen Personen, die zur Elite gehören, und das Mäzenatentum als Verantwortung begreifen, gilt der Dank der ganzen Stadt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD und der GAL)

Danken möchte ich auch all denjenigen, die sich ehrenamtlich für diese Stadt und ihre Mitmenschen engagieren. Das sind rund 460 000 Hamburgerinnen und Hamburger. Sie beweisen Tag für Tag, dass Initiative und Verantwortung des Einzelnen für das Gemeinwohl sowie Mitmenschlichkeit unsere hamburgische Bürgergesellschaft prägen. Diese eherne Tradition wurde im vergangenen Jahr – mit gutem Erfolg – durch die "Landesinitiative Hamburg engagiert sich" erneuert.

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