Protocol of the Session on May 21, 2003

(Ingo Egloff SPD: Es bleibt uns auch nichts erspart! – Gegenruf von Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Na, na!)

Dr. Wieland Schinnenburg FPD: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sowohl die Grünen als auch die SPD haben wieder so viele Punkte angerissen. Ich erspare es mir, auf alle einzugehen, aber einige Punkte, die mich erschrocken gemacht haben, wollte ich doch erwähnen.

Sie kommen immer wieder mit der völlig verfehlten Keule, wir würden angeblich zu wenig für Migranten tun. Ich sage Ihnen, wer viele Jahre in dieser Stadt viel zu wenig für Migranten getan hat: Das waren nämlich Sie, meine Damen und Herren. Sie haben es zugelassen, dass es in dieser Stadt Ghettos mit einem unglaublich hohen Ausländeranteil gibt, in denen kein Deutsch gesprochen wird. Sie haben es zugelassen, dass es in Hamburg Grundschulen gibt, in denen über 90 Prozent der Schüler kein Deutsch sprechen können.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: Kommen Sie mal zum Thema!)

Das geht zulasten dieser Schüler, das geht zulasten der deutschen Schüler und das geht zulasten der Lehrer. Das haben Sie zu verantworten und das haben Sie uns so hinterlassen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Dann kommen Sie wieder damit, es gäbe kein Konzept für Obdachlose. Wer hat uns denn so viele Obdachlose hinterlassen? Das waren Sie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Wer hat es uns hinterlassen, dass in dieser Stadt eine Schuldnerberatung notwendig ist, die aber lange Wartezeiten hat? Das waren Sie. Wir sind dabei, das

durch Privatisierung und durch Einschaltung der Verbraucher-Zentrale zu verbessern. Wir tun etwas.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Oder das Landesgleichstellungsgesetz. Sie lamentieren, es wäre noch nicht da. Die rotgrüne Bundesregierung hat dreieinhalb Jahre gebraucht, um ein Bundesgleichstellungsgesetz zu verabschieden. Da haben wir noch ein bisschen Zeit, aber wir werden das mit Sicherheit ein bisschen schneller machen als Sie.

Ich werde das nicht weiter ausführen, aber ein Punkt ist nun wirklich erschreckend. Frau Dräger hat ernsthaft gesagt, auf Bundesebene werden finanzielle Spielräume geschaffen. Nichts könnte falscher sein. Nach der neuen Steuerschätzung fehlen 126 Milliarden Euro. Finanzminister Eichel ist von vorne bis hinten gescheitert. Er hat nicht einen Cent übrig. Im Gegenteil. Er hat ein gewaltiges Minus angehäuft. Es gibt weder im Bund noch für uns finanzielle Spielräume.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Ingo Egloff SPD: Sind Sie denn für Steuererhöhungen, Herr Schinnenburg?)

Die von Ihnen mit einer völlig verfehlten Wirtschaftspolitik verursachte hohe Arbeitslosigkeit ist nicht nur für die Menschen schlecht, sie belastet in unglaublichem Maße auch den Hamburger Haushalt. Meinen Sie, wir geben gern zig Millionen zusätzlich für Sozialhilfe aus? Nein, das tun wir nicht, wir würden das Geld lieber sparen, wir würden es lieber für Kitas, für Schulen, für Wissenschaft oder für Wirtschaftsförderung ausgeben.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Sie würgen unseren Haushalt mit Ihrer verfehlten Bundespolitik. Das ist der Punkt, meine Damen und Herren. Sie können sich nicht herausreden.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Ingo Egloff SPD: Sie klagen, dass zu wenig Steuern da sind, dann tun Sie etwas!)

Bezeichnend ist wieder das, was Herr Kerstan zu den Steuern sagte. Das Sozialsystem sollte durch Steuern finanziert werden. Das ist doch wieder eine ganz nette Formulierung, ein Täuschungsmanöver. Sie wollen die Steuern erhöhen.

Die Ökosteuer war nichts anderes als eine verkappte Steuererhöhung für ganz andere Zwecke. Der nächste Ansatz ist, das müssen Sie Ihren Wählern ehrlich sagen, sofern Sie sie noch haben werden, dass Sie die Steuern unter dem neuen Deckmantel Finanzierung der Sozialsysteme erhöhen wollen. Das ist Ihre Politik. Das ist nicht für die Bürger schlecht, das ist für Wirtschaft schlecht und Hamburg schadet das auch. Das geschah unter Ihrer Verantwortung.

(Christian Maaß GAL: Lüge, Lüge!)

Wir machen es besser. Wir versuchen, Ihre katastrophalen Fehler wenigstens teilweise auszugleichen, und Sie werden uns nicht daran hindern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Ingo Egloff und Dr. Andrea Hilgers, beide SPD: Gar nichts tun Sie!)

Herr Braak, Sie haben das Wort.

(Ingo Egloff SPD: Er hat noch zwei Zettel über! – und weitere Zurufe)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das war keine Drohung, es war ein Versprechen und kein Versprecher.

Sozialhilfe darf kein Lebensstil sein, sondern sollte immer als zweite Chance begriffen werden. Wenn Arbeitslosenhilfe – so heißt es jetzt in einem Kompromiss zur Agenda 2010 – nur stufenweise auf Sozialhilfe abgesenkt werden soll und bei Privatvermögen Freigrenzen eingerichtet werden sollen, frage ich, was passiert, wenn die unterste Stufe erreicht und der oder die Arbeitslose ohne eigenes Verschulden bis zum Rentenanspruch auf allerniedrigstem Niveau auf staatliche Hilfe angewiesen ist.

Die Agenda von Schröder und Co. brauchen wir nicht, schon gar nicht eine, die auf das Jahr 2010 ausgelegt ist. Wir brauchen jetzt das Aufzeigen von Erfolgswegen, da wir gar nicht wissen, wie Deutschland im Jahre 2010 aussehen wird, es sei denn, wir orientieren uns an Weissagungen des Herrn Nostradamus.

Alles, was in Berlin vorgelegt wird, hat mit einer zukunftsorientierten Wirtschaftsordnung nichts zu tun. Es ist ein Herumdoktern an Symptomen, ohne erkennbaren Willen zur echten Reform. Es kann aber auch sein, dass die Reformer in Berlin gar nicht wissen, dass es sich dabei eigentlich um eine Neuordnung handeln soll, die angestrebt werden muss.

Wir müssen die Spaltung unserer Gesellschaft in arbeitende Menschen und Arbeitslose überwinden. Das ist die entscheidende soziale Frage.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Wir sollten eine Beschäftigung für alle anstreben.

(Erhard Pumm SPD: Arbeit für alle!)

Nein, Beschäftigung. Sie haben mich falsch verstanden.

Was spricht eigentlich dagegen, wenn alle, die Geld aus den öffentlichen Kassen beziehen, Dienste für die Allgemeinheit verrichten, entsprechend ihren Fähigkeiten und Qualifikation, bei Berücksichtigung des Alters und der Leistungsfähigkeit des Einzelnen?

(Michael Neumann SPD: Denken Sie daran, Sie kriegen Ihre Diäten auch aus der öffentlichen Kasse. Vergessen Sie das nicht!)

Herr Neumann, Sie verstehen zu wenig davon.

Was wir brauchen, sind Leistungsanreize. Wer arbeitet, soll mehr haben als der, der nicht arbeitet. Ob 1 Euro pro Stunde zusätzlich zur Hilfe genügend Anreiz bietet, da es lediglich eine Aufwandsentschädigung ist und kein Zusatzverdienst, sollte natürlich auch noch einmal auf den Prüfstand.

Das unsoziale Verhalten ist die schwarz betriebene Arbeit, da hier keine Solidaritätsbeiträge geleistet werden. Beschäftigte Sozialhilfeempfänger sollten durch umfassende Beschäftigungsprogramme an Schwarzarbeit gehindert werden. Dann haben sie nämlich gar keine Zeit schwarzzuarbeiten.

(Jens Pramann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Genau! und Beifall)

Außerdem sollten für sie Beiträge eingezahlt werden.

(Gesine Dräger SPD: Dann legen Sie das Konzept vor!)

Der große Wurf kann nur dann gelingen, wenn wir alle umdenken und alle beteiligt werden. Die Zeit des Ausgrenzens und des Alleinseligmachens muss vorbei sein. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Das Wort hat Herr Dr. Maier.

Meine Damen, meine Herren! Die Debatte, wie sie hier verläuft, die Form, in der Vorwürfe vorgebracht werden, ist ein Indiz dafür, dass das Land noch nicht reif für Reformen ist. Es liegt so viel Polemik im gegenseitigen Vorwurf, dass sich überhaupt kein Versuch dahinter verbirgt, zu einer Einigung in der Sache zu kommen.

Und es ist eigentlich zu spät, noch so zu diskutieren. Wenn Herr Rutter beispielsweise sagt, eine Verschiebung der Rente dürfe nicht infrage kommen und irgendwelche Einschnitte sollten nicht sein, und Herr Braak sagt, wir bräuchten gar keine Einschnitte und gleichzeitig aber mehr Mut fordert: Ja, wofür denn dann eigentlich Mut? Die Frage des Mutes ist doch, ob wir bereit sind, Ansprüche, die einerseits wohl erworben sind, die wir aber gleichzeitig nicht mehr finanzieren können, tatsächlich zurückzunehmen.

Sie können auch nicht so tun, als sei das ein Problem der SPD. Wie sind Sie denn im Bundestagswahlkampf angetreten? Sie hatten die Zentralparole "3 mal 40 Prozent". Einkommensteuer nur bis 40 Prozent. Das heißt, Sie haben eine weitere Lohnsteuersenkung über das Jahr 2005 hinaus versprochen. Sie haben gesagt, 40 Prozent Lohnnebenkosten. Gleichzeitig wollten Sie aber die Ökosteuer abschaffen. Das heißt, Sie haben versprochen, auch diesen Bereich zu senken. Gleichzeitig haben Sie aber versprochen, keine Leistungen zu kürzen. Und dann haben Sie gesagt, Sie wollten die Staatsquote auf 40 Prozent senken. Die ist jetzt bei knapp 49 Prozent. Das waren reine Luftbuchungen, vor allen Dingen, weil Sie gleichzeitig einen Wahlkampf mit Kindergelderhöhungen auf wer weiß was für Größenordnungen geführt haben. Das sind meiner Wahrnehmung nach verantwortungslose Wahlkämpfe gewesen, nämlich verantwortungslose Wahlkämpfe in Situationen, die das alles nicht mehr hergegeben haben.

Heute macht Herr Stoiber dasselbe. Herr Stoiber erklärt, über eine Verschiebung der Rentenerhöhung dürfe überhaupt nicht geredet werden. Auch die Kindergeldgeschichten würden weiter eine Rolle spielen.