Protocol of the Session on January 23, 2002

Das Wort hat Herr Woestmeyer.

Liebe Frau Goetsch! Ein Satz, den Sie gesagt haben, war fast richtig. Wenn Sie sagen, bei PISA bläst uns der Wind ins Gesicht, dann meinen Sie sicherlich nicht uns, sondern Sie meinen, Ihnen in Ihrer Verantwortung für die letzten vier Jahre bläst der Wind ins Gesicht.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Anja Hajduk GAL: Sie müssen auch was tun!)

Für uns ist es ein Rückenwind.

Ich erinnere nicht nur daran, dass Sie in den letzten vier Jahren mit der GAL zusammen oder in den Jahren zuvor auch mit anderen Koalitionspartnern Verantwortung trugen, sondern auch, dass Sie bundespolitisch Verantwortung tragen. Wir haben zwar jetzt erst einmal nur die Studie mit dem Ländervergleich vorliegen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Genau!)

Ich melde bei dieser Gelegenheit schon jetzt an, dass wir uns im Herbst über die Länderstudie unterhalten, weil ich mir sicher bin, dass wir an der Stelle auch viel Beratungsbedarf haben und sicherlich noch einmal auf die alte Regierungstätigkeit zurückkommen werden.

Was ist denn bundespolitisch an der Stelle passiert? Es kann mir nicht einmal jeder auf der Straße sagen, wie die Bundesbildungsministerin heißt. Wir haben keinen nationalen Bildungsgipfel gehabt,

(Anja Hajduk GAL: Wir haben ja auch Födera- lismus!)

den man sofort hätte einberufen müssen, um auf PISA zu reagieren. Man hätte sich auch einmal überlegen können, dazu sind Sie auch herzlich aufgerufen, ob man nicht am Einstimmigkeitsprinzip der KMK etwas ändern könnte, damit in dieses Land – und das ist jetzt nicht das Land Hamburg, sondern die ganze Bundesrepublik Deutschland – bildungspolitisch dieselbe Bewegung hineinkommt, wie wir sie hier durch den Regierungswechsel hineinbekommen haben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Meine Damen und Herren! Ich kann gut verstehen, dass Sie ein bisschen angepiekt reagieren, wenn Sie sich schon so intensiv mit PISA auseinandergesetzt haben. Dann wird mal schnell das konkrete politische Handeln des neuen Senats als Schnellschuss bezeichnet. Sie wären aber die Ersten, die hier gestanden und gesagt hätten, der neue Senat tut nichts, wenn wir nicht einfach gemacht hätten. Wir machen einfach. Die 100 Tage sind noch nicht vorbei. Senator Lange mit seiner Behörde steht an der Spitze derjenigen, die jetzt tun und machen, und Abitur nach zwölf Jahren ist ein Beweis dafür.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Anja Hajduk GAL: Das sehen die Hamburger aber anders!)

Darin sind gleich zwei Punkte, die einen direkten Bezug zu PISA haben, so wie Sie das fordern. In der PISA-Studie steht, dass die Unterrichtsdichte an bundesdeutschen Schulen deutlich unter dem OECD-Schnitt liegt. Das heißt, wir haben durchaus die Möglichkeit, dort durch Aufstockung des Wochenstundenkontingents etwas zuzugeben. Herr Lange hat bewiesen, dass er auf PISA direkt reagiert, indem er die Schwerpunktfächer für das erste Jahr auch gleich benannt hat.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Vergleichbarkeit, Ganztagsschulen, Abitur nach zwölf Jahren mit den genannten Schwerpunkten bedeuten, hier wird etwas getan, hier wird zügig im Sinne der Wähler, die diesen Wechsel gewollt haben, etwas umgesetzt. Wir lassen uns am Ende in unserem Erfolg nicht alleine daran messen, wie viel Abiturienten wir in dieser Stadt haben. Das ist nicht die Zahl. Es geht hier nicht um Quantität, sondern das sagt PISA auch ganz klar: Es geht um Qualität. Es geht nicht mehr darum, möglichst alle durch alle Schuljahre durchzuboxen und dafür zu sorgen, dass wir nur eine Anzahl hoher Abiturienten haben. Wenn die fleißigen Schüler am Ende merken, dass ihr Abitur in anderen Bundesländern, an anderen Universitäten nichts mehr wert ist, dann hat die reine Anzahl nichts damit zu tun, welche Qualität dahinter steckt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Für uns heißt die Konsequenz aus der PISA-Studie deshalb: Fördern und fordern.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat Herr Senator Lange.

(Michael Neumann SPD: Wohlerholt! – Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

(Christa Goetsch GAL)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Ernst, Sie haben ganz richtig gesagt, nicht Schnellschüsse seien gefragt, sondern grundlegende Reformen.

(Uwe Grund SPD: Da sind wir ja beieinander, Herr Senator!)

Es ist aber auch nicht gefragt, nun noch weiter hektisch zuzuwarten, wie das in den letzten Jahren und Jahrzehnten passiert ist.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Krista Sager GAL: Wie sieht das aus?)

Darüber können Sie jetzt einmal nachdenken, was das wohl bedeutet.

(Krista Sager GAL: War das ein Beispiel für Sprach- kompetenz?)

Ja, das ist richtig. Gerade weil die Prozesse so lang sind, was alle hier zu Recht erwähnt haben, gibt es gar keinen Grund, nicht gleich anzufangen, denn viele wollen sich, weil die Prozesse so lang sind, erst einmal mit dem Anfang Zeit lassen und sich auf den Ruhekissen der Vergangenheit ausruhen und das können wir uns nicht leisten.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Und um so bahnbrechende Erkenntnisse zu erhalten, wie Sie sie hier vorgetragen haben, nämlich dass die Lesekompetenz von großer Bedeutung ist, dazu braucht man nicht auf PISA zu warten. Das wussten wir auch schon vorher.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Die Kultusminister haben sich gemeinsam Anfang Dezember auf sieben Handlungsfelder aus der PISA-Studie verständigt, auf das, was man allgemein für unser Bildungssystem ableiten kann. Ich nenne sie in Stichworten.

Es ist die Verbesserung der Sprachkompetenz, und zwar bereits im vorschulischen Bereich, eine bessere Verzahnung von Vorschule und Grundschule

(Krista Sager GAL: Das haben wir doch beantragt! Sie nicht!)

nun seien Sie doch mal ruhig. Sie werden das schon noch erleben, was wir alles machen –, eine wirksame Förderung bildungsbenachteiligter Kinder und Jugendlicher, eine Verbesserung der Grundschulbildung.

(Anja Hajduk GAL: Alles Dinge, die in Hamburg gemacht wurden!)

Alles Dinge, die Sie in den letzten 40 Jahren hätten machen können. Ich bin seit 84 Tagen Kultursenator und so lange auch Schulsenator. Nun regen Sie sich doch nicht auf, dass wir nicht in 84 Tagen das beseitigen, was Sie angerichtet haben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Uwe Grund SPD: Wir regen uns gar nicht auf!)

Eines ist doch klar: Dass in der Koalitionsvereinbarung bereits erste Antworten – und darauf lege ich wirklich Wert – auf die in PISA aufgezeigten Herausforderungen an die Bildungspolitik formuliert sind, kommt nämlich nicht von ungefähr, sondern weil viele Dinge auf der Hand lagen und

dem aufmerksamen Beobachter durchaus bekannt waren. Dass darüber hinaus Hamburg im Vergleich zu anderen Ländern – und das ist das Verdienst der Vorgängerregierung – in einer verhältnismäßig besseren Lage ist, was die gezielten Erkenntnisse in der Stadt anbetrifft, die wir im Sommer oder im Herbst dann durch PISA-E auch noch einmal präsentiert bekommen, ist ein Vorteil, da wir wissen, wo wir aufsetzen können. Genannt worden ist das Projekt „Plus“ und die Verstärkung des Ganztagsschulangebotes. Das ist uns aber zu wenig. Deswegen haben wir beschlossen , einige Maßnahmen sofort zu ergreifen. Dazu gehören die 180 Lehrerstellen, die wir ab 1. Februar besetzen. Dazu gehört das Sofortprogramm zur Sprachförderung in den vorschulischen Einrichtungen, und zwar auf einer konzeptionellen Grundlage. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Förderung zweisprachig aufwachsender Kinder und dafür sind im Haushaltsplan-Entwurf – wir werden ja in den nächsten Tagen und Wochen darüber reden – bereits Mittel eingestellt.

Wir werden die außerschulischen Lern- und Förderangebote ausweiten und, wie erwähnt, mit dem neuen Schuljahr drei neue Ganztagsschulen einrichten. Wir werden das Abitur in zwölf Jahren, beginnend mit der Klasse 5 für Gymnasien und kooperativen Gesamtschulen, auf den Weg bringen.

Meine Damen und Herren, dies sind nur erste Schritte auf dem Weg aus der Bildungsmisere. Weitere Maßnahmen, an denen wir derzeit in der Schulbehörde mit Hochdruck arbeiten, betreffen insbesondere die Standardsicherung, die Sicherung des Lehrernachwuchses, die Ausbildung der Lehrer und die Qualifizierung insgesamt. Ich fordere Sie alle auf, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen, damit Hamburg möglichst bald nicht nur hinsichtlich der Ausgaben für die Bildung Spitze ist, sondern auch in den Leistungen des deutschen Bildungssystems.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat jetzt Herr Stephan Müller.

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Ich werde auf meine Einleitung verzichten, da ich Ihnen, Frau Goetsch, erst einmal antworten möchte, dass wir die PISAStudie gelesen haben. Um das zu unterstreichen, möchte ich ein paar Eckdaten nennen, die vielleicht mit Ihren Ausarbeitungen übereinstimmen.

Das Niveau der Lesekompetenz deutscher Schülerinnen und Schüler ist im internationalen Vergleich eher niedrig. Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit schwachen beziehungsweise extrem schwachen Leseleistungen liegt bei 23 Prozent. 10 Prozent der Getesteten mangelt es an jeglichem Textverständnis.

Das Ergebnis der anderen PISA-Disziplin, mathematischer und naturwissenschaftlicher Art, fällt ähnlich katastrophal aus. 25 Prozent der Prüflinge kommen im Umgang mit mathematischen Problemen nicht einmal über das Grundschulniveau hinaus. Ein großer Teil der Getesteten kann noch nicht einmal mehr als fünf europäische Hauptstädte aufzählen und wir können uns froh schätzen, wenn sie die eigene Hauptstadt kennen.

Im Leistungsbereich Lesen ist das Ergebnis Platz 21 und für die naturwissenschaftliche und mathematische Leis

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