Protocol of the Session on May 9, 2001

Das Wort hat Frau Senatorin Dr. Nümann-Seidewinkel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mir die Frage gestellt, dürfen hier eigentlich Menschen reden, die nicht skaten? Wenn das so ist, dann höre ich gleich auf. Meine Geschwindigkeit beim Skaten ist maximal 5 Kilometer in der Stunde, und das auch nur, wenn es ganz gut geht. Das schwierigste beim Skaten ist für mich immer das Bremsen.

Es ist relativ einfach zu erklären, warum ich hier heute rede. Der Innen- und Sportsenator ist zur Zeit auf der Innenministerkonferenz, und das ist sehr wichtig.

(Jürgen Klimke CDU: Zum Skaten!)

Nein, ich glaube nicht, daß die am Skaten sind.

Ich zitiere aus einem Vermerk, den ich von der Behörde für Inneres bekommen habe, in dem es heißt:

„Inline-Skates sind keine Fahrzeuge im Sinne der StVO, sondern als Sport- und Spielgeräte einzuordnen. Die Skater stehen damit verkehrsrechtlich den Fußgängern gleich.“

Dieses ist das Problem und schon von einigen Vorrednern angesprochen worden. Einerseits ist Inline-Skaten – wenn man es kann – ein sehr eleganter Sport. Das konnte jeder feststellen, der während der Marathon-Veranstaltung die Skater gesehen hat. Bedenkt man allerdings, daß Geschwindigkeiten von 40 Stundenkilometer erreicht werden können, möchte man Skater nicht zusammen mit Fußgängern auf den Fußwegen haben.

Wenn man erlebt hat, wie schwierig es ist, in kritischen Situationen zu bremsen, dann habe ich erhebliche Zweifel, ob es gut und sicher ist, auf der Straße zu skaten, Frau Koppke. Leicht kann es passieren, daß Skater hinfallen. Wenn dann der erste Skater überfahren wird, wird man von „Wahnsinn“ sprechen.

Die Lösung, Skaten auf Fahrradwegen zu erlauben, ist nur scheinbar eine Lösung. Wenn Sie jemals mit Inline-Skates auf Fahrradwegen gefahren sind, konnten Sie feststellen, daß diese wunderschönen roten Steine, die beim Fahrrad

fahren sehr viel Sinn machen, wenn das Reifenprofil relativ dick ist, mit Sicherheit nicht für das Skaten geeignet sind.

(Beifall – Jürgen Schmidt SPD: So ist es!)

Es ist also ausgesprochen schwierig, eine Strecke für einen Rundlauf zu finden. Dieser soll attraktiv sein, Herr Okun, das haben Sie gesagt. Sie sollten sich mit Ihrem Kollegen Herrn Reinert einmal zusammensetzen. Mich interessiert, was er und betroffene Anlieger sagen, wenn irgendwelche Straßen auf Dauer gesperrt werden, um sicheres Skaten auf einer Rundstrecke zu ermöglichen.

Sie haben recht, Herr de Lorent. Herr Wrocklage ist – im Gegensatz zu mir – ein großer Fan des Skatens. Er sagt, daß diesbezüglich ganz viel passieren muß und er sich dafür einsetzen will. Ich bin auch davon überzeugt, daß es ausgesprochen attraktiv ist, Skating-Läufe durch die Stadt anzubieten. Ich bin aber der Auffassung, daß dieses nicht unter dem Mäntelchen „Demo“ laufen darf.

(Vizepräsident Berndt Röder übernimmt den Vor- sitz.)

Denn es ist auch eine Frage der Kosten, die bei solchen Läufen entstehen und die von denen getragen werden sollten, durch die sie anfallen. – Danke.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Die Bürgerschaft soll Kenntnis nehmen. Das hat sie getan.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf: Drucksache 16/5780, Große Anfrage der Gruppe REGENBOGEN.

[Große Anfrage der Gruppe REGENBOGEN – für eine neue Linke: Armut trotz Arbeit in Hamburg – Umfang und mögliche Ursachen – Drucksache 16/5780 –]

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Der Abgeordnete Hackbusch hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es war sicherlich zu Recht so, daß wir uns schwerpunktmäßig in den letzten Jahren in der Arbeitsmarktpolitik vor allen Dingen um die Fragestellung der Arbeitslosigkeit gekümmert haben, da sie eine katastrophale Auswirkung hatte. Von daher war diese Schwerpunktsetzung richtig.

Es ist nicht das einzige wichtige Thema, mit dem man sich in der Arbeitsmarktpolitik auseinandersetzen sollte. Der neue Armutsbericht der Bundesregierung – dessen Erscheinen ich für sehr richtig und wichtig halte – stellt fest, daß fast 10 Prozent der Erwerbstätigen als arm gelten. Ihnen steht nur weniger als 50 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung. Dieser Anteil ist bei Erwerbstätigen in einem Mehrpersonenhaushalt mit Kindern sogar noch höher. Das ist unerträglich. Man kann sicherlich lange darüber diskutieren, wie die Armut insgesamt zu bewerten ist, aber sie ist definitiv vorhanden.

Die Zahlen wurden nur durch indirekte Studien bekannt, weil nach allen Untersuchungen, die auch in diesem Armutsbericht der Bundesregierung enthalten sind, diese wenig verdienenden Erwerbstätigen diejenigen Personen sind, die nicht zum Sozialamt gehen. Sie treten aus verschiedenen Gründen den Gang zum Sozialamt nicht an,

(Julia Koppke REGENBOGEN – für eine neue Linke)

weil sie sich entweder schämen, sie es nicht wissen oder weil sie versuchen, irgendwie mit ihrer Situation zurechtzukommen. Darum ist es besonders notwendig und wichtig, für diese Gruppe politisch etwas zu tun.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke, bei Helga Christel Röder CDU und Uwe Grund SPD)

Der DGB und die Gewerkschaft ver.di in Hamburg haben dies als spezielle Aufgabe vorgenommen.

Die Schwierigkeit zeigt sich auch in den von uns allen gemachten Erfahrungen mit den vielen Menschen, die in der letzten Zeit ihre Arbeit aufgenommen haben oder schon länger beschäftigt sind. Die Arbeitsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt sind um einiges härter geworden. Es gibt äußere Kennzeichen, zum Beispiel daß es mehr und mehr Leiharbeitsfirmen gibt, und Beschäftigte, bei denen der Tarif praktisch nicht mehr zur Diskussion steht. Zudem gibt es mehr und mehr Beschäftigungssituationen, die keinen Urlaubsanspruch beinhalten, sondern hier wird der Urlaub frei verhandelt.

Dieser nicht mehr organisierte Arbeitssektor, den wir nicht mehr als sozialpolitisch verantwortbar bezeichnen können, hat kräftig zugenommen. Jeder, der sich in der letzten Zeit dort umgehört hat, wird erschreckende Ergebnisse mitbekommen haben.

Die Auseinandersetzung damit ist deswegen auch so wichtig, weil es eine groß angelegte Diskussion auch zum Bereich Niedriglohnsektor gibt und das Bündnis für Arbeit Möglichkeiten sieht, etwas gegen die Arbeitslosigkeit zu unternehmen. Indem man die Löhne senkt und einen sogenannten Niedriglohnsektor einrichtet, meint man in der Lage zu sein, in diesem Bereich mehr Menschen Beschäftigung finden zu lassen.

(Uwe Grund SPD: Das ist Quatsch!)

Denn wenn sich die Löhne in diesem Bereich insgesamt senken, würde man in der Lage sein, mehr Beschäftigung aufzubauen. Dieser Weg ist fatal. Den Niedriglohnsektor als eine gesellschaftliche Chance zu sehen, halte ich auch für einen großen Fehler. Soweit zu meinen allgemeinen Überlegungen.

Wir haben in Hamburg eine Behörde für Arbeit, die sich in dieser Stadt um viele Fragen kümmert, aber um die von uns gestellten Fragen so gut wie gar nicht, denn ihre Antworten sind äußerst dürr. Die Behörde hat kaum Studien darüber gelesen und noch nicht einmal den Armutsbericht der Bundesregierung richtig studiert.

Sie wissen nicht, wie sich die prekären Beschäftigungsverhältnisse entwickelt haben. Sie sagen, daß es dazu wenig Daten gebe und daß Analysen über prekäre Beschäftigungsverhältnisse in den neunziger Jahren nicht notwendig gewesen seien, weil es dafür keinen Bedarf gab. Das ist ein beschämendes Zeugnis; das geht so nicht.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke und bei Helga Christel Röder CDU)

Die zweite wichtige Frage ist: Was kann die Stadt in diesem Bereich selbst an Aktivitäten leisten? Aus der Großen Anfrage gehen erschreckende Ergebnisse hervor.

Wir stellen fest, daß nicht nur die Behörde kaum eine Ahnung hat, was eigentlich geschieht, sondern Hamburg bei allen öffentlichen Unternehmen Vorreiter für die Tarifabsenkungen ist. In allen öffentlichen Unternehmen verdienen fast flächendeckend die neu eingestellten Mitarbeiter

weniger als die länger Beschäftigten. Besonders die jüngeren, die viel Geld brauchen, weil sie Familien oder anderes aufbauen, verdienen gegenwärtig weniger, weil die Tarife insgesamt abgesenkt wurden. Das ist fatal.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Es ist auch katastrophal, daß in bestimmten Bereichen der öffentlichen Unternehmen Niedriglohnbereiche neu eingeführt worden sind, was wir als Gewerkschafter immer abgelehnt haben. Sie sind mittlerweile vor allen Dingen im Bereich des Flughafens positioniert. Dort werden Löhne von 2400 bis 2500 DM brutto gezahlt. Es ist mittlerweile normal geworden, daß man dort für dieses Gehalt eingestellt wird. Diese Löhne halte ich für sozialpolitisch nicht tragbar. Zumindest ist es erkennbar, daß dadurch Krisen entstehen.

Ein Skandal ist, wenn dieser Senat vor allem die Löhne und Gehälter bei den Schwächsten dieser Stadt absenkt. Ein aktuelles Beispiel sind die Planungen im Bereich der Kindertagesstätten, in denen die Gehälter für sogenannte Haushaltshilfen von 3000 auf 2400 oder 2500 DM brutto abgesenkt werden sollen. Das ist ein sozialpolitischer Skandal, weil Sie damit die sozialpolitisch Schwachen treffen. Ich hoffe, daß es dazu von den politischen Parteien, die in dieser Stadt etwas zu sagen haben, eine Meinung gibt. – Danke.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Grund.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt die schöne Geschichte von Amerika, wo ein Journalist auf der Straße unterwegs ist und einen fleißig arbeitenden Menschen fragt, ob er nicht gehört habe, daß in den Vereinigten Staaten in den letzten Jahren über drei Millionen neue Arbeitsplätze entstanden seien. Der Mann stutzt zunächst, sagt dann: Jawohl, das ist völlig richtig, drei davon habe allein ich.

Ich glaube, einiges davon ist der Hintergrund dafür gewesen, was die Gruppe REGENBOGEN dazu veranlaßt hat, ihre Anfrage zu stellen. Ich behaupte nicht – Herr Mehlfeldt, weil Sie

(Jürgen Mehlfeldt CDU: Ja, ja!)

kritisch schauen –, daß wir bereits amerikanische Verhältnisse haben. Aber wir haben uns in den letzten Jahren ein Stück in diese Richtung bewegt. Es ist wirklich so, daß viele Menschen in dieser schönen, großen Stadt nicht in der Lage sind, von ihrem durch harte Arbeit erworbenen Einkommen real leben zu können.

Es gibt Tariflöhne, an denen auch meine Gewerkschaft beteiligt ist, die so niedrig sind, daß man davon allein in der Stadt nicht leben kann. Das ist Realität. Viele glauben das nicht und denken immer, alle diese Arbeitnehmer haben überzogene Vorstellungen, völlig überreizte Sozialeinkommen und bewegen sich in Gehaltssituationen, die in vielen Fällen traumhaft seien. Ich will Herrn Hackbusch ausdrücklich recht geben, daß sich dies in der Realität nicht widerspiegelt.

In der Großen Anfrage sind eine Reihe dieser sogenannten Niedriglohnsektoren in Tarifverträgen genannt. Es sind beileibe nicht alle. Ich habe zum Beispiel den Einzelhandel vermißt, Herr Mehlfeldt, wo eine gelernte Verkäuferin nach einer qualifizierten zweijährigen Berufsausbildung ein so

(Norbert Hackbusch REGENBOGEN – für eine neue Linke)