Protocol of the Session on February 20, 2002

Insgesamt 26000 Arbeitsplätze zusammen mit den rund 300 Zulieferfirmen profitieren davon – und mit ihnen Hamburg.

(Anja Hajduk GAL: Das haben wir alles schon vor einem Jahr beschlossen! – Krista Sager GAL: Alles unsere Leistung! Das haben Sie nur nicht gemerkt!)

Neue und zukunftsfähige Technologien kommen zum Einsatz. Hamburg als weltweit konkurrenzfähiger Standort der Luftfahrtindustrie und der Hochtechnologie wird dauerhaft gesichert. Hamburg baut langfristige Beschäftigungs- und Einkommenschancen aus. Sich diesen Argumenten zu verschließen, kann nicht im Interesse des Gemeinwohls dieser Stadt sein.

(Christian Maaß GAL: Mit wem reden Sie eigent- lich?)

Wir sind alle gewählt, um das Wohl der Stadt zu mehren; die Senatoren haben sogar einen Eid darauf geleistet. Deshalb nehmen wir unsere Verantwortung in der Senats- und der Koalitionsfraktion sehr ernst und begrüßen die Überweisung an den Wirtschaftsausschuss, denn wir sorgen für

(Barbara Ahrons CDU)

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den Wirtschaftsstandort Hamburg. Nachhaltig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Der Abgeordnete Maaß hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! An diesem Gesetz ist die Ansiedlung von EADS doch nun nicht die wirkliche Neuigkeit; den Eindruck könnte man manchmal gewinnen. Dieses Projekt hat Rotgrün damals auf den Weg gebracht, als Sie, Herr Butenschön, sich wahrscheinlich noch nicht für Politik interessiert haben.

(Beifall bei der GAL und der SPD – Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Sie wollen doch chinesische Fahrradverhältnisse für Hamburg schaffen!)

Das eigentliche Problem an diesem Gesetz liegt doch in der Wahrung der Verfassung. Das ist ein tatsächlich gravierendes Problem, über das wir hier diskutieren sollten und das es wert ist.

Der Inhalt dieses vorgelegten Gesetzentwurfes ist mit dem Begriff einer Lex Airbus treffend auf den Punkt gebracht. Der Zweck besteht – kurz gesagt – darin, dass alle vergangenen, aber vor allem auch alle zukünftigen Maßnahmen zugunsten von EADS am Standort Finkenwerder als dem Gemeinwohl dienend definiert werden. Dass gerade die zukünftigen Maßnahmen nicht näher beschrieben werden, ist das rechtlich Problematische.

Der Senat verfolgt mit dem Gesetz den Zweck

(Hartmut Engels CDU: Das steht sogar als Aus- nahmeregelung im Naturschutzgesetz von Herrn Porschke!)

Sie können auch gleich noch reden; lassen Sie mich doch bitte zu Ende sprechen –, erstens rechtliche Hindernisse für die Enteignung von Bürgerinnen und Bürgern in Neuenfelde bezüglich der Verlängerung der Start- und Landebahn aus dem Weg zu räumen und zweitens – Herr Uldall hat es erwähnt – insoweit die Werkserweiterung mit den Lärmbetroffenen rechtlich abzusichern.

Über diesen unmittelbaren Zweck hinaus ist die rechtliche Tragweite dieses Gesetzentwurfs überhaupt noch nicht abzusehen, weil für zukünftige Maßnahmen keine Abgrenzung vorgesehen ist. Die GAL-Fraktion lehnt diesen Gesetzentwurf in dieser Form aus drei Gründen ab. Er ist demokratisch fragwürdig, verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft und in seiner sachlichen Kernaussage schlicht falsch und geht aus meiner Sicht ins rechtliche Nirwana.

Ich komme zum ersten Grund, dem Demokratieverlust. Das Demokratieproblem bei diesem Gesetzentwurf liegt nicht so sehr in der Entscheidung der bereits durchgeführten oder bei den in der Umsetzung befindlichen Maßnahmen, denn sie sind bekannt. Das Problem liegt in den zukünftigen Maßnahmen. Hier sind alle erdenklichen zukünftigen Maßnahmen erfasst, die als dem Allgemeinwohl dienend beschrieben werden. Die Bürgerschaft gibt der EADS mit diesem Gesetz einen Freifahrtsschein, ohne dass tatsächlich sichergestellt ist, dass mit diesen zukünftigen Maßnahmen, die wir noch gar nicht kennen, ein herausragender Nutzen für die Öffentlichkeit und die Wirtschaft verbunden wäre.

Wir haben damals direkt abgewogen, welches der Nutzen und wie hoch die Kosten für die Allgemeinheit sind. Wir bei Rotgrün haben uns damals für dieses Projekt entschieden und gesagt, wir können es verantworten und wollen es durchziehen. Wenn aber die Waagschalen noch nicht gefüllt sind und überhaupt noch nicht sicher ist, welche zukünftigen Projekte durchgeführt werden sollen, kann man jetzt doch noch nicht per se behaupten, es diene dem Allgemeinwohl.

(Beifall bei der GAL – Dr. Willfried Maier GAL: Das ist eine Entmündigung des Parlaments!)

Demokratie bedeutet nach meiner Überzeugung auch, dass die wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen im Parlament entschieden werden.

(Beifall bei Dr. Hermann-Diethelm Stehr CDU)

Es ist aus meiner Sicht eine wesentliche Frage, ob Bürgerinnen und Bürger zugunsten eines privaten Unternehmens enteignet werden dürfen. Eine ebenso wesentliche Frage ist es, ob man Bürgern Lärm zumutet, den sie nach unseren allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen nicht zu dulden brauchen.

Aus diesen Gründen hat das Bundesverfassungsgericht in der Boxberg-Entscheidung festgestellt, dass derartige Belastungen von Bürgerinnen und Bürgern zugunsten anderer nur aufgrund eines Gesetzes durchgeführt werden dürfen. Das Parlament muss also diese Abwägungsentscheidung durchführen, die ich eben gerade beschrieben habe, und dazu müssen die Argumente auf dem Tisch liegen.

Darin liegt im Übrigen auch der wesentliche Unterschied zur Stendal-Entscheidung, Herr Dobritz, die Sie angesprochen haben. Das war damals zwar auch ein Einzelfallgesetz, aber dem Gesetzgeber waren alle maßgeblichen Umstände bekannt, dass die Durchführung des Eisenbahnbaus in Stendal tatsächlich dem Allgemeinwohl dient. Hier wissen wir überhaupt noch nichts.

Die Entscheidung, ob Bürger ausnahmsweise zugunsten anderer Privatpersonen enteignet werden dürfen, wird nach diesem Gesetzentwurf in der Zukunft nicht mehr in diesem Haus gefällt werden, so wie es das Bundesverfassungsgericht vorsieht, sondern über die Grundrechte von Bürgern wird dann in Vorstandssitzungen von Aktiengesellschaften in Stuttgart, Detroit oder Toulouse entschieden. Meine Damen und Herren, diese Selbstentmachtung des Staates zugunsten von multinationalen Konzernen ist nicht das, was wir uns unter Demokratie vorstellen. Sie ist das genaue Gegenteil

(Beifall bei der GAL)

und wegen Entwicklungen wie dieser sind Zehntausende Menschen in Seattle, Göteborg und Genua – aus meiner Sicht vollkommen zu Recht – auf die Straße gegangen.

(Beifall bei der GAL – Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Sie definieren, was Demokratie ist!)

Meine Damen und Herren, unsere verfassungsrechtlichen Zweifel beruhen nicht nur auf den eben geschilderten Argumenten zur Wesentlichkeitslehre des Bundesverfassungsgerichts. Daneben scheint es mir außerordentlich zweifelhaft, dass der einfache Gesetzgeber im Vorwege und in dieser Allgemeinheit den in Artikel 14 Grundgesetz gebrauchten Begriff des Gemeinwohls definieren kann.

(Glocke)

(Gunnar Butenschön Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Die Kriterien des Boxberg-Urteils sind aus unserer Sicht nicht erfüllt, weil eine dauerhafte Sicherung von Arbeitsplätzen oder andere mittelbare Vorteile für die Allgemeinheit für zukünftige Maßnahmen nicht sichergestellt sind, weil wir sie nicht kennen. Nach dem 11. September 2001 wissen wir, dass auch die zukünftigen Arbeitsplätze für die bereits in der Durchführung befindlichen Maßnahmen wohl wieder infrage gestellt sind, denn anders kann ich mir nicht erklären, dass Kurzarbeit bei EADS in dieser Form eingeführt wurde.

Zum dritten und abschließenden Argument gegen das Gesetz ist zu sagen, dass die Kernaussage schlichtweg falsch ist. Die Kernaussage lautet, dass alles, was für das Industrieunternehmen EADS gut ist, gleichzeitig für die Allgemeinheit gut ist. Seit Adam Smith kann man zwar ohne Zweifel behaupten, dass erfolgreiche Unternehmen gewöhnlich auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen bringen – wenn man einmal von externen Kosten absieht –, aber das ist doch wohl nicht das, was mit dem Begriff Allgemeinwohl gemeint ist, denn das ist nichts Besonderes. Jedes Unternehmen erbringt einen volkswirtschaftlichen Nutzen. Mit dem gleichen Argument müssten Sie morgen ein Gesetz vorlegen, wonach der Erhalt der Bier-Produktion am Standort Altona, die Choko-Crossies-Produktion am Standort Wandsbek oder die Nivea-Produktion in Eimsbüttel dem Gemeinwohl dienen, denn Holsten, Nestlé und Beiersdorf

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Schmeckt auch!)

sichern auch Hunderte von Arbeitsplätzen. Gleichwohl würde niemand auf die Idee kommen, diese Unternehmen als Wohltätigkeitsvereine zu bezeichnen. Es hat einen Grund, warum diese Unternehmen Aktiengesellschaften und keine eingetragenen Vereine sind. Sie dienen primär der Vermehrung des Wohlstands der Aktionäre und was für die Gesellschaft abfällt, ist diesen Unternehmen naturgemäß zweitrangig.

Ich möchte noch eine abschließende Bemerkung machen. Auch die in der Umsetzung befindlichen Maßnahmen muss man neu betrachten, nachdem das Ausgleichskonzept jetzt zusammengebrochen ist. Dieses Parlament – das ist uns als Grüne besonders wichtig – steht in der Verantwortung, dass ein naturräumlicher Ausgleich für die Beeinträchtigung jetzt stattzufinden hat. Der Senat steht in der Pflicht, hier ein neues Ausgleichskonzept vorzulegen. Diese verfassungsrechtlichen und anderen Fragen müssen ebenfalls im Rechtsausschuss, im Umweltausschuss und nicht nur im Wirtschaftsausschuss geklärt werden. Deswegen beantragen wir die Überweisung dieses Gesetzes an die genannten Ausschüsse. Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der GAL)

Der Abgeordnete Rumpf hat das Wort.

Eigentlich wollte ich anders anfangen. Herr Maaß, Ihre Bedenken kommen in der Tat ein bisschen spät.

(Christian Maaß GAL: Wir haben das Gesetz doch nicht vorgelegt!)

Dieses Gesetz ist fast eine Zwangsnotwendigkeit.

(Dr. Willfried Maier GAL: Nein, so nicht! – Krista Sa- ger GAL: Nein, nicht in dieser Form! – Anja Hajduk GAL: Herr Rumpf, berauben Sie sich nicht Ihrer ei- genen Argumente, die Sie noch brauchen werden! – Zuruf von Werner Dobritz SPD)

So ist es und genau deswegen stehe ich auch hier. Sie wissen es und Herr Zuckerer weiß es, denn Sie sind da gewesen.

Der Erhalt und die Stärkung des Luftfahrtindustriestandortes Hamburg liegen im Interesse aller hier vertretenen Fraktionen. Ich denke, das gilt auch weiterhin für Sie. Wir streiten hier über den besten Weg zu dem gemeinsamen Ziel, das ist der Punkt.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass nicht nur ich, sondern auch andere Teile der Hamburger FDP der Vorgehensweise des alten Senats in dieser Sache trotz grundsätzlicher Befürwortung des Projekts mit Bedenken begegnet sind. Bedenken, die, wie die bisherige Rechtsprechung der verschiedenen Verwaltungsgerichte gezeigt hat, nicht ganz unbegründet waren. Diese Bedenken bestanden durchaus von Anfang an und Sie kannten das Boxberg-Urteil auch schon vor dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses;

(Zuruf von Krista Sager GAL)