Protocol of the Session on November 14, 2002

(Wilfried Buss SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

noch nicht mit Ihnen oder allgemein diskutieren können, da wir selber natürlich die entsprechenden Arbeitsergebnisse der Behörde, die in einem Monat vorliegen sollen, noch nicht kennen.

(Michael Neumann SPD: Also am 14. Dezember!)

Insofern, meine Damen und Herren, regen Sie sich doch nicht so auf, dass wir mit Ihnen jetzt noch nicht darüber diskutieren, sondern lassen Sie uns gemeinsam diskutieren, wenn die entsprechenden Vorschläge auf dem Tisch liegen. Das Einzige, was Sie vorhaben – und dieser Versuch ist gescheitert –, ist, dass Sie noch vor den Haushaltsberatungen den peinlichen Versuch unternehmen wollten, hier ein bisschen Stimmung in der Bude zu erzeugen, im Bereich der beruflichen Schulen, um die Sie sich Jahrzehnte nicht gekümmert haben. Dann sagen Sie das doch, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Die sehe ich nicht.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 17/950 an den Schulausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

Dann stelle ich fest, dass die Große Anfrage 17/950 besprochen worden ist.

Wer möchte den Antrag aus der Drucksache 17/1629 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt.

(Britta Ernst SPD)

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 44: Antrag der SPD-Fraktion: Kindertagesbetreuung: Mehr Plätze und weniger Beiträge.

[Antrag der Fraktion der SPD: Kindertagesbetreuung: Mehr Plätze und weniger Beiträge – Drucksache 17/1453 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Böwer.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Herr Böwer, jetzt mal anders als in den 44 Jahren zuvor! Jetzt kom- men Sie!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, die auf den Plätzen der Regierungsfraktionen sitzen, sehr geehrter Herr Senator! Namens der SPD-Fraktion schlagen wir Ihnen heute nicht mehr und nicht weniger vor als einen Pakt für Kinder und ich hoffe, Sie schlagen ein, damit wir gemeinsam eine Kita-Reform auf den Weg bringen, die familiengerecht, die sozial gerecht, die kindgerecht und die nicht zuletzt machbar ist.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Für diesen Pakt, Herr Senator Lange, fordert Sie die SPDBürgerschaftsfraktion auf, Ihren Gesetzentwurf zur KitaReform zurückzustellen und nicht in den Senat einzubringen. Im Gegenzug werden wir unsere Anträge ebenfalls zurückstellen, unsere Expertise in der Sache einbringen, unsere Kontakte auch Richtung Berlin zu nutzen, um die anstehende Reform solide zu finanzieren und zum Nutzen der Kinder und Eltern voranzutreiben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Senator Lange, wenn Sie ehrlich sind, brauchen Sie unsere Hilfe und – ich sage dieses ohne Häme – wir sind bereit zu helfen.

(Beifall bei Michael Neumann SPD)

Die Kita-Reform – so wie Sie sie planen – droht, zu Ihrer nächsten Bildungskatastrophe zu werden.

(Wilfried Buss SPD: Hört, hört!)

Schon vor dem eigentlichen Stapellauf des Gesetzes hier in der Bürgerschaft sind in allen Orten die ersten Rettungsboote gebucht. Ich verweise auf virtuelle Wartelisten in bezirklichen Jugendämtern, ich verweise aber auch darauf, dass die Träger ernsthaft überlegen, ob es angesichts der von Ihnen vorgegebenen Bedingungen noch im Interesse der Kinder und Eltern sein kann, die paraphierte Vereinbarung tatsächlich zu unterschreiben.

Schauen wir uns einfach einmal das an, was Sie in Ihrer Verantwortung im Zusammenhang mit der Kita-Reform vorhaben. Sie verzichten auf den Kita-Ausbau und damit verlieren Sie nicht nur das eigentliche Ziel der Kita-Reform aus den Augen, sondern Sie führen das System ad absurdum. Statt mehr Zufriedenheit durch eine bedarfsgerechte Kita-Versorgung zu erreichen, werden Sie zigtausend Eltern richtig wütend machen,

(Beifall bei der SPD und der GAL)

denn – und darüber sind sich alle Begleiter Ihrer Reformbemühungen einig – Ihre Reform ist nicht familiengerecht und ich will Ihnen sagen warum.

Da sind zunächst einmal die Eltern, die noch keinen KitaPlatz haben und nach dem jetzigen von Ihnen vorgelegten Bewilligungskatalog schwerlich etwas an dieser Tatsache

ändern können. Nach den uns vorliegenden Zahlen der ISKA-Studie fallen etwa 15 000 Kinder unter diese Kategorie, 15 000 Kinder, deren Eltern berufstätig sind, die eigentlich ein Kriterium hätten, einen Platz zu bekommen, den Sie ihnen aber nicht geben wollen. Ich bin gespannt, ob sich die Ihnen jetzt vorliegenden Zahlen – wie ich einer Presseäußerung Ihres Sprechers entnehmen kann – fundamental verändern. Bei 15 000 fehlenden Plätzen können sich Eltern zu Recht Sorgen machen, ob sie nach ihrer Elternzeit nahtlos in den Beruf einsteigen können. Besonders dramatisch – das zeigen die jüngsten Entwicklungen – ist die Situation von Familien mit Kleinkindern. Wir verzeichnen in allen Orten dort, wo man in die Kitas reingeht, eine dramatisch anwachsende Nachfrage von Krippenplätzen. In wirtschaftlich schweren Zeiten – und das ist auch eine der Erklärungen für diesen Trend – müssen Mütter sehr viel schneller wieder in den Beruf einsteigen, nicht nur, um im Job den Anschluss zu halten, sondern auch um mit Ihrem Verdienst zum Familienunterhalt beizutragen. Sie haben bisher in diesem Bereich keinerlei Anstalten gemacht, sich auf diese neue dramatische Situation einzustellen, und das ist schlecht.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Die heutige Generation von jungen Müttern ist mit solchen Verhältnissen sehr unduldsam. Wer nicht ernst macht mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der wird bestraft. Frau Koop hat hier auch eine der Quittungen und Resultate gesehen, weswegen die CDU am 22. September die Bundestagswahlen verloren hat. Aber noch viel dramatischer ist – mit den verlorenen Wahlen der CDU kann ich leben –,

(Vizepräsident Peter Paul Müller übernimmt den Vorsitz.)

dass den Preis für diese unvernünftige Politik einzig und allein die Kinder und ihre Familien zahlen müssen.

(Beifall bei Michael Neumann SPD)

Ihre Reform ist nicht sozial gerecht. Mit den neuen Bewilligungskriterien wird ein Drittel aller Kinder nicht mehr den Kita-Platz bekommen, mit dem ihre Eltern eigentlich rechnen.

Nach Berechnung der Wohlfahrtsverbände, das heißt der Träger der Kitas, wird es spätestens im Jahre 2004 zu einer Verschiebung in der Größenordnung von 20 000 Plätzen kommen. Einige Familien, das gebe ich gerne zu, werden besser dastehen, vor allen Dingen in den mit Kitas unterversorgten Stadträndern von Nienstedten bis Ohlstedt. Auf der anderen Seite allerdings werden Sie in Hamburg mit Ihrer Pseudoreform ein Heer von zu Recht aufgebrachten Eltern mobilisieren, die in weniger guten Verhältnissen leben und die durch kürzere Betreuungszeiten in echte Schwierigkeiten kommen.

Bei 15 000 fehlenden Plätzen können sich arbeitslose Mütter nicht darauf verlassen, dass ihnen, wenn sie erst einen Job gefunden haben, auch schnell ein angemessener Platz zur Verfügung steht. Sie weisen dieser Personengruppe schlichtweg eine Warteliste zu und das ist schlecht.

(Beifall bei der SPD und bei Christa Goetsch GAL)

Die Kinder in den sozialen Brennpunkten, Herr Senator Lange, werden in dieser Reform nicht ausreichend bedacht. Ihre Programme zur Sprachförderung verdienen diesen Namen nicht. Wenn man Ihre Pläne durchrechnet, werden allenfalls ein paar hundert Jungen und Mädchen ein Jahr vor der Einschulung einen Anspruch auf einen

(Vizepräsident Farid Müller)

Ganztagsplatz haben, zu wenig, um eine qualitative Sprachführung zu machen, und zu wenig angesichts der Zahlen, die wir in dem Bereich als Bedarf haben. Das führt mich zu einem nächsten Punkt.

Ihre Reform ist nicht kindgerecht. Wir gehen Ihre Bewilligungskriterien durch.

Es droht nämlich ein ziemlich prompter Kita-Platz-Entzug für Kinder, deren Eltern arbeitslos werden und deren Mütter und Väter in die Elternzeit gehen. Weitaus schneller als ursprünglich geplant und weitaus schneller als in den ganzen Gesprächen, die mit Trägern geführt worden sind, erlischt der Anspruch auf Krippe, Hort und Ganztagsplatz. Dabei ist es eigentlich nicht schwer, sich vorzustellen, dass Kinder, insbesondere in solchen Umbruchphasen wie beim Eintreten der Arbeitslosigkeit der Eltern, vertraute Erzieherinnen und Freunde brauchen.

Ihre Pseudoreform wird ins Chaos führen. Sie und Ihre Beamten stehen vor einer großen Menge ungelöster verwaltungstechnischer Aufgaben. Nach Ihren Planungen müssen in den drei Monaten zwischen April und August 2003 für alle 60 000 Kinder in Hamburg, die bereits im System der Hamburger Kinderbetreuung sind, neue Anträge gestellt und bearbeitet werden. Hinzu kommen schätzungsweise 15 000 Anträge für die Kinder, deren Eltern erstmals einen Antrag stellen.

Ich habe von Ihnen bis zum heutigen Tage kein Wort gehört, was unternommen werden soll, damit man dieses Mammutprojekt überhaupt behandeln kann.

(Rolf Harlinghausen CDU: Von Ihnen haben wir viel gehört, aber es hat nichts geklappt!)

Das wird für Sie, Herr Senator Lange, und für Sie als Regierungsfraktionen ein heißer Kita-Sommer, den Sie sich selbst zuzuschreiben haben.

Senat und Regierungsfraktionen unternehmen nichts, um an dieser Situation etwas zu verändern. Die Verbände, bisher Ihre wichtigsten Bündnispartner, gehen Ihnen langsam, aber sicher von der Fahne, nicht nur, weil sie um die Existenz der Kitas bangen, sondern noch viel schlimmer, sie sind nicht von der Gerechtigkeit Ihrer geplanten Reform überzeugt. Ich sehe an dieser Stelle auch keine Bemühungen vonseiten des Senats oder der Regierungsfraktionen, dieses zu ändern.

Das schmerzt insoweit, als die nachfrageorientierte Steuerung der Kindertagesbetreuung ein gemeinsames Kind dieses Hauses war. Ich will allerdings feststellen: Den Gutschein um des Gutscheins Willen wird es mit uns nicht geben. Der Gutschein war ein Mittel zum Zweck. Er sollte Elternrechte stärken und die Stadt in die Pflicht nehmen, ausreichend Kitas vorzuhalten. Wenn dieser Zweck durch einen von Ihnen kastrierten Bewilligungskatalog nicht mehr gewollt ist, dann können Sie in dieser Frage weder mit unserer Zustimmung noch mit unserem Stillhalten rechnen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)