Auch wenn diese Debatte sehr emotional ist, bitte ich Sie und auch die nachfolgenden Redner, möglichst sachlich zu bleiben. Das heißt nicht, daß Sie auf eine vorausgegangene Äußerung, für die ich schon einen Redner zur Ordnung gerufen habe, eine solche bringen, die ich dann auch noch einmal zu rügen habe. Bitte mäßigen Sie sich.
Es ist natürlich – wenn ich selbst angesprochen werde – kaum hinnehmbar, so etwas unkommentiert stehenzulassen.
Zurück zur Sachlichkeit. Ich werde den Versuch von Herrn Salchow, diese Debatte gänzlich in die Grütze zu reden, ein bißchen zurücknehmen.
Es stand die Wette von Herrn Porschke im Raum, die er uns und der Anti-Atombewegung angeboten hat. Er wollte tatsächlich eine Kiste Sekt dafür spendieren, wenn die Demonstration das erreicht, was er nicht konnte.
Seine tatsächliche Position – da gebe ich Herrn Engels einmal recht, wir sind da einer Meinung – über das, was die rotgrüne Regierung anbietet, ist keine andere als die, die zuvor die schwarzgelbe Regierung hatte. Sie haben nur noch den weiteren Betrieb aller Atomkraftwerke in diesem Land zusätzlich abgesichert. Das ist überhaupt kein Ausstieg. Von daher gibt es auch keine Grundlage für das Angebot einer Wette, weil wir hier über zwei völlig unterschiedliche Dinge reden. Sie garantieren den störungsfreien Weiterbetrieb der Atomanlagen, wir wollen etwas ganz anderes. Wir stehen für die sofortige Stillegung von Atomanlagen und nicht erst am Sankt Nimmerleins-Tag, wenn sie sowieso abgeschaltet worden wären. Das ist ein großer Unterschied.
Wir haben schon das eine oder andere Mal zum Thema Zwischenlager geredet. Sie wollen keinen Ausstieg durchsetzen und sehen diese Zwischenlager als Ausweg aus dem Dilemma an, weil kein Endlager angeboten werden kann. Das ist unredlich. Diese Zwischenlager bedeuten nichts anderes als einen Aufschub einer Problemlösung. Rund um Hamburg schaffen Sie an den Standorten zusätzliche Gefahrenpotentiale. Viele andere Gemeinden haben genau das gemerkt und sind der Atomlobby nicht auf den Leim gegangen. Sie legten aufgrund dieses Verfahrens Einspruch ein. Aber Hamburg verzichtet darauf; es akzeptiert das zusätzliche Gefährdungspotential in seinem Ballungsraum. Das ist nicht hinnehmbar, weil diese zusätzliche Gefährdung gerade für Hamburg und seinen Ballungsraum ein zu großes Risiko darstellt, als daß sie akzeptabel ist.
(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke – Dr. Roland Salchow CDU: Quatsch! Beziffern Sie doch mal dieses zusätzliche Gefährdungspotential! Das beten Sie doch herbei!)
(Dr. Roland Salchow CDU: Sie nutzen doch die Ängste, weil Sie politische Geschäfte machen wol- len! Das ist unredlich!)
zu den Einwendern nach Krümmel oder Brokdorf fahren. Dann werden Sie merken, welche zusätzlichen Gefahren dort geplant werden.
Sie sind sicher in der Lage anzuerkennen, daß es bei der Atomenergie nicht um irgendein Thema geht, sondern auch Sie haben inzwischen mitbekommen, daß dieses Thema mit einer unzähligen, unübersehbaren Anzahl von Gefahren verbunden ist. Als Naturwissenschaftler wissen Sie sicherlich, was Halbwertszeiten
(Dr. Roland Salchow CDU: Sie haben gesagt, daß die Castor-Transporte zusätzliche Gefahren ma- chen!)
von 24 000 Jahren Plutonium bedeuten und daß diese Gefahren von Generationen über Jahrtausende hinweg nicht beherrschbar sind. Sie sind nicht in der Lage zu erklären, wie dieses Gefahrengut so sicher gelagert werden kann, daß es nicht in andere Hände geraten und die Menschen und die Natur gefährden kann, und zwar auch dann, wenn Sie nicht mehr leben, Herr Professor Salchow.
Wir haben es erlebt, daß Zwischenlager und Transporte keinen Ausweg darstellen und daß dieser Atomkonsens kein Atomausstieg ist, weil weiter und sogar noch die doppelte Menge an Atommüll produziert wird, ohne daß es dafür eine Entsorgungslösung gibt. Dieser Müll wird viele Generationen weiter gefährden.
Wir können uns um die Frage der Lagerung kümmern und auch mit Ihnen darüber streiten, aber wir müssen erst einmal erreichen, daß dieser zu entsorgende Berg an Atommüll nicht größer wird. Wir wollen erst einmal erreichen, daß die Menge des produzierten Atommülls begrenzt wird. Dafür brauchen wir die Stillegung aller Atomanlagen, und zwar jetzt, und nicht irgendwann.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lieber Professor! Ich wußte gar nicht, daß Sie Herrn Merz nacheifern wollen und auf irgend etwas Schönes stolz sind. Aber vielleicht kommt das auch noch.
Ich wußte auch nicht, daß Sie Probleme haben, auf der Kandidatenliste der CDU einen guten Platz zu bekommen, und deswegen hier so scharfe Reden halten müssen.
Ich möchte eines sagen: Weder bei Herrn Merz noch bei Ihnen darf man so reagieren, die Kämpfe der sechziger und siebziger Jahre noch einmal austragen zu wollen. Ich denke nicht daran, sondern wir machen das ganz anders.
Ich habe 1958 an einer Demonstration für die friedliche Nutzung der Atomenergie teilgenommen. Das haben viele getan; wir haben gegen die Atomrüstung der Bundeswehr gekämpft. Damals haben wir unter der Führung von so bedeutenden Philosophen wie Herr von Weizsäcker geglaubt, das Heil läge in der Atomstromindustrie. Einige Jahre später war sie da.
Dann gab es in Hamburg die Debatte um Brokdorf. Sie haben in einem Punkt recht: Nicht die hiesigen sogenannten K-Gruppen, die man eigentlich nie als K-Gruppe bezeichnet hat, sondern die DKP-Truppe und ihr großes Umfeld haben sich sofort an diese Initiative gehängt und die Parole aufgebracht, nicht gegen den Atomstrom, sondern gegen das Atomprogramm der Bundesregierung zu kämpfen. Sie hatte sogar auf die Formulierung des grünen Grundsatzprogramms von 1979 einen relativ großen Einfluß. Aber real war das nicht so. Es beschränkte sich nur auf die Propaganda und auf das Ankarren vieler Anhänger. Das war eine politisch belanglose Episode in der Geschichte der Bundesrepublik. Der eigentliche Kampf gegen Atomstrom war anders.
Sie haben in einem anderen Punkt wieder recht. Es gab natürlich viele Menschen, die an dieser Stelle vordringlich, ohne Anhänger des DDR-Systems zu sein, den Kampf gegen den Kapitalismus geführt haben. Ich kann mich an eine Diskussion vor der Demonstration erinnern, die am Tag danach zu dem berühmten Hamburger Kessel geführt hat.
Auf Kampnagel gab es im Jahre 1986 eine Debatte um Brokdorf. Eine junge Frau sagte damals, was uns das alles nütze, wenn wir dafür sorgten, daß der Atomstrom abgestellt würde, aber alles bleibe, wie es sei. Das war natürlich der vergebliche antikapitalistische Kampf, den es heute auch noch gibt. Auch dieses war nur eine Episode im Kampf gegen den Atomstrom. Obwohl er immer falsche Gegner und manchmal unsaubere Verbündete hatte, ist dieser Kampf gut vonstatten gegangen und hat im Jahre 2000 zum Atomkonsens geführt.
Ich möchte Ihnen folgendes voraussagen: Angenommen – das ist derzeit unwahrscheinlich –, die CDU gewinnt die nächsten oder übernächsten Bundestagswahlen,
Damit ist klar: Wir haben es wirklich geschafft, daß es eine weltgeschichtliche Episode in Deutschland gegeben hat, in der es hier viel zu lange und viel zuviel, aber dann endlich keinen Atomstrom mehr gab. Das wird die Zukunft sein. Deswegen sollten Sie Ihre forschen Reden etwas leiser halten.
(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Wie fanden Sie denn Ihren Beitrag? – Gegenruf von Karl-Heinz Ehlers CDU: Kämpferisch!)
Ich möchte nur darauf hinweisen, Herr Schmidt, daß wir uns in der Beurteilung der verschiedenen Gruppen, die an diesen Demonstrationen teilgenommen haben, offensichtlich einig sind. Einige andere haben das nicht mehr wahrhaben wollen.
Sie kommen aber aus einem nicht heraus, Herr Schmidt: Ihre Prognose könnte stimmen, daß die CDU-Politik möglicherweise nach 30 Jahren – so lange dauerte es auch bei Ihnen – zu keinem anderen Ergebnis gekommen wäre. Dadurch, daß Sie die alten Kraftwerke auslaufen lassen, wird erkennbar – das hat Frau Schaal auch gesagt –, daß zwischen unseren beiden Langzeitperspektiven keine dramatischen Unterschiede bestehen, denn wir wollten nie neue Kernkraftwerke.
Sie haben gesagt, daß das Gesetz zum Atomausstieg historisch wichtig sei. Ich frage daher noch einmal: Warum ist die Hälfte aller Grünen gegen dieses Gesetz? Einerseits demonstrieren Sie dagegen, aber andererseits halten Sie es für gut. Damit stellen Sie sich politisch als unzuverlässig dar, weil prominente Menschen nach Gorleben reisen und gegen ein Gesetz demonstrieren, das Sie als einen historisch wichtigen Ausstieg bezeichnen.