Protocol of the Session on February 14, 2001

(Anhaltender Beifall im ganzen Hause)

Das Wort hat Frau Koppke.

Frau Präsidentin, sehr verehrter Herr Lenz, meine Damen und Herren!

„Wenn überhaupt, dann kann nur eine tatkräftige und phantasievolle Politik etwas ändern.“

Dieser treffende Satz stammt nicht etwa von der REGENBOGEN-Bürgerschaftsgruppe, diesen Satz formulierte Siegfried Lenz in seiner Dankesrede anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1988. Und er hat gut gesprochen damals. Lenz rief in seiner Ansprache zum Widerstand gegen diejenigen auf, „die den Frieden bedrohen mit ihrem Machtverlangen, mit ihrer Selbstsucht und ihren rücksichtlosen Interessen“. Er beklagte eine zunehmend „vergiftete Erde, verseuchtes Wasser und den Tod von Tieren und Pflanzen“. Siegfried Lenz, diese „Ein-Mann-Partei“, wie er sich selbst einmal bezeichnete, hat sich eingemischt, die Finger in viele Wunden gelegt und damit gleich mehreren Generationen als demokratisch-humanistischer Wegweiser gedient. Er wollte als Schriftsteller „nie mit einer Schere schöne Dinge aus Silberpapier schneiden“, wie er bereits 1962 bekundete, vielmehr hoffte er, daß er „mit dem Mittel der Sprache den Augenblicken unserer Verzweiflung und den Augenblicken eines schwierigen Glücks Widerhall verschafft“.

Wer anderes hat es vermocht, im In- und Ausland eine „Deutschstunde“ zu erteilen, die glaubwürdiger ist als alles, was je auf dem Stundenplan stand. Wenn Literatur in der Art, wie Siegfried Lenz sie schreibt, nur ein wenig mehr Wirkung hätte, so bräuchten wir für die Gegenwart wie für die Zukunft nicht zu fürchten, daß nationales Auftrumpfen und blinder Fortschrittsglaube wieder triumphieren könnten über Nachdenklichkeit und Erinnerungsvermögen.

Wenn Siegfried Lenz nunmehr nach über fünfzigjährigem Leben und Wirken in Hamburg die Ehrenbürgerwürde dieser Stadt verliehen wird, so ist dies ein Anlaß, seine Literatur und seine kritischen Gedanken wieder mehr ins Gespräch zu bringen. Wir begrüßen diese Würdigung gerade in und für die Freie und Hansestadt Hamburg, die sich so gerne als Standort des Erfolges, des Wohlstandes und des Glanzes des neuen Wirtschaftswunders präsentiert. Sie ist von Siegfried Lenz oft als Schauplatz seiner Erzählungen und Romane, seiner Hörspiele und vieler anderer Texte gewählt worden, und dies geschieht nie verklärend – im Gegenteil.

Die Kritik an der politischen Vereinnahmung des Heimatbegriffs ist ein Grundthema von Siegfried Lenz, der seinen

Leserinnen und Lesern auch die eigene ostpreußische Heimat auf eine Weise nahebringt, die ihn über jeden Verdacht des Revanchismus erhaben sein läßt. Und wem etwa die Erzählung „Der Mann im Strom“ ein Bild vom Hamburger Hafen gezeichnet wird, für den oder die ist diese Stätte nicht mehr nur Touristenkulisse, Wirtschaftsstandort und Immobiliengelände, sondern auch Ort der Vergeblichkeit, Angst und Verzweiflung. Insbesondere das Scheitern und den Verlust führt Siegfried Lenz literarisch vor Augen, als überzeitliche, exemplarisch dargestellte menschliche Grunderfahrungen, aber auch als Zeitkritik an den Schattenseiten des Wirtschaftswunders in der Nachkriegsrepublik. In seinen Texten wird dabei gerade der Blick für die Außenseiter und Außenseiterinnen, die Schwachen und Benachteiligten geschärft.

„Der Hoffnung Namen zu geben... und die Not als veränderbar zu beschreiben“,

diese einfach klingenden und dem Zeitgeist doch so widerstrebenden Ziele hat Siegfried Lenz einmal für sein Schreiben benannt. Sie sind hier und heute so aktuell wie vor 50 Jahren – allen Veränderungen zum Trotz. Und deshalb freue ich mich über Hamburgs neuen Ehrenbürger Siegfried Lenz.

(Anhaltender Beifall im ganzen Hause)

Nachdem niemand weiter das Wort begehrt, kommen wir jetzt zur Abstimmung.

Wer möchte dem Antrag des Senats folgen und zustimmen, daß Herrn Siegfried Lenz das Ehrenbürgerrecht der Freien und Hansestadt Hamburg verliehen wird? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Die Bürgerschaft hat diesen Beschluß einstimmig gefaßt. Herzlichen Glückwunsch, Herr Lenz.

(Anhaltender Beifall im ganzen Hause)

Die Bürgerschaft hat damit das Ihrige getan, Herr Bürgermeister. Meine Damen und Herren, die Sitzung wird jetzt für ungefähr eine Stunde unterbrochen.

Unterbrechung: 17.26 Uhr

Wiederbeginn: 18.26 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich darf noch einmal herzlich bitten, im Festsaal Bescheid zu sagen, daß die Sitzung wieder eröffnet ist.

(Zuruf: Wir haben Bescheid gesagt!)

Sie haben Bescheid gesagt, ich bedanke mich.

Es ist natürlich für den jetzigen Debattenredner keine sehr schöne Kulisse.

Meine Damen und Herren! Die nunmehr 20 Abgeordneten, die hier jetzt anwesend sind, sind auf das heftigste zu belobigen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf. Die Wahlen haben wir wegen des fast zu befürchtenden Bildes auf den Tagesordnungspunkt hiernach einvernehmlich verschoben. Das heißt, nach dem Tagesordnungspunkt 15 werde ich dann die Wahlen aufrufen.

Nunmehr die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Weiterentwicklung der Altentagesstätten in Hamburg.

(Antje Möller GAL)

A C

B D

[Große Anfrage der Fraktion der SPD: Die Weiterentwicklung der Altentagesstätten in Hamburg – Drucksache 16/5398 –]

Das Wort wird hierzu gewünscht. Der Abgeordnete Baar hat es.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle fest, daß ich es in zweifacher Hinsicht schwer habe.

Erstens: Der politische Alltag hat uns wieder, die großen Reden sind jetzt vorbei. Ich kann das, was hier geschehen ist, nicht nachmachen.

Zweitens – das ist wieder typisch –: Nun haben wir endlich einmal ein Seniorenthema und sind noch früh am Abend dran, und was ist? – Der Saal ist leer.

(Karl-Heinz Ehlers CDU: Es sind keine Senioren da!)

Nun will ich denjenigen, die hier sind, nicht den Vorwurf machen, denn man soll nie die beschimpfen, die in der Kirche sind, sondern immer die, die nicht kommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich halte aber mein Referat, ich kürze nicht. Es tut mir leid, daß die anderen dann den Nachteil haben, wenn sie nicht da sind.

Am Anfang möchte ich einmal die Feststellung machen, daß wir hier in Hamburg nach wie vor ein gut funktionierendes Netz an Altentagesstätten haben. Die Große Anfrage soll also in diesem Falle nicht der Kritik dienen, sondern sie soll aufzeigen, daß wir vorausschauend in dieser Frage Änderungen brauchen. Dieses ist uns allen, glaube ich, bewußt.

Wie aus der Beantwortung der Großen Anfrage hervorgeht, sind eine große Anzahl von ehrenamtlichen Mitarbeitern in den Altentagesstätten tätig. Nach der Antwort des Senats habe ich ausgerechnet, daß es circa 650 Ehrenamtliche gibt. Wenn man dann noch die Ehrenamtlichen in den Seniorenkreisen, in Gruppen der Verbände, der freien Wohlfahrtspflege, in den Altenkreisen des Seniorenbüros, in den Sportvereinen und ähnliches dazuzählt, kommen wir auf weit über 1000 Ehrenamtliche, die im Seniorenbereich tätig sind. Ich meine, daß dieses hier die Stelle ist, wo wir einmal ganz eindeutig ein Dankeschön an diejenigen richten sollten, die im Seniorenkreis diese ehrenamtliche Arbeit machen.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir haben die Hoffnung, daß sie noch möglichst lange bei der Stange bleiben, denn sonst wäre es aus mit dieser Arbeit. Wir wissen, daß über 23 Prozent der Hamburger inzwischen über 60 Jahre alt sind, und dieses macht es einfach notwendig.

Ich weiß nicht, inwieweit Sie in diese Broschüre „Aktiv im Alter“ einmal hineingeguckt haben, hinten im Nachtrag. Dort werden Sie eine unwahrscheinliche Zahl von Institutionen, von Verbänden, von Gruppen finden, die Seniorenarbeit machen. Ich glaube, daß es wohl kaum eine Stadt in der Bundesrepublik gibt, wo soviel offene Seniorenarbeit gemacht wird, und trotzdem: Es ist sicher nicht genug. Ernst Weiß hat damals als Senator die These ausgegeben, wir brauchen flächendeckend die Altentagesstätten. Sie sind installiert worden. Ob sie nach der heutigen Sicht noch so funktionieren, wie sie seinerzeit regional installiert

worden sind, darüber muß sicher geredet werden, denn es hat sich einiges verändert. Vom Senat ist uns der Bericht für das Jahr 2001, das heißt, nachdem 2001 vorbei ist und man die Erkenntnisse gesammelt hat, versprochen worden. Darüber müssen wir anschließend sicher reden und dieses ausführen.

Wir alle wissen, daß die Kreise der Älteren noch größer geworden sind. Die Älteren fühlen sich insgesamt jünger, und vor allen Dingen ist ein großer Teil aktiver. Der Besuch der jetzigen Altentagesstätten in ihrer jetzigen Struktur ist trotzdem rückläufig und wird noch weiter rückläufig sein.

Wie gehen wir mit diesem Wissen um? – Einfach zur Tagesordnung übergehen, ist sicher zuwenig. Die Frage hat uns dazu gebracht, die Große Anfrage zu stellen. Natürlich werden Sie jetzt sagen, das wissen wir doch alle, das ist doch nichts Neues. Nur, wenn wir das denn wissen, dann genügt das doch eigentlich nicht. Wenn wir das wissen, dann müssen wir doch anfangen, etwas zu ändern. Wir wollten von dem Senat eine Antwort zur Ist-Situation, auf die Konsequenzen, die er daraus ziehen will, und auf die Perspektiven dazu. Uns war auch bekannt, daß an dieser Stelle die ehrenamtlich Tätigen immer weniger werden. Der natürliche biologische Rückgang, das ist klar, sie werden älter, sie ziehen sich zurück, sie können nicht mehr helfen, die Anzahl ist dezimiert. Und der Nachwuchs? – Na ja, bei den Alten vom Nachwuchs zu sprechen, ist auch ein bißchen makaber, aber das ist halt so. Der Nachwuchs, der kommt, schließt die vorhandenen Lücken nicht mehr. Dieses Problem macht uns eigentlich die größten Sorgen, denn ohne Ehrenamtliche funktioniert in diesem Bereich überhaupt nichts.

Nun lassen Sie mich zu einigen Fragenkomplexen kommen.

Die Situation der Altentagesstätten in Hamburg: Wenn es denn so ist, daß es in einigen Altentagesstätten steigende Besucherzahlen gibt, der Besuch insgesamt aber zurückgeht, wie uns geschildert wurde, dann ist doch sicher bei einigen Altentagesstätten die ganze Situation sehr mau. Klar, das Freizeitverhalten hat sich geändert bei den Älteren. Die Angebote vom Kaffeetrinken und Bingospielen reichen einfach nicht mehr aus. Das führt sicher auch dazu, daß einige Altentagesstätten, wie der Antwort zu entnehmen ist, Mühe haben, die erforderliche Öffnungszeit anzubieten. Wenn es weniger Aktivitäten gibt, gibt es auch weniger Ehrenamtliche, denn, wenn es langweilig wird, hat keiner mehr Lust, da zu arbeiten.

Die derzeitige Angebotsstruktur und die Bedürfnisse und Wünsche der Älteren: Alle 99 Altentagesstätten müssen auch weiterhin, meine ich, ein sozialpolitisch gefördertes Element für die Älteren im Stadtteil sein und bleiben. Sie müssen aber ein anderes Image bekommen, um andere, aktivere und neue Besucher zu bekommen, neue Namensgebung, neue Türschilder, einfach moderner sein. Neue Programme und Aha-Effekte im Stadtteil sind dabei wichtig und notwendig. Hier hat der Senat durch die Installation der Internet-Cafés mit einigen Altentagesstätten und der Telekom zusammen schon einiges zur Verbesserung der Situation getan. Trotzdem: Wir wissen alle, daß ein Siebzigjähriger sich noch zu jung fühlt, um in eine Altentagesstätte zu gehen, und eine Achtzigjährige sagt dann sehr oft, wenn ich sie anspreche, ich will doch nicht zu den Alten hin. Das ist das Problem. Und dieses Klein-Generationsproblem zu lösen, da wissen wir sicher alle keine Antwort. Aber man hört es immer wieder: Ich bin alleine, ich möchte gerne Bekanntschaften haben, und wenn es heißt,

(Vizepräsident Berndt Röder)

geh doch in die Altentagesstätte, dann sagen sie, nein, zu alten Leuten will ich nicht. Das heißt, dieses ist sicher auch eine Frage des Images.