Protocol of the Session on January 23, 2002

Dr. Wolfgang Peiner, Senator 203 B, 218 D

Walter Zuckerer SPD 207 A

Henning Tants CDU 210 C, 215 B

Manfred Silberbach Partei Rechtsstaatlicher Offensive 212 A

Anja Hajduk GAL 213 A

Rose-Felicitas Pauly FDP 216 C

Beschluss 220 B

Antrag der Fraktion der GAL:

Wehrmachtsausstellung in Hamburg – Drs 17/204 – 220 C

mit

Antrag der Fraktion der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP

über dieselbe Thematik – Drs 17/253 – 220 C

Dr. Willfried Maier GAL 220 D, 223 C

Dr. Holger Christier SPD 221 D

Burkhardt Müller-Sönksen FDP 222 C

Beschlüsse 223 C

Beginn: 15.02 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet. Ich darf Sie ganz herzlich zur ersten Sitzung im neuen Jahr begrüßen. Ich beginne heute mit Geburtstagsglückwünschen. Sie gehen an unseren Kollegen Herrn Schaube von der Fraktion der Partei Rechtsstaatlicher Offensive.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Schaube, im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich Ihnen herzlich. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihr neues Lebensjahr.

Meine Damen und Herren! Abweichend von der Empfehlung des Ältestenrates haben sich die Fraktionen darauf verständigt, dass Tagesordnungspunkt 3 vertagt werden soll. Dabei handelt es sich um die Wahl zur Kommission für Bodenordnung.

Wir kommen dann zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind fünf Themen angemeldet worden, und zwar von der Fraktion der Partei Rechtsstaatlicher Offensive

PISA – Weg aus der Bildungsmisere

von der GAL-Fraktion

Chaos und Turbulenzen in der Polizei unter Schill

von der FDP-Fraktion

Keine Sanierung der BKK Hamburg mit illegalen Methoden

von der SPD-Fraktion

Aktive Arbeitsmarktpolitik für Hamburg jetzt!

und von der CDU-Fraktion

Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe – so funktioniert soziale Stadtteilentwicklung

Ich rufe jetzt das erste Thema auf: PISA – Weg aus der Bildungsmisere. Das Wort hat Frau Freund.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren! Ganz Deutschland redet vom PISA-Schock. Jeder ahnte es, jetzt haben wir es schwarz auf weiß. Doch eigentlich müsste es in Deutschland ein kleines gallisches Dorf geben. Es wurde zwar in Hamburg in den vergangenen roten Legislaturperioden in der Schulpolitik viel zu wenig unternommen, aber zumindest hätten wir anhand der Ergebnisse der LAU-Studien gewarnt sein müssen. Jedoch wollen wir diese Debatte nicht rückwärts gewandt führen.

Es wäre zu schade, diese Aktuelle Stunde dazu zu nutzen, der SPD ihre Fehler und Versäumnisse der letzten Jahrzehnte vorzuhalten. Vielmehr brauchen wir eine neue Form der Einigkeit in der Bildungspolitik. Bildung ist ein Grundrecht und gleichzeitig eine Pflicht. Wer die Bildung vernachlässigt, schädigt Menschen, vernachlässigt wirtschaftlichen Wohlstand und schafft Kriminalität. Wenn wir vor diesem Hintergrund sehen, dass PISA jeden fünften Jugendlichen in den unzureichenden zwei niedrigsten Lesekategorien einordnet, dann wird das Ausmaß der Katastrophe klar. Die bewährte Lesekompetenz ist Grundvoraussetzung für den Erwerb mathematischer und natur

wissenschaftlicher Kenntnisse. Diejenigen, die schlecht oder gar nicht lesen können, haben also auch keine Chance, eine andere Begabung zu entwickeln. Wir laufen somit Gefahr, 20 Prozent einer Generation ins gesellschaftliche Aus der Chancenlosigkeit zu verlieren. Deshalb wird die neue Regierung die Bildungspolitik weiterhin als Basis aller gesellschaftlichen und politischen Bestrebungen betrachten.

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben eine Menge zu verantworten. Ich fordere Sie deshalb auf, mit uns zusammenzuarbeiten. Unterstützen Sie uns bei der dringend notwendigen Bildungsreform, zum Beispiel bei der notwendigen Verkürzung der Schulzeit zum Abitur auf zwölf Jahre noch in diesem Jahr, beim Ausbau des Ganztagsschulwesens, bei der Schaffung eines anerkannten zentralen Standards der Abschlüsse an Hamburger Schulen – ganz wichtig –, bei der Sicherstellung ausreichender Deutschkenntnisse aller Kinder bereits vor der Einschulung, denn PISA und LAU beweisen, wer bei der Einschulung nicht richtig Deutsch spricht, kann es nach neun oder mehr Schuljahren noch immer nicht richtig.

Der jetzt überraschenderweise von der oppositionellen GAL eingereichte, sehr kostenintensive Antrag ist ein Beleg dafür, dass Sie erkannt haben, dass sich etwas ändern muss. Sonst wird der PISA-belegte soziale Sprengstoff der immensen Bildungsstreuung explodieren und eine friedliche demokratische Gesellschaft unmöglich machen. Wir stellen uns der Verantwortung für die Zukunft. Übernehmen Sie die Verantwortung für die Vergangenheit und helfen Sie uns beim Neubeginn. – Ich habe fertig.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Ernst.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! PISA ist eine internationale Studie, in der die Länder international verglichen werden. Insofern glaube ich, dass der Bezug zum Bundesland Hamburg im Moment nur bedingt etwas taugt. Wir werden im Herbst, wenn die Nachfolgestudie von PISA vorliegt, ausreichend Gelegenheit haben, über einen Vergleich der Bundesländer zu sprechen.

In der Tat ist es um das deutsche Bildungssystem schlecht bestellt. Sowohl die benachteiligten Jugendlichen als auch die leistungsfähigen bekommen im deutschen Schulsystem nicht das geboten, was sie eigentlich brauchen, um im internationalen Vergleich mitzuhalten. Es stellt auch für die Bundesrepublik Deutschland einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber in Frage, dass wir in einem Sozialstaat und in einem Bildungsstaat leben. Ich glaube, dass nur wenige diese Ergebnisse in dieser Schärfe erwartet haben.

Erfreulicherweise führt die PISA-Auseinandersetzung dazu, dass sich jenseits von Parteigrenzen Einigkeit über eine wichtige Bildungsreform abzeichnet. So hat die Kultusministerkonferenz bereits in einem ersten Schritt erste Forderungen auch in den Raum gestellt. Schnellschüsse dürfen aber auch nicht abgeleitet werden. Darauf weisen die Autorinnen und Autoren der PISA-Studie hin. Nicht alles, was bildungspolitisch richtig und notwendig ist, lässt sich aus PISA ableiten. So gibt es in der Tat wenig Hinweise auf Schulzeitverkürzungen, auf Schulorganisationsformen, auf die Frage der Gliedrigkeit des Schulsystems

und auch die Frage des Einschulungsalters lässt sich in der Deutlichkeit nicht aus PISA ableiten. Insofern, glaube ich, brauchen wir auch weitere Untersuchungen.

Über eines sollte aber Konsens bestehen: Um sich von bildungspolitischen Glaubenskriegen zu verabschieden, brauchen wir weitere empirische Untersuchungen dieser Art, um objektive Grundlagen zu haben. Ich glaube, trotz aller parteipolitischen Differenzen muss man darauf hinweisen, dass es Rosemarie Raab und damit das Bundesland Hamburg war, die als erstes mit den Lernausgangsuntersuchungen seit 1996 Schule einer objektiven wissenschaftlichen Grundlage unterzogen haben.

(Beifall bei der SPD)

Das war damals nicht selbstverständlich und stieß auf viel Widerstand, was zum Beispiel in Äußerungen gipfelte, man müsse Watergate im Klassenzimmer verhindern. Ich glaube, dieser Ausdruck macht noch einmal deutlich, wie schwierig dieser Reformweg von Rosemarie Raab war.

Uns irritieren einige Äußerungen in Ihrem Koalitionsvertrag, um noch einmal gegen das zu sprechen, was Sie gesagt haben.