Protocol of the Session on January 24, 2002

müssen wir die bestehenden Instrumentarien nur verbessern. Ich erinnere daran, dass wir seit zehn Jahren einen Bildungsauftrag bei den Kindergärten haben, manifestiert im KJHG. Wir haben also mit den Kindergärten bereits ein Instrument, das alle Kinder anspricht. Die Frage ist, wie weit wir diesen Bereich qualifizieren können, wo wir besser werden können. Wir führen diese Debatte um das Besserwerden in Kindergärten heute nicht das erste Mal. Wir führen sie in diesem Hause in den letzten vier Jahren sehr verstärkt. Es spielt für mich auch keine Rolle, ob wir Opposition oder Regierung sind.

Wenn man in dieser Diskussion auf die Frage von Sprachförderung abhebt, muss man wissen – und das ist allen Beteiligten bekannt –, dass es im Wesentlichen ab dem Alter von zwei oder drei Jahren geht. Es ist also wichtig, schon ab dieser Zeit eine entsprechende Sprachförderung anzubieten.

Die Frage, ob man am Ende eines solchen Prozesses mit fünf Jahren einen Test macht, ein Gespräch führt, mag ich an dieser Stelle nicht beantworten.

Wir haben in Hamburg sowohl in den Kindergärten als auch in den Vorschulen im Elementarbereich bereits eine entsprechende Bildungsstruktur. Eine Debatte über das Organisatorische zu führen, halte ich an dieser Stelle für verfehlt. Im Rahmen von PISA fällt allerdings immer wieder auf, dass bestimmte Debatten stattfinden, beispielsweise über Strukturen, aber weniger darüber, was wir eigentlich den Kindern an Bildung vermitteln wollen. Gilt weiterhin Rousseau? Kleine grade Kinder, die Ja sagen, wenn sie Ja meinen, und die Nein sagen, wenn sie Nein meinen? Es ist die Frage zu beantworten: Ist es Aufgabe von Kindergärten, Kinder auf die Schule vorzubereiten? Ist damit die Frage verbunden: Müssen Kinder schulgerecht sein oder muss Schule kindgerecht sein? Es gibt verstärkt Fünfjährige, die in Kindergärten Schule spielen, aber schon mit dem dritten Schuljahr keine Lust haben, in die Schule zu gehen. In diesem Zeitrahmen passiert etwas. Da erhoffe ich mir auch von IGLU bestimmte Erkenntnisse, wo wir im Elementarbereich besser werden können.

Wir wissen heute, dass Bildung in Kindergärten stattfindet, wir wissen, dass die Kindergartenträger in den letzten drei Jahren insbesondere in der Frage ihrer Erziehungs- und Bildungsaufgaben verstärkt Anstrengungen an den Tag legen. Die Frage von jungen Forscherinnen und Forschern ist also an dieser Stelle schon gestellt. Wir müssen bei all den ganzen Bildungsbereichen die Frage beantworten, was mit dem Kind passiert, das mit fünf Jahren Schule spielt, aber mit sieben oder acht Jahren keine Lust mehr hat, in die Schule zu gehen.

Was können wir aus der „Sendung mit der Maus“ lernen, wo uns kindgerecht...

(Beifall bei der SPD – Bernd Reinert CDU: Sie können da noch viel lernen!)

Ja, ich guck es auch immer 11.30 Uhr am Sonntag. Ich würde Ihnen das auch empfehlen.

(Krista Sager GAL: Herr Reinert, da können Sie auch noch viel lernen!)

Wie vermitteln wir eigentlich Inhalte? Wir haben die Frage angesprochen, dass wir im Rahmen der vorschulischen Erziehung insbesondere die sogenannten bildungsfernen Schichten ansprechen wollen. Da hat Frau Goetsch zu Recht auf die Ergebnisse und die Erfahrungen aus England hingewiesen, was die Early excellence center angeht. Wir

brauchen nicht so weit zu gehen, wir können uns auch das Modellprojekt des Deutschen Jugendinstituts in Berlin ansehen. Die Kindergärten als auch die Vorschulen sind in diesem Zusammenhang in der Lage und auch bereit, die Frage der Verquickung zwischen Erziehung und Bildung in der Kindertagesstätte in Verbindung mit einer versteckten Elternarbeit anzupacken.

Dem Antrag der GAL-Fraktion mag ich nicht in allen Punkten folgen. Er ist aber als Anlass richtig, eine Debatte darüber zu führen.

Wenn wir den vorschulischen Bereich ernst nehmen, muss es in dieser Legislaturpierode Auftrag der Bildungspolitik sein, sich mit der Frage der Qualifizierung der Erzieherinnen zu befassen. Einzelheiten ihrer Ausbildung gehören mit auf die Agenda.

Wir brauchen ein verstärktes Nachdenken über die Vernetzung von Elternarbeit und Kindergärten und wir brauchen sicherlich im bisherigen System Kindergarten eine Erweiterung des bisherigen vierstündigen Anspruchs auf mindestens fünf Stunden. Diesbezüglich ist es nicht das erste Mal, dass die SPD-Bürgerschaftsfraktion über vorschulische Erziehung und Kindergärten redet. Folgerichtig ist es, dass wir in diesem Jahr, wie wir es vor den Wahlen versprochen haben, einen Kindergartengesetzentwurf vorlegen und mit Ihnen diskutieren wollen. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 17/205 zur federführenden Beratung an den Schulausschuss und zur Mitberatung an den Jugend- und Sportausschuss zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieses einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf, die Drucksache 17/161: Große Anfrage der SPD-Fraktion zum Thema „Anonyme Geburt“.

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Anonyme Geburt – Drucksache 17/161 –]

Die GAL-Fraktion möchte diese Drucksache zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss und zur Mitberatung an den Gesundheitsausschuss überweisen. Das Wort wird gewünscht. Die Abgeordnete Kiausch hat es.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode über dieses Thema debattiert. Es gab verschiedene Kleine Anfragen, von Frau Koop zum Beispiel. Wir haben über Verfahren, über gesetzliche Grundlagen aufgeklärt. Wir haben ein Ersuchen an den Senat gestellt und einen Zwischenbericht zu dem Thema bekommen. Diese Drucksache 16/6552 hat die SPD nun in dieser Legislaturperiode veranlasst, den heutigen Sachstand und vor allen Dingen die Beurteilung des Problems durch eine Große Anfrage beim Senat abzufragen.

Insgesamt würde ich die Antwort des Senats als verhalten positiv bewerten. Es scheint auch so zu sein, dass weiter an dem Thema „Anonyme Geburt“ gearbeitet werden soll. Allerdings, wenn ich mir das genauer angucke, scheinen neuere Schritte in Richtung Bund oder Hamburger Aktivitäten nicht gemacht worden zu sein. Die Senatorin hat sich in einem Interview, so finde ich, tendenziell so geäu

(Thomas Böwer SPD)

ßert, als befürchte sie erstens einen Tourismus von Müttern nach Hamburg, die hier anonym entbinden wollen, weil es möglich ist und außerdem finanziert wird, und zweitens eine Inflation von anonymen Geburten, wenn gesetzliche Regelungen geschaffen werden.

Ich weiß, Frau Senatorin, so haben Sie das nicht gesagt, deswegen habe ich das mit „tendenziell“ bezeichnet, aber ich meine das aus einem Interview herausgelesen zu haben.

Nun muss man eigentlich dazu feststellen, dass die Zahl von anonym entbundenen Kindern im Verhältnis zu anderen Geburten – seit Dezember sind das in Hamburg zunächst 27 anonyme Entbindungen, davon haben sich neun Mütter dann doch entschieden, mit ihrem Kind zu leben – rein zahlenmäßig wirklich keine Gefahr von Tourismus darstellt. Im Übrigen muss man sagen, dass bundesweit 29 Krankenhäuser und ein Geburtshaus die anonyme Geburt anbieten. Es kann also auch in anderen Bundesländern stattfinden.

Aber wenn man schon die Befürchtung Tourismus hegt, dann liegt es doch nahe, außerordentlich aktiv eine bundesgesetzliche Regelung zu fordern

(Uwe Grund SPD: So ist es!)

und auch zu befördern.

(Beifall bei Uwe Grund und Michael Neumann, beide SPD)

Der Senat vermittelt aber leider nicht den Eindruck, als habe er es damit besonders eilig, denn in der Antwort werden eigentlich nur die bisherigen Aktivitäten und Ergebnisse referiert.

Insgesamt wird der Eindruck vermittelt, dass auch bei Verbesserung des Hilfsangebots, vor allen Dingen in Bezug auf Vor- und Nachsorge, leider eine abwartende Haltung eingenommen wird, nämlich das Warten auf eine bundesgesetzliche Regelung, obgleich das gar nicht nötig wäre, denn viele Dinge könnten auch in Hamburg befördert werden.

Soweit Verbesserungen des Angebots von finanziellen Forderungen an den Staat begleitet werden, denke ich auch, dass es dann nicht möglich ist, dass Träger ein Angebot eines Sponsors ablehnen, wie das wohl geschehen ist.

Ich glaube nicht, dass bei Verbesserung des Hamburger Angebots die Anzahl der anonymen Geburten ausufert. Die Entscheidung, anonym zu entbinden, ist für jede Frau, auch für diejenige, die sich in einer extrem schwierigen Situation befindet, außerordentlich schwer. Die Tatsache, dass sich in Hamburg bei 27 anonymen Geburten neun Mütter doch zu ihrem Kind bekannt haben, zeigt deutlich, dass eine anonyme Geburt nicht als der „bequeme Ausweg“ benutzt wird. Natürlich spielen Beratung und Betreuung hier eine wesentliche Rolle.

In diesem Zusammenhang sind auch die acht Wochen Bedenkzeit zu erwähnen, die eine anonym betreute Mutter hat, bis sie sich zur Adoption entscheidet.

Wichtig und auch richtig ist hierbei, dass sich das Kind in diesem Zeitraum bei einer Pflegefamilie befindet und nicht in einer Familie, die das Kind adoptieren will. Letzteres würde sicher häufig zu großen Schwierigkeiten bei einer eventuellen Rückgabe an die Mutter führen.

Ob man diese Bedenkfrist von acht auf zehn Wochen verlängert, was auch im Gespräch ist, ist eine Abwägungs

frage. Für die Entscheidungsmöglichkeit der Mutter ist es möglicherweise positiv, für das Finden des Kindes zu einer endgültigen Heimat vielleicht eher nicht.

Die gesetzlichen Meldefristen für anonym geborene Kinder sind zurzeit sehr differenziert und unterschiedlich. Hierüber sollten wir intensiv im Ausschuss debattieren, denn der CDU-Bundestagsentwurf spielt auch mit der Idee, diese Meldefrist auf zehn Wochen zu verlängern. Ich halte das für ein Problem und würde es gerade im Hinblick auf die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit sehr gern sehen, dass hier eine größtmögliche Transparenz hergestellt wird, die zurzeit nicht vorhanden ist. Es ist zu kompliziert.

In der Debatte im vergangenen Jahr habe ich auch einiges über den potenziellen Personenkreis für anonyme Geburten gesagt. Dazu gibt es Erhebungen in Frankreich und auch in Österreich. Ich will das hier nicht wiederholen, das ist alles nachlesbar. Ich möchte sie nur noch um die Frauen ergänzen, die mitten aus dem Berufsleben heraus anonym entbinden. Es gibt Fälle, wo sie aus Angst um den Arbeitsplatz schon nach zwei bis sechs Tagen wieder in den Beruf gegangen sind. Es scheint sehr schwierig zu sein, diese Frauen zu erreichen, obgleich sie sich sicher im Klaren darüber sind, dass sie sich und das Kind einem erhöhten gesundheitlichen Risiko aussetzen.

Vielleicht wäre es hilfreich, wenn auch Frauenbeauftragte oder Betriebsrätinnen für dieses Problem sensibilisiert würden.

Bedauerlicherweise hat der Senat zu unserer sehr wichtigen Frage 14, die eine Auffassung des Senats zum Thema abfragt, wie die berechtigten Interessen der anonym entbundenen Kinder auf das Wissen um ihre Abstammung so weit wie möglich berücksichtigt werden können, bisher keine Meinung. Unsere ehemalige CDU-Kollegin Frau Rudolph hat in einer Debatte nachdrücklich darauf hingewiesen, wie belastend sich das Nichtwissen um die Abstammung später auswirken kann.

Die Praxis zeigt zwar, dass auch anonym entbindenden Müttern dieses Problem bewusst ist beziehungsweise bewusst gemacht werden kann. Nach meinen Informationen haben nur zwei Mütter nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihrem Kind in einem geschlossenen, notariell verwahrten Umschlag eine Nachricht zu hinterlassen. Das ist ein erfreuliches Ergebnis, zerstreut die Bedenken, die man in dieser Richtung hat, aber nicht. Doch es lässt hoffen, dass die Mütter durch Bewusstseinsmachung in einem noch größeren Umfang bereit sind, ihrem Kind eine Hilfestellung im späteren Leben zu geben.

Man muss dieser Frage große Aufmerksamkeit widmen. Es müssen nicht immer neue gesetzliche Lösungen sein. Man kann sehr gut durch verbesserte Verfahrensregelungen eine ganze Menge erreichen. Man sollte es aber versuchen zu tun, denn ich weiß, dass der erheblich vorhandene Widerstand in der Öffentlichkeit gegen anonyme Geburten gerade mit dieser Frage zusammenhängt.

Es gibt also nach wie vor eine Fülle von Fragen und Problemen zur anonymen Geburt und ich wäre sehr froh, wenn eine bundesgesetzliche Regelung bald erarbeitet würde. Es sind schon sehr viele Vorarbeiten geleistet worden. Auch der Senat könnte sich einigen Fragen etwas nachdrücklicher zuwenden. Ich will hier keine Fronten aufbauen, das ist bei diesem Thema nicht angebracht, aber Sie werden verstehen, dass meine Fraktion weiter darauf drängen wird, Frauen, die ihre Schwangerschaft als ex

(Elisabeth Kiausch SPD)

treme Notlage empfinden, zu helfen. Wir werden unsere parlamentarischen Mittel weiter dafür einsetzen.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Wir alle wissen, dass im politischen Leben bei etwas brisanten Themen nur allzu gerne Missverständnisse aufgebaut werden. Es ist manchmal ein bewährtes Kampfmittel, aber es gibt auch echte Missverständnisse. Gelegentlich werden sie auch provoziert. Deswegen sage ich noch einmal in aller Deutlichkeit: Die SPD-Fraktion propagiert nicht die anonyme Geburt. Sie betrachtet sie, ebenso wie die Babyklappe, als eine Chance, Leben zu retten. Diese Chance für einen sehr kleinen, sehr hilflosen Menschen ist uns wichtig, auch wenn es sich Gott sei Dank nur um eine kleine Gruppe handelt. – Danke schön.