Es ist eine uralte kulturelle Erfahrung, dass es uns einzelnen Menschen besser geht, wenn wir auch einmal einen Tag in der Woche ruhen, uns ausspannen, innehalten, Abstand gewinnen, uns erholen und gerne auch einmal feiern. Wenn wir dafür den Sonntag nicht mehr haben, gerät diese Notwendigkeit mehr und mehr in Vergessenheit. Man kann es ja da besichtigen, wo dies schon mehr oder weniger rund um die Uhr der Fall ist. Da fehlt dieser Rhythmus sehr stark und das ist meines Erachtens auch zum Nachteil der einzelnen Menschen.
Für gesellschaftliche Aktivitäten ist ein gemeinsamer freier Sonntag ebenfalls von fundamentaler Bedeutung. Solche Aktivitäten sind aber seit Menschengedenken für unsere Entwicklung notwendig und es drückt sich sowohl in den Geboten der Christen als auch der Juden und der Muslime aus, dass man den Feiertag heiligen soll.
Heute leben wir in einer Zeit, die mit zunehmender Arbeitsteilung immer komplizierter wird. Die Lebenswelten differenzieren sich immer weiter auseinander und gerade in so einer Zeit, in der sich das Unverständnis ausbreitet, braucht es zunehmend Orte des gesellschaftlichen Zusammenkommens, Orte der Begegnung, Orte des Gesprächs, um dieser immer stärkeren Ausdifferenzierung eine kommunikative Vernetzung entgegenzusetzen.
Ohne gemeinsame Feiertage – und bei uns ist das der Sonntag – wird dies immer schwerer werden. Deshalb ist der Sonntag als Feiertag unverzichtbar.
Nun haben Sie in Ihrem Antrag beantragt, den Bezirken die Möglichkeit zu eröffnen, vier Sonntage im Jahr die Geschäfte öffnen zu lassen; das wären bei sieben Bezirken in Hamburg 28 Möglichkeiten.
Der Senat – da bin ich sehr froh über den ersten Erfolg der Volksinitiative „Sonntag ist nicht alle Tage“ – hat erkannt, welche Gefahr darin liegt, und schon einmal aus 28 vier Tage gemacht. Damit wird aber umso deutlicher, worum es hier geht. Es kann doch nicht mehr um den ökonomischen Gewinn gehen, an vier Tagen wird doch der Einzelhandel nicht zu sanieren sein. Es geht jetzt nur noch darum, dass auch am Sonntag die Konsumtempel öffnen können
Das kann man an zwei Dingen erkennen, erstens an der Notwendigkeit des Senatsbeschlusses, um der Volksinitiative ein bisschen das Wasser abzugraben; das ist aber eher ein Erfolg der Volksinitiative. Der zweite wichtige Punkt, woran man erkennen kann, dass Sie es nicht ernst meinen mit dem freien Sonntag, ist, dass Sie unseren Antrag ablehnen. Unser Antrag sagt doch genau: Samstag länger shoppen, Sonntag frei. Wenn Sie das wirklich wollten, dann sollten Sie das auch beschließen.
Aber genau dagegen setzen Sie sich ab. Die Differenz besteht nur in der Frage, ob am Sonntag geöffnet werden soll; das ist sozusagen der neue Impuls dieser neuen Landesregierung. Und mit diesem gezielten Tabubruch wollen Sie die letzte Bastion der Woche schleifen, in der der Konsumterror noch nicht die Herrschaft übernommen hat.
Dem werden wir uns gemeinsam mit Gewerkschaften, Kirchen und vielen anderen Bürgern in dieser Stadt entgegenstellen; darauf können Sie sich wirklich verlassen.
Sie haben völlig recht, Herr Pumm, wir Gastwirte haben es gar nicht anders gelernt, als alle Tage in der Woche zu arbeiten: sonntags, feiertags, Weihnachten, Neujahr und auch an den Werktagen. Aber nicht jeder arbeitet 365 Tage im Jahr, sondern auch wir haben geregelte Arbeitszeiten und unsere Arbeitnehmer sind zufrieden. Wir haben steigende Beschäftigungs- und Ausbildungsplatzzahlen in Deutschland und Sie sollten sehr glücklich darüber sein, dass wir dem Einzelhandel solche Möglichkeiten bescheren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Deutschland ist das wirtschaftliche Schlusslicht der EU, das ist inzwischen allgemein geläufig, und zwar, weil Deutschland an einem Übermaß an Regulierung auf vielfältigen Gebieten zu leiden hat.
Das Thema Ladenöffnungszeiten ist nur ein kleiner Mosaikstein, ein Mosaikstein, den wir vielleicht nicht insgesamt lösen können, aber doch Details verbessern können, um ihn ein bisschen zum Glänzen zu bringen. Das Ladenschlussgesetz ist ein juristisches Fossil aus uralten Zeiten und gehört schon längst in die rechtspolitische Abfalltonne.
Die Freien Demokraten setzen sich schon seit langem für die Abschaffung des Ladenschlussgesetzes ein. In Hamburg haben wir in der 13. Legislaturperiode dafür gesorgt, dass bundesweit die ersten verkaufsoffenen langen Donnerstage eingeführt worden sind; das ist jetzt über zehn Jahre her. 1999 haben wir im Bundestag einen Antrag auf Abschaffung des Ladenschlussgesetzes eingebracht; dieser Antrag ist gescheitert. Ich garantiere Ihnen, dass er nach dem 22. September und mit besserem Erfolg wieder eingebracht werden wird.
Bis zu einer bundesgesetzlichen Neuordnung sollten wir allerdings in Hamburg die gesetzlich zulässigen Lockerungen auch extensiv handhaben. Hamburg als weltoffene Stadt, wie sie sich immer sieht, hätte schon lange eine Vorreiterrolle übernehmen sollen. Das hätte dieser Stadt gut angestanden, doch roter und auch rotgrüner Attentismus haben das stets verhindert. Vorreiter in dieser Region, was die Lockerungen von Ladenöffnungszeiten anbetrifft, war nicht Hamburg, sondern das Umland und mit dem entsprechenden geschäftlichen Erfolg. Mit den Sonderöffnungen haben die Umlandgemeinden sehr viel Kaufkraft abgeschöpft, die sonst in Hamburg verblieben wäre. So ist es kein Wunder, dass die Besucherzahlen in der City zum Beispiel seit Jahren rückläufig sind. Allein zwischen 1996 und 2000 ist der Anteil der Umlandbesucher in der Hamburger City von 38 auf 32 Prozent zurückgegangen. Wenn Sie jetzt bewerten, dass der Tagestourist im Durchschnitt 20 Euro in der Stadt ausgibt, dann können Sie sich vorstellen, wie viele Milliarden Umsatz dem Hamburger Einzelhandel allein durch den Rückgang der Einkäufer aus dem Umland fehlen, die nicht mehr in die Stadt kommen.
Berlin hatte eine vergleichbare Entwicklung und hat darauf ganz anders und vor allen Dingen sehr viel schneller reagiert. Berlin hat das im Konsens – darauf bitte ich zu achten, Herr Pumm – nicht nur mit der Industrie- und Handelskammer, nicht nur mit den Einzelhandelsverbänden, sondern auch – Herr Rose ist nicht mehr da – mit den Gewerkschaften durchgesetzt und Sonderöffnungszeiten in den einzelnen Bezirken bewilligt. Die Verbraucher und die Geschäfte haben diese Sonderöffnungszeiten hervorragend angenommen und es hat auch keine Probleme gegeben, Mitarbeiter zu gewinnen.
Insbesondere die Shopping-Weekends, die es in Berlin zur Vorweihnachtszeit gibt und die gekoppelt sind mit kulturellen Ereignissen an den Sonntagen danach, haben sehr, sehr viele Touristen nach Berlin gebracht mit den entsprechenden Umsätzen in der Stadt.
Meine Damen und Herren! Beides zusammen, die Umsatzprobleme, die der Hamburger Einzelhandel seit einigen Jahren hat, und das leuchtende Beispiel des Berliner Modells, haben auch im Hamburger Einzelhandel einen Meinungswandel bewirkt. Vor Jahren war der Hamburger Einzelhandel noch sehr gegen weitere Lockerungen des Ladenschlussgesetzes, aber das hat sich inzwischen
gründlich geändert. Die Hamburger Einzelhändler wünschen sich heute eine völlige Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten von Montag bis Samstag. Sie wünschen sich weiterhin, dass die rechtlich mögliche Nutzung der Sonderöffnungen an Samstagen ausgeschöpft wird, solange die Liberalisierung noch nicht völlig möglich ist, und sie wünschen sich anlassbezogene Öffnungszeiten an Sonntagen.
Mich wundert schon, dass die Opposition die Diskussion hier immer an den Sonntagsöffnungszeiten festmacht, wo doch die Sonntagsöffnungszeiten nur eine ganz geringe Rolle spielen, weil sie auf vier Sonntage im Jahr beschränkt bleiben sollen und im Übrigen die Sonntagsöffnungszeiten auch noch das ganz große Problem haben, dass am Samstag vorher die Geschäfte, die sonntags öffnen wollen, ihren Laden um 14 Uhr schließen müssen. Das ist so eine radikale Bremse für das Thema Sonntagsöffnungszeiten, dass die Sonntagsöffnungszeiten nur sehr ungern angenommen werden.
Wir beklagen alle die Servicewüste Deutschland und gerade am Beispiel der Ladenöffnungszeiten kann man das ganz toll festmachen. Sonnabends ist der Haupteinkaufstag im Einzelhandel überhaupt. Sonnabends sind die Umsätze zwischen 30 und 100 Prozent höher als an normalen Tagen. Das Entscheidende ist, dass sich diese Umsatzzuwächse in einem Zeitraum – die Leute schlafen gerne aus – zwischen 11 und 16 Uhr abspielen, das heißt, innerhalb von fünf Stunden wird der wichtigste Umsatz der Woche im Hamburger Einzelhandel abgewickelt. Ein Drittel der Kunden an Sonnabenden kommt aus dem Hamburger Umland und alle sind unglücklich – auch die Geschäfte sind unglücklich –, dass die Käufer um 16 Uhr die Läden wieder verlassen und in der Zwischenzeit von Geschäft zu Geschäft hetzen müssen.
Ausländische Touristen, insbesondere wenn sie aus Japan oder den USA kommen, schütteln in Deutschland nur mit dem Kopf, wenn sie unsere Ladenöffnungszeiten sehen.
Meine Damen und meine Herren! Wir, die bürgerliche Koalition, wollen, dass Hamburg ein Stück weltoffener wird. Wir wollen auch, dass sich die wirtschaftliche Lage des Hamburger Einzelhandels wieder verbessert und dadurch unter dem Strich unser Finanzsenator in Zukunft wieder mehr Steuern bekommt. Deshalb werden wir diesem Antrag zustimmen und damit ein Stück Liberalisierung nach Hamburg bringen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Senat steht diesem Antrag positiv gegenüber. Wir sehen in dem Antrag einen Beitrag zur Stärkung der Metropolfunktion Hamburgs, zur Steigerung der Umsätze des Hamburger Einzelhandels und zur Rückholung der zum Teil in das Umland abgewanderten Kaufkraft der Hamburger Bürgerinnen und Bürger.
Wir werden in Kürze eine Verordnung vorlegen, mit dem dieses Verlangen des Parlaments umgesetzt werden soll. Dabei sind es zwei Punkte, die mit diesem Antrag erreicht
werden sollen. Zum einen wird die Entscheidungskompetenz dorthin übertragen, wo die meisten Veranstaltungen und Festivitäten stattfinden, nämlich auf die bezirkliche Ebene. Es wird immer davon gesprochen, die Verwaltungsstrukturen zu dezentralisieren, die Kompetenz und Entscheidungsvollmacht auf untere Ebenen der Verwaltung zu verlagern; genau dieses tun wir. Wir lamentieren nicht in diesem Punkt, sondern handeln und deswegen ist dieser Antrag ein richtiger Beitrag zur entscheidenden Mitwirkung auf der unteren Verwaltungsebene.
Zum zweiten können durch die Dezentralisierung auch die unterschiedlichen Bedürfnisse der Menschen und der Einzelhändler in den Bezirken besser berücksichtigt werden. Die Situation in der Hamburger Innenstadt ist natürlich immer eine ganz andere Situation als zum Beispiel in Harburg, Bergedorf oder Wandsbek.
Diese Verlagerung ist ausdrücklich im heutigen Ladenschlussgesetz vorgesehen. Hier wird ausdrücklich vorgesehen, dass die Entscheidungskompetenz über die Vergabe der Öffnungszeiten von der zentralen Landesregierung auf nachgelagerte Instanzen abgegeben werden kann; nichts anderes wird in Hamburg vorgenommen werden.
Diese Übertragung der Kompetenzen auf die Bezirksämter wird nicht zu einer Ausweitung der Ladenöffnungszeiten am Sonnabend oder an den Sonn- oder Feiertagen führen; ich wiederhole: auch an den Sonn- und Feiertagen nicht. Die Volksinitiative „Sonntag ist nicht alle Tage“ fordert, dass der Senat in Hamburg keine Ausweitung der Ladenöffnung an Sonntagen zulassen soll. Die Sprecherin der Sozialdemokraten und der Sprecher der GAL haben in ihren Reden so getan, als wenn durch den Antrag der Koalitionsfraktion die Sonntagsöffnung erweitert werden solle. Die von Herrn Porschke genannte Zahl ist auch in der Bevölkerung so verbreitet worden. Es wurde so getan, als ob in Zukunft an 28 Sonntagen geöffnet werden sollte. Ich habe bereits vor einigen Wochen klargestellt, dass es insgesamt bei vier Sonntagen bleiben wird, an denen in Hamburg die Läden geöffnet sind, und der von den Sozialdemokraten oder von der GAL eben in der Debatte vermittelte Eindruck ist falsch.