Protocol of the Session on February 5, 2003

der angeblich zu hohen Sozialhilfe die Fehlkalkulation der Fallzahlen kaschiert werden soll.

Frau Senatorin, Sie haben, als Sie Ihren Haushaltsplan für 2003 vorgestellt haben, gesagt, dass Sie davon ausgehen, dass die Anzahl der Sozialhilfeempfänger um 2,5 Prozent gesenkt werden könne und dass Sie dadurch 20 Millionen Euro einsparen können. Das ist Ihnen nicht gelungen. Sie haben damals auch gesagt, dass Sie insgesamt an den Leistungen nicht kratzen würden. Jetzt haben Sie sich verkalkuliert und müssen das Geld wieder hereinholen und das versuchen Sie zurzeit gerade. Aber wie Sie es machen, das halten wir für sehr, sehr bedenklich.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat jetzt Herr Dr. Schinnenburg.

(Ingo Egloff SPD: Jetzt wird es liberal!)

In der Tat, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, jetzt wird es liberal und mutig.

(Ingo Egloff SPD: Das kann schlimm werden!)

Meine Damen und Herren! Bei Diskussionen über die Sozialhilfe machen es sich die meisten Menschen doch einigermaßen leicht. Die einen erklären selbst die Diskussion als solche schon für schändlich. Das haben wir gerade von Frau Freudenberg wieder gehört, schließlich ginge es um die Ärmsten und darüber dürften wir überhaupt nicht diskutieren. Es gibt auch andere, die meinen, dass man als Sozialhilfeempfänger ohne große Anstrengungen in Saus und Braus leben könne.

Meine Damen und Herren! Beide Ansichten sind natürlich völlig falsch.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Im Übrigen mussten wir von Frau Bestmann mal wieder ein typisches rotgrünes Sprachmonster anhören. Ich habe es mitgeschrieben: Loslösungspolitik, meine Damen und Herren. Sie verlangen von uns, dass wir Menschen loslösen aus dem Absturz, in den Ihre Bundesregierung die Menschen erst gebracht hat. Das ist doch der Punkt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Was die Sozialhilfe angeht, geht es darum, über Umfang und Art der Sozialhilfe sachlich zu diskutieren

(Ingo Egloff SPD: Dann tun Sie das doch!)

und insbesondere zu prüfen, ob das Verhältnis zum Arbeitseinkommen noch stimmt. Fangen wir doch einmal an.

Da gibt es zunächst einmal den Regelsatz von, ich sage mal grob, 300 Euro.

(Petra Brinkmann SPD: 292 Euro!)

Ja, Frau Brinkmann, das haben Sie schön auswendig gelernt. Der ist nicht sonderlich hoch. Mit Sicherheit liegt der auch niedriger als das, was Vollzeitarbeitnehmer in unteren Lohngruppen verdienen. Aber jetzt hören Sie doch einmal genau zu, Frau Bestmann und Brinkmann. Welcher Arbeitgeber zahlt denn zusätzlich zu dem Einkommen die Miete? Welcher Arbeitgeber zahlt zusätzlich die Heizkos

ten? Welcher Arbeitgeber zahlt zusätzlich eine Bekleidungspauschale? Ich kenne keinen. Welcher Arbeitgeber zahlt zusätzlich einen Sonderzuschuss für Schwangerschaftsbekleidung? Welcher Arbeitgeber zahlt zusätzlich eine Baby-Erstausstattung? Welcher Arbeitgeber zahlt zusätzlich eine Sonderzahlung bei Erstbezug einer Wohnung? Welcher Arbeitgeber zahlt die Kosten für eine Wohnungsrenovierung? Welcher Arbeitgeber zahlt die Kosten für Elektrogeräte im Haushalt? Welcher Arbeitgeber zahlt die Kosten für Klassenfahrten?

(Unmutsäußerungen bei der SPD und der GAL)

Ich will es mir ersparen, die Liste ist noch wesentlich länger. Lesen Sie es nach in Paragraph 21 Bundessozialhilfegesetz. Das, meine Damen und Herren, ist der Vergleich, den wir ziehen müssen, nicht nur den Regelsatz, das Nettoeinkommen, sondern was darüber hinaus noch gezahlt wird.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Wolfgang Franz SPD: Das ist Äpfel mit Birnen vergleichen!)

Wenn man diese ganzen Zahlungen zusammennimmt, verwundert es nicht, wenn das „Hamburger Abendblatt“ kürzlich in einem Vergleich zum Ergebnis kam, dass Familien mit geringem Einkommen weniger für Kleidung ausgeben als Sozialhilfeempfänger. Das ist doch ein Skandal, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Es wäre sicherlich falsch, alle diese Zuschüsse einfach abzuschaffen, jedoch muss es erlaubt sein zu fragen, ob diese alle sein müssen und ob deren Höhe angemessen ist. Dieses muss nicht nur erlaubt sein, meine Damen und Herren, im Interesse des sozialen Friedens sind solche Fragen sogar dringend erforderlich. Sonst werden wir es bald erleben, dass gering bezahlte Arbeitnehmer auf Sozialhilfeempfänger aggressiv reagieren, meine Damen und Herren.

Politik ist nicht dann sozial, wenn sie Zahlungen an Sozialhilfeempfänger zum Tabu erklärt, sondern dann, wenn sie für Fairness gegenüber den gering verdienenden Arbeitnehmern sorgt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Schließlich darf man nicht vergessen, dass gerade die Geringverdiener oft sehr belastende Tätigkeiten ausüben und vor allem jeden Tag antreten müssen, meine Damen und Herren.

Die Behörde für Soziales und Familie hat sich eine dieser Zusatzleistungen vorgenommen, die Bekleidungspauschale. Nach sorgfältiger Prüfung, in einem Städtevergleich, ist sie zu dem Schluss gekommen, dass die Höhe der Bremer Bekleidungspauschale auch in Hamburg ausreicht. Die FDP stimmt dieser Auffassung zu.

Zur Gerechtigkeit bei der Sozialhilfe gehört im Übrigen auch der Kampf gegen den Missbrauch. Auch hier hat die Behörde gehandelt. Es sei an die Datenabgleiche mit den Rentenversicherungsträgern, den Kfz-Zulassungsstellen oder dem Bundesamt für Finanzen erinnert. Hierdurch wurde ein erheblicher Missbrauch in Millionenhöhe aufgedeckt. Die FDP unterstützt auch diese Maßnahmen.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Bei Herrn Bialas?)

(Dr. Dorothee Freudenberg GAL)

Wir ermuntern die Behörde zu weiteren Maßnahmen in diese Richtung. Hinzu muss allerdings noch ein weiteres Bemühen kommen, nämlich das Bemühen, möglichst viele Sozialhilfeempfänger wieder auf einen Arbeitsplatz im Ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. Dieses muss sowohl mit Sanktionen als auch mit Anreizen erfolgen. Das Ein-EuroProgramm ist in diesem Zusammenhang ein Schritt in die richtige Richtung.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind, geholfen werden muss. Allerdings muss das Gestrüpp von Sonderzahlungen durchforstet werden. Diese dürfen nicht dazu führen, dass Sozialhilfeempfänger mehr Geld zur Verfügung haben als Berufstätige. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat Herr Wersich.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Freudenberg, Ihr Beitrag war ein ideologischer Reflex auf nicht gehaltene Reden der Regierungskoalition.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Frau Bestmann, auch Ihr Beitrag war – ehrlich gesagt – nichts. Es gab keine Analyse, es gibt kein Problembewusstsein und es gibt keine Alternativen der SPD-Fraktion. Auch das müssen wir hier feststellen.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive)

Ihr Kritikpunkt ist die steigende Zahl von Sozialhilfeempfängern. Meine Damen und Herren, ich kann es nur wiederholen: Im Moment erleben wir, wie in Deutschland die Wirtschaft und privaten Haushalte durch Ihre Politik abgewürgt werden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Steigende Sozialhilfebezieher sind eine Folge Ihrer Politik.

Meine Damen und Herren, was Senatorin Schnieber-Jastram macht, ist völlig richtig. Dieses Land braucht und will Reformen und die neue Koalition handelt. Der Sozialdatenabgleich, die Bekleidungspauschale, die Kooperation mit dem Mieterverein, das Eintreiben von Unterhaltszahlungen von flüchtigen Vätern und die Krankenhilfe sind Beispiele, dass nicht nur geredet, sondern gehandelt wird.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ich möchte das Beispiel der Krankenhilfe, da ich davon ausgehe, dass auch Herr Petersen dazu gleich noch etwas sagt, noch einmal hervorheben. Wir haben im Jahr 1998 einen Antrag der SPD gehabt, in dem steht, dass die Bundesregierung dafür sorgen soll, dass die Krankenhilfebezieher in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden sollen. Dieser Antrag aus dem Jahre 1998 sollte auf Bundesebene umgesetzt werden. Fünf geschlagene Jahre sind seitdem vergangen und nichts ist passiert.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Frau Schnieber-Jastram hat jetzt gesagt, wenn der Bund nicht handelt, dann gründen wir im Zweifel eine eigene Krankenkasse. Da kommt der Reflex von Frau Brinkmann: Ist doch alles Quatsch, wir machen das schon. Meine Damen und Herren, wir können nicht fünf oder zehn Jahre warten, bis die SPD in Berlin handelt. Wir müssen in Hamburg handeln und das tut Frau Schnieber-Jastram.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)