Eine große Koalition aus SPD, Grünen und Union hat sich nun daran gemacht, irgendetwas im Gesundheitswesen besser zu machen. Man wollte die Beitragssätze der Krankenkassen senken, hat es aber leider nicht geschafft. Lassen Sie mich auch dieses wieder am Beispiel der Werkstätten darstellen.
Stellen Sie sich vor, die Haftpflichtversicherer würden eine Werkstattgebühr einführen. Sie kommen also wieder mit Ihrem beschädigten Auto in die Werkstatt und der Kraftfahrzeugmeister sagt Ihnen: Es tut mir leid, das schaue ich mir gar nicht an, erst einmal ist die Werkstattgebühr zu zahlen, denn diese muss ich später an die Haftpflichtversicherung abführen. Daraufhin beschweren Sie sich natürlich beim Werkstattmeister, der damit mehr Arbeit hat. Wissen Sie, was dieser antwortet? – Der sagt: Das ist nicht so arg, da gibt es noch Ausnahmen:
Wenn Ihr Auto zum Beispiel oft kaputt ist – also chronisch krank ist –, dann brauchen Sie gar keine Werkstattgebühr mehr zu bezahlen. Oder wenn Sie vorher in einer anderen Werkstatt waren, dann können Sie sich von dieser an mich überweisen lassen, dann brauchen Sie auch keine Werkstattgebühr zu bezahlen. Aber passen Sie auf, das gilt nicht, wenn Sie in der anderen Werkstatt nur neue Reifen bekommen haben. Dann müssen Sie ein zweites Mal die Werkstattgebühr bezahlen. Das Allerbeste ist jedoch: Wenn Sie bei mir nur einen Ölwechsel wollen, dann brauchen Sie auch keine Werkstattgebühr zu bezahlen, denn der Ölwechsel fällt unter die Vorsorge, dann ist keine Werkstattgebühr fällig. Diese Situation in einer Kfz-Werkstatt ist ungefähr vergleichbar mit der Zahlung der Praxisgebühr.
Fragen Sie doch einmal Ihre Autowerkstatt, was sie von solchen Ideen hält. Sie werden einen Wutausbruch erleben, und zwar zu Recht. Genau diese Wut hat sich mittlerweile – vielleicht haben Sie sie noch gar nicht bemerkt – gegen SPD, gegen die Grünen und gegen die Union bei Patienten, bei Ärzten und bei vielen anderen breit gemacht.
Mit dieser völlig verunglückten Praxisgebühr haben Sie sich selbst geschadet. Sie haben den Menschen – den Patienten, den Ärzten und ihren Mitarbeitern – in dieser Stadt und dem Ansehen der Politik geschadet. Die Menschen glauben einfach nicht mehr, dass Politiker in der Lage sind, praktikable Lösungen zu finden. Sie haben die Menschen in Hamburg nicht von der Geißel der Budgetierung im Gesundheitswesen befreit, sondern mit Verwaltungsunsinn zusätzlich belastet.
Mir ist klar, dass Ihnen die Zustimmung zu dem Antrag der FDP-Fraktion schwer fällt, obwohl Sie es eigentlich besser wissen. Sie würden gern zustimmen, aber Sie dürfen es natürlich nicht, weil Sie eine Solidarität mit Ihren Parteifreunden im Bund leisten wollen. Ergreifen Sie dennoch die Chance für eine gemeinsame Hamburger Initiative zur Abschaffung der Praxisgebühr. Lassen Sie uns gemeinsam eine richtige Gesundheitsreform auf den Weg bringen. Eine solche Gesundheitsreform kann durchaus auch eine Eigenbeteiligung von Patienten beinhalten, aber sie muss einfach und sozial gerecht organisiert sein.
Ihnen wird es so gehen wir mir. An jedem Wahlkampfstand werde ich auf die unsinnige Praxisgebühr angesprochen. Hunderttausende von Hamburgern werden dadurch belastet. Lassen Sie uns gemeinsam etwas für die Hamburger tun und unterstützen Sie unseren Antrag auf Abschaffung der völlig missratenen Praxisgebühr. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Schinnenburg, Sie haben sich ein hübsches Thema ausgesucht.
Sie alle wissen, dass wir aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage eine Einnahmekrise in der Krankenversicherung haben. Wir alle wissen, dass ein weiterer Anstieg der Krankenkassenbeiträge dazu geführt hätte, dass die Wirtschaft weiter geschädigt worden wäre. Deshalb bestand Handlungsbedarf.
Ich stehe dazu, dass die Union in Berlin bei der Verabschiedung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes aus zwei guten Gründen mitgemacht hat. Der erste Grund ist, dass die Menschen in unserem Lande erwarten, dass über die Grenzen von Regierung und Opposition hinweg eine Zusammenarbeit der Parteien bei großen Zukunftsfragen erfolgt. Diese Verantwortung haben wir wahrgenommen; wir blockieren nicht. Im Übrigen sei mir auch hier die Bemerkung erlaubt, dass es auch der SPD in Hamburg gut tun würde, bei den großen Zukunftsfragen – wie beispielsweise beim Landesbetrieb Krankenhäuser und seiner Sanierung – zusammenzuarbeiten und nicht nur zu blockieren und im Abseits zu stehen.
Der zweite Grund, weshalb wir in Berlin entschieden haben – auch mit dem Risiko, hinterher geprügelt zu werden –, war der, dass es darum ging, Schlimmeres für das deutsche Gesundheitswesen zu verhindern. Alle wissen, es lag ein rotgrüner Gesetzentwurf in Berlin vor, der von Rotgrün auch verabschiedet worden wäre und der wesentliche Säulen des deutschen Gesundheitssystems zerschlagen hätte. Das wäre unter anderem durch die Einschränkung der freien Arztwahl, durch die Zerschlagung der leistungsfähigen Facharztstruktur im Bereich der niedergelassenen Ärzte und durch eine Fortsetzung der auch von Herrn Schinnenburg zu Recht kritisierten Budgetierung geschehen. Die Folge wäre eine weitere Beitragserhöhung und damit eine Schädigung der Wirtschaft gewesen. Obendrauf sollte ein weiteres politischbürokratisches Gremium geschaffen werden, das den Ärzten vorschreiben sollte, wie Menschen zu behandeln seien. Das alles konnten wir durch unsere Beteiligung verhindern. Das ist gut so.
Nicht alles lief bei der Umsetzung reibungslos, manches ist dabei unzureichend geregelt gewesen, vieles ist allerdings auch von Kassen und Ärzten nicht gut vorbereitet worden. Die Praxisgebühr, die Sie sich ausgesucht haben, ist viel reibungsloser gelaufen, als es alle vorher glaubten. Sie ist heute im Wesentlichen akzeptiert.
Die Probleme liegen bei der Umsetzung ganz anderer Teile dieses Reformgesetzes. Sie liegen in den Bereichen, die wir noch nicht angepackt haben. Das wäre ein Grund, auch im Gesundheitsausschuss der Hamburger Bürgerschaft darüber zu reden und zu streiten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wersich, dieses Thema, das von der FDP angemeldet worden ist, im Gesundheitsausschuss zu bereden, ist nicht ausreichend. Dass wir über das andere Thema reden, ist okay, aber nicht über diese 10 Euro, Herr Schinnenburg.
Sich hier hinzustellen und zu sagen, man wolle als Samariter für die Patienten die Praxisgebühr von 10 Euro abschaffen, ist unter dem Gesichtspunkt des Wahlkampfes zu sehen. Erzählen Sie den Menschen doch einfach einmal, was Sie gerne möchten, was die FDP den Menschen im Gesundheitssystem bringen möchte. Im Antrag gibt es dazu schon einen Vorschlag, der lautet:
"Um Akzeptanz in der Bevölkerung für die notwendige Eigenbeteiligung zu schaffen, bedarf es deshalb einer sozial ausgewogenen transparenten, einfachen und unbürokratischen Lösung im Rahmen der Kostenerstattung …"
Was heißt denn "Kostenerstattung"? Heißt das, dass ein Patient, der am 2. Januar eine Kernspinuntersuchung seines Knies braucht, erst einmal 350 Euro zahlen muss? In Wahrheit heißt es das. Dann geht er mit dieser Rechnung zur Krankenkasse und holt sich sein Geld zurück. Das heißt, dass viele Patienten diese Untersuchung nicht bekommen könnten. Das ist nämlich das, was die FDP gerne will.
"Wir müssen weg von der Mentalität, dass nach der Zahlung des Kassenbeitrages alle Leistungen quasi als kostenlos angesehen werden."
Was ist das für eine Aussage? Wen wollen Sie damit treffen? Gehen Sie davon aus, dass die Patientinnen und Patienten Leistungen entgegennehmen, die eigentlich gar nicht notwendig sind? Sie sagen, dass Sie den Wahnsinn in den Arztpraxen stoppen wollen. Ich sehe in meiner Praxis keinen Wahnsinn. Ich sehe dort Patientinnen und Patienten, die problemlos mit der Praxisgebühr umgehen. Herr Wersich hat auch erfahren, dass es mit dieser Praxisgebühr keine Probleme gibt. Natürlich hat es am Anfang dieses Jahres Umsetzungsprobleme gegeben, die aber gelöst wurden. Inzwischen gibt es ganz klare Regelungen, wer von der Praxisgebühr befreit wird und wer nicht. Wenn diese bei Ihnen noch nicht angekommen sind, kann ich sie Ihnen nachher einmal erklären. Ich habe auch schon einige Patienten, die von allen Gebühren befreit sind, Herr Schinnenburg. Wir können sicher sein, dass diese Regelung mit Mehrkosten in Höhe von 1 Prozent für Patienten mit kleinen Einkommen hart ist, aber diese Gesundheitsstrukturreform ist notwendig gewesen. Das hat auch Herr Wersich dargelegt.
Wenn wir diese Reform nicht gemeinsam gemacht hätten, dann würden Patientinnen und Patienten nicht das bekommen, was medizinisch notwendig ist, und zwar unabhängig von ihrem Geldbeutel. Das ist das Ziel. Das, was Sie jetzt versuchen, sich bei den Menschen beliebt zu machen, weil die FDP die Praxisgebühr von 10 Euro nicht mehr will, ist ein plattes Wahlkampfmanöver. Da gehen wir nicht mit, wir lehnen das ab. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Endlich ist sie da, die große Gesundheitsreform. Ab 1. Januar sollte alles besser werden. Die Reformen im Gesundheitswesen sollten alle Probleme lösen oder zumindest substanziell lindern. Die Blinden sollten sehend gemacht werden, die Lahmen sollten gehen und die Tauben wieder hören können.
So oder ähnlich tönte es aus Berlin. Auf jeden Fall sollten die Kosten im Gesundheitswesen möglichst sozialverträglich gemindert werden.
Was ist daraus geworden? – Nichts, im Gegenteil. Wir stellen fest, dass alles deutlich chaotischer und schwieriger geworden ist. Wieder einmal sorgt die blinde Reformwut dieser Bundesregierung dafür, dass hinterher alles schlechter wird als vorher. Sei es das furchtbare Debakel bei den Medikamentenpreisen, wo heutzutage eine kleine Schachtel Aspirin, die vorher 5 Euro gekostet hat, jetzt 13 Euro kostet,
Natürlich gehört diese Gebühr abgeschafft. Allerdings ist der Antrag der FDP an unfreiwilliger Komik nicht zu überbieten. Das Lamento über die armen Ärzte,
die mit dem Einziehen der Gebühren überfordert sind, und die armen Arzthelferinnen, die mit dem Ausschreiben der Überweisungsscheine nicht nachkommen, als ernsthaften Antrag in die Bürgerschaft einzubringen, ist so blanker Populismus und so offensichtlich an den Haaren herbeigezogen, dass ich es mir und auch Ihnen ersparen möchte, weiterhin auf diese Sache einzugehen.
Die Praxisgebühr gehört natürlich abgeschafft. Aber der Grund dafür liegt ganz woanders. In Wahrheit dienen sowohl die Praxisgebühr als auch die Neuregelung bei den Zuzahlungen von Zahnersatz und einige andere Regelungen dazu, die Kassenbeiträge künstlich niedrig zu halten.
Die Entwicklung im Gesundheitswesen sieht nun einmal so aus, dass ohne die ganzen Winkelzüge der Frau Ministerin die Beiträge der Krankenkassen immens steigen würden. Das wäre aber zumindest ehrlich und offensichtlich. Wir haben einfach ein Einnahmeproblem bei den Krankenkassen, weil wir zu wenig Beitragszahler – im Klartext: zu wenig junge erwerbstätige Menschen – haben. Die Massenarbeitslosigkeit und die demographischen Entwicklungen haben die Probleme, in denen wir uns befinden, verursacht. Die Regierung in Berlin doktert an den Symptomen herum.
Im Ergebnis ist es für den Bürger eigentlich egal, wie ihm das Geld abhanden kommt, ob über den Beitrag oder über die diversen Zu- und Extrazahlungen. Dann aber zu behaupten, die Kassenbeiträge würden aufgrund der Neuregelung sinken, ist bewusste Augenwischerei.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren von der SPD: Denkt in Berlin niemand nach, bevor solche Regelungen geschaffen werden? Weiß Ihre Ministerin eigentlich noch, wie die Realität in den Arztpraxen dieser Republik aussieht? Reden Sie nicht mit Frau Schmidt und erklären ihr, welche Folgen die immer neuen politischen Schnellschüsse aus dem Gesundheitsministerium haben?
Das Ganze ist keine Reform, sondern der übliche Pfusch aus dem Gesundheitsministerium. Ich fordere Sie auf: Machen Sie endlich eine Reform, die den Namen wirklich verdient, die wirklich etwas zum Besseren verändert und die nicht nur Show ist. – Danke.