Protocol of the Session on December 11, 2002

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wenn Sie denn davon sprechen, die Hausaufgaben wurden nicht gemacht, Herr Christier, dann kann es nicht angehen, dass ein Intendant in aller Seelenruhe die aktuelle Saison 2002/2003 mit einem Defizit von 62 000 Euro beginnt und das, nachdem er die letzte Saison mit einem Defizit von 1,5 Millionen Euro abgeschlossen hat. In zwei Spielzeiten hat der Intendant des ehemals größten deutschen Sprechtheaters die Summe von 2,5 Millionen Euro über das Budget hinaus in den Bühnenboden versenkt. Das ist doppelt so viel wie das Altonaer Theater in den letzten acht Jahren an Subventionen überhaupt bekommen hat, über das Budget hinaus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Herr Christier, ich muss mir nicht jedes Spiel von HSV und St. Pauli angucken, um festzustellen, dass die schlecht spielen. Da genügt ein Blick auf den Tabellenplatz, den die einnehmen, und hier sind die Zahlen der Tabellenplatz.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Dieses Theater hat in den letzten beiden Spielzeiten hintereinander weniger Zuschauer gehabt, als es in der schlechtesten Saison des Vorgängers hatte. Dieses Theater hatte noch nie so wenig vollzahlende Zuschauer wie jetzt, nur etwa die Hälfte. Aber Glückwunsch, dem Intendanten ist es gelungen, die Zahl der Plätze in dem Theater zu reduzieren, was dann relativ die Auslastungsquote auch bei schlechten Zuschauerzahlen erhöht. So kann man das eben auch machen.

(Rolf Kruse CDU: Das ist Statistik!)

Meine Damen und Herren! Mit ganz ruhigem Gewissen blickt der Intendant dieses Hauses darauf, dass zum Ende des Jahres auch noch neue Tarifrunden in seinem Haus anstehen. Das war erlaubt, die Rücklagen zu verbraten, damit wir uns nicht falsch verstehen. Aber ich nenne es unverantwortlich, das angesichts dieser Lage zu tun. Jeder Geschäftsführer mit solchen Bilanzen hätte längst seinen Platz geräumt. Aber – Gott sei Dank – die Kulturpolitik Hamburgs wird nicht allein von der Dickköpfigkeit Einzelner bestimmt. Aber es muss klar gesagt werden: Staatlich geförderte Kunst ist nicht das Instrument der künstlerischen Selbstbefriedigung, sondern sie hat Aufgaben, die eben von dieser Bühne nicht erfüllt werden. L’art pour l’art kann man betreiben, wenn man sie selber bezahlt.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Aber es gibt ja auch tolle Gegenbeispiele in dieser Stadt: Die nur gering subventionierten Privattheater oder Kunstinitiativen, die gar keine Förderung erhalten, gehören dazu. Sie prägen die kulturelle Landschaft in Hamburg entscheidend mit. Auch aus Fairness ihnen gegenüber können und wollen wir uns Nischen, wo unkontrolliert Speck angesetzt worden ist, nicht mehr leisten. Das sind wir denen schuldig.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ein gutes Beispiel für intensive und erfolgreiche Werbung für ein Haus und für Sponsorensuche ist neben anderen Museen vor allen Dingen auch das Museum für Kunst und Gewerbe mit seinem Chef Wilhelm Hornbostel. Er ist erfolgreich, weil er sich um die für sein Museum wichtigen Menschen in dieser Stadt kümmert. Der Intendant des großen Staatstheaters mag die Bauwagenbewohner für wichtig halten und sich um sie kümmern und bemühen. Was die Geschmacklosigkeit angeht, die er der Senatorin im Zusammenhang mit dem Terrormuseum vorwirft, kann ich nur sagen: Dieser Intendant mag auch seine eigene Meinung zu den Attentätern des 11. September haben und ein Forum dafür bieten, sie nicht als brutale Mörder, was sie sind, sondern als bemitleidenswerte Menschen darzustellen. Das mag er alles gerne tun, aber bitte erst in seiner Freizeit, nachdem er sein Haus in Ordnung gebracht und sich um sein Haus gekümmert hat und in seinem Verantwortungsbereich dafür gesorgt hat, dass die Zahlen stimmen: Zuschauerzahlen, Eintrittspreise und Budgets.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Meine Damen und Herren, wenn er diese Aufgabe ernst nimmt, dann bin ich mir sicher, dass er für seine Freizeitgestaltung nur noch relativ wenig Zeit haben wird.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Die Freiheit der Kunst, um das deutlich zu sagen, ist ja nicht bestritten. Ich halte es mit Lothar Späth, der sagt: „Ich respektiere die Freiheit der Kunst, ich mache mich doch nicht lächerlich, wenn ich postuliere, dass Kunst nur dann Kunst ist, wenn ich sie verstehe.“ Recht hat er. Aber das bedeutet doch nicht, dass jeder Kunstschaffende daraus den Anspruch auf staatliche Förderung dessen, was er selber zur Kunst erklärt, ableiten kann. Das funktioniert mit uns nicht.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Jürgen Flimm hat gesagt: „Ich bin Künstler auf Lebenszeit und ich bin Manager auf Zeit.“ Recht hat er mit beiden Teilen seiner Aussage.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Für die künstlerische Selbstbefriedigung und die Extravaganzen Einzelner und auch deren Nebentätigkeit haben die Bürger und die Regierung, unsere Regierung, erst dann Verständnis, wenn die wirtschaftliche Situation der anvertrauten Häuser über jeden Zweifel erhaben ist. Erst dann, das ist die Reihenfolge.

Was den Geschmack von Ehlers angeht, Herr Christier, vielleicht wäre das, was ich Kopulationstheater genannt habe, sogar meiner, aber nicht in einem Staatstheater. Das ist der Punkt, Herr Christier.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Glocke)

Herr Abgeordneter, für das Wort rufe ich Sie zur Ordnung.

Ich habe mich, Frau Präsidentin, zitiert.

(Dr. Willfried Maier GAL: Das muss zitierbar sein!)

Der verantwortungsvolle Umgang mit Haushaltsmitteln umfasst wesentlich die Kontrolle der Ausgaben. Dazu zählt die Kontrolle dessen, was mit der Förderung erreicht wird. Nachdem die Kulturförderung in Hamburg, vor allem der Stadtteilkultur, jahrzehntelang und sorgenfrei ein relativ unkontrolliertes Dasein führen konnte, werden wir nun sorgfältiger prüfen, was da im Einzelnen gefördert wird. Anstatt das wenige Geld in ein Fass ohne Boden zu versenken, werden wir nachfragen, zu welchem Zweck die Fördermittel eingesetzt werden. Es reicht eben nicht, Geld an die Bezirke zu geben, die damit dann ihre Schäfchen pflegen und die gewohnte Klientel versorgen.

(Michael Neumann SPD: Das ist doch auch Ihre Bezirksversammlung!)

Wir werden verstärkt Projektförderung betreiben und die Projekte prüfen, bevor, Herr Neumann, wir sie fördern. Wir wollen im Gegensatz zu den vorherigen Regierungen klare Konzepte sehen und dann geben.

(Christian Maaß GAL: Was hat denn Herr Neumann damit zu tun?)

Weil er dazwischengerufen hat; damit zu tun hat er – Gott sei Dank – nichts. Da haben Sie Recht.

Bevor wir die Mittel geben, wollen wir also die Konzepte sehen, und im Bereich der Stadtteilkultur scheint uns dies mehr als angebracht. Es wird bei uns, anders als bei Ihnen bisher üblich, nicht mehr allein ausreichen, Vorhaben oder Initiativen nur mit dem Zusatz „Frauen“ oder „Öko“ zu versehen, um sie fast automatisch förderungswürdig zu machen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

In diesem Zusammenhang, Frau Senatorin, empfehle ich Ihnen, sich einmal das Harburger Frauenkulturhaus anzuschauen, um zu sehen, ob dort überhaupt das mit viel Geld geförderte Café betrieben wird oder ob Sie sich nicht die Zuwendungen wieder zurückholen müssten. Ich weiß auch

(Karl-Heinz Ehlers CDU)

schon – das sage ich Ihnen nachher, Frau Senatorin –, wen Sie besser zur Kontrolle dort nicht hinschicken.

Meine Damen und Herren, Tabuisierung über Etiketten wird es nicht mehr geben.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Weil sich die wachsende Stadt als europäische Kulturmetropole etablieren will – und das gehört zum Anspruch dieses Senats –, darf sie nicht den Vergleich zu einer Geschichtswerkstatt in der Stadt Grünspan an der Knatter suchen, sondern muss sich mit anderen Metropolen messen. Dieser neue Ansatz hat mit dem Untergang der Kultur in Hamburg überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil, er sichert dessen Zukunft. Dieser Bürgersenat hat in einem Jahr Regierungszeit für die Kultur der Stadt Vorhaben realisiert, für die Sie nicht einmal eine Idee, geschweige denn Konzepte hatten:

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Umbau der Deichtorhallen, die in Zukunft die bedeutende Fotosammlung Gundlach beherbergen wird, zu einem wichtigen Zentrum zeitgenössischer Fotokunst. Den Domplatz, diese Wunde des letzten Krieges, haben Sie jahrzehntelang als Parkplatz bluten lassen. Wir werden diesen Platz neu gestalten und mit kulturellem Leben erfüllen. Unter diesem Gesichtspunkt muss wohl dann auch der Sinn einer Zwischenverlagerung der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen noch einmal geprüft werden. Oder die international bekannte Sammlung Tamm erhält in der alten Seefahrtsschule eine ihr angemessene Ausstellung. Wir investieren 30 Millionen Euro für ein richtungsweisendes Konzept der Public-private-partnership, das im nächsten Jahr begonnen wird.

In einer guten Kombination privater Initiative und staatlicher Förderung schaffen wir für dieses Kleinod der Hamburger Kultur eine würdige Fassung, ein maßgeschneidertes Haus. Ein Mensch wie Herr Tamm vertraut diesem Senat und dieser Stadt sein Herzblut an und wir sind stolz darauf und revanchieren uns mit einem Haus für diese Kleinodien, die er gesammelt hat.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Dass die Handelskammer die Chance bekommt, auf der Veddel eine Auswanderungshalle, ein Auswanderungsmuseum zu realisieren, sei nur am Rande erwähnt. Wir realisieren neben dem Anbau für die Oper am angestammten Platz – eine richtige Entscheidung des alten Senats – eine neue Musikhalle in der HafenCity und setzen auch von Anfang an hier in diesem neuen Stadtteil ein kulturelles Highlight. Das sind Beispiele für attraktive Kulturpolitik, meine Damen und Herren, bereits nach einem Jahr Bürgersenat.

Herr Maier, ich nehme an, nachdem ich Ihre Presseerklärung gelesen habe – Herr Christier hat das eben deutlich gemacht –, dass Sie es sich da bekanntlich einfacher machen. Es gab in Teilen auch in der Vergangenheit durchaus richtige Entscheidungen und Maßnahmen. Das zu bestreiten, wäre weder fair noch richtig. Die Museen wurden selbstständig gemacht, das Gebäudemanagement professionalisiert. Aber dann haben Sie Hamburg finanziell an den Abgrund gefahren. Sie haben gefördert, ohne zu fordern, und heute fordern Sie, ohne zu wissen, wie es bezahlt werden soll. Das zeigt, wie inhaltslos Ihre Kritik ist.

Wenn Herr Maier davon spricht, dass die Stimmung der Kulturszene „irgendwo zwischen hoch gereizt und fatalistisch auf der nach unten offenen Ablehnungsskala“ sei, so kann er zumindest die Filmförderung nicht gemeint haben, zu der er ja ein besonders enges Verhältnis hat.

(Christa Goetsch GAL: Das ist eine Unverschämt- heit!)

Meine Damen und Herren, Herr Christier hat sogar eine krisenhafte Stimmung ausgemacht. Ich möchte einmal wissen, wo das denn wohl sein soll? Sie, meine Damen und Herren, lehnen leider den Kulturhaushalt ab, wohl, weil Sie glauben, das gehöre sich so für die Opposition. Wir lehnen Ihre Anträge ab, nicht, weil es sich so gehört, sondern weil sie nichts taugen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Herr Hardenberg.