Protocol of the Session on November 13, 2002

(Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Da sind ja nur SPD-Abgeordnete drauf, nur Nullen!)

Nein, nein. Die kleinen Nullen – Herr Müller-Sönksen, für Sie als Nachhilfe – sind die Kreise, wo man die Kreuze machen soll.

(Beifall bei der SPD)

Damit aber nicht genug, meine Damen und Herren. Es gäbe dann einen weiteren Stimmzettel. Die Wahl der Bezirksversammlung würde abgetrennt. All das ist aus unserer Sicht problematisch. Wir werden diese Ideen aufgreifen und prüfen. Wir wollen, meine Damen und Herren, keine Chaotisierung des Wahlrechts, keine Verhältnisse wie in den Staaten, wo 15 Tage nach den Wahlen nicht klar war, wer Präsident ist, und man dafür Gerichte bemühen muss. Wir wollen auch keine Begünstigung der Splittergruppen. Ich muss Ihnen ganz offen sagen, dass ich bezweifle, dass die Hamburgerinnen und Hamburger es gerne sehen würden, wenn wir, wie es nach dem Vorschlag bereits gewesen wäre, gleich mehrfach rechtsradikale Parteien auch in der Hamburgischen Bürgerschaft gehabt hätten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wir wollen auch keine italienischen Verhältnisse. Das ganze Land stöhnt unter dem dort geltenden Wahlrecht. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat das einmal zusammengefasst und gesagt, die Stimmungslage im Lande ist so, dass den erpresserischen Zwergparteien durch eine Wahlrechtsreform der Garaus gemacht werden muss. Das ist das Fazit in Italien, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Wird denn etwa die Wahlbeteiligung besser? Ich will Ihnen etwas zum Thema Wahlbeteiligung sagen

(Zuruf von Burkhardt Müller-Sönksen FDP)

ich beantworte keine Zwischenfragen, Herr Müller-Sönksen –, und zwar am Beispiel Hessen, Frankfurt und BadenWürttemberg. Diese Länder und Gemeinden werden ja gerne zitiert. Die Wahlbeteiligung in Hessen hat 1997 bei 66 Prozent und 2001 bei 52,5 Prozent gelegen, in Frankfurt unter 50 Prozent, in Baden-Württemberg bei 53 Prozent.

(Glocke)

Herr Grund, Ihre Redezeit ist um.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns diskutieren, die Parteien müssen aus den Schützengräben, wir müssen uns offensiv stellen und es ist unser Job, eine Wahlrechtsreform vorzulegen, die von der Bevölkerung akzeptiert wird.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Reinert, bevor ich Ihnen das Wort gebe, habe ich durch den Blumenstrauß bei Ihrem Kollegen Herrn Drews gesehen, dass ein kleiner Hinweis auf meinem Sprechzettel fehlt. Herr Drews, Sie haben heute Geburtstag. Dazu wünschen wir Ihnen alles Gute und herzliche Glückwünsche von dieser Stelle.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Reinert, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren dieses Thema ja nicht im luftleeren Raum. Es gibt eine Initiative – darauf ist von den Vorrednern hingewiesen worden –, die das Ziel verfolgt, den Einfluss der Wähler zu stärken, ein zweifellos berechtigtes, legitimes Ziel. Man muss sich in diesem Zusammenhang aber die Frage stellen, ob die vorgeschlagenen Mittel geeignet sind, zu einem qualitativ besseren Parlament zu kommen und vielleicht auch zu einer qualitativ besseren Politik.

(Michael Neumann SPD: Das ist ja schwierig!)

Da sind, Herr Neumann, solange wir an der Regierung sind, sowieso Zweifel angebracht,

(Michael Neumann SPD: Zweifel sind angebracht!)

aber auch Zweifel grundsätzlicher Natur an den Vorschlägen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Wahlkreise allein machen einen Abgeordneten nicht glaubwürdiger und sie machen ihn auch nicht besser. Herr Müller sagte vorhin so schön, es liegt an uns, wo wir uns zugehörig fühlen. Dann gucken Sie doch bitte einmal, Herr Müller, wo in Hamburg die GALAbgeordneten-Büros liegen. Die liegen alle am Speersort 1 und dann gucken Sie sich einmal die anderen Parteien hier im Hause an. Die haben ihre Büros in den Stadtteilen vor Ort, wo die Menschen sind.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der FDP und vereinzelt bei der SPD)

(Uwe Grund SPD)

Es liegt an uns, wo wir uns zugehörig fühlen. Das ist keine Frage des Wahlrechtes. Ich kann auch jetzt Politik für die Leute machen.

Wahlkreise, meine Damen und Herren, erfordern über kurz oder lang ein Vollzeitparlament mit deutlich höheren Kosten und die Initiative schlägt vor, dass wir bei der Abgeordnetenzahl von 121 bleiben, zuzüglich Überhangmandaten und Ausgleichsmandaten. Ich möchte auch die Frage stellen, ob wir wirklich eine größere Bürgerschaft in diesem Lande mit entsprechend höheren Kosten brauchen. Ich bin da sehr, sehr skeptisch. Durch die gegenwärtige Regelung des teil- oder vollberufstätigen Abgeordneten behalten wir immer ein sehr schönes Stück Bodenhaftung und dieses ist, glaube ich, für uns alle hilfreich.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Ein weiterer wichtiger Punkt. Herr Grund hat eben einen Stimmzettel hochgehalten. Herr Grund, der stimmt so nicht.

(Uwe Grund SPD: Doch!)

Nein. In dem Entwurf der Initiative steht, dass auf dem Stimmzettel eine Betriebsanleitung für den Stimmzettel abgedruckt sein muss, also wie man das Ganze nun handhaben soll.

Meine Damen und Herren! Wir reden heute immer auf Neudeutsch über „user friendly“. Auf Konventionelldeutsch heißt das, ein Wahlsystem muss durchschaubar sein, es muss für den Wähler verständlich sein.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Es kommt ein Weiteres hinzu, wenn Sie den Paragraphen 4 genau lesen: Ist es eigentlich für den Wähler durchschaubar, wenn er unter bestimmten Bedingungen mit seinen Wahlkreisstimmen einen Kandidaten der Partei A wählt, aber weil diese Partei im Wahlkreis nicht genügend Kandidaten benannt hat, der Sitz dann an die Partei B fällt, die er absolut verhindern wollte? Das ist eine Unlogik sondergleichen und das ist die Verkehrung des demokratischen Prinzips in ihr Gegenteil. Also mit diesem Entwurf, meine Damen und Herren, kann ich mich nicht einverstanden erklären. Allerdings können wir, sollen wir, werden wir über dieses neue Wahlsystem reden. Wir werden selbstverständlich das Gespräch mit allen Fraktionen dieses Hauses über die Frage, ob die grundsätzliche Struktur unseres Wahlsystems geändert werden sollte, suchen. Ich hoffe, dass es letztlich gelingt, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, die auch von allen Fraktionen dieses Hauses getragen werden kann, denn ein Wahlsystems muss so gestaltet sein – da gebe ich Herrn Grund voll und ganz Recht –, dass es auf möglichst breite Akzeptanz stößt. Daran wollen wir arbeiten.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP)

Das Wort hat Herr Rutter.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hamburg braucht ein besseres Wahlrecht. Zunächst einmal hat Hamburg nicht so sehr ein besseres

Wahlrecht gebraucht, sondern vielmehr eine bessere Politik

(Michael Neumann SPD: Wann fängt die denn an?)

und die hat die Stadt auch mit dem bestehenden Wahlrecht bekommen.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU und der FDP)

Grundsätzlich wissen wir aber auch, dass das bestehende Wahlrecht nicht optimal ist. Bei der Argumentation, die nicht zufällig in den Medien auftauchte, wurde davon gesprochen, dass Politiker sich nach der Wahl zurücklehnen und sich nicht mehr um die Belange der Bürger kümmern. Meine Damen und Herren, das ist eine Unterstellung, die ich ganz anders kennen gelernt habe. In den Bezirken, in der Bürgerschaft, in den Ausschüssen wird konkret gearbeitet, wird verantwortungsbewusst und engagiert gearbeitet. Wer etwas anderes behauptet, lügt.

(Beifall bei der Partei Rechtsstaatlicher Offensive, der CDU, der FDP und bei Tanja Bestmann SPD – Michael Neumann SPD: Ich behaupte etwas ande- res!)

Soweit mir bekannt ist, unterhalten alle Parteien zusätzlich zu ihren Büros auch Bürgersprechtage. Man kann sich also jederzeit mit ihnen in Verbindung setzen und sollte das auch tun. Wer es nicht tut, ist selbst schuld.

Grundsätzlich ist es immer richtig, auf unmittelbare Arbeitsaufträge und deren Erledigung zu achten, meine Damen und Herren. Das gilt nicht nur für Politiker, das ist immer so. Verantwortlichkeit kommt ohnehin schon aus der Mode, wie man im Moment bei den Firmenzusammenbrüchen sehen kann.

Meine Damen und Herren, aber im Zusammenhang des Hamburger Wahlrechts sollten wir auch eines beachten: Die Gegebenheiten in einem Flächenland sind andere als die in einer Metropolregion. Da muss man andere Dinge beachten. In einem Flächenland bekommt ein Abgeordneter den Arbeitsauftrag von seinen Wählern, für sie das Beste für die Region zu erreichen. Das Beste für die Region heißt aber für einen größeren Bereich nicht gerade um den Kirchturm herum.

(Erhard Pumm SPD: In Wilhelmsburg!)

An dem Erfolg wird gemessen, ob er eines Tages wieder gewählt wird. Wir in Hamburg haben, entsprechend diesen Vorschlägen, kleinere Wahlkreise.