Protocol of the Session on April 4, 2001

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Koppke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Antwort auf die Anfrage ist mindestens in zwei Teilen schöngeschrieben worden.

Erstens: Thema Schülerinnenbeteiligung. Laut Schülerinnenkammer haben Schülerinnen lediglich an drei Schulen an der Programmentwicklung mitgewirkt. In der Antwort auf die Anfrage lesen wir Zahlen von 60 Prozent Schülerinnenbeteiligung zum Beispiel am Gymnasium. Diese Zahlen stehen in einem so krassen Mißverhältnis zueinander, daß der Senat mindestens die Definition dessen, was Beteiligung ist, vermutlich unverantwortbar niedriggehängt hat, damit das Ergebnis dementsprechend gut aussieht. Eine Autonomieentwicklung ohne größtmögliche Mitbestimmung ist aber entschieden zu kritisieren.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

Schöngeschrieben wurde auch der angeblich nur anfänglich existierende Widerstand vieler Schulen, Programme zu entwickeln. Der Senat beantwortet die Frage, warum einige Schulen zu spät oder gar keine Schulprogramme eingereicht haben, lediglich mit Sachzwängen, wie beispielsweise Terminproblemen oder Schulleiterinnenwechsel und so weiter. Das ist nicht die volle Wahrheit. Viele Schulen haben ihre Programme deswegen extra zu spät eingereicht, um damit ihrem Protest Ausdruck zu geben. Das weiß der Senat auch.

(Christa Goetsch GAL: Das ist totaler Quatsch!)

Nein, das ist kein Kokolores.

Zur Perspektive möchte ich folgendes sagen:

Erstens gilt es, die Beteiligung von Schülerinnen bei der Evaluationsphase eindeutig zu verbessern und die Definition von Beteiligung dementsprechend höherzuhängen.

Zweitens sollen – leider – für die Umsetzung und Weiterentwicklung der Programme nach wie vor keine zusätzlichen Ressourcen oder regelhaften Anrechnungsstunden bereitgestellt werden. Wenn man das Ganze verantwortungsbewußt und mit einem Höchstmaß an Demokratie machen will, ist diese Bereitstellung aber notwendig.

Drittens sehe ich nicht ein, warum die Schulen selber über die Veröffentlichung der Schulprogramme entscheiden sollen. Autonomie hin oder her in diesem Fall.

(Dr. Hans-Peter de Lorent GAL: Oh, oh, da staune ich!)

Ja, wirklich. Das ist für mich kein Punkt von Autonomie.

Es ist insgesamt äußerst bedenklich, wenn Lehrerinnen und Lehrer mehr oder weniger allein bestimmen, welche Schwerpunkte der Bildungsarbeit und Bildungsinhalte in Zukunft in unseren Schulen angesagt werden, und dann auch noch darüber entscheiden, ob sie diese Schwerpunkte öffentlich machen. Da bitte ich den Senat um Korrektur.

(Beifall bei REGENBOGEN – für eine neue Linke)

(Wolfgang Beuß CDU)

A C

B D

Das Wort bekommt Senatorin Pape.

(Dr. Roland Salchow CDU: Wieder so lange wie vorhin?)

Mal gucken, es ist ja jetzt so viel gefragt worden.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erst habe ich gedacht, ich könnte es auch kurz machen, aber die beiden letzten Redebeiträge haben gezeigt, daß das doch nicht geht. Offensichtlich sind einige klärende Worte erforderlich.

(Dr. Roland Salchow CDU: Überzeugen Sie uns!)

Das Leitbild der Weiterentwicklung des hamburgischen Schulwesens war in den letzten Jahren erweiterte Eigenständigkeit, und Schulprogramme sind ein zentrales Instrument gewesen. Die Schulprogrammarbeit ist nicht erst erfunden worden, sondern sie basiert darauf, daß viele Kollegien sich schon vor Jahren auf den Weg gemacht haben, zu überlegen, wie das pädagogische Programm und das pädagogische Profil ihrer Schule aussehen soll, weil sie die Bedarfe vor Ort genauestens kannten. Dieses hat Hamburg systematisiert, indem die Schulprogrammarbeit im Schulgesetz verankert und für alle verbindlich gemacht worden ist. Man kann schon heute sagen, es ist ein Erfolgsmodell, das dazu geführt hat, daß es intensive Klärungsprozesse in allen Schulen gegeben hat. Wenn Sie, Herr Beuß, sagen, manche Kollegien meinen, es sei so anstrengend gewesen, dann habe ich das zwar auch schon gehört. Dann kann man aber nur sagen, das stimmt, das ist es ja auch gewesen. Es geht natürlich auch vielen Kollegien so wie demjenigen, der sich entschieden hat, einen Berg zu besteigen. Diese Entscheidung – wer immer das einmal gemacht hat – verflucht man auf dem Wege ganz häufig. Aber dann, wenn man oben ist, weiß man, was man geschafft hat, und ist stolz darauf.

(Hartmut Engels CDU: Besser wäre es gewesen, wenn wir über Bildungsmangel geredet hätten!)

Es ist ein Ergebnis dieses Prozesses, daß von 429 Schulen – bis auf eine minimale Ausnahme, Frau Koppke – eine das Schulprogramm nicht abgegeben hat. Die Schulen haben sich also flächendeckend fast alle der Mühe unterzogen, diese Arbeit geleistet und Schulprogramme abgegeben.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Schulprogramme sind sinnvoll, weil sie die Kompetenzen der Kolleginnen und Kollegen vor Ort aufgreifen. Das sind die Fachleute für Lernen und Lernen für ihre Schülerschaft. Das ist ein zentraler Punkt der Schulprogrammarbeit gewesen. Sie setzen Schwerpunkte, und dieses ist der Ansatz, um die Qualität von Schule und Unterricht in der Einzelschule zu verbessern.

Wir sprechen heute zugegebenermaßen über einen ersten Teilschritt der in Auftrag gegebenen Beurteilung. Wir haben Herrn Professor Holtappels von der Universität Dortmund mit einer wissenschaftlichen Auswertung der Schulprogramme beauftragt.

(Wolfgang Beuß CDU: Die warten wir erst einmal ab!)

Es sind 15 000 Seiten. Herr Holtappels hat inzwischen festgestellt, daß er die Auswertung nicht ganz in dem Zeitraum, den er sich zunächst vorgenommen hatte, schaffen

wird, diese Inhaltsanalyse zu bewältigen. Deswegen rechnen wir jetzt mit der Auswertung der Inhalte im Sommer. Sie soll Aufschluß geben über Zusammenhänge zwischen typischen Problemlagen und entwicklungsbezogenen Vorgehensweisen, die die Schulen dafür gefunden haben, über inhaltliche Gestaltungsschwerpunkte, Organisationslösungen und Entwicklungsbedarfe. Ich glaube, daß wir alle mit großem Interesse und großer Spannung dieser inhaltlichen Auswertung entgegensehen werden. Dennoch kann man an der Auswertung, die uns jetzt vorliegt, die im Grunde genommen nur Kerndaten erfaßt hat, einiges ablesen. Nachdem dieses Instrument in der Debatte als zweifelhaft dargestellt worden ist, möchte ich an dieser Stelle noch einmal unterstreichen, wie ich diese erste Auswertung bewerte. Sie zeigt folgendes:

Erstens: Die Hamburger Schulen tragen in ihrer Schwerpunktsetzung deutlich veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen Rechnung. Wenn man sieht, welches die am häufigsten genannten Schwerpunkte sind, stellt man fest, neue Medien und Berufsorientierung.

Zweitens: Drei von fünf Schulen legen Schwerpunkte dezidiert in den Bereich curricularer Weiterentwicklung und stellen sich damit sehr wohl der Aufgabe der inhaltlichen, qualitativen Verbesserung ihres Unterrichtsangebots. Das ist das zentrale Anliegen, das wir in der Schulpolitik verfolgen müssen. Ich erinnere an TIMSS und die internationalen Bewertungen, die gezeigt haben, das ist der Schlüssel zur qualitativen Verbesserung des Unterrichts. Das ist unsere zentrale Aufgabe. Hier kann man sagen, die Schulen haben sich sehr wohl dieser Herausforderung gestellt und hierzu sehr eindrucksvoll gearbeitet.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Drittens: Ein weiterer Schwerpunkt ist gesetzt worden von sehr vielen Schulen im Bereich „Stärkung der sozialen Kompetenz“, „Soziales und interkulturelles Lernen“, „Gewaltprävention am Beispiel Teilnahme Streitschlichterprogramm“, „Differenzierte Förderung von Schülerinnen und Schülern“. Das ist in fast allen Schulen in der einen oder anderen Form zum Schwerpunkt erkoren worden. Wir können froh darüber sein, daß die Schulen dieses nach wie vor als wesentliches Erziehungsziel sehen und verfolgen.

(Beifall bei der SPD und der GAL)

Viertens: Ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt ist die Gestaltung des Zusammenlebens an der Schule. Auch darüber können wir froh sein, weil es in Wirklichkeit heißt, die Schulen machen sich darüber Gedanken und trainieren mit ihren Schülern, wie man in einer Schulgemeinschaft gedeihlich zusammenarbeiten und das Zusammenleben fördern kann und wie man alle an einer Schule Beteiligten integriert. Auch das ist doch positiv, lebens- und lobenswert und sehr zu begrüßen.

Die Schulprogrammarbeit hat mit der Abgabe der Schulprogramme ihren ersten Höhepunkt gefunden.

(Wolfgang Beuß CDU: Über Höhepunkte kann man streiten!)

Es ist aber mehrfach darauf hingewiesen worden, daß sie als ein Prozeß angelegt worden ist, der weitergeht: erstens weiter mit der Umsetzung der Programme und der gefundenen Schwerpunkte und zweitens mit der Überprüfung der Evaluation und der Veränderung dann, wenn man feststellt, es haut nicht so hin, wie man sich das gedacht hat.

Insofern haben wir in der Antwort deutlich gemacht, daß Elternbeteiligung und auch die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern nicht überall von Anfang an mustergültig funktioniert haben. Aber der Prozeß hat dazu geführt, daß diese Gruppen im Laufe des Prozesses immer stärker einbezogen und beteiligt worden sind oder jedenfalls eingefordert haben, sich zu beteiligen. Auch das ist, auf den Prozeß der Diskussion bezogen, positiv und wird dazu führen, daß die Beteiligung bei der Umsetzung und Weiterentwicklung dieser Programme deutlich besser sein wird. Auch deshalb hat es sich gelohnt.

Auf der Basis der Betrachtung dieser Kerndaten, die zugegebenermaßen nur einen ersten Blick ermöglichen, sind die Ergebnisse positiv. Ich komme zu der Bewertung, daß die Mühe sich gelohnt hat. Die Ergebnisse, die wir haben, weisen darauf hin. Wir können optimistisch sein, was die inhaltliche Analyse ergeben wird. Ich bin nach dem ersten Blick in die erste Auswertung optimistisch. Deswegen möchte ich die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, ohne allen einen herzlichen Dank zu sagen, die sich daran beteiligt und diese große Mühe auf sich genommen haben. Das ist etwas, was in diesem Hause die Anerkennung und die Würdigung des gesamten Hauses findet. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der GAL und der CDU)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann stelle ich fest, daß die Große Anfrage besprochen worden ist.

Ich rufe auf die Tagesordnungspunkte 24 und 27: Drucksachen 16/5611 und 16/5665, Mitteilungen des Senats zur Reduzierung des Heizenergie- und Stromverbrauchs und zum Thema „Grüner Strom“ für Hamburg.

[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 14. Dezember 1999 (Drucksache 16/3576) – „Reduzierung des Heizenergie- und Stromverbrauchs“ – – Drucksache 16/5611 –]

[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 3./4. März 1999 Drucksache 16/1569 – „Grüner Strom“ für Hamburg – – Drucksache 16/5665 –]

Die SPD möchte beide Drucksachen an den Umweltausschuß überweisen. Das Wort wird gewünscht. Die Abgeordnete Vogel hat es.

(Dr. Roland Salchow CDU: Oder will die SPD roten Strom? – Gegenruf von Uwe Grund SPD: Jeden- falls keinen schwarzen!)