Protocol of the Session on April 25, 2001

(Beifall bei der GAL und der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Franz.

(Dr. Martin Schmidt GAL)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das alles sind Voraussetzungen für eine gute Rede: Ein sprödes Thema, die fortgeschrittene Zeit und auch die Akustik scheint nicht zu stimmen.

Jetzt könnte ich meine Sichtweise über den Zeitablauf von zwei Jahren Arbeit mit dem Thema Volksgesetzgebung darlegen, vermute aber, daß der Unterhaltungswert nicht sehr hoch sein wird. Darum beschränke ich mich auf die Feststellung: Alle haben die Zeitverzögerung zu vertreten, nur Herr Schmidt nicht.

Aber nun ernsthaft: In einem zweiseitigen Papier einigten sich SPD, CDU und GAL darauf, daß neben der Änderung – ich glaube, ich habe ausgemacht, warum man mich nicht versteht, weil nämlich Herr Freytag ständig quasselt –

(Dr. Holger Christier SPD: Der merkt es noch nicht mal!)

der Hamburger Verfassung weitere Punkte gesetzlich geregelt werden. Sehr umfangreich wurde ein sogenanntes besonderes Einigungsverfahren in seinen Eckpunkten in diesem gemeinsamen Positionspapier formuliert. Neben der Ihnen bekannten Drucksache zu diesem Themenkomplex – Herr Schmidt hat das schon aufgezeigt – wurde auf eine Drucksache hingewiesen, die an den Verfassungsausschuß überwiesen wurde und Ihnen auch vorliegt, mit dem Ziel, die Hamburger Verfassung geschlechterneutral zu formulieren. Dieses Thema will ich nun auch noch kurz ansprechen.

Bei der Ihnen jetzt vorliegenden geschlechterneutralen Formulierung der Hamburger Verfassung wird der Begriff Abgeordnete in der Mehrzahl verwendet, es sei denn, die Rechte und Pflichten einzelner werden benannt, dann wird in der Einzahl sowohl die männliche als auch die weibliche Form gewählt.

Die in Artikel 3 Absatz 2 Hamburger Verfassung rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern

(Unruhe im Hause)

ich verspreche Ihnen: ich habe zwei Fassungen, die kurze und die lange; wenn Sie mir jetzt ein bißchen zuhören, wähle ich die kurze – fängt mit der Berichtigung der Begriffe in der Hamburger Verfassung an. Mit der Ihnen vorliegenden Fassung wird diese überfällige Reform der Verfassung vorgenommen. Ich bitte auch da um Ihre Zustimmung.

Die Ihnen nunmehr vorliegende Änderung des Artikel 50 der Hamburger Verfassung sieht vor, daß das Volk zukünftig auch eine Befassung mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung beantragen kann. Bisher war der Senat für den Verfahrensablauf zuständig. Einmal begonnen, konnte das Verfahren nicht mehr vor dem Volksentscheid beendet werden. Dieser Automatismus ließ keine rechtlichen Möglichkeiten zu, daß Erkenntnisse aus einem Diskussionsprozeß in eine Änderung der Vorlage münden konnte. Eine Abänderung durch die Initiative wird es auch schon aus verfassungsrechtlichen Bedenken nie geben können.

Es wird auch weiterhin zwei Beendigungsformen geben. Entweder die Bürgerschaft beschließt ein dem Anliegen der Initiative entsprechendes Gesetz oder eine andere Vorlage, dann ist das Verfahren beendet. Die andere Möglichkeit ist, daß das Verfahren in den Volksentscheid mündet. Dann entscheidet das Volk über die Vorlage oder alternativ gegebenenfalls über den Vorschlag der Bürgerschaft.

Die Erfahrungen aus den Bürgerbebehren und Bürgerentscheiden haben gezeigt, daß, wenn eine Annäherung der Position erkennbar ist, die Durchführung eines besonderen Einigungsverfahrens hilfreich sein könnte. Künftig kann die Initiative den Vorschlag unterbreiten, für längstens drei Monate nach Beschluß der Bürgerschaft einen Diskussionsprozeß aufzunehmen. Zwar liegen aus anderen gesellschaftlichen Bereichen Erfahrungen über Einigungsverfahren vor, jedoch ist die verfassungsrechtlich notwendige Legitimation für ein besonderes Einigungsverfahren nicht so leicht herstellbar.

Beim Gesetzgebungsverfahren kann nur ein verfassungsrechtlich legitimiertes Gremium eine solche Befugnis ausüben, entweder das Parlament oder das Volk durch Abstimmung. Die praktische Handhabung und die Wirkung dieses Instrumentes müssen wir abwarten, insbesondere dahin gehend, ob dann die drei Vertrauensleute der Volksinitiative den Willen zur Einigung und den Mut aufbringen, das Verfahren mit Beschluß des Kompromisses durch die Bürgerschaft zu beenden.

(Unruhe im Hause)

Weil ich keine Lust mehr habe, gegen die Unruhe im Plenum anzureden, spare ich mir die letzten vier Seiten und höre auf. – Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Kruse, und zwar ausschließlich der Abgeordnete Kruse.

Herr Präsident, vielen Dank.

(Unruhe im Hause)

Meine Damen und Herren, der Geräuschpegel in diesem Raum – ich weiß nicht warum, witterungsbedingt kann es nicht sein – ist wirklich zu hoch. Ich bitte noch einmal dafür Sorge zu tragen, daß der Redner zu Wort und zu Gehör kommt.

Meine Damen und Herren! Ich hatte mir als ersten Satz aufgeschrieben: Es hat lange gedauert, aber es ist doch ein ordentliches Gesetz herausgekommen. Insofern, Herr Dr. Schmidt, sind wir nicht weit voneinander entfernt; aber man muß auch einmal etwas anderes feststellen.

Als Ole von Beust und ich vor zweieinhalb Jahren in einer Pressekonferenz ziemlich genau den Vorschlag unterbreitet haben, der jetzt als Gesetz herausgekommen ist, hätten wir möglicherweise sehr schnell beschließen können; auch das hat nicht funktioniert.

Herr Dr. Schmidt, die Sache hat aber tatsächlich einen anderen Haken. In den zweieinhalb Jahren hat nur eine einzige Gruppe, nämlich die Besitzer, Videoverleiher, Gebrauch von der Volksgesetzgebung gemacht. Initiatoren – also ein Teil des Volkes –, entwickeln nicht jede Woche ein Volksgesetz. Deshalb haben wir tatsächlich auch nichts versäumt.

(Uwe Grund SPD: Das war ein Fehler!)

Dafür haben wir jedoch, Herr Kollege Grund, sorgfältig im Ausschuß gearbeitet und auch staatsrechtlich einiges gelernt. Dafür bedanke ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuß, denn es war nicht immer einfach, am Ende etwas zustande zu bringen, dem wir alle zustimmen

können; ich meine aber, wir können es. Die 10 000 Unterschriften sind 0,8 Prozent der Wahlberechtigten, das ist, weiß Gott, nicht viel.

Die zweite Stufe, das Volksbegehren, mit 60 000 Wahlberechtigten, ergab 5 Prozent aller Wahlberechtigten. Das ist in einem verdichteten Großstadtraum eigentlich kein Problem. In Bayern müssen 800 000 Stimmen gesammelt werden, von Passau bis Aschaffenburg, und das ist kein Nahverkehrsbereich wie in Hamburg.

Wir kommen unseren Bürgerinnen und Bürgern also mit sehr viel Vertrauen entgegen, in die Gesetzgebung und in wichtige politische Vorgänge hinein zu entscheiden; das ist das Spannende. Für den Volksentscheid, Herr Dr. Schmidt, brauchen Sie jetzt 240 000 Stimmen in Hamburg. Bei einer bürgerschaftlichen Abstimmung, bei 60 Prozent Wahlbeteiligung, brauchten Sie 360 000 Stimmen. Auch dies ist, wie ich finde, eine faire Relation. Daß wir die Verfassung etwa in der Zustimmung so hoch gehalten haben, finde ich deshalb gerecht, weil es bei uns sehr schwer wird, wenn sich das Parlament entscheiden sollte, eine nicht sinnvolle Verfassungsvorschrift wieder zu ändern. Verfassungsrecht muß Bestand haben. Deswegen halte ich die von uns getroffene Entscheidung für richtig.

Man kann aber so eine Debatte nicht mit ein paar Worten beenden. Herr Dr. Schmidt, Sie sind doch so ein Rousseau-Jünger, der Volonté generale, der allgemeine Wille, wird es schon richten. Ich glaube, daß das Staatsrecht in den letzten 100 Jahren etwas weitergegangen ist. Politiker, parlamentarische Mehrheiten, können im Parlament Fehlentscheidungen treffen, wer wollte das bestreiten.

(Dr. Martin Schmidt GAL: Ist das schon mal vorge- kommen?)

Aber auch die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler kann bei einer Abstimmung zu einem Gesetz eine Fehlentscheidung treffen. Ich finde, man sollte hier nicht das eine gegen das andere ausspielen. Man muß sich in der Tat überlegen, wie in anderen demokratisch verfaßten Ländern die Volksgesetzgebung aussieht. In Frankreich darf, glaube ich, allein der Präsident der Republik zum Referendum aufrufen, sonst niemand. Bei unseren dänischen Nachbarn kann das nur die Regierung. Die Beteiligung des Volkes ist in westlichen Demokratien nur in sehr seltenen Fällen als Volksgesetzgebung geregelt. Ich weiß, daß es in einem der mittelosteuropäischen Länder so ist. Aber ob dort schon eine parlamentarische Demokratie so ausgeprägt ist, daß alles funktioniert, weiß ich nicht; dafür sollten wir alle unseren östlichen Nachbarn noch einmal 50 Jahre eine gute Entwicklung wünschen. Ich weise deswegen darauf hin, weil wir für das Grundgesetz erneut die Debatte für plebiszitäre Elemente aufgemacht haben; das kann gescheit sein. Nachdem alle Bundesländer nun die Regelung haben, sollten wir aber darauf schauen, wie die Erfahrungen der nächsten Jahre sind.

In diesem Sinne plädiere ich für meine Fraktion zur Zustimmung von Artikel 50 der Hamburger Verfassung. Hinsichtlich der anderen Änderung, die die Frauen und Männer im Verfassungstext gleichsetzt, meine ich, sollten Sie auch zustimmen. Ich persönlich hätte es mir einfacher gemacht. Ich hätte alles weiblich gemacht, mit einem Stern versehen als Hinweis, unter dem gestanden hätte: Alle beschriebenen Funktionen dürfen auch von Männern wahrgenommen werden. In diesem Sinne: Zustimmung.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)

Alsdann gebe ich das Wort der Abgeordneten Uhl.

Vielen Dank. Nach Abschluß dieses von Herrn Schmidt in epischer Breite dargestellten schwierigen Prozesses ist es auch ein bißchen der Tag von Herrn Schmidt.

Ich gebe zu, daß ich in meinem Leben auch etwas von Herrn Schmidt gelernt habe.

(Elisabeth Schilling SPD: Das ist ja heute schon die zweite Liebeserklärung! – Präsidentin Dr. Dorothee Stapelfeldt übernimmt den Vorsitz.)

Im Zusammenhang mit der Volksgesetzgebung waren das immerhin zwei Dinge.

Erstens: Er hat mir immer gesagt: Du mußt keine Angst vor dem Volk haben. Zweitens: Man enthält sich nicht; das tut man nicht, man hat immer eine klare Position. Deswegen muß ich heute leider sagen: Weil wir keine Angst vor dem Volk haben, müssen wir ablehnen.

Zu den einzelnen Punkten sage ich Ihnen auch noch warum; vielleicht wollen Sie das auch noch wissen.

(Zurufe)

Ich sage es trotzdem.

Herr Schmidt hat vorhin darauf hingewiesen, daß in dem Gesetz eine Formulierung steht, die nichts anderes bedeutet, als daß auch die Bürgerschaft in der Lage ist, dieses Verfahren, von dem wir reden, zu beenden. Das ist nicht in meinem Interesse, denn dort steht indirekt, daß die Bürgerschaft definiert, was dem Anliegen der Initiative entspricht. Das, finde ich, geht zu weit.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Die Angst vor dem Volk, glaube ich, muß man am Schluß auch nicht mehr haben, Martin Schmidt.

Es gibt aber noch zwei weitere Punkte, auf die hingewiesen wurde. Einer betrifft den Wegfall der Benachrichtigungskarte. Dabei fand ich die Argumentation von „Mehr Demokratie“ sehr überzeugend, wonach es sehr schwer ist, innerhalb von vierzehn Tagen 60 000 Unterschriften zu sammeln, wenn man nicht auf eine solche Benachrichtigungskarte zurückgreifen kann, die im Rahmen dieses Prozesses auch Aufmerksamkeit erregt.