Protocol of the Session on November 13, 2002

(Ingo Egloff SPD: Wer hat denn das eingeführt?)

Ja, wer hat das denn eingeführt.

(Ingo Egloff SPD: Sie doch nicht!)

Auf Bezirksebene ist das durch eine Volksabstimmung eingeführt worden – wenn ich daran erinnern darf –, gegen Ihren ausdrücklichen Wunsch.

(Ingo Egloff SPD: Wer hat denn dafür gesorgt, dass es diese Volksabstimmung geben kann!)

Was dann dabei herausgekommen ist, weil wir eine Verfassungsänderung brauchten, hat gerade eben nicht gereicht, sodass Ihr Vorschlag im Moment noch geltendes Recht ist. Aber genau dieses geltende Recht wird jetzt benutzt. Das heißt, wenn die Initiative die notwendigen 10 000 Unterschriften gesammelt hat – das ist dieser Tage so weit –, dann wird sich die Bürgerschaft damit auseinander setzen müssen. Dann gibt es das eine oder andere, über das wir reden sollten oder vielleicht auch reden können. Es wäre dann hilfreich, einen gemeinsamen Vorschlag zu unterbreiten. Aber ob der dann Gesetz wird, entscheidet die Bevölkerung, meine lieben Sozialdemokraten, oder die Volksinitiative.

(Beifall bei Burkhardt Müller-Sönksen FDP)

Es wurde hier der Vorwurf vorgebracht, es würden auf diese Art und Weise vielleicht kleinere Parteien versuchen, Parteiinteressen umzusetzen. Wir haben in Bayern sehr, sehr große Möglichkeiten der direkten Demokratie. Wie Sie vielleicht wissen, war das Erste, was die bayerische Bevölkerung seinerzeit gemacht hat, den überflüssigen Senat abzuschaffen, der nur Geld gekostet hat.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der GAL)

Dieser Senat ist ein Exekutivorgan. Das andere war ein Beratungsorgan. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, dass es da eventuelle Gleichheiten geben könnte.

In Bayern hat die FDP sehr nachhaltig sowohl die Möglichkeiten der direkten Einflussnahme der Bevölkerung durch mehr direkte Demokratie unterstützt als auch die Möglichkeiten des Kumulierens und Panaschierens. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen, weil es freie Wählerinitiativen gibt, hat die FDP in Bayern große Schwierigkeiten. Uns kann man bestimmt nicht vorwerfen, wir wür

den nichts für die Bevölkerung tun, sondern nur an uns selbst denken. Im Grunde genommen ist es für die Liberalen immer sehr viel schwieriger, sich vor komplexeren Verhältnissen durchzusetzen. Aber wir machen es trotzdem. Das ist der Anspruch, den man an Politiker und an Parteien haben sollte. Darum lassen Sie uns darüber reden. Das Thema wird wohl im Verfassungsausschuss behandelt werden, wenn die Bürgerschaft es dorthin überweist. Wir wollen sehen, dass wir gemeinsam einen vernünftigen Vorschlag zustande bringen. Dann soll die Bevölkerung entscheiden, was sie will. – Danke.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Das Wort hat Herr Dr. Maier.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! So ziemlich jede Untersuchung, die sich mit politischen Einstellungen in der Bevölkerung befasst, stellt fest, dass die Parteien- und Politikverdrossenheit allgemein zunimmt.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Wir haben das geändert!)

Sie sind bei der letzten Wahlumfrage inzwischen schon auf 4,9 Prozent heruntergefallen. Wenn Sie etwas an Änderungen herbeigeführt haben, dann haben Sie die Verdrossenheit noch einmal gesteigert.

Aber das ist nicht das Problem einer einzelnen, sondern aller Parteien. Es hängt damit zusammen, dass sich in der Bevölkerung eine sehr viel größere Individualisierung der Auffassungen und Meinungen durchgesetzt hat, als sie noch vor zwei Jahrzehnten existierte. Das heißt, die Bevölkerung verhält sich nicht mehr auf Gruppen bezogen und will sich auch nicht mehr in diesen Kollektiven definieren. Die Parteien verlieren Autorität. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Stück ihrer Verantwortung für die Politik weggeben und sich wie Privatleute verhalten. Sie räsonieren und schimpfen, wollen aber keine Verantwortung für ihre eigenen Entscheidungen auf sich nehmen. Das kann man aber nur bekämpfen, wenn man Bürgerinnen und Bürgern mehr Rechte gibt, aber auch die Verpflichtung, sehr weitgehende Entscheidungen individuell zu treffen. Wenn wir Politiker aktive Bürger erziehen wollen, müssen wir dahin gehend Schritte ergreifen. Es ist unsere erste Aufgabe, aktive Teilnahme an der Demokratie zu produzieren.

(Beifall bei der GAL und der FDP – Bernd Reinert CDU: Ich fürchte eher, sie werden zu Passivbür- gern!)

Jetzt muss man zugeben, dass sich die SPD schon ein bisschen bewegt hat. Noch vor Jahr und Tag wollte sie zwar Wahlkreise, aber nur das Einstimmenwahlrecht. Jetzt sind immerhin Wahlkreise mit Zweistimmenwahlrecht in die Ventilierungsphase gehoben worden. Auch das ist ein Stück Bewegung.

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Das dauert immer länger bei der SPD!)

Bei der CDU habe ich den Eindruck, dass die Bewegung noch fehlt, obwohl Frau Ahrons mich sehr hoffnungsvoll gemacht hat. Wir haben in Eimsbüttel zusammen Wahlkampf geführt, beide als Wahlkreiskandidaten.

(Michael Neumann SPD: Beide verloren!)

(Norbert Frühauf Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

Da wir beide nur Wahlkreiskandidaten waren, haben wir uns ausgetauscht. Frau Ahrons sagte, sie sei inzwischen schon durch den Wahlkampf davon überzeugt, dass es eine tolle Sache sei, vor Ort Wahlkampf führen zu können und dafür verantwortlich zu sein. Sie sei für so etwas gewonnen.

Frau Ahrons, machen Sie bei Ihren männlichen Kollegen noch ein bisschen Reklame, dass die sich auch trauen.

(Beifall bei der GAL und der FDP)

Darüber hinaus müsste die CDU aus dem parlamentarischen GAU, den sie 1993 mit der Wiederholung der Bürgerschaftswahl organisiert hat, lernen. Schlimmer kann man als Partei ja gar nicht landen. Sie sind damals aus der 40-Prozent-Region in die 25-Prozent-Region abgestürzt und jetzt erst wieder in die 28-Prozent-Region aufgestiegen.

(Dr. Andrea Hilgers SPD: 26 Prozent!)

Gerade dadurch, dass Sie als Partei intern so besonders unglaubwürdig geworden waren, haben Sie bis heute einen Autoritätsverlust in der Stadt. Dass Sie daraus nicht lernen wollen, ist für mich nach wie vor unbegreiflich. Sie können auch nur durch Demokratie wieder gesunden.

(Beifall bei der GAL und bei Simone Kerlin SPD)

Glauben Sie denn, Sie würden als abgekapselte Alt- oder Jungmännerriege etwas werden? Das ist doch unglaubhaft. Ich gebe zu, dass auch wir Grüne dazu neigen, uns nach innen zu orientieren. Wir haben unsere Kreisverbände, aber wir haben auch die zentrale Fraktion. Das hat manchmal weniger miteinander zu tun, als es sollte. Wenn jetzt der Vorschlag gemacht wird: bewegt euch auf die Leute zu, gebt ihnen mehr Rechte zur Einflussnahme auf die Entscheidung, sind wir gut beraten, uns zu überlegen, was möglicherweise im Einzelnen nicht geht, aber die Grundintention vollständig zu akzeptieren.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der FDP)

Das Wort hat Herr Kruse.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Maier, ich möchte im Zusammenhang mit dem Wahlrecht gern einen Punkt zurückweisen, nämlich die Frage der Politikverdrossenheit. Das ist eine Art „Totschlagargument“ geworden. Mein sehr persönlicher Eindruck als ein alter Wahlkämpfer auch vor Ort ist ein anderer. Wir haben alle zusammen unsere Politik so organisiert, dass kein Bürger oder keine Bürgerin mehr weiß, wer zuständig ist.

(Dr. Michael Neumann SPD: Aber schuld ist der Senat!)

Nehmen Sie den Bundestag oder den Bundesrat, nehmen Sie Bürgerschaft oder die Bezirke, Sie können in Wahrheit nicht mehr beschreiben, welches Gremium – gewählt werden sie ja alle – zuständig ist. Ich glaube, wir müssen, wenn wir an das Thema Politikverdrossenheit gehen, auch hier dringend Reformen haben. Ich bin ein Vertreter für Rechte im Bezirk. Wenn wir uns anschauen, dass die Bürgerbegehren im Bezirk bei ganz genauer Betrachtung der Hamburger Verfassungslage Richtung null laufen, ist das jedenfalls kein Beitrag, Politikverdrossenheit abzuschaffen.

(Zuruf von Dr. Andrea Hilgers SPD)

Es ist sehr spannend, Frau Dr. Hilgers, dass die Bürgerschaft immer dann besonders munter wird, wenn sie über Wahlrecht redet. Das macht mich eher nachdenklich.

Es ist kein Problem für mich, in einen Wahlkreis zu gehen. Das wäre für mich vielleicht immer viel schicker gewesen. Darauf kommt es nicht an.

Ich bitte Sie, Wahlrecht und Politikverdrossenheit ein bisschen auseinander zu halten und jedenfalls in Hamburg dafür zu sorgen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger, wenn sie über Bürgerschaft und Bezirksversammlung abstimmen, einigermaßen sicher sind, wer was darf. Es ist das Wichtigste, bei Wahlen zu entscheiden, wohin ich welche Rechte delegiere. Da muss es dann auch getan werden.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Herr Silberbach.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass zu diesem Thema fraktionsungebundene unterschiedliche Meinungen der Abgeordneten vorgetragen werden; dieses wäre bei anderen wichtigen Themen grundsätzlicher Art ebenfalls angebracht.

Ich möchte nur eines sagen: Das jetzige System, das viele Jahre gehalten hat, kommt bei den Bürgern scheinbar nicht so an, wie es wünschenswert wäre. Viele Bürger sagen heute, die Abgeordneten reden an den Problemen vorbei, wo sind die Abgeordneten vor Ort und vor allen Dingen, wie kommen eigentlich die Abgeordneten auf die Listen, haben sie das so verdient?

(Zuruf von der SPD – Gegenruf von Burkhardt Mül- ler-Sönksen FDP: Der würde auf Ihrer Liste nach vorne panaschiert werden!)

Wir wollen doch einmal ehrlich sein, das betrifft junge und auch alte Parteien. Man kann bei der GAL sehen, wie schnell eine junge Partei alt werden kann.

(Erster Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vorsitz.)

Auch meine Partei wird vielleicht nach kurzer Zeit