Protocol of the Session on November 14, 2001

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Schutzbedürfnis dieser Menschen ist in den letzten Jahren nicht ernst genug genommen worden. Wir werden daher unverzüglich Maßnahmen einleiten, die dem Schutzanspruch dieser Menschen gerecht werden. Wir werden deshalb kurzfristig für eine erhebliche Ausweitung der uniformierten Präsenz sorgen. Wir werden bisher für andere Aufgaben eingesetzte uniformierte Angestellte und Beamte verstärkt zur Bewachung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einsetzen.

(Anja Hajduk GAL: In Blau!)

Wir werden die örtliche stationäre Polizeipräsenz in bislang unterversorgten Gebieten erhöhen, und wir werden entschieden gegen die öffentliche Drogenszene – sei es Konsum oder Handel – vorgehen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Nebenbei geht es auch hier um den Schutz der Schwachen. Es geht nämlich darum, junge Leute vor Kontakt mit Dealern zu schützen, aber auch den Süchtigen zu helfen. Weggucken hat nichts mit Weltoffenheit und Liberalität zu tun. Wer meint, Weggucken sei die richtige Antwort, hat nichts verstanden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Gleichzeitig wird es uns darum gehen, die Justiz handlungsfähiger zu machen. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Strafjustiz.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

(Erster Bürgermeister Ole von Beust)

Auch der Inhaber einer kleinen Firma, der statt eines teuren Inkassodienstes auf die Justiz und die Vollstreckung der Urteile vertrauen muss, hat den Anspruch darauf, schnell – auch im Interesse seiner Firma – zu seinem Recht zu kommen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Die Terrorismusbekämpfung hat dabei für die Koalition auch aus aktuellem Anlass eine hohe Priorität. Viele Menschen fühlen sich nicht zu Unrecht bedroht und der Umstand, dass einige der Attentäter von New York und Washington mit Hamburg in Berührung standen, legt uns hier eine besondere Verpflichtung und Verantwortung auf. Durch Unterstützung von Initiativen auf Bundesebene, die bessere Ausstattung des Landesamtes für Verfassungsschutz und die Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten der Polizei wird Hamburg alles in seiner Kraft Stehende tun, um die Terrorismusgefahr einzudämmen. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger verlassen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Was die Aufgaben des Staates gerade zum Schutz der Schwachen und vor Gewalt angeht, wissen wir, dass Repression das eine und Prävention das andere ist. Ich glaube zwar nicht, dass Prävention dazu führt, dass es nur noch gute Menschen gibt. Sie kann aber dazu führen, dass zumindest einiges an Spannungen und Gewalt rechtzeitig abgebaut und verhindert werden kann. Dabei geht es in erster Linie darum, gerade Menschen, die aus Stadtteilen mit großen sozialen Problemen kommen, Chancen und Identität in ihrem Stadtteil zu geben.

Eine soziale Stadtteilentwicklung, die aber immer einhergehen muss mit der ortsansässigen Wirtschaft und der Schaffung von Angeboten im Bildungs-, kulturellen und im Freizeitbereich, ist uns wichtig. Wir anerkennen dies ausdrücklich als öffentliche Aufgabe, die aber erheblich mehr als bisher von vorhandenen Institutionen, Vereinen und Verbänden vernetzt wahrgenommen werden muss.

Daneben ist die beste Prävention eine berufliche Perspektive. Wer keine Chance hat auf Erfolg im Leben, ist besonders gefährdet. Nicht nur aus diesem Grunde, sondern weil Arbeit auch Würde und Selbstverwirklichung schafft, ist für uns eine Umkehr in der Beschäftigungspolitik von allergrößter Bedeutung.

Die neue Zuständigkeit bei der Wirtschaftsbehörde hat daher für uns nicht nur Symbolcharakter, sie bedeutet auch einen Kurswechsel in der Arbeitsmarktpolitik. Statt der Stabilisierung der Menschen im so genannten Zweiten Arbeitsmarkt wollen wir eine schnelle Eingliederung in den Ersten Arbeitsmarkt erreichen. Das ist unser Ziel.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Beschäftigungspolitik heißt für uns, überall dort, wo es geht, die Rahmenbedingungen des Ersten Arbeitsmarktes so zu verbessern, dass diejenigen, die bislang keine Chance hatten, einen dauerhaften Arbeitsplatz erhalten. Dazu können Lohnkostenzuschüsse dienen, aber auch gemeinsam mit der Wirtschaft arbeitende Träger. Entscheidend ist, dass für jeden ein individuelles Programm erarbeitet wird und nicht teure und meist pauschale und erfolglose Großprogramme die wirklichen Probleme kaschieren.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

An den gleichen Grundsätzen wird sich auch die Bildungspolitik und in diesem Zusammenhang insbesondere die Schulpolitik der Koalition orientieren. Auch hier gilt das, was ich zur Inneren Sicherheit gesagt habe: Vermögende und Starke haben es einfacher. Eltern, die vermögend genug sind, können sich weltweit jede Ausbildungschance für ihre Kinder erkaufen. Nur eine hervorragende öffentliche Bildung kann verhindern, dass schon aus diesem Grunde Startchancen für junge Menschen ungerecht verteilt werden. Bildung als öffentliche Aufgabe dient daher nicht nur der Wissensvermittlung und Erziehung, sondern hat eine wichtige Funktion zur Schaffung von Chancengerechtigkeit.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Unser Hauptaugenmerk richtet sich dabei zum einen auf die grundsätzliche Qualitätssicherung, indem wir durch die Einstellung neuer junger Lehrer und die Erweiterung der Vertretungsreserven eine garantierte Unterrichtsversorgung auf hohem Niveau sicherstellen wollen. Zum anderen sollen insbesondere Haupt- und Realschulen in die Lage versetzt werden, durch ein verbessertes Angebot endlich wieder attraktiv zu werden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Deren Schulabgänger sollen bei den Arbeitgebern endlich wieder auf besonderes Interesse stoßen können. Um dieses finanzieren zu können, bedarf es einer gerechteren Mittelverteilung zwischen den Schulformen. Konkret: Die Bevorzugung der Gesamtschulen gegenüber den Hauptund Realschulen wird bei der Mittelzuweisung grundsätzlich beendet werden. Wir werden hier endlich für Gerechtigkeit sorgen.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Im Sinne des oben Gesagten bedeutet der Wechsel in der Bildungspolitik auch, dass Leistungswillige und Leistungsstarke besser zum Zuge kommen sollen. Wir werden daher die Möglichkeit des Leistungsbeweises durch Einführung von Abschlüssen in den Haupt- und Realschulen einführen, die Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre verkürzen, in den Kernbereichen die Vergleichbarkeit des Abiturs herstellen und die Hoch- und Spezialbegabtenförderung vorantreiben. Auch das ist notwendig.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wer von Wissensgesellschaft spricht, darf diese nicht erst bei den Hochschulen beginnen lassen, sondern muss in den Schulen dafür die notwendigen Grundlagen legen.

Dabei ist Bildung mehr als Wissen. Ergänzend zur reinen Vermittlung des Wissens legen wir großen Wert auf die Vermittlung der Werte, die für das menschliche Zusammenleben unverzichtbar sind und zur gemeinsamen europäischen Tradition gehören.

Wir wollen uns besonders um die Menschen kümmern, die familiär schwierige Startchancen haben. Machen wir uns nichts vor, diejenigen jungen Menschen, Schülerinnen und Schüler oder angehende Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht die deutsche Sprache gelernt haben, oder diejenigen, bei denen die Eltern oder allein die erziehenden

(Erster Bürgermeister Ole von Beust)

A C

B D

Elternteile kaum Zeit haben, sich um die Kinder zu kümmern, haben schwierigere Startchancen als andere. Nach dem Grundsatz, Hilfe auf die zu konzentrieren, die wirklich Hilfe brauchen, werden wir daher den Sprachunterricht im vorschulischen Bereich besonders in Vierteln mit hohem Anteil nicht deutschsprachiger Kinder ausbauen. Wir werden bei Kindern mit schlechten Deutschkenntnissen frühzeitig Sprachfördermaßnahmen einleiten, damit bei der Einschulung Defizite ausgeglichen und beseitigt werden können. Wir werden die Elternbeiträge zur Kindertagesbetreuung insgesamt gerechter gestalten mit dem Ziel, sie gänzlich abzuschaffen. Diese Familien brauchen unsere Hilfe.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das sind unsere erklärten Schwerpunkte. Uns ist bewusst, dass dies Geld kosten wird,

(Barbara Duden SPD: Ja!)

auch wenn einige dieser Maßnahmen nicht durch den Staat selber, sondern durch Eigeninitiative oder freie Träger ausgeführt werden könnten. Wer diese Ziele aber will, muss akzeptieren, dass dieses nur durch Umstrukturierung aus anderen Bereichen erreicht werden kann. Das ist uns aber klar.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch zwei Bereiche ansprechen, die mir besonders am Herzen liegen:

Die Gleichstellung behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen ist für die Koalition mehr als nur eine rein programmatische Zielsetzung. Wir wollen versuchen, dieses auch zu realisieren. Dabei geht es unter anderem um eine möglichst umfassende Barrierefreiheit im Bau- und Verkehrsbereich und den barrierefreien Zugang behinderter Menschen zu den aktuellen elektronischen Informationsmedien. Um dieses erreichen zu können, suchen wir den engen Kontakt zu den Betroffenen und ihren Verbänden.

Im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen ist viel über den Umgang mit Obdachlosigkeit diskutiert worden. Auch hier gilt für uns der Grundsatz: Jeder, der Hilfe braucht und haben will, soll Hilfe erhalten. Wir wollen daher die Verknüpfung von sozial- und wohnungspolitischen Maßnahmen, die bedarfsgerechte und den jeweiligen Notlagen angepasste Organisation der Hilfen und eine möglichst abschließende Lösung von Wohnungsnotfällen.

Die Durchführung dieser Aufgaben kann und soll der Staat nicht alleine machen. Wir benötigen hierfür eine dezentrale Trägervielfalt, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden und eine Abkehr von einem Verschiebebahnhof sozialer Maßnahmen hin zu einer Begleitung aus einer Hand zu erreichen. Aber ich sage auch: Diejenigen, die Hilfe ablehnen, können daraus nicht das Recht ableiten, sich überall in der Stadt zu Schlaf- oder quasi Wohnzwecken aufhalten zu dürfen. Das ist die andere Seite der Medaille.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wer Hilfe braucht und wer Hilfe annimmt, wird sie bekommen. Wer sie aber nicht annimmt, muss damit rechnen, dass wir in der Stadt den Grundsatz der öffentlichen Ordnung nicht aus den Augen verlieren werden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Wir wollen Hamburg gemeinsam mit der Region und darüber hinaus im Ostseeraum zur führenden Metropole entwickeln. Hamburg ist über die Stadtgrenze hinaus auf gute und gleichberechtigte Zusammenarbeit angewiesen. Dabei geht es nicht nur um die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern, sondern genauso stark um die unmittelbare Zusammenarbeit mit den angrenzenden Gemeinden, Kreisen und Städten. Ich will, dass wir uns – unabhängig von den Landesgrenzen – als eine Region verstehen. Dabei sollten über die Ziele des Regionalen Entwicklungskonzeptes hinaus auch neue Instrumentarien der Zusammenarbeit geprüft werden, wie zum Beispiel die Gründung von Zweckverbänden zur Lösung gemeinschaftlicher Aufgaben. Vielleicht sollte trotz der Landesgrenzen auch einmal das Parlament darüber nachdenken, wie die parlamentarische Zusammenarbeit in der Region besser geregelt werden kann. Bei alledem muss es nicht um die Schaffung einer neuen Bürokratie gehen. Bei aller Partnerschaft mit den Landesregierungen der Nachbarländer bin ich davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit in der Region auch am besten in der Region selbst zu gestalten ist.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Darüber hinaus wünschen wir uns eine enge Zusammenarbeit mit dem Land Berlin. Das Wort von der „strategischen Allianz“ ist hier oft strapaziert worden. Der Ansatz ist aber richtig: Die beiden größten deutschen Metropolen trennt eine Entfernung, auf der in anderen Kontinenten Ballungszentren entstehen. Das schnelle verkehrliche Zusammenwachsen von Hamburg und Berlin hat für uns erste Priorität. Aber auch in den Bereichen Tourismus, Kultur, Wissenschaft und Forschung kann ich mir eine erheblich engere Zusammenarbeit vorstellen. Diese enge Zusammenarbeit liegt nicht nur finanziell im Interesse beider Städte, sondern auch im Hinblick auf die strategischen Entwicklungschancen in der gesamten Region. Ich meine damit die Ostseeregion.