Protocol of the Session on October 27, 2004

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sie haben sehr interessante Ansätze gebracht, Herr Mattner. Teilweise verwundert mich das, weil Sie hier genau im Gegensatz zu Ihren Kollegen von der Union im Bundesrat operiert haben. Ich möchte das an einigen Punkten deutlich machen.

Natürlich hätte dieses Gesetz früher in Kraft treten können. Das ist aber unter anderem auch deshalb nicht geschehen, weil die Union im Bundesrat eine ganze Zeit lang für ex-post-Kontrollen gestritten hatte und erst vor kurzer Zeit auf die grüne Linie umgeschwenkt ist, das vorab zu tun. Wenn Sie das vorher gemacht hätten, wären wir dort wesentlich weiter.

Letztendlich ist es so, dass die Union im Bundesrat einer Regulierungsbehörde und ihrer Bedeutung wesentlich aufgeschlossener gegenüber steht, als ich es Ihrem Beitrag entnommen habe. Sie scheint das nicht besonders zu interessieren und haben die Notwendigkeit für Hamburg nicht sonderlich stark begründet. Insofern freuen wir uns natürlich, dass Sie diesen Antrag überweisen. Aber letztendlich geht es jetzt darum, dass keine weiteren Strompreiserhöhungen genehmigt werden, bevor die Regulierungsbehörde ihre Arbeit Anfang nächsten Jahres aufnehmen kann. Eine Anhörung am 17. Dezember wird uns wenig helfen, wenn die Wirtschaftsbehörde diese Tarife vorher genehmigt haben sollte.

Insofern fordere ich Sie auf, bei der Wirtschaftsbehörde, wenn Sie heute diesem Antrag nicht zustimmten sollten, darauf hinzuwirken, dass bis zu dieser Anhörung keine Preiserhöhung stattfindet. Denn diese Preiserhöhungen betreffen die Konsumenten und das Kleingewerbe, also den Mittelstand. Eigentlich ein Thema, das in Ihrer Fraktion immer sehr groß gewichtet wird. Bitte verhalten Sie sich dann auch dementsprechend.

Was allerdings sehr stark verwundert, ist das, was man aus der Wirtschaftsbehörde vernimmt. Nämlich dass sich die Wirtschaftsbehörde weniger mit diesen Preiserhöhungen für Konsumenten beschäftigt, sondern vielmehr, dass dort sehr weitgediehene Pläne existieren, dass Hamburg selber ein Kraftwerk bauen will. Für wen soll denn dieses Kraftwerk gebaut werden? – Für die vier größten Stromverbraucher in dieser Stadt. Das sind die Norddeutsche Affinerie, die Stahlwerke, die Alu-Hütte und die Hochbahn. Jetzt mag es natürlich sein, dass es dort einen Bedarf gibt, aber letztendlich zeigt es auch wieder, dass sich dieser Senat wieder nur für die Interessen der Großen einsetzt und die Interessen der Verbraucher und des Mittelstandes auf die lange Bank geschoben werden.

Meine Damen und Herren! Seien Sie dort konsequent, stimmen Sie entweder diesem Antrag heute zu oder sorgen Sie dafür, dass bis zur Anhörung keine Strompreisgenehmigungen durch die Wirtschaftsbehörde erfolgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 18/1031 an den Wirtschaftsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Überweisung einstimmig erfolgt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf, Drucksache 18/796, Große Anfrage der CDU-Fraktion: Energiepolitik in Hamburg.

[Große Anfrage der Fraktion der CDU: Energiepolitik in Hamburg – Drucksache 18/796 –]

Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion an den Wirtschaftsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Mattner, bitte.

Jetzt muss ich Herrn Kerstan noch einmal dafür danken, dass er mit uns überwiesen hat. Verstanden habe ich das Ganze vom Ablauf her aber nicht, das muss ich auch nicht.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen einen neuen Energiekonsens in dieser Stadt und in diesem Land. Hamburg ist aufgrund seiner Struktur und der hohen Wirtschaftskraft im hohen Maße von energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Die Große Anfrage, die wir gestellt haben, hat übrigens mit dem Irrtum, der von Herrn Kerstan gerade noch einmal wieder vorgetragen worden ist und der sich auch schon vorher in vereinzelten Wortmeldungen von ihm äußerte, aufgeräumt, nur drei veraltete Industrien und die Hochbahn seien stromabhängig. Nein, meine Damen und Herren, stromabhängig ist der Mittelstand, typisch hanseatische Unternehmen, Logistikleistungen, moderne Branchen, wie etwa der Bereich der Gummi- und Kunststoffwaren.

Meine Damen und Herren! Wir müssen uns künftig stärker damit auseinander setzen, die Betroffenheit auch nach Branchen zu ermitteln. Das haben wir nur bis 1996 gemacht. Ich würde mich dafür aussprechen, das künftig wieder aufzunehmen, weil wir ja verlässliche Daten brauchen. Sehr zu begrüßen ist auch der von Senator Uldall gegründete Energiegipfel, der die Beteiligten an einen Tisch brachte und aus meiner Sicht fortgesetzt werden muss.

Auf Bundesebene tut eine stärkere Folgenabschätzung der Kosten bei staatlichen Regelungen, wie etwa der Ökosteuer, Not. Wichtig ist auch eine parlamentarische Begleitung, weil es hier lange keine umfangreichere energiepolitische Debatte gegeben hat. Das wird sich jetzt ändern, wie wir eben hörten. Wir werden dies im Wirtschaftsausschuss beginnen.

Meine Damen und Herren! Energiepolitik ist bekanntlich gleichermaßen ein Umwelt- wie auch ein Standortthema. Wenig rühmlich ist der Umstand, dass Deutschland beim CO2-Ausstoß global weit vorn liegt, aber wir haben nach

den Kyoto-Zielen im europäischen Vergleich auch die höchste Einsparung erreicht.

Die Windkraft ist hier schon mehrfach andiskutiert worden. Sie ist Teil des Energiemixes. Aber was immer Sie auch in die einzelnen Strompreiserhöhungen einrechnen wollen, so möchte ich nochmals darauf hinweisen, dass die Kosten enorm sind. Ich habe eben die verschiedenen Milliardenbeträge erwähnt.

Meine Damen und Herren! Wenn erst nach 2013 – das sind ja nicht wir, sondern das ist auch das Bundesministerium – ein Sinken der Kosten und ihrer Auswirkungen prognostiziert wird, dann wird für viele Teile der Industrie jede Hilfe zu spät kommen. Zu den Kosten, die ich vorhin erwähnt habe, kommen im Übrigen noch prognostizierte weitere 18 Milliarden Euro für den Ausbau bis 2020 hinzu.

(Präsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Das EEG begründet eine Abnahmepflicht für EG-Strom durch Stromlieferanten, wobei im Gesetz leider nicht explizit geregelt ist, wie die Kosten auf die Stromverbraucher weitergewälzt werden. Dies führt in Kombination mit den Härtefallregelungen, die dieses Gesetz hat, überdies auch noch dazu, dass nichtprivilegierte Unternehmen noch stärker betroffen sind. Das sind dann übrigens häufig Mittelständler.

Das Ganze geht dann noch einher mit einer starken Abnahme von Kraftwerkskapazitäten. Wenn wir so weitermachen, werden wir deutschlandweit im Jahr 2020 nur noch ein Drittel der konventionellen Kapazitäten inklusive Kernkraft haben. In Norddeutschland verlieren wir dann nach Stade noch Brunsbüttel, Unterweser, Krümmel, Grohnde, Brokdorf,

(Vereinzelter Beifall bei der GAL)

ja, Sie klatschen, aber wir müssten 12 000 Megawatt ersetzen. Ich bin nicht sicher, Herr Maaß, ob wir beide dann noch hier stehen werden – ich glaube es nicht –, aber unsere Nachfolger würden sich dann mit riesigen Problemen rumschlagen müssen, wenn die Energiepreise dann in diesem Maße auch noch steigen werden.

Kommen wir noch einmal auf die vorhin andiskutierten Nutzungsentgelte zu sprechen. Bis 2002 hat sie die HEW in Hamburg nicht erhöht. Seit 2002 enthüllen sich die Entgelte für Hochspannungen in Hamburg in dem Bund. Das trifft zweifelsohne die Industrie. Einräumen und klarstellen muss man hier allerdings auch, dass sie für die Mittel- und Niederspannungen sogar gesunken sind. Anders sieht es dann auch noch bei Ländervergleichen aus. Im europäischen Schnitt liegt Deutschland bei Hochspannungen eher unterdurchschnittlich, bei Mittelspannungen am höchsten und bei Niederspannungen an dritter Stelle.

Vattenfall, RWE und EnBW haben eine Erhöhung der Durchleitungsentgelte bis zu 20 Prozent angekündigt. Das Bundeskartellamt, meine Damen und Herren, wird dies prüfen. HEW erklärt demgegenüber, dass ohne die Mehrkosten durch die Windenergie wegen interner Kosteneinsparungen sogar eine Senkung der Nutzungsentgelte möglich gewesen seien. Ich finde, das ist ein Aspekt, der so ungeheuer wichtig ist, dass wir uns dem bei der Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss besonders widmen müssen.

Jetzt erlauben Sie mir doch noch einmal, wenn ich schon darauf angesprochen worden bin, einen Exkurs zum

Mittelstand. Die Zahlen, die ich vorhin genannt habe, belegen die hohe Belastung der Unternehmen und Verbraucher durch die Windenergie. Kleine und mittelständische Unternehmen sind durch die Nichtprivilegierung und Weiterwälzung doppelt betroffen. Meine Damen und Herren, ich schätze, dass Mittelständler, die heute einen neuen Stromvertrag abschließen, derzeit mit einer Preissteigerung von 15 bis 20 Prozent rechnen müssen. Ich glaube, das ist allen noch nicht so recht deutlich geworden. Diese Kosten erweisen sich als wachstumshemmend, für viele kaum zu stemmen.

Ich habe in einer Runde mit der HEW und dem Industrieverband angesprochen, dass wir schauen müssen, ob wir wieder zu etwas Ähnlichem wie Sonder- und Tarifverbünden kommen könnten, und zwar insbesondere dann, wenn sich kleine und mittlere Unternehmen zusammenschließen würden.

Die HEW hat mir im Zusammenhang mit Gesprächen mit der Handelskammer signalisiert, dass es Gesprächsansätze genau in diese Richtung geben wird und, meine Damen und Herren, das ist wenigstens in dem Zusammenhang eine gute Nachricht.

(Beifall bei der CDU)

Gute Nachrichten kommen auch vom Senat.

(Bernd Reinert CDU: Von da kommen immer gute Nachrichten!)

Seit 2002 gibt es das Programm "Unternehmen für Ressourcenschutz – Das ist die Zukunft" mit dem Schwerpunkt Industrie und Gewerbe. In Kooperation mit den Kammern und dem Industrieverband werden Einsparpotenziale aufgespürt und Maßnahmen können mit bis zu 30 Prozent der Investitionskosten und bei kleinen und mittleren Unternehmen sogar bis zu 40 Prozent bezuschusst werden. Auch hier sehen Sie unseren Ansatz, uns gerade um kleine und mittlere Unternehmen zu kümmern.

Trotz globaler Abhängigkeit hat Hamburg insbesondere mit dem Programm von 2002 einen wichtigen Eigenbeitrag für die CO2-Reduzierung geliefert. Besonders bestechend finde ich dabei die Kooperation mit der Wirtschaft statt staatlicher Verordnung und die Sondermühe um die kleinen und mittleren Unternehmen. Hier trägt die mittelstandsfreundliche Politik des Senates auch beim Umweltschutz Früchte. Das hamburgische Ressourcenschutzprogramm hat positive Resonanzen und erfreut sich auch einer steigenden Nachfrage. Bislang haben 333 Firmen mit verschiedenen Maßnahmen daran teilgenommen. 160 Firmen wurden mit einem Energiesparvolumen von 60 000 Megawatt pro Stunde gefördert. 770 700 Kubikmeter Trinkwasser wurden eingespart und 130 Tonnen Abfall wurden vermieden. Damit sparen diese Unternehmen 3 Millionen Euro Betriebskosten jährlich. Meine Damen und Herren! Ich finde, dieses Programm ist vorbildlich und hat enorme Ergebnisse erzielt.

(Beifall bei der CDU)

Die Senatsmittel sind dabei auch höchst effizient eingesetzt worden. Sie haben nämlich ein Mehrfaches an wertschöpfenden Investitionen der Unternehmen nach sich gezogen. Wir werden auch die Entwicklung um ein weiteres Kraftwerk in Hamburg verfolgen, Herr Kerstan, denn durch die Liberalisierung herrscht jetzt nun mal Marktwirtschaft, die Gesetzgebungskompetenz hat der Bund, aber

regionale Strukturen können wir immerhin noch durch planerische Ausweisung eines Kraftwerkstandortes beeinflussen. Ich glaube, mit dieser Rede auch noch einmal deutlich gemacht zu haben, dass es eben nicht um drei größere Industrieunternehmen, sondern um eine breite Fläche der Unternehmen in dieser Stadt und auch um den Mittelstand geht. Deswegen ist es geradezu unsere Pflicht zu prüfen, ob wir mit einem weiteren Kraftwerkstandort nach vorne kommen. Im Energiegipfel von Senator Uldall hat HEW Vattenfall die Prüfung einer Konzeptionierung zugesagt und ist dabei, diese jetzt umzusetzen.

Kommen wir zum ersten Fazit. Der Hamburger Senat hat in den letzten zwei Jahren gleichermaßen viele Innovationen im Bereich der Umweltfaktoren wie auch bei den wirtschaftlichen Voraussetzungen auf den Weg gebracht. Die bundespolitischen Vorgaben sind noch nicht stimmig. So muss die extreme Bevorzugung der Windenergie ein Ende haben.

(Dr. Monika Schaal SPD: Herr Marnette ist inzwi- schen auch schon weiter!)

Ja, das mag so sein. Im Rahmen des Energiemixes leistet die Kernenergie nach deutschem Sicherheitsstandard derzeit einen nicht verzichtbaren Teil der wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieversorgung. Die Überlegung der Staatsrätin, Dr. Gundelach, dazu begrüße ich außerordentlich. Im Übrigen erinnere ich auch an den Bundesratsbeschluss im September zum erzwungenen Ausstieg aus der Kernenergie. Der Energiegipfel von Senator Uldall im Mai 2004 war ein wichtiger Beitrag für die Energiepolitik in Hamburg und muss fortgesetzt werden. Energiepolitik, meine Damen und Herren, darf nicht nur als Umweltpolitik gesehen werden, sondern ist auch ein wesentlicher Teil der Wirtschafts- und Standortpolitik. Wir brauchen deshalb ein Gesamtkonzept für die Energiepolitik Deutschlands und einen neuen Energiekonsens.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt die Abgeordnete Dr. Schaal.

(Olaf Ohlsen CDU: Nicht schon wieder!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat den Senat bereits im Juni in einem Antrag aufgefordert, ein Energiekonzept vorzulegen. Erstens freut es mich, Herr Kollege Mattner, dass Sie sehen, wie wichtig das Thema ist und zweitens freut es mich auch, dass Sie das Thema drei Monate nach uns entdeckt und noch eine Große Anfrage nachgeschoben haben.

Es herrscht wohl Konsens – das ist wenigstens der eine Konsens –, dass beide Vorlagen im Wirtschaftsausschuss zusammen mit Wirtschafts- und Umweltexperten beraten werden und dass wir auch auswärtige Experten dazu anhören.

Meine Damen und Herren! In seiner Antwort auf die Große Anfrage erweckt der Senat den Eindruck, als habe er keinen Einfluss auf die Energiepolitik und dass das nur eine Bundesangelegenheit sei. Formal ist das vielleicht richtig. Die Gesetze werden im Bund gemacht und zunehmend ist auch die EU zuständig. Aber Hamburg macht durchaus Energiepolitik. Sie, Herr Mattner, haben selber einen Teil davon erwähnt. Das Programm "Res

sourcenschutz" ist auch Energiepolitik. Auch Baupolitik ist Energiepolitik und das, was Sie da machen, ist auch gut so.