Protocol of the Session on November 10, 2004

Man fragt sich, was diese Mehrheit und den Senat tatsächlich treibt. Damit sind wir bei der dritten und vermutlich entscheidenden Argumentationslinie für die Landebahnverlängerung: Sie liegt in dem Prestige, im Interesse sowie an der Gesichtswahrung von Lokalpolitikern. Sogar das neu vorgelegte Gutachten ist insoweit dankenswert klar, als dort weniger von Zahlen die Rede ist als von Signalwirkung und Image, die eine neue Landebahnverlängerung erfordern. Man muss auch Herrn Forgeard, seines Zeichens Airbus-Chef, für seine Klarheit danken, als er sagte:

"Die Auslieferung ist doch nur ein Prestigeakt mit einer Zeremonie, netten Reden und schönen Bildern."

So wurde er zitiert.

Für nette Reden von Lokalpolitikern, schönen Bildern von lächelnden Wirtschaftssenatoren und Bürgermeistern sollen 100 Millionen Euro Steuergelder ausgegeben und der Rechtsstaat mit Füßen getreten werden.

(Olaf Ohlsen CDU: So einen Schwachsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört!)

Dazu kann ich nur sagen: Nicht mit uns.

(Beifall bei der GAL)

Auch im Interesse dieses Prestigedenkens werden in dieser Stadt Menschen an den Pranger gestellt, die die

Politik von Airbus und vom Senat für falsch halten. Dieser Vorwurf wird teils von den Medien gegen einzelne Bürger, aber auch im Parlament vom Bürgermeister erhoben. Er hat den Vorwurf erhoben: Wer gegen den Kurs des Senats ist, sei unpatriotisch.

(Bernd Reinert CDU: Ihre Argumente sind frei von Sachlichkeit!)

Was ist das überhaupt für ein Patriotismus, der eingefordert wird? Wir können doch nicht einem Patriotismus das Wort reden, der einen Kadavergehorsam für alles das fordert, wo Airbus draufsteht, egal wie dünn die sachlichen Argumente sind. Ist das Oberverwaltungsgericht unpatriotisch, weil es feststellt, dass es keinen Bedarf für eine weitere Landebahnverlängerung gibt?

(Beifall bei der GAL)

Sind die Menschen in Neuenfelde unpatriotisch, weil sie aus dem gleichen Grund ihre Höfe nicht hergeben wollen? Sind die Grünen unpatriotisch, weil wir glauben, dass durch die Senatspolitik der Stadt eher ein volkswirtschaftlicher Schaden als Nutzen zugefügt wird? Ich meine, nicht. Wer ein faires Verfahren einfordert, wer den Rechtsstaat gegenüber Profilierungsversuchen von Politikern verteidigt, wer Zurückhaltung im Umgang mit Steuergeldern bei Prestigeprojekten von Politikern einfordert, wer sich für den Schutz der verfassungsmäßigen Grundrechte auch gegenüber einer erdrückenden Mehrheit einsetzt, der handelt im Sinne eines richtig verstandenen hanseatischen Patriotismus.

(Beifall bei der GAL)

Wer so polemisiert, wie das in der Vergangenheit getan wurde, der kann nicht glaubhaft als Versöhner auftreten. Deswegen ist die jetzige Rolle, die der Senat versucht einzunehmen, nicht glaubhaft. Jetzt sollen auf einmal goldene Brücken zu Kompromissen gebaut werden, nachdem er jahrelang systematisch alle Brücken abgerissen hat. Aber jetzt rächt es sich tatsächlich, dass gerade dieser Senat in Neuenfelde in den vergangenen Jahren nur verbrannte Erde hinterlassen hat.

Die GAL hofft weiterhin auf eine sinnvolle Einigung zwischen Airbus, der Stadt und Neuenfelde zur Sicherung des Luftfahrtstandorts und des Dorfes. Das geht auch ohne Landebahnverlängerung. Wenn eine Einigung zwischen Senat und den Startbahngegnern scheitern sollte, dann muss sich dieser Senat zu aller erst an die eigene Nase fassen, bevor er auf andere Menschen zeigt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort erhält Senator Uldall.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Maaß, ich will nicht auf die vielen falschen Punkte eingehen, die Sie genannt haben. Sie haben behauptet, dass 100 Millionen Euro investiert würden; das ist falsch. Sie wissen genau, welche Summe wir dafür investieren. Sie behaupten, wir hätten eine Politik der verbrannten Erde gemacht, obwohl wir uns seit zwei Jahren bemühen, mit der Kirchengemeinde und mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Das wissen Sie genau. Sie wissen, dass wir viele neue Institutionen geschaffen haben, um eine Ge

sprächsbasis zu schaffen. Trotzdem sagen Sie hier genau das Gegenteil.

Sie behaupten, der Rechtsstaat würde vom Senat mit Füßen getreten.

(Christian Maaß GAL: Was ist mit Lex Airbus?)

Das ist doch gerade das Problem, mit dem wir hier zu kämpfen haben,

(Manuel Sarrazin GAL: Der Rechtsstaat ist das Problem?)

weil wir hier eine entsprechende Lösung im bestehenden Rechtsstaat finden müssen. Aber der Gipfel Ihrer Rede bestand darin, als Sie sagten, dass es dem Senat nur um das Prestige gehen würde. Das ist falsch, Herr Maaß. Das wissen Sie genau.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Sie haben hier viele Reden gehalten. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht hier nicht um das Prestige, sondern um Jobs für Hamburg. Das ist das Thema.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich frage mich, in welcher Welt lebt eigentlich die GALFraktion, wenn sie nicht das Elend der Arbeitslosigkeit bei uns in Deutschland mitbekämpfen will.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Dazu kann ich nur sagen: Sie müssten sich schämen! Wie kann ein GAL-Abgeordneter noch in einer Versammlung auftreten, wo dieses Thema diskutiert wird?

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ob die Start- und Landebahn verlängert werden kann, sodass auch die Frachtversion und alle zukünftigen Versionen des Airbus A380 ausgeliefert werden können, entscheiden wir hier in Hamburg. Das wird nicht irgendwo entschieden, sondern das tun wir in Hamburg alle zusammen, indem wir Lösungen für ein friedliches Miteinander von Neuenfelde und Airbus finden, indem wir Neuenfelde ebenso eine Zukunft bieten, wie wir Airbus die Sicherheit bieten, auch zukünftig alle A380-Versionen in Hamburg auszuliefern. Ich bin davon überzeugt – genauso wie Herr Reinert und der Kollege Egloff, die das in ihren sehr eindringlichen Reden sehr gut dargestellt haben –, dass dieses beides miteinander zu kombinieren ist.

Ich halte überhaupt nichts davon, dass wir irgendwelche Zweifel an der Zuverlässigkeit von Airbus erheben. Mutmaßungen und Spekulationen über das Verhalten einzelner französischer Manager führen uns in der Situation, die wir jetzt in Hamburg haben, nicht weiter. Der Schlüssel für die Lösung der heutigen Probleme in Hamburg liegt bei uns selbst, nicht in Toulouse. Deswegen ist der Verweis auf irgendwelche Entscheidungsträger außerhalb Deutschlands nicht zielführend.

Es ist doch nicht unbedingt logisch, dass Airbus angeblich im Stillen das Gegenteil von dem erreichen will, was das Unternehmen tatsächlich schafft. Tatsache ist, dass das Unternehmen bei uns 680 Millionen Euro in die Produktionsanlagen investiert und dass die Standortentscheidung circa 2800 Arbeitsplätze insgesamt gebracht hat; davon 1700 für den A380. Tatsache ist auch, dass mit dem neuen Maintenance-Trainingscenter weitere

Kompetenz nach Hamburg gebracht wurde, was den Single-Air-Ausbau betrifft.

Ich glaube, dass diese wenigen Zahlen und Fakten genügen, um jedem klarzumachen, dass sich Airbus an die Vereinbarungen gehalten und dass Hamburg davon profitiert hat. Ich habe keinen Zweifel, dass Airbus seine Pläne auch in Zukunft realisieren wird.

(Manuel Sarrazin GAL: Ach, hören Sie doch auf!)

Zu einem Punkt aus dem Standortwettbewerb, der noch aussteht: Die Verlängerung der Start- und Landebahn. Die Begründung, die wir für die Verlängerung der Start- und Landebahn vorgelegt haben, wurde von den beiden Kollegen der CDU- und der SPD-Fraktion sehr deutlich vorgetragen. Wenn gesagt wird, dass im Moment noch gar nicht so viel Kapazitätsnachfrage vorhanden sei, um eine entsprechende Erweiterung vorzunehmen, dann möchte ich das hervorheben, was Herr Egloff gesagt hat: Es kommt auf die Langfristigkeit der Planung in einem Unternehmen an, denn wir haben bei anderen Flugzeugen – zum Beispiel beim Jumbojet – beobachten können, dass sich im Laufe der Zeit um das Flugzeug herum eine ganze Familie weiterentwickelt. Diese Familie wird sich natürlich auch um den A380 entwickeln. Wir wollen, dass diese ganze Familie bei uns in Hamburg gebaut werden kann und dass nicht gesagt wird, dass das in Toulouse gemacht werden muss.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Wenn die Start- und Landebahn für die Frachtversion und auch für die anderen künftigen Versionen des A380 nicht verlängert werden kann, ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht durchaus nachvollziehbar, wenn das Management des Unternehmens keine Investitionsentscheidung für den Bau eines Auslieferungszentrums in Hamburg trifft.

(Christian Maaß GAL: Aber das war zugesagt!)

Kurzfristig verzichten wir damit auf 100 Arbeitsplätze.

Entscheiden wir uns allerdings dafür, dass wir eine Verlängerung vornehmen, werden wir positive Arbeitsplatzeffekte für den Luftstandort Hamburg erzielen. Die Einschätzungen der Gutachter sind bereits von Ihnen, Herr Reinert, dargelegt worden; das brauche ich jetzt nicht zu wiederholen. Aber ich glaube, dass wir eines feststellen können: Wenn es sich kurzfristig auch um "nur" 100 Arbeitsplätze handelt, so geht es doch langfristig bei dieser Weichenstellung um die Chance für Hamburg, weit über 1000 zusätzliche Arbeitsplätze zu realisieren. Diese Chance werden wir uns in Hamburg nicht entgehen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Welche Dynamik in diesem Unternehmen steckt und welche Dynamik auch ein Beitrag für die zukünftige Entwicklung Hamburgs leisten wird, können wir jeden Tag in der Zeitung lesen, wenn wieder über einen neuen Auftrag berichtet wird. Alleine seit dem OVG-Beschluss Anfang August sind 83 Flugzeuge geordert worden. 36 von diesen Flugzeugen werden aus Hamburg ausgeliefert. Das ist der Auftragseingang eines einzigen Vierteljahres und zeigt, wie stark Airbus im Luftfahrtgeschäft inzwischen geworden ist.

Ich will eine andere Zahl nennen, die besonders wichtig für unsere mittelstandsorientierten Politiker ist. Der Be

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stellwert der von Airbus im Hamburger Einzugsgebiet getätigten Aufträge betrug im vergangenen Jahr 580 Millionen Euro. Von diesen 580 Millionen Euro wurden 162 Millionen Euro im unmittelbaren Umfeld in Finkenwerder, Neuenfelde und Cranz an die dort ansässigen kleinen und mittelständischen Betriebe, Zulieferer, Ingenieurbüros und Dienstleister vergeben. Die kleinen und mittelständischen Betriebe profitieren von der positiven Entwicklung eines so großen Luftfahrtunternehmens wie Airbus genauso wie die Stadt insgesamt und wir stellen uns an die Seite dieser mittelständischen Betriebe.

(Beifall bei der CDU und der SPD und bei Christian Maaß und Jens Kerstan, beide GAL)