Protocol of the Session on May 29, 2002

Zu guter Letzt will ich, wenn Sie mir nicht zuhören und die Argumente nicht eingängig finden, noch einmal darauf hinweisen, dass es ja nicht nur Sozialdemokraten oder die Grünen sind, die diese Position vertreten, sondern es ist Dieter Hundt von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, es ist der Bundesverband der Deutschen Industrie, es sind die Gewerkschaften, es ist der Zentralverband des Deutschen Handwerks, es ist der UNO-Flüchtlingskommissar, es sind viele Vernünftige in der CDU-Fraktion, es sind das Deutsche Rote Kreuz, der Städtetag und nicht zuletzt auch die Kirchen.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Der Städtetag will das Gesetz so nicht!)

Ich fordere Herrn Vahldieck auf – er hat sich schon zu Wort gemeldet –, die Position der CDU deutlich zu machen. Was hier von Ihrem Koalitionspartner gesagt worden ist, steht im krassen Widerspruch zu dem, was die beiden großen Kirchen in dieser Gesellschaft gefordert haben. Ich fordere auch die CDU und den Bürgermeister auf, sich daran zu erinnern, dass Sie es sind, die das „C“ für christlich in Ihrem Namen führen.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Ausgerechnet Sie! – Karen Koop CDU: Und Sie sind sozial!)

Und wenn die Kardinäle der großen Kirchen in Deutschland sich von Ihrer Position distanzieren und sich ganz gewiss von dem distanzieren, was Herr Nockemann hier vertreten

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive)

hat, dann ist das eine Schande. Wenn Sie ein bisschen Ehre im Leib haben, dann werden Sie sich auch davon distanzieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort hat Herr Vahldieck.

Herr Neumann, meine Damen und Herren! Ich habe Probleme, mir vorhalten zu lassen, die CDU würde sich mit einer Partei einlassen, die irgendwie dubios sei, und das von einem Vertreter einer Partei, die in zwei Ländern mit der PDS koaliert.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Walter Zuckerer SPD: Zu Recht!)

Solange das so ist, sollten Sie an der Ecke lieber den Mund halten.

(Beifall bei der CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive und der FDP – Michael Neumann SPD: Kritik müssen Sie ertragen!)

Ich zitiere nicht Herrn Hundt, ich zitiere auch nicht die Arbeitgeberverbände und die Kirchen, die sicherlich in vielen Fragen sehr Kluges sagen, in diesen Fragen aber auch sehr häufig sehr Dummes.

(Michael Neumann SPD: Oh!)

Selbstverständlich. – Seit wann hören Sie eigentlich auf das, meine Damen und Herren von der SPD, was der Bundesverband der Deutschen Industrie sagt,

(Michael Neumann SPD: Wenn sie Recht haben, hören wir darauf!)

seit wann sind die Arbeitgeberverbände für Sie von Bedeutung? Ich dachte, der DGB sei für Sie die Richtschnur; Herr Sommer, der neugewählte DGB-Chef, hat das ja auch schon zu erkennen gegeben.

Ich zitiere jemand anderes, ich zitiere nicht Herrn Schill, sondern Herrn Schily. Er hat in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ noch am 15. November 1998 – das ist dreieinhalb Jahre her – gesagt, ich zitiere:

„Selbst wenn wir heute ein Zuwanderungsgesetz hätten, müsste eine Zuwanderungskommission die Zuwanderungsquote auf Null setzen. Die Grenze der Belastbarkeit Deutschlands durch Zuwanderung ist überschritten.“

Recht hat der Mann. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der Partei Rechtsstaat- licher Offensive – Anja Hajduk GAL: Das passt nicht zu dem, was Sie vorher gesagt haben, Herr Vahl- dieck!)

Das Wort hat Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich wage zu bezweifeln, ob Sie das Thema wirklich interessiert,

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

wenn ich mir hier die Unruhe und das Jonglieren mit Zahlen anschaue.

Herr Nockemann sagte eben, ein bisschen weniger deutsch machen sei unser Interesse. Und wenn wir dann von 5, 8 oder 16 Prozent reden, dann müssen Sie sich mal vor Augen halten, dass Deutschland seit 40 Jahren de facto ein Einwanderungsland ist.

(Beifall bei der GAL – Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offensive: Die Bevölkerung will das nicht und deswegen ist es das auch nicht!)

Es ist de facto seit 40 Jahren ein Einwanderungsland und alles andere ist eine Lebenslüge, wie Micha Brumlik einmal sagte. Das wurde erst sehr spät nach 16 Jahren Stagnation aufgedeckt. Im Kontext mit einer verleugneten Einwanderung ist von der vorletzten Bundesregierung der Bericht über den demographischen Wandel in dieser Republik bewusst in der Schublade gehalten worden. Erst als das aufgedeckt wurde, wurde sukzessive daran gearbeitet und es hat auch noch ein bisschen gedauert, bis man das akzeptierte. Ob es Einwanderungs- oder Zuwanderungsgesetz heißt, ist vollkommen egal, es darf aber kein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz sein, denn wir brauchen die Einwanderung. Dies hat die Enquete-Kommission damals ausdrücklich überparteilich festgestellt; das noch einmal zur Historie.

Wenn Sie von 5, 8 oder 16 Prozent sprechen, dann müssen Sie akzeptieren, dass die Mehrzahl der hier lebenden Kinder in der zweiten und dritten Generation hier sind. Die können Sie nicht mehr wegreden und auch nicht hinauswerfen, die sind de facto da.

(Elke Thomas und Karl-Heinz Warnholz, beide CDU: Das will ja auch keiner!)

Um Einwanderung zu gestalten, ist als erster Schritt die überfällige Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes in die Wege geleitet worden. Einwanderung kann aber nur gestaltet werden, wenn ein Einwanderungsgesetz vorhanden ist. Es geht nicht darum, Migration nur unter der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu verstehen – ich habe manchmal das Gefühl, dass das für Sie das Oberthema ist –, sondern es geht darum, im Kontext mit Arbeitsmarkt, Familienrecht und allen Dingen des privaten Rechts Einwanderung zu gestalten und zum Beispiel, was auch schon passiert ist, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für Ehegatten zu schaffen; das ist bei Ihnen überhaupt noch nicht angekommen. Sie bringen Floskeln von Sündenbocktheorien, Sie sprechen von Assimilation und nicht von Integration.

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Ich habe nie Assimilation gesagt! Anerken- nung der Wertegesellschaft habe ich gesagt!)

Sie sprechen von Integration und meinen Assimilation, so wie Sie es ausdrücken.

Herr Nockemann, wir haben ein jahrelanges Flickwerk von Ausländerpolitik hinter uns und es war höchste Zeit, dass aus diesem Flickwerk endlich ein Einwanderungsgesetz gestaltet wird oder die Grundlage zur Gestaltung bietet. Natürlich brauchen wir, Herr Schrader, Integrationskonzepte und es wird höchste Zeit, da es eine Bringeschuld ist, entsprechende Sprachkurse, Integrationskurse und so weiter anzubieten. Schauen Sie sich doch einmal an, welches unermüdliche und bewundernswerte Engagement Ihre Kolleginnen Frau Schmalz-Jacobsen und Frau Funke gezeigt haben; davon sollten Sie sich eine Scheibe abschneiden.

(Beifall bei der GAL und der SPD)

(Michael Neumann SPD)

Sie, die FDP, mussten teilweise – und das ist bittere Wahrheit – in den eigenen Reihen und beim größeren Koalitionspartner CDU gegen Windmühlenflügel ankämpfen. Insofern ist immer noch nicht akzeptiert worden, dass wir eine Einwanderungsstadt Hamburg sind und die Migrationspolitik...

(Dirk Nockemann Partei Rechtsstaatlicher Offen- sive: Fragen Sie mal die Bevölkerung, ob wir das sind! – Burkhardt Müller-Sönksen FDP: Sie haben sie dazu gemacht!)

Hören Sie sich diese Reaktionen einmal an. Wir sind es de facto und Sie produzieren sozialen Zündstoff,

(Beifall bei der GAL)

wenn Sie da nicht endlich gegenhalten.

Wir müssen die Migration unter dem Blickwinkel der Innovation und Kreativität nutzen, statt sie immer wieder als ein Problem zu sehen. Insofern brauchen wir dringend sowohl bei der Gestaltung in Hamburg als auch unserer Republik dieses Einwanderungsgesetz. Ich kann Sie nur dringend bitten, das zu akzeptieren und diese Lebenslüge endlich aufzugeben.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Herr Müller-Sönksen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an den Anfang stellen, dass die FDP sich auch in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl weiterhin klar zur Zuwanderung bekennt.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP und der SPD)

Die Tatsache, dass wir dies in das Bundestagswahlprogramm geschrieben haben, liebe Kollegen von der SPD, heißt, dass wir den jetzigen Gesetzesentwurf – er ist ja noch nicht im Stadium, ein festes Gesetz zu sein, sondern liegt noch beim Bundespräsidenten, vielleicht haben Sie nähere Auskünfte, wann er weitergegeben wird – noch für überarbeitungsbedürftig halten.

Schon am Anfang der Legislaturperiode war die FDP die erste Partei – Herr Kollege Schrader hat das schon ausgeführt –, die in einem Gesetzesentwurf Regelungen der Zuwanderung und Integration in den Bundestag eingebracht hat. Die FDP hätte mit ihrem Vorschlag im Bundesrat einen Eklat verhindert, wenn er denn angenommen worden wäre, aber der Vorschlag von Rheinland-Pfalz auf eng umgrenztes Nachverhandeln im Vermittlungsausschuss ist nicht angenommen worden. Dies wirft ein ausgesprochen schlechtes Bild auf unsere beiden anderen großen Volksparteien neben der FDP,