Protocol of the Session on March 5, 2003

Peter Rehaag, Senator 2069 A

Beschlüsse 2069 B

Antrag der Fraktion der GAL:

Die Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung einschließlich der Polizeiausbildung in die Hochschule für angewandte Wissenschaften eingliedern – Drs 17/2272 – 2069 B

Dr. Willfried Maier GAL 2069 C, 2072 D

Dr. Martin Schäfer SPD 2070 B

Carsten Lüdemann CDU 2070 C

Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive 2071 C, 2073 B

Leif Schrader FDP 2072 C

Beschlüsse 2073 C

Bericht des Jugend- und Sportausschusses:

Entwurf eines Gesetzes zur Angebotsentwicklung und Finanzierung der Kindertagesbetreuung in der Freien und Hansestadt Hamburg Einführung des Kita-Gutscheinsystems – Drs 17/2262 – 2073 C

mit

Antrag der Fraktionen der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive:

Kleinkindbetreuung und Konnexitätsprinzip – Drs 17/2208 – 2073 C

Dr. Wieland Schinnenburg FDP 2073 D, 2080 B

Thomas Böwer SPD 2074 D, 2079 D

Marcus Weinberg CDU 2076 A

Stephan Müller Partei Rechtsstaatlicher Offensive 2077 B

Sabine Steffen GAL 2077 D

Rudolf Lange, Senator 2078 C

Beschlüsse 2080 C, D

Beginn: 15.03 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet und ich begrüße Sie ganz herzlich.

Heute vor 70 Jahren, am Abend des 5. März 1933, wehte die Hakenkreuzfahne vom Balkon des von den Nationalsozialisten besetzten Hamburger Rathauses. SA und SS waren auf dem Rathausmarkt aufmarschiert. Als Fanal, als Symbol für die Übergabe der städtischen, staatlichen Gewalt an die Nationalsozialisten wirkte es, dass nach der Schließung der Wahllokale zur Reichstagswahl der Rumpfsenat sich der ultimativen Forderung der Hitler-Regierung unterwarf und auch in Hamburg die Polizei einem nationalsozialistischen Reichskommissar unterstellte.

Ein Abschied von der Demokratie, ein Schritt dem Abgrund entgegen, der Unterdrückung, Verfolgung und millionenfachen Mord bedeuten sollte.

Fünf Wochen vorher, am 30. Januar 1933, war Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler ernannt worden, eine Entscheidung, die den Feinden der demokratischen Republik und einer rechtsstaatlichen Verfassung die Macht übertrug. Von Stund an konnten sich die Nationalsozialisten der Regierungsapparate bedienen, das Deutsche Reich auf scheinbar legaler Basis ihrem Zug um Zug entwickelten und etablierten Terror unterwerfen und die demokratischen Strukturen binnen kurzem förmlich erdrosseln.

Zwar waren zur Reichstagswahl, die am 5. März 1933, also heute vor 70 Jahren, stattfand, noch alle Parteien zugelassen. Es sollte indes das letzte Mal sein. Und „frei“ war bereits diese Wahl nicht mehr zu nennen.

Hitler und seine Gefolgsleute hatten die ihnen übertragene Regierungsmacht vielmehr genutzt, um politische Gegner binnen Monatsfrist aufs Verachtungswürdigste zu diffamieren, die Pressefreiheit entscheidend zu beschneiden und die Parteiarbeit, vor allem die der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei, erheblich einzuschränken. Abgeordnete des Reichstags und der Landesparlamente waren ohne Grund und unter Bruch der Immunität verhaftet worden.

Auch in Hamburg endete in jenen ersten Märztagen 1933 die Zeit der demokratischen Verhältnisse. Gleichsam über Nacht wurden auch in Hamburg alle Errungenschaften, auf die der republikanische Stadtstaat stolz sein konnte, förmlich über Bord geworfen.

Zwischen Ausharren und Aufgeben, zwischen Hoffnung und Resignation, Demokratie und Diktatur, in diesem Spannungsfeld hatte sich Anfang 1933 der geschäftsführende Senat befunden, der seit 1931 nicht mehr über eine Mehrheit in der Hamburgischen Bürgerschaft verfügte.

Hitlers Machtübernahme am 30. Januar begegnete der Senat abwartend. Er leistete zwar den Anordnungen der Reichsregierung – etwa beim Vorgehen gegen die KPD – Folge, verkannte aber die Möglichkeiten, demokratische Verhältnisse zu wahren. Erst als die Nationalsozialisten das Verbot des „Hamburger Echo“, der Parteizeitung der Hamburger SPD, verlangten, traten die SPD-Senatoren am 3. März 1933 zurück. Zwei Tage später legte auch der schwer erkrankte Bürgermeister Carl Petersen von der Deutschen Staatspartei sein Amt nieder, am 6. März erklärte Paul de Chapeaurouge, Deutsche Volkspartei, seinen Austritt aus dem Senat.

Der Rücktritt der Regierungsmitglieder mag Ausdruck der Resignation, der Hoffnungslosigkeit gewesen sein. Deutlich wird aber auch, dass der Schritt sehr wesentlich durch die von den Nazis betriebene Aufhebung der Pressefreiheit mit ausgelöst wurde. Ohne die Möglichkeit, sich gegen Verleumdung und Korruptionsvorwürfe zur Wehr zu setzen, ohne jede Möglichkeit, die eigenen Wähler zu informieren und zu mobilisieren, sah man sich der NS-Propaganda, mithin einer manipulierten und korrumpierten öffentlichen Meinungsbildung, hilflos ausgeliefert. Recht behalten sollten diejenigen, die vor den Nationalsozialisten gewarnt hatten.

Am 8. März 1933 trat die Bürgerschaft zusammen, um einen neuen Senat unter Führung der Nationalsozialisten zu wählen, und die Demokraten konnten zum letzten Mal ihre Stimme gegen die Nationalsozialisten erheben. In einer mutigen Rede stellte der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Hans Podeyn, fest, dass jetzt „eine Periode der Verfolgung und des Terrors“ begonnen habe. Angesichts der NS-Propaganda gegen politische Gegner und der Aufhebung von Grundrechten erklärte Podeyn, dass sich die SPD-Fraktion nicht an der Wahl des Senats beteiligen werde. Die Abgeordneten der KPD, deren führende Vertreter bereits verhaftet waren, blieben der Bürgerschaftssitzung fern. Bei der Vereidigung des neuen Senats wies der Bürgerschaftspräsident Herbert Ruscheweyh die Regierungsmitglieder auf den Spruch hin, der jeden grüßt und mahnt, der das Rathaus betritt: „Libertatem quam peperere maiores digne studeat servare posteritas. – Die Freiheit, die schwer errungen die Alten, die Nachwelt möge sie würdig erhalten.“

Die Nationalsozialisten scherten sich nicht um ihren Eid, der Verfassung die Treue zu halten und die Gesetze zu achten. Auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes wurde mit dem „Vorläufigen Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ vom 31. März 1933 die Sitzverteilung in der Hamburgischen Bürgerschaft den Ergebnissen der Reichstagswahl vom 5. März 1933 angepasst. Die Mandate der KPD wurden dabei gestrichen. Jetzt verfügten die Nationalsozialisten und ihre Verbündeten auch in Hamburg über eine Mehrheit in der Bürgerschaft.

Schon auf der konstituierenden Sitzung am 10. Mai 1933 erklärte NS-Bürgermeister Carl Vincent Krogmann mit den Worten: „Eine Verantwortung des Senats gegenüber der Bürgerschaft besteht nicht mehr“, das Parlament für überflüssig. Damit war die Bürgerschaft ihrer Kontrollfunktion, eines der wichtigsten Elemente in einem demokratischen Regierungssystem, beraubt. Im Oktober 1933 wurde die Bürgerschaft wie alle anderen Länderparlamente offiziell abgeschafft.

Zwölf Jahre konnten die Nationalsozialisten ihr Terrorregime aufrechterhalten, ohne kontrolliert zu werden, ohne öffentlich Rechenschaft über ihr Handeln ablegen zu müssen. Das Resultat ist bekannt: Unterdrückung, Verfolgung, Folter und millionenfacher Mord, organisierter Krieg und die Zerstörung unserer Stadt.

Auch in Hamburg begannen die Nazis sofort mit der Verfolgung politisch Andersdenkender. Am 31. März 1933 ordnete der Senat die Einrichtung eines besonderen Lagers für politische Gefangene an. Es entstand Anfang April 1933 in der Torfverwertungsfabrik Wittmoor bei Glashütte. Unter den Verfolgten und Ermordeten befanden sich 20 Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie gehörten der KPD, der SPD, der Staatspartei und der Wirtschaftspartei an.

Meine Damen und Herren! Eine Diktatur funktioniert durch den Terror weniger, die Demokratie lebt vom Engagement vieler. Ich appelliere deshalb an alle Hamburgerinnen und Hamburger: Setzen Sie sich ein für Toleranz und Solidarität, engagieren Sie sich in Vereinen, Initiativen und Parteien, stärken Sie die Demokratie durch Ihr Handeln.

Den Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Wir sind gewählt worden, um die Geschicke des Landes zu lenken. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass uns über die Parteigrenzen und über die Meinungsverschiedenheiten hinweg die Grundlagen einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung verbinden. Ob Abgeordnete der Regierungsparteien oder Mitglieder der Opposition, über uns allen hat die Frage zu stehen, ob unser Handeln der Festigung, der Sicherung und der Stärkung der demokratischen Verhältnisse dient. Es ist an uns, für die Demokratie zu arbeiten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen dann zur

Aktuellen Stunde

Dazu sind fünf Themen angemeldet worden, und zwar von der GAL-Fraktion

Hamburger Kulturpolitik: Die Stadt stöhnt, die Republik lacht

von der FDP-Fraktion

Freiheit und Bürgerrechte schützen – staatliche Folter ächten

von der SPD-Fraktion