Protocol of the Session on May 9, 2001

(Jürgen Mehlfeldt CDU: Das geht doch mit der Ökosteuer wieder weg!)

Die Frage, wie wir die Armut in diesem Bereich beseitigen können, ist insbesondere auch aus steuerpolitischer Sicht zu lösen. Meine Meinung ist, daß wir in Hamburg eine Menge zusätzlich getan haben, zum Beispiel die guten Kinderbetreuungsangebote, die – auch finanziell – gut gestaltet wurden. Darüber hinaus ist auch die Verläßliche Halbtagsgrundschule, die heute bereits diskutiert wurde, eine Maßnahme, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Dies gilt ferner für die geplante Ausweitung der Ganztagsschulen und die Kinderbetreuung für Berufstätige.

Wir in Hamburg haben eine ganze Menge getan, darüber hinaus aber auch die Bundesregierung, beispielsweise die Neuordnung der geringfügigen Beschäftigung. Ferner unterliegen die 630-DM-Beschäftigungen der Sozialversicherungspflicht, was ebenfalls eine wichtige Maßnahme ist, um in Zukunft zu vermeiden, daß Frauen im Alter in Armut leben müssen. Weitere Dinge werden noch folgen müssen. Insbesondere geht es aber darum, deutlich zu machen, daß die Frage der niedrigen Stundenlöhne auch

(Heide Simon GAL)

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eine Frage der Branchen und der Beschäftigungsverhältnisse in diesen Branchen ist. Das muß man einerseits bedauern, andererseits sollten dies die Tarifvertragsparteien für sich regeln.

Bezogen auf den öffentlichen Dienst gilt das gleichermaßen. Herr Grund hat schon deutlich gemacht, daß gerade die Unternehmen im öffentlichen Dienst, die sich hier am Markt bewegen, entsprechend wettbewerbsfähig sein müssen – insofern kann man nicht sagen, daß der öffentliche Dienst ein Schonbereich wäre. Die Europäische Union verlangt beispielsweise von öffentlichen Unternehmen mehr Wettbewerb und das Sichstellen im Wettbewerb. Dazu gehört die Frage, wie sich diese Unternehmen im Marktgeschehen behaupten können.

Diese Problematik ist in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes aufgegriffen worden. Die Tarifvertragsparteien haben sich in diesen Bereichen geeinigt; auch wenn Kritik aufgekommen ist, ist es akzeptabel. Die Verabredungen wurden zwischen den Tarifvertragsparteien getroffen. Insofern kann man nicht sagen, daß das der Senat zu verantworten habe, sondern es ist in der Vereinbarung mit den Gewerkschaften und den zuständigen Tarifvertragsparteien geschehen.

Wir müssen von Hamburg aus die Förderung von familienbezogenen Leistungen fortsetzen. Wir müssen die Qualifizierungs- und Beschäftigungsangebote in höher qualifizierten Bereichen, auch für Frauen, stärker forcieren. Ferner müssen wir dazu beitragen, daß Frauen sich stärker in regulären Arbeitsverhältnissen engagieren können. Darüber hinaus müssen wir der Schwarzarbeit den Kampf ansagen, denn auch illegale Beschäftigung ist ein Anreiz dafür, nicht in diese Verhältnisse einzutreten. Die Lohndrückerfunktion der Schattenwirtschaft ist, wie wir wissen, groß. Deshalb gehört der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung Priorität.

Insgesamt haben wir das Thema im Blick. Wir haben die Aktivitäten koordiniert, werden aber im Rahmen unserer Sozialberichterstattung auf jeden Fall noch einmal darauf zurückkommen, welche Möglichkeiten und Notwendigkeiten wir in Hamburg sehen, um die Situation zu verbessern.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der GAL)

Das Wort erhält der Abgeordnete Hackbusch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Roth, ich denke, Sie haben die Situation nicht im Blick. Das haben schon die Antworten von Herrn Grund wie auch von Frau Simon aus der GAL gezeigt, die über die Ergebnisse erstaunt waren. Das heißt, Sie haben es bisher nicht deutlich genug ausgeführt. Daher sollte man erstens eine gewisse Selbstkritik bei sich feststellen, indem man einräumt, daß man Dinge nicht so im Blick hat, wie man sie eigentlich haben sollte.

(Antje Blumenthal CDU: Ein Armutszeugnis!)

Zweitens: Auf die konkreten Forderungen, die Frau Röder meiner Meinung nach völlig zu Recht gestellt hat, und zu dem hohen Anteil von Beschäftigten, die arm sind und keine Sozialhilfe beziehen, haben Sie nichts gesagt, ebensowenig wie über deren Ansprüche, aufgeklärt zu werden. Es ist die Aufgabe Ihrer Behörde, es diesen Menschen zu sagen. Dementsprechend wäre es eine wichtige Aufgabe, darzustellen, wie Sie diese Aufklärung vornehmen wollen.

Statt dessen übergehen Sie es, freuen sich, daß keiner kommt, und sparen etwas Geld ein. Diesen Eindruck macht es, und das ist sozialpolitisch katastrophal.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke, bei Helga Christel Röder und Dr. Joachim Brink- mann, beide CDU)

Ich möchte zunächst sagen, daß ich mich darüber freue, daß es so angenommen wird und daß gerade Herr Grund und Frau Simon gesagt haben, sie hätten in diesem Bereich selbst etwas gelernt.

Ich selbst habe auch noch etwas gelernt, und wir versprechen, daß wir bei diesem Thema noch weiterhin verweilen werden. Mir sind schon einige wichtige Anhaltspunkte dieser Großen Anfrage aufgefallen, bei denen wir weiter bohren werden. Wir versprechen, daß wir in den nächsten zwei, drei Monaten dazu ständig Kleine Anfragen stellen werden, weil viele Bereiche noch nicht erforscht sind. Davon möchte ich nur den ersten nennen.

Es stellt sich die Frage, warum diese Stadt eine Bewachungsfirma anstellt, die einen Stundenlohn von 11,63 DM zahlt. Der Senat wird sich darauf einstellen müssen, daß wir dazu viele Fragen haben werden.

Ich habe noch eine Anmerkung zur inhaltlichen Diskussion mit Herrn Grund. Ich möchte nicht die große Europa-Diskussion beginnen, das können wir zwar machen, aber ob das immer berechtigt ist, ist fraglich. Ich war lange genug Betriebsrat in einem Unternehmen, in dem die Konkurrenzsituation ständig dazu geführt hat, daß gerade die Schwächsten am schlechtesten und jedes Jahr möglichst noch etwas schlechter bezahlt wurden. Als Gewerkschafter hat man versucht, dagegen anzukommen. Demgemäß wiegen diese halben Totschlagsargumente im öffentlichen Bereich auch sehr schwer.

Bei den Faktoren, um die es in dieser Großen Anfrage geht, kann man es mit allgemeiner Konkurrenz überhaupt nicht begründen. Im Bereich der Hamburger Wasserwerke sind die Tarife bei Aushilfen und ungelernten Arbeitern von 3800 DM auf 2700 DM abgesenkt worden, das heißt um ein Drittel. Im Bereich der Hamburger Wasserwerke gibt es keine europaweiten Ausschreibungen und daher auch genau diese Konkurrenz nicht. Diese Situation gibt es bisher noch nicht.

(Wolf-Dieter Scheurell SPD: Noch nicht!)

Die gleiche Situation gibt es bei den Kindertagesstätten hinsichtlich der Planungen und Diskussionen. Da können Sie auch nicht mit der allgemeinen Konkurrenz kommen; es gibt diese Situationen bisher nicht. Frau Simon macht uns ja Hoffnungen, daß in diesem Bereich vielleicht nicht so kräftig abgesenkt wird, weil irgendein gütiger Mensch, der das aushandelt, ein Einsehen hat. In einer Demokratie muß die Frage lauten: Wie wollen diese Regierung und die Parteien vorgehen? Sie könnten darauf achten, daß beispielsweise die Haushaltshilfen nicht von 3000 DM auf 2500 DM abgesenkt werden. Diese Äußerung wäre gut und sehr erhellend für alle hier Anwesenden.

Ein Punkt ist mir bei der Antwort von Frau Roth aufgefallen, der im Zusammenhang mit Herrn Grund und Herrn Pumm sehr interessant ist. Frau Roth sagte: Wir können nichts für die Tarife, das machen die Tarifparteien, die Gewerkschaften, und die andere Seite, die sind Sie selbst. Die Gewerkschaften haben natürlich viel damit zu tun. Bei der Gewerkschaft heißt es aber zu Recht: Wir werden von der Regierung gedrängt. Ich möchte nicht, daß dieses Spiel

(Senatorin Karin Roth)

chen die ganze Zeit aufrechterhalten wird. Die Regierung wünscht etwas, sie fordert, daß die Tarife abgesenkt werden. Ich hoffe, daß sich die Gewerkschaften dagegen wehren werden; das geschieht aber auch nur dann, wenn sie deutlich sagen: Wir wollen diese Forderung der Stadt nicht. Normalerweise wäre es die Aufgabe der SPD, so etwas einzuführen. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Grund.

Frau Röder hat gefragt, wie es kommt – obwohl ich ihre Zahlenspiele nicht nachvollziehen kann –, daß in Hamburg

(Helga Christel Röder CDU: Dann müssen Sie das mal richtig durchlesen!)

ich habe es gelesen, Frau Röder – wesentlich mehr Menschen mit niedrigen Einkommen leben als anderswo. Die durchschnittlichen Einkommen geben das insgesamt nicht her. Richtig ist aber, daß in Hamburg eine ungewöhnlich hohe Zahl neuer Dienstleistungsberufe entstanden ist, vor allem Unternehmen, für die gar keine Wirtschaftsverbände existieren. Denken Sie mal an die vielen schönen Call-Center-Beschäftigten, die wir bekommen haben. Auf diesem Sektor sind in den letzen Jahren etwa 10 000 Beschäftigungen entstanden. Sie sind zu einem großen Teil an keine tarifgebundenen Unternehmen und keine Arbeitgeberverbände gebunden. Die Bezahlung ist so, daß Ihnen die Tränen kommen. Aber es sind neue Arbeitsplätze, die haben in vielen Fällen geholfen, und das findet man zu Dutzenden und Tausenden an anderen Stellen wieder.

Viele dieser neuen Dienstleistungsbranchen haben hinsichtlich der Bezahlung ausgesprochen schlechte Bedingungen; das ist ein Teil der Antwort, wenn auch nicht die komplette.

(Doris Mandel SPD: Richtig!)

Zum Thema Pauschalbeschäftigung, Frau Röder, war das billig. Wenn Sie in die Antworten des Senats hineingeschaut hätten, hätten Sie gesehen, daß die Zahl der Pauschalbeschäftigten deutlich, fast 20 Prozent, gesunken ist.

(Helga Christel Röder CDU: Das brauche ich nicht, das habe ich getan!)

80 Prozent der Pauschalbeschäftigten sind studentische Hilfskräfte, überwiegend an der Universität beschäftigt. Das ist eine Debatte, die, wie ich finde, überflüssig ist.

Jetzt noch ein Wort an Herrn Hackbusch. Die Hauswirtschafterinnen – so heißen sie bei der „Vereinigung“ – sind mir persönlich sehr ans Herz gewachsen, und ich verspreche Ihnen, daß wir darauf einen ganz besonderen Blick werfen werden, um zu sehen, was da passieren wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD – Helga Christel Röder CDU: Können sie Ihnen nicht noch mehr ans Herz wach- sen?)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann stelle ich fest, daß die Große Anfrage besprochen worden ist.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf, Drucksache 16/5880, Mitteilung des Senats zum Thema Informations

und Telekommunikationsbranche, Greencard und Ausund Weiterbildung sowie Engagement der Hamburger ITBranche bei Aus- und Weiterbildung und die Konsequenzen der „Green-Card-Diskussion“ auf die Hamburger Weiterbildungspolitik.

[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu den Ersuchen der Bürgerschaft vom 21./22. Juni 2000 (Drucksachen 16/4343 und 16/4404) – Informations- und Telekommunikationsbranche: Greencard und Aus- und Weiterbildung – Engagement der Hamburger IT-Branche bei Aus- und Weiterbildung und die Konsequenzen der „Green-Card-Diskussion“ auf die Hamburger Weiterbildungspolitik – Drucksache 16/5880 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Die Abgeordnete Brockmöller hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der, wie ich finde, sehr lesenswerte Senatsbericht macht im wesentlichen dreierlei deutlich. Erstens wird Hamburg, wenn es seine Spitzenposition unter den IT-Standorten in Deutschland behaupten und noch weiter ausbauen will, seinen dringend benötigten Fachkräftenachwuchs selbst heranbilden müssen.

Zweitens: Weil die Jahrgangsstärken der jungen Generation in den nächsten Jahren drastisch abnehmen werden, wird dies nachhaltig nur über eine Verbesserung der Ausbildungsqualität und eine Erhöhung der Bildungsbeteiligung junger Menschen zu erreichen sein.

Drittens: Der geringe Anteil junger Frauen unter den Computerexperten, den Auszubildenden und den Studierenden zeigt, daß es hier offenbar noch Begabungspotentiale gibt, die bislang nur unzureichend erschlossen sind.

Die bisherigen Erfahrungen mit der Greencard zeigen, daß eine gesteuerte Zuwanderungspolitik für qualifizierte ITFachkräfte ein weiterer Pfeiler zur Versorgung der IT-Branche mit den dringend benötigten Fachkräften sein kann.

Bundesweit gingen bis Ende Dezember 2000 15 000 Bewerbungen ein. 6200 Interessenten aus anderen Ländern außerhalb der EU erhielten bis Ende März die Greencard. Damit konnte innerhalb der ersten acht Monate fast ein ganzer Absolventenjahrgang der deutschen Hochschulen vermittelt werden. In den ersten sechs Monaten wurden 174 ausländische Bewerberinnen und Bewerber nach Hamburg vermittelt.

Um gut qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland an Hamburg binden zu können, müssen wir vor allem unsere Hochschulen noch internationaler ausrichten. Eine Schlüsselrolle kommt hierbei der englischen Sprache zu. Angesichts der fortschreitenden Globalisierung ist die frühzeitige Orientierung auf Zweisprachigkeit erforderlich. Hier haben wir in Hamburg einen sehr guten Weg beschritten. Jetzt kommt es darauf an, Englisch als Fachsprache noch stärker auch an den Hochschulen zu verankern. Dies würde vielen ausländischen Studierenden den Weg nach Hamburg erleichtern.