Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich sehe keinen Grund zur Panik, aber die GAL-Fraktion hat den Antrag auf Überweisung dieser Großen Anfrage in den Gesundheitsausschuss gestellt, und zwar deshalb, weil wir meinen, dass das Thema doch noch sehr viel mehr hergibt, als durch Ihre Anfrage erfasst wurde.
Uns würde vor allem interessieren, ob das neue Infektionsschutzgesetz, das ja vor knapp vier Jahren das alte Bundesseuchengesetz abgelöst hat, auch wirklich greift und wie sich die Konzentration der Hilfe für Tuberkulosekranke im Gesundheitsamt Mitte bewährt hat.
Meines Wissens gibt es doch Einzelfälle, wo es ganz besonders schwierig ist, Menschen dazu zu motivieren, die notwendige Therapie gegen ihre offene Tuberkulose konsequent durchzuführen. Es soll auch Probleme geben, diese Behandlung oder auch die Isolation der Kranken dann durchzusetzen, die wegen der hochgradigen Gefährlichkeit von offener Tuberkulose dringend erforderlich ist.
Es gibt außerdem möglicherweise Probleme mit der immer kürzeren Krankenhausbehandlung von Tuberkulose, denn das erfordert ja, dass die Erkrankung dann ambulant weiterbehandelt wird. Das setzt auch sehr viel Motivation und Kooperation voraus, die bei den Menschen, die besonders von Tuberkulose betroffen sind, nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann.
Das heißt, es gibt relativ viele drogenabhängige Menschen – die Fallzahlen sind insgesamt zum Glück klein –, schwer Alkoholkranke und Obdachlose, die tuberkulosekrank sind. Es gibt da sicher Probleme, die notwendige ambulante Therapie durchzuführen, richtig zu kontrollieren, und ich denke, wir sollten uns doch mit dieser Frage im Gesundheitsausschuss befassen. Das wird keine Aufgabe für viele Sitzungen sein, aber es wäre für uns interessant, auch mit der Gesundheitsbehörde darüber zu sprechen, wie die Erfahrungen sind und ob es weiteren Handlungsbedarf gibt. – Danke.
Weitere Wortmeldungen gibt es jetzt nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt einer Überweisung der Drs. 17/3300 an den Gesundheitsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt. Dann stelle ich fest, dass die Große Anfrage, Drs. 17/3300, besprochen worden ist.
Ich rufe nunmehr Punkt 68 der Tagesordnung auf, Drs. 17/3400, ein Antrag der SPD-Fraktion: Errichtung einer neuen Philharmonie auf dem Kaispeicher A.
[Antrag der Fraktion der SPD: Errichtung einer neuen Philharmonie auf dem Kaispeicher A – Drs. 17/3400 –]
Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion federführend an den Kulturausschuss und mitberatend an den Bau- und Verkehrsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Christier, Sie haben es.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, in einem Punkt sind wir uns einig. Unsere schon existierende Musikhalle am Johannes-Brahms-Platz ist eines der schönsten Gebäude der Stadt. Aber die ehrwürdige alte Dame wird bald hundert. Das Gebäude platzt aus allen Nähten. Zwischen Proben und Aufführungen gibt es manchmal ein wirklich abenteuerliches Terminkorsett. Proben jagen einander und auch das Gebäude selbst genügt nicht mehr den modernsten Anforderungen. Es zeigt zum Teil unter dem ewigen Eindruck der Akustik deutliche Verschleißerscheinungen. Das Fazit daraus, glaube ich, ist ziemlich eindeutig, Hamburg braucht eine zweite Konzerthalle.
Wir befinden uns bei dieser Forderung mittlerweile in Übereinstimmung mit vielen Künstlern und mit den Orchestern; es gibt entsprechende Aussagen aus dem Bereich des NDR und der Konzertveranstalter. Grundsätzlich hat sich diese Notwendigkeit auch schon im Senat herumgesprochen, aber leider in einer Art und Weise, wie wir alle mitbekommen haben, die das Projekt über ein Jahr eher behindert hat, es der Lächerlichkeit preisgegeben und an den Rand des Scheiterns gebracht hat. Die kuriose Vorstellung eines „Aqua-Dome“ hat eigentlich nur eines bewirkt, eine hochkreative Gespöttkultur zulasten der Stadt.
Was beim Trompetenfisch sozusagen natürlich zusammen gehört, kann in der Architektur nur einen Fehlkonstrukt hervorbringen. Es war überfällig, dass aus diesem Luftschloss endlich die Luft herausgelassen wurde.
Aber dabei kann es natürlich nicht bleiben. Da musste noch etwas Neues her. Glück im Unglück ist einmal die Tatsache, dass das Thema „MediaPort“ sich nun nicht realisieren lässt, was ich nicht weiter kommentieren will, und zum anderen, dass es in den letzten Monaten eine Schweizer Architekten- und Investorengruppe gibt, die den Plan einer neuen Philharmonie auf dem Kaispeicher A vorgelegt hat. Wir haben uns diesen Entwurf angesehen und uns ihn sehr genau erläutern lassen, wie auch einige aus dem Hause. Der Herr Gerard ist ja sehr aktiv unterwegs gewesen. Das Ergebnis unserer Prüfung, soweit man es als Abgeordnete prüfen kann, ist jedenfalls, dass es nicht nur große Standortvorteile mit hoher Funktionalität vereint, sondern es ist meiner Meinung nach auch eine richtig faszinierende architektonische Meisterleistung. Irgendwie hat es etwas Schwelgerisches, ohne in die neuzeitliche Gigantomanie zu verfallen, die Höhe mit Größe verwechselt. Das ist ein richtig schöner Entwurf.
Ich will deutlich und ganz klar sagen, dass dies bei einem Projekt dieser Größenordnung und bei der Art und Weise, wie auch die Stadt natürlich in Anspruch genommen wird, seriös durchgerechnet sein muss. Man muss sich auch überlegen, welche Konsequenzen es für die HafenCity insgesamt hat. Wenn man aber dieses Projekt richtig anfasst und nicht in den Sand setzt, dann wäre allerdings eine Kumulation positiver Effekte gut denkbar.
Zunächst bekommt die Stadt eine äußerst spannende Philharmonie mit international hochattraktiven Auftrittsmöglichkeiten, zusammen mit der Color Line Arena, mit der alten Musikhalle und mit dem CCH. Das gibt insgesamt eine hervorragende Veranstaltungsarchitektur, gerade für große Ereignisse.
Wir wissen, dass der Standort der Musikwirtschaft in Hamburg sehr gefährdet ist. Da muss man wirklich in Sorge sein, dass irgendwann der letzte CD-Player ausgedreht wird. Ich glaube auch, dass für diesen Wirtschaftsbereich eine solche Philharmonie ein wichtiges Signal sein kann. Wenn es um künftige Visionen für die HafenCity geht, dann wird ja gern auf ein bestimmtes Opernhaus in Down Under Bezug genommen. Ich glaube, es ist im Grundsatz richtig, dass auch die HafenCity ein unverwechselbares Wahrzeichen braucht. Dann muss man aber aus räumlichen Gründen ganz klar sagen: Sydney in der HafenCity gibt es nur im Bereich Kaispeicher A. Woanders kann diese Wirkung nicht erzielt werden.
Bekanntermaßen bestehen ja Museumsplanungen – Stichwort: Tamm für den Kaispeicher B. Hier kann vielleicht eine kleine Kulturlandschaft entstehen. Daher raten wir zur reziproken Anwendung eines Sprichwortes: Wer B sagt, darf auch A sagen.
Last, but not least, ein solches Projekt könnte insgesamt der Kultur in Hamburg Auftrieb geben und könnte, da sind wir ganz uneigennützig, der Kulturpolitik ein Stück aus ihrer bundesweiten Verächtlichkeit heraushelfen. Das wäre dann ein sinnvoller politischer Nebeneffekt. Auch der ist nötig.
Ja, das muss ich allerdings auch sagen. Die Tatsache, dass die Senatorin nicht anwesend ist, macht mich nicht unbedingt optimistischer, dass das Ganze umgesetzt wird. Einen Vertreter kann ich hier auch nicht erkennen. Ich halte das bei einem solchen Projekt für bedauerlich.
Also, gewahrschaut durch die Diskussion um den „AquaDome“, durch das Schicksal anderer Projekte, ob es nun Neumeier ist oder die Auswanderungshalle Veddel, glaube ich, dass es hier und heute ein deutliches Signal und klares Wort in dieser Richtung geben sollte, denn hier ist durch private Initiative für die Stadt eine Riesenchance entstanden, die wir nicht verspielen, sondern nutzen sollten. Unser Antrag ist gut und deshalb sind wir für ihn. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist schon eine sehr neue Erfahrung, Herr Christier, dass Sie sich um die Senatorin und ihr Standing Sorgen machen und dass Sie über Ihren Vorschlag, Kaispeicher A und Philharmonie zu realisieren, dieser Senatorin helfen wollen,
aus Ihrem angeblichen bundesweiten Tief herauszukommen. Sie befindet sich im Übrigen heute auf einer Dienstreise. Aber ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass sie ihren Staatsrat Behlmer nicht als eine angemessene Alternative zu ihr in der Vertretung empfinden.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Dirk Kienscherf SPD: Die reist aber viel!)
Nicht alles, was Herr Christier gesagt hat, ist falsch. Im Gegenteil, 90 Prozent dessen, was Sie sagen, kann ich wirklich uneingeschränkt teilen. Sie haben Recht, es ist eine faszinierende Idee, auf dem Kaispeicher A eine Philharmonie zu realisieren. Sie haben auch Recht mit der Überlegung, die heißt, es erinnert an Sydney, aber es ist nicht Sydney. Genau dieser Effekt ist es aus meiner Sicht, der diese Idee auch sehr reizvoll macht.
Im Gegensatz zu Ihnen sehe ich allerdings, dass durch die Idee von Frau Horáková, zu sagen, wir brauchen eine zweite Philharmonie, auch wenn man die Idee „AquaDome“ nicht realisieren will, der Anstoß gegeben worden ist, hierüber überhaupt nachzudenken. Sie beklagen, dass man dieses ja seit Jahren weiß. Was haben Sie eigentlich getan, diese Idee zu realisieren? Nein, Frau Horáková hat gesagt, wir brauchen sie, und will sie in Form eines „Aqua-Dome“ realisieren. Dieser Anstoß und der Sachverhalt, dass man über eine zweite Philharmonie erstens und über den Standort HafenCity zweitens für diese Philharmonie nachdenken kann und darf, kommt von dort.
Diese Denkmöglichkeit zu eröffnen, war schon ein ganz wichtiger Anstoß. Aber die Konsequenzen dieses Anstoßes müssen wir natürlich auch sehen. Wichtig ist, die Notwendigkeit zu überprüfen. Sie haben sie bejaht. Ich glaube auch, dass es die Notwendigkeit einer zweiten Philharmonie gibt. Dass Sie das jetzt erkennen, nachdem Sie in der Opposition sind, ist eine ganz wichtige Erkenntnis, die man gelegentlich, das gebe ich zu, in der Opposition leichter gewinnt, als wenn man regiert.
Der zweite Punkt ist, ob es denn machbar ist. An welchem Punkt auch immer, ob am Magdeburger Hafen oder am Kaispeicher A. Ob es besser ist, Kultur am Magdeburger Hafen in der HafenCity zu konzentrieren oder, wenn man sie in der HafenCity haben will, sie zu dezentralisieren. Das spräche für den Kaispeicher A und hätte im Übrigen meine Sympathie.
Der dritte Punkt, der zu klären ist, ist der wichtigste. Wie ist es eigentlich mit der Finanzierung. Denn zu glauben, dass die Investoren einem das Ding schenken, ohne dass es dafür eine Gegenleistung gibt, das erinnert mich zu sehr an Mutter Teresa als an die Marktwirtschaft. Daher sage ich:
Pass auf, wenn irgendjemand mit Geschenken kommt, und sieh dir genau an, was es eigentlich bedeutet, diese Geschenke anzunehmen. Da sind wir doch alle gewahrschaut, was die Deichtorhallen angeht. Das war ein Geschenk von Herrn Körber. Wer das eigentlich in der Folge bezahlt, wissen wir alle. Wir sitzen ja hier, um es zu bezahlen. Das muss man schon sehr genau abwägen. Was ich davon mitbekommen habe ist: Geschenkt ist es jeden
falls nicht. Es kann immer noch richtig sein, dass es sich lohnt, es zu machen, aber geschenkt ist es jedenfalls nicht.
Der vierte Punkt ist, dass die Philharmonie an dieser Stelle der Stadt nicht nur ein kulturpolitisches, sondern natürlich auch ein stadtentwicklungspolitisches Thema ist. Es hat diese stadtentwicklungspolitischen Aspekte, die man genau durchdenken muss. Das geht vom Verkehr zur Frage: Wie schaffen wir eigentlich an dieser Stelle, am Kaispeicher A, Attraktivität für die Stadt auch über 20 Uhr bis 22 Uhr hinaus? Da muss man zum Beispiel darüber nachdenken, ob man eigentlich den vorhandenen Kaispeicher A in seiner jetzt vorhandenen Substanz wirklich nur als Parkhaus nutzen will und setzt etwas obendrauf oder ob es nicht eigentlich auch Verschenken von vorhandener Substanz ist, einfach nur zu sagen, dort kommt ein Parkhaus hinein. Da kann auch etwas entstehen, was über 18 Uhr, 19 Uhr bis 22 Uhr hinaus an diesem Standort Attraktivität sichert. Darüber müssen wir auf jeden Fall nachdenken.
Eine Fülle von Fragen, die wir meiner Meinung nach vorher klären sollten. Ich gebe zu, dass mir persönlich die Idee hervorragend gefällt, und bin von der Idee begeistert, an dieser Ecke der Stadt eine so hafentypisch und Hamburg-typisch vorhandene Substanz wie den Kaispeicher A, den man sich nirgendwo auf der Welt mit diesen schießschartenartigen kleinen Fenstern vernünftig vorstellen kann, dadurch aufzuwerten, dass man dieses Highlight obendrauf setzt. Ich finde das eine gigantische Idee. Aber zwischen der Bauchaussage „Das ist ein tolles Auto!“ und
der Verstandesentscheidung „Das kaufe ich mir!“ liegen einige Hürden. Und die Höhe dieser Hürden muss man ausloten. Das wollen wir tun und sehen, ob es, wenn wir feststellen, wie hoch die Hürden liegen, Möglichkeiten gibt, diese Hürden zu überwinden. Ich persönlich fände es gut, aber ich sehe die Hürden noch nicht überwunden. Daran lassen Sie uns aber miteinander arbeiten. Ich glaube, es nützt der Stadt, so etwas anzuschieben und wenn möglich auch zu realisieren. Wir laden Sie herzlich ein, sich daran zu beteiligen. Bei aller Auseinandersetzung, die wir haben, Herr Christier, ist dieses ein erfreulicher Schritt, den Sie hier unternommen haben.
(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP sowie bei Walter Zuckerer SPD und Dr. Willfried Maier GAL)