Es gibt nichts anderes, als die Notbremse zu ziehen, wenn man um der Qualitätsentwicklung – das war ja der Sinn und Zweck der Nachfrageorientierung – der Kindergärten willen diese Kita-Card einführen will. So können Sie es nicht machen. Das haben Sie wirklich verbaselt. Wir haben das Chaos und die totale Verunsicherung der beteiligten Eltern. – Danke.
(Beifall bei der GAL und der SPD – Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: Es wird durch Wiederholung nicht besser!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst auf Folgendes eingehen: Frau Goetsch und Herr Böwer haben beide gesagt, notwendige Voraussetzung des Kita-Gutscheinoder Kita-Card-Systems wäre ein Platzausbau. Nur dann könne das System funktionieren. Das ist genau falsch. Gerade wenn wir einen Mangel an Plätzen haben, müssen wir von der Planwirtschaft wegkommen und ein marktwirtschaftliches System einführen, um die vorhandenen Plätze optimal zu nutzen. Das ist gerade der Fehler, den Sie machen, meine Damen und Herren.
Es darf gerade nicht sein, wenn es zu wenig Plätze gibt, dass Plätze in Kitas leer stehen, weil die an den falschen Stellen und in dem falschen Umfang angeboten werden. Gerade wenn wir einen Mangel an Plätzen haben, muss dringend ein marktwirtschaftliches System wie das KitaGutscheinsystem eingeführt werden.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive – Burkhardt Müller- Sönksen FDP: Opposition muss alles finanzieren!)
Nun zu Ihrem Antrag. Ich bin sehr dankbar, dass Sie diesen Antrag eingereicht haben, denn, das wollen wir anerkennen, Sie haben – vielleicht ungewollt – einen bemerkenswerten Sinneswandel vorgenommen. Zunächst kannte ich von Herrn Böwer bisher immer die Äußerung: Wenn wir die Wahl haben, wollen wir die Elternbeiträge senken oder die Plätze ausbauen, dann steht für uns an erster Stelle Platzausbau im Vordergrund. Das werfe ich Ihnen nicht vor. Die Meinung kann man vertreten. Sie haben sie so vertreten. Lese ich jetzt aber Ihren Antrag, fordern Sie sowohl den Platzausbau als auch die Herausrechnung des Kindergeldes. Ein bemerkenswerter, aus meiner Sicht richtiger Sinneswandel. Das ist der erste Sinneswandel, den Sie gebracht haben. Sie haben Ihre oft uns vorgeworfene Meinung jetzt übernommen.
Der zweite Punkt, das haben Sie sicher selber schon gemerkt, ist: Die Forderung nach Nichtberücksichtigung des Kindergeldes hat der Senat bereits umgesetzt. Noch interessanter sind die Zahlen, die Sie in diesem Antrag nennen, denn auch daraus ergibt sich, wenn man ein bisschen nachdenkt – bitte folgen Sie mir, rechnen Sie mit –, dass viele Ihrer bisherigen Äußerungen schlicht und ergreifend nicht mehr aufrechterhalten werden. Die erste Behauptung, die Sie immer wieder – auch in der „taz“ und in anderen Zeitungen – erhoben haben, war, die Herausrechnung des Kindergeldes kostet etwa 7 Millionen Euro. In Ihrem Antrag lese ich nur noch 5 Millionen Euro. Da haben Sie schon wieder Recht, aber dann müssen Sie auch anerkennen, dass Sie bisher Unrecht hatten. Auch da sind sie uns gefolgt.
Sie haben ferner gesagt, wenn man das Kindergeld nicht mehr als Einkommen wertet und deshalb die Elternbeiträge senkt, kostet das Plätze. Auch das ist eine Ihrer häufigen Behauptungen gewesen, die auch Frau Goetsch heute wiederholt hat. Auch diese Forderung haben Sie aufgrund der Zahlen, die Sie in Ihrem Antrag vorgelegt haben, selber widerlegt.
Ich rechne es Ihnen vor. Sie nennen als Ganzjahreskosten für die Kindergeldherausrechnung nur noch 5 Millionen Euro. Jetzt kommt es: Durch die Umstellung des Elternbeitragssystems erwarten Sie nämlich Mehreinnahmen von 3,125 Millionen Euro. Die Zahl steht da nicht. Sie kommt folgendermaßen zustande: Sie sagen, der Ausbau, den Sie fordern, kostet 14,5 Millionen Euro. Weitere 5 Millionen Euro kostet die Nichtberücksichtigung des Kindergeldes. Für das Gesamtjahr sind es 19,5 Millionen Euro. In fünf Monaten, da es erst am 1. August 2003 eingeführt wird, sind das 8,125 Millionen Euro. Aber Sie haben für den Haushalt nur eine Mehrforderung von 5 Millionen Euro erhoben. Das ist die Differenz von 3,125 Millionen Euro. Das heißt also, auch Herr Böwer kommt jetzt zum Ergebnis: Trotz der Kindergeldherausrechnung fehlt kein einziger Platz. Im Gegenteil. Wir haben durch Effizienzsteigerung über 3 Millionen Euro mehr in der Kasse. Herr Senator Lange wird Ihnen nachher vorrechnen, dass es sogar noch mehr sind. Aber Sie erkennen auf einmal genau das, was wir gesagt haben. Die 3 Millionen Euro Mehrkosten für die Nichtberücksichtigung des Kindergeldes in 2003 erwirtschaften wir. Das haben Sie uns jetzt hervorragend vorgerechnet. Vielen Dank für diese Rechnung.
Es wird also im Gegensatz zu den Äußerungen von Frau Goetsch, selbst nach Ihren Zahlen, keinen Platzabbau geben. Im Gegenteil. Es wird sogar mehr Plätze geben.
Dennoch müssen wir diesen Antrag leider, Herr Müller wies schon darauf hin, ablehnen, denn angesichts der Haushaltslage können wir einen Antrag nicht akzeptieren, der 5 Millionen Euro Mehrausgaben fordert, aber nicht einmal eine Silbe über die Deckung verliert. Das können wir nicht akzeptieren. Wenn Sie einen vernünftigen Deckungsvorschlag bringen, bringen Sie den Antrag wieder ein. Ich prophezeie Ihnen, wir werden ihn beschließen, aber ohne Deckungsvorschlag können wir diesen Antrag nicht beschließen.
Nun hat Herr Böwer auch noch einiges Grundsätzliche gesagt. Er hat einen Pakt für Kinder vorgeschlagen; dazu möchte ich noch etwas sagen. Ich halte es grundsätzlich für eine sehr gute Idee, wenn Politiker, Regierung und Opposition nicht um des Streites willen streiten, sondern versuchen, im Sinne der Bürger zusammen etwas zu erreichen. Ich halte es im Bereich der Kitas für eine besonders gute Idee, da, aus welchen Gründen auch immer, eine Verunsicherung besteht. Ich teile die Beurteilung von Herrn Weinberg, dass Sie diese selbst hervorgerufen haben, aber lassen wir das einmal offen. Es besteht Verunsicherung und deshalb besteht Interesse an einer gemeinsamen Lösung. Die Idee ist grundsätzlich gut, aber ein Antrag ohne Deckungsvorschlag ist Ihr einziges Angebot. Den zurückziehen zu wollen, das sage ich Ihnen ganz offen, das ist überhaupt keine Leistung. So ein Antrag ist eh nicht beschlussfähig, und das als Gegenleistung anzubieten, ist keine Gegenleistung; der erste Fehler.
Der zweite Fehler: Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass gestern der Schleswig-Holsteinische Landtag auch über den Haushalt für die schleswig-holsteinischen Kitas beschlossen hat. Wie Sie sich vielleicht erinnern, gibt es im dortigen Landtag eine rotgrüne Mehrheit.
Nun hat Schleswig-Holstein in diesem Bereich leider einen deutlich schlechteren Versorgungsgrad als Hamburg. Dort
wäre ein noch größerer Bedarf vorhanden, aber was haben Ihre Parteifreunde gemacht? Nichts haben sie gemacht, der Etat wird nicht um einen Euro erhöht, so ist heute in der Zeitung zu lesen. Ihre Parteifreunde in Schleswig-Holstein beweisen, dass das in der Tat schwierig ist. Wir stimmen ja zu, nur, behaupten Sie dann doch nicht, durch Ihre Mitarbeit groß Geld an Land bringen zu können.
Ganz besonders schlimm ist der Verweis auf die 1,5 Milliarden Euro, die angeblich vom Bund kommen sollen. Ich hatte bereits in der vorigen Debatte erwähnt, dass diese Behauptung der Bundesregierung nichts anderes als eine Mogelpackung ist.
Die 1,5 Milliarden Euro vom Bund gibt es nicht. Es wird keinen Haushaltstitel im Bundeshaushalt für Kitas oder Krippen geben, es wird nur eine reine Luftnummer geben. Es wird gesagt, was ihr durch die Hartz-Vorschläge spart, könnt ihr für Kitas oder für Krippen ausgeben. Die Zahlen sind äußerst zweifelhaft und zum anderen operiert der Bund wieder mit Geld von den Ländern. Alle Ihre Vorschläge für den gemeinsamen Pakt für Kinder sind halt nicht durchgreifend.
Dennoch – das sage ich hier ganz deutlich und offen – können wir noch heute Verhandlungen über eine gemeinsame Lösung beginnen. Wir sind bereit, jederzeit konstruktive Vorschläge aufzunehmen. Ich verspreche Ihnen, dass kein einziger Vorschlag nur deshalb abgelehnt wird, weil er von der Opposition kommt. Im Gegenteil, wir sind sehr erfreut, wenn von Ihnen konstruktive Vorschläge kommen, aber – darauf wiesen Herr Müller und Herr Weinberg bereits hin – leider war dies bisher nicht der Fall. Bisher waren Ihre Vorschläge, wenn es überhaupt welche waren, nur destruktiv, denn, Frau Goetsch, das haben Sie vielleicht bei Ihren anderen Aufgaben nicht mitbekommen, die Bewilligungskriterien sind nicht etwa geheime Kommandosache. Seit einer Pressekonferenz von Senator Lange im Juli 2002 sind die Bewilligungskriterien allen Hamburgern bekannt; das stand auch in allen Zeitungen. Seit einigen Wochen meckert Herr Böwer daran herum – das ist ja sein gutes Recht –,
nur konstruktiv wird es erst dann, wenn er selber eigene Bewilligungskriterien vorschlägt, und das ist bisher nicht passiert.
(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Machen wir es wie Herr Neumann, in der letzten Sekunde einen Vor- schlag!)
Herr Böwer, wenn Sie sagen, wir möchten gerne die Migranten fördern, können wir gerne darüber reden, wenn Sie gute Argumente haben. Dann müssen Sie aber auch sagen, welche andere Gruppe dafür benachteiligt werden soll. Wenn Sie das machen, kommen wir noch heute ins Gespräch.
Nun ist es aus meiner Sicht in der Politik wichtig, nie nachtragend zu sein. Ich werde Ihnen nie wieder vorwerfen, dass Sie bisher destruktiv waren, wenn Sie sofort konstruktiv sind, aber eines kommt nicht in Betracht: das ganze Gesetz auf Eis zu legen.
Dieses System – das erkennen Sie sogar selber an – ist ein gutes System, ein viel besseres System als bisher in Deutschland.
Zunächst entscheidet der Elternwille und nicht mehr eine Planbehörde. Flexibilität statt Planwirtschaft kennzeichnet dieses System.
Es wird mehr Effizienz geben, wie selbst Herr Böwer – vielleicht ungewollt – ausgerechnet hat. Wir nutzen die Steuergelder sinnvoller aus, es gibt mehr Wettbewerb. Ich bekomme – das haben Sie vielleicht noch nicht mitbekommen – fast täglich Nachfragen aus anderen Bundesländern, übrigens auch aus SPD-regierten Bundesländern, ob man nicht ein paar Unterlagen schicken könnte, das System wäre offenbar so toll, das wollten sie auch kopieren. Das machen wir gerne, ein gutes System soll nicht auf Eis gelegt, sondern umgesetzt werden.
Rotgrün hat dieses Kita-Card-System schon lange genug verzögert und damit auf Eltern, Kinder und übrigens auch den Staatshaushalt keinen guten Einfluss gehabt. Deshalb kein weiterer Zeitverlust, In-Kraft-Treten zum 1. August 2003, konstruktive Vorschläge und Verhandlungen jederzeit, aber nicht um den Preis, dass dieses gute Gesetz noch weiter aufgeschoben wird. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihr Vorschlag, Herr Böwer, erinnert mich an einen amerikanischen Film, den Sie sicherlich auch kennen. Und deswegen würde ich den als ein „Indecent Proposal“ bezeichnen.
Der ist indecent in jeder Hinsicht, Sie bringen nicht einmal das Geld mit, was sonst üblich ist. Sie reden zwar von 75 Millionen, die Sie, wenn Sie in der Regierung wären, Herr Böwer, investieren würden, nur, Sie sind nicht in der Regierung.
oder, um es anders auszudrücken, Sie kommen mir vor wie ein Matrose, der ganz aufgeregt auf der Pier herumläuft, weil sein Schiff schon abgelegt hat, die Gangway eingeklappt ist, die Leinen an Bord sind und es zu spät ist. Das tut mir natürlich Leid für Sie als der Erfinder der Kita-Card, wie wir gerade gehört haben. Dass nun dieses Schiff frisch herausgeputzt ist und unter neuem Kommando fährt, ist natürlich besonders traurig, wenn man diesen Zug verpasst hat,