Und dann gehen wir weiter. Realität ist, dass mehrere hundert Erzieher im Augenblick auf dem Markt der Tagespflege drängen, weil sie nämlich in ihren eigenen Kitas aufgrund Ihrer verfehlten Politik keinen Anstellungsplatz mehr finden oder nicht weiterbeschäftigt werden. Das ist die Realität. Da kommen Sie hier mit 20 Tagespflegemüttern her.
Dann haben Sie davon gesprochen, dass Sie die Elternbeiträge gesenkt haben. Was ist die Wahrheit? Im Augenblick hängen Eltern mit einem privatrechtlichen Vertrag zwischen den Trägern und der Behörde und müssen selbst den vollen Pflegesatz bezahlen, weil keine KitaGutscheine mehr ausgegeben werden. Das ist die Realität. Kommen Sie mir nicht mit Glinde, bleiben Sie in Hamburg.
Auf einen Punkt hat die Kollegin Steffen aufmerksam gemacht. Seit dem 30. Oktober läuft nichts mehr. Auch Ihr Bewilligungskriterium Nummer 2 läuft nicht mehr. Sie haben es das erste Mal in dieser Geschichte von Kita überhaupt geschafft, dass Berufstätige mit ihren Kindern nicht neu in das System hineingekommen sind. Da kommen Sie hier mit einem Modellprojekt von 20 Tagesmüttern an. Das ist lächerlich, Herr Müller-Sönksen, weil Sie das gerade mehrere Male gesagt haben.
Sie haben doch nicht die Kraft, diesen Senator endlich dahin zu schicken, wo er hingehört, in den Ruhestand. – Danke.
(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Ich habe sogar die Ruhe, Ihren Quatsch anzuhören! – Beifall bei der SPD und der GAL)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, dass hier ein dramatisches Ablenkmanöver läuft von dem eigentlichen Desaster, das sich in dieser Stadt abspielt. Frau Dr. Freudenberg hat ja nun fachlich Ihren Antrag auseinander genommen. Das kommt mir so vor, wie letztes Mal mit dem Antrag für das Orientierungspraktikum. Das ist so ein „Klein Erna“-Antrag. Was hier wirklich in der Stadt läuft, scheint an Ihnen irgendwie vorbeizugehen.
(Ingo Egloff SPD: Der Senator sollte auch mal was sagen! – Petra Brinkmann SPD: Ja, Tschüß! – In- go Egloff SPD: Aus Rudi Ratlos wird Rudi Sprach- los! – Beifall bei der GAL und der SPD)
Wir haben hier tausende von Hamburger Familien, die ohne Kinderbetreuung sind, die ohne Sicherheit sind und die ihre Lebensplanungen über den Haufen werfen müssen. Mütter und Väter stehen vor Kündigungen und Arbeitslosigkeit. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Dann müssen wir uns noch am Anfang der Woche anhören: Ja, der Rechtsanspruch wird eingelöst. Was ist denn ein Rechtsanspruch, wenn ein Rechtsanspruch nicht ein Rechtsanspruch ist? Das ist überhaupt nicht zu fassen. Und dann wird dieser gestern auch noch infrage gestellt. Zu Recht spricht meine Kollegin Steffen von Bananenrepublik. Wo sind wir denn eigentlich gelandet hier in Hamburg? So ein Drama bei der Kinderbetreuung hat Hamburg überhaupt noch nie erlebt.
Das hat dieser Senat zu verantworten. Das hat der Schulsenator zu verantworten, der wahrscheinlich schon viel länger, angeblich ja seit Januar, über dieses Desaster Bescheid weiß und nicht die Notbremse zieht. Da sagt er doch glatt noch am 12. Juni in der Pressemeldung: Das Kita-Gutscheinsystem ist solide finanziert. Das muss doch den Eltern in dieser Stadt wie reiner Zynismus vorkommen.
„Die restlichen rund 3900 Anträge von berufstätigen Eltern oder Erziehungsberechtigten der Priorität 5 werden bis zum Systemstart am 1. August positiv beschieden werden.“
Ich weiß nicht, wie man das nennt und ob man das sagen darf: Das ist nun wirklich Täuschung. In der letzten Bürgerschaftsdebatte um die Kita haben wir hier diskutiert und haben chronologisch das Desaster aufgezeigt. Sie haben es schön und abermals schöngeredet. Normalerweise würde man sagen: Sie haben uns belogen und getäuscht.
Wir haben doch die Beispiele leibhaftig in unserem Umfeld, im Bekannten- und Freundeskreis und im eigenen Betrieb, dass die Mütter und Väter seit Monaten auf Gutscheine warten. Ich will es ganz konkret machen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Sie nicht sehen oder hören wollen.
Es gibt ein Beispiel: Eine allein erziehende Mutter hat einen Krippenplatz, arbeitet, zieht um und wechselt die Krippe. Sie braucht jetzt einen neuen Gutschein. Sie bekommt eine Zusage, aber keinen Gutschein. Gestern muss sie vom Pressesprecher der BBS hören, dass es nicht sicher ist, dass sie einen Gutschein bekommt und ob ausreichend Geld für Priorität 4 da ist. Können Sie sich vorstellen, was das für eine Panik bei dieser Frau auslöst, die allein erziehend ist und darauf angewiesen ist. Sie kann doch nicht kündigen.
Wir haben die anderen 2000 Familien, die eine Zusage haben, aber jetzt Angst haben, leer auszugehen. Das muss man sich wirklich plastisch vorstellen. Nicht wir, als Opposition, machen Panik, sondern Sie machen die Panik. Ich finde es schon ziemlich dreist, sich am Anfang der Woche hinzustellen und zu sagen, der Senat entscheide Ende des Jahres. Das mag für Finanzpolitiker vielleicht gut sein, aber für Eltern ist das eine Katastrophe hier in dieser Stadt. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen jetzt, weil wir über Kita reden, die Kita-Historie etwas aufarbeiten, Frau Goetsch. Es ärgert mich wahnsinnig, dass Sie hier behaupten, mit dem 1. August 2003 wäre das Kita-System auf einmal zusammengebrochen und wir vorher eine Idylle gehabt hätten. Das ist mitnichten so und das wissen Sie ganz genau.
Also, mal zur Funktionalität von Ursache und Wirkung. Wie war es denn früher in dem alten System? Wir haben einen Unterschied gehabt. Wir wussten in dem alten System eben nicht, wie viele Plätze fehlen. Aber, dass es diese Plätze nicht gab, wissen Sie doch ganz genau. Sie kennen doch damals die Proteste der Eltern aus den jeweiligen Bezirken, die gesagt haben: Wir bekommen hier keinen Kita-Platz. Sie waren in einer Situation, dass sie berufstätig oder in der Ausbildung waren, die aber über die Funktion des Bezirkes der Kita versucht haben, einen Platz zu bekommen.
Jetzt in dem neuen System haben wir verlässliche Daten. Nun kann man uns das gerne anlasten, aber ich sage Ihnen: Wenn wir genau wissen, wie viele Plätze
zurzeit noch fehlen, ist das die Handlungsoption und die Perspektive für diesen Senat, auch nachzuarbeiten. Ich erinnere daran. Wie war es denn früher? Sie reden davon, dass wir mit dem Regierungswechsel und mit dem 1. August 2003 den Zusammenbruch einer idyllischen Kindertagesbetreuung gehabt hätten. Das ist doch schlicht und einfach die Unwahrheit, die Sie hier berichten. Wie war es denn früher?
Früher war es in allen Bezirken so, dass es Proteste der Eltern gab. Ich erinnere an die Demonstration vor wenigen Jahren hier vor dem Rathaus. Das war eine Demonstration gegen Ihre Kita-Politik. Sie haben die Elternbeiträge erhöht, und zwar nicht nur um kleine Summen, sondern Sie haben diese Beiträge so weit erhöht, dass Kinder aus der Kita abgemeldet wurden. Das ist für mich Ihre Form von Familienpolitik.
Die Kinder sind abgemeldet worden, weil die Eltern die Beiträge nicht mehr bezahlten wollten. Dann stellen Sie sich hier als Moralapostel hin und wollen uns vorwerfen, dass wir eine verfehlte Kita-Politik hätten. Das ist etwas zu einfach.
Der nächste Punkt ist: Sie haben vor wenigen Jahren 27 Millionen eingespart. Da war Herr Böwer, der hat abgestimmt, da war Frau Goetsch, die hat abgestimmt und Sie haben die Hand gehoben und damit sind 27 Millionen im Kita-Bereich eingespart worden. Das ist die Realität Ihrer Politik gewesen.
Und zur Frage der Option für die Zukunft ist es natürlich so, und das gestehen wir uns auch ein, dass es bei diesem Paradigmenwechsel, der ja einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik ist,
Schwierigkeiten gibt. Aber wir stellen uns auch dieser Frage und die Entscheidung vom Montag hat ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass der Senat gemeinsam in einer großen Bemühung dieses für uns wichtige Politikfeld aufgreifen wird. Mal ganz ehrlich, wir werden auch abwarten, weil Sie jetzt Ihre Initiative starten. Auch darüber wird zu diskutieren sein.
Natürlich kann ich verstehen, dass Sie jeden Antrag nutzen, um Ihren Schwerpunkt zu bilden. Aber ich halte es auch für unseriös, wenn wir in der Bürgerschaft einen Antrag über die Qualifizierung von Tagesmüttern haben, Sie dann auf diesen Antrag, wie zum Beispiel Herr Böwer, aber kaum eingehen.