Olaf Scholz hat als Innensenator die Entscheidung getroffen, Brechmittel anzuwenden, und dabei ein dreistufiges Verfahren entwickelt, das vorsah, dass erstens die Polizei für den festgenommenen Täter bei der Staatsanwaltschaft den Brechmitteleinsatz beantragt, zweitens der Staatsanwalt die Vergabe des Brechmittels anordnet und drittens ein entsprechend qualifizierter Arzt den Verdächtigen untersucht und dann nach ärztlichen Gesichtspunkten entscheidet, ob das Mittel verabreicht werden kann oder nicht. Dieses dreistufige Verfahren sollte es ermöglichen, ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten.
Letztendlich entscheidet jedoch kein Polizist, kein Staatsanwalt, auch kein Politiker, sondern der Arzt, der nach medizinischen Gesichtspunkten entscheiden muss, ob das Brechmittel eingesetzt werden kann oder nicht. Zusätzlich sollte nach unserer Vorstellung – das war damals die Verabredung – ein Notarzt unverzüglich notwendige Rettungsmaßnahmen durchführen können. Zu diesem Verfahren stehen wir auch weiterhin.
Auf Antrag der SPD-Fraktion hat sich heute der Wissenschaftsausschuss mit dem Thema erstmalig beschäftigt und wir haben – Frau Dr. Freudenberg hat schon etwas dazu gesagt – noch erheblichen weiteren Beratungsbedarf. Herr Kusch hat heute, wie ich der „Welt“ entnehmen durfte, erklärt, dass er keine Informationen darüber habe, dass menschliche oder organisatorische Fehler für diesen Vorfall verantwortlich seien.
Wir erwarten aber, dass alles Menschenmögliche getan wird, um schwere Schäden oder gar den Tod eines Täters zu verhindern. Es darf aus unserer Sicht nicht billigend in Kauf genommen werden, dass Menschen dabei so sehr zu Schaden kommen.
(Beifall bei der SPD und der GAL – Christian Maaß GAL: Wie wollen Sie denn verhindern, dass das noch einmal passiert?)
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, mit welchem Spott und welcher Häme zum Teil Vertreter der damaligen Opposition kommentiert haben, dass die beiden ersten Brechmitteleinsätze gescheitert sind. Der Tod dieses Drogenhändlers macht spätestens jetzt deutlich – das sage ich ausdrücklich in Richtung unseres Ersten Bürgermeisters –, dass die Zeiten des Wahlkampfs vorbei sind. Es geht nicht mehr darum, markige Sprüche zu bringen, sondern unsere Stadt und unsere Menschen gut zu regieren. Die „taz“ hat gestern geschrieben:
Herr Schill sprach im Zusammenhang mit dem damals noch erwarteten Tod des Drogenhändlers ebenfalls davon, dass man mit aller Härte gegen Dealer vorgehen müsse. Ich sage deutlich: Härte und Konsequenz ja, den Tod eines Straftäters in Kauf nehmen nein.
Ich will aber auch deutlich machen, um nicht missverstanden zu werden, weil viele von Ihnen mich bewusst miss
verstehen möchten, dass wir weiterhin für den Einsatz von Brechmitteln zur Sicherung von Beweismitteln sind,
auch wenn der Betroffene sich wehrt. Wir sind allerdings gegen eine gnadenlose und dann vielleicht manchmal auch menschenverachtende Durchsetzung eines Prinzips um den Preis eines Menschenlebens. Wir fordern den Senat auf, die Ursachen für den Tod des Drogenhändlers offen zu legen und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen.
In diesem Sinne werden wir auch am Freitag die Sitzung des Wissenschaftsausschusses fortsetzen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der tragische Zwischenfall bei der Verabreichung eines Brechmittels bei einem Intensivdrogendealer ist bedauerlich und erschreckend. Darüber wird wahrscheinlich in diesem Hause Einvernehmen herrschen, aber man darf nicht Ursache und Wirkung miteinander verwechseln.
Dieser Drogendealer ist in nicht einmal einem Jahr sechsmal von der Polizei wegen Drogenhandels mit Kokain und Crack festgenommen worden
und das ist nur die offizielle Zahl. Ich möchte nicht wissen, wie hoch die Dunkelziffer der nicht polizeilich bekannt gewordenen Straftaten ist.
Dieser Drogendealer hat mit dazu beigetragen, dass Menschen ins Elend gestürzt wurden, denen er dieses Teufelszeug verkauft hat, nur um eigenen wirtschaftlichen Profit zu erzielen.
Bei seiner sechsten Festnahme hatte er sage und schreibe über 40 Kugeln Crack im Mund, die er schluckte, um Beweismittel, die zu einer Verurteilung wegen fortgesetzten Drogenhandels geführt hätten, zu vernichten. Niemand hat ihn gezwungen, diese Crack-Kugeln zu schlucken. Es wäre nicht notwendig gewesen, das Brechmittel mittels einer Nasensonde einzuführen, hätte er das relativ harmlose Brechmittel, welches selbst Kleinkindern verabreicht wird, einfach getrunken.
All dies lag in seinem Ermessen und seinem Handeln. Aber es kann und darf nicht sein, dass Polizisten in dieser Stadt gegen ausbeuterische kriminelle Drogendealer vorgehen, diese aber durch Herunterschlucken der Drogen Beweis
Es wäre ein fatales Signal für die Polizei, wenn es wieder dazu käme, dass Polizisten dreist grinsenden Verbrechern hilflos gegenüberstehen, die, nachdem sie ihre Drogen heruntergeschluckt haben, unbehelligt ihres Weges ziehen.
Meine Damen und Herren! Diese Regierung ist unter anderem deshalb gewählt worden, damit genau dieses nicht passiert. Wir stehen hinter unseren Polizisten, stärken ihnen den Rücken und dazu gehören auch die Rechtsmediziner im Institut für Rechtsmedizin.
Amnesty International spricht von einer erniedrigenden und gesundheitsgefährdenden Maßnahme. Hat schon einmal jemand darüber nachgedacht, wie erniedrigend es für Polizisten ist, in diesem Erbrochenen nach Drogen zu suchen? Und diese Polizisten murren nicht, sie tun auch diesen Job.
Und Ihnen, Frau Sager, fällt nichts Besseres ein als herumzutönen, man möge den Einsatz von Brechmitteln stoppen.
Unterhalten Sie sich doch einmal mit Drogensüchtigen, die in der Gosse liegen, mit ihren Familienangehörigen, die hilflos und machtlos daneben stehen und dieses Elend nicht ertragen können.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Zuruf von Krista Sager GAL)
Und noch etwas, Frau Sager. Machen Sie doch einmal einen Aufruf an die Drogendealer dieser Stadt, aufzuhören mit Drogen zu dealen, dann müssen wir auch keine Brechmittel verabreichen.
Solange das nicht passiert, kann es für die CDU-Fraktion nur eine Linie geben und diese heißt: Jede erdenkliche Hilfe den Süchtigen zu bieten, damit sie von ihrer Sucht loskommen, und mit aller entschiedenen gesetzlich zulässigen Härte gegen kriminelle ausbeuterische Drogendealer vorzugehen.